Georg Seeßlen

Filmwissen: Abenteuer

Grundlagen des populären Films

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Schüren Verlag GmbH
Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg
www.schueren-verlag.de
© Schüren 2011
Aktualisierte und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1996
Umschlaggestaltung: Wolfgang Diemer, Köln unter Verwendung
eines Fotos aus dem Film King Kong
(USA 2005, Regie: Peter Jackson; Universal)
Druck: druckhaus koethen, Köthen
Printed in Germany
ISBN 978-3-89472-704-2 (Print)
ISBN 978-3-89472-705-5 (ebook)

Inhalt

Sandalen und Muskeln: Der Antikfilm

Klassiker des frühen Hollywood-Sandalenfilms

Hollywoods antike Parabeln 1950–1960

Der italienische Antikfilm

Ausklang eines Genres

Schwerter und Magie: Der Ritterfilm

König Artus und die Ritter der Tafelrunde

Liebe, Tod und Teufel: Hollywoods Ritter in den 1950er Jahren

(Mehr als) zweimal: Die Nibelungen

Robin Hood, der König der Rebellen

Vom Ritterfilm zur Fantasy

Totenkopf und weiße Segel: Der Piratenfilm

En garde! Der Mantel & Degen-Film

D’Artagnan und die drei Musketiere

Das Geheimnis von Monte Christo

Die Erben der Musketiere

Der Mann mit der Maske

Die letzten Abenteurer

Die Erbschaft des Kolonialismus

Columbus oder: Das verlorene Paradies

In Darkest Africa

Survival Games: Das letzte Abenteuer

Der Affenmensch, das Paradies und die Kindervorstellung

1975–1995: Wiedergeburt aus dem Geist der Postmoderne

Indiana Jones und die Suche nach der verlorenen Unschuld

Alte Helden sterben nicht

Am Anfang war …

Die neuen Barbaren

Magie und Muskeln

Camelot revisited

Neues vom Sherwood Forest

Pirate’s Gold

En garde (again)!

1995–2012: Abenteuer im Irrealis

Indiana Jones und seine Epigonen

Finstere Zeiten: Mittelalter-Filme zwischen Abenteuer und Apokalypse

Piraten, Schätze, Inseln

Neue Sandalen

Wasser und Wüste: Elementares im Abenteuer

En garde! (Encore une fois)

Abenteuer im Retrolook

Afrikanische Abenteuer

Zurück auf Anfang

Ein neues Reich von Pracht und Abenteuer: Historische Epen aus China, Japan und Korea

Anhang

Zitierte Bücher und Aufsätze

Bibliografie

Klassiker des frühen Hollywood-Sandalenfilms

Ein Schlüsselwerk des frühen Monumentalfilms ist sicher der nach dem Roman von Lewis Wallace entstandene Film Ben Hur ( Ben Hur ; 1924/26, Regie: Fred Niblo), der mit rund sechs Millionen Dollar Produktionskosten der teuerste Film der Stummfilmzeit ist. (Er wurde zugleich zum erfolgreichsten.) Die Geschichte des Erfolgs dieses Films setzt die des Romans fort; schon 1899 war eine dramatisierte Form des 1880 erschienenen und sensationell erfolgreichen Romans herausgebracht worden.

In der von Montana Heiss und Alexander Marinoff herausgegebenen Broschüre Der Spielfilm im ZDF 1/1982 heißt es zur weiteren Produktionsgeschichte des Stoffes:

«1907 drehten Sidney Oleott und Frank Oakes Rose eine rund fünfzehnminütige Filmversion und führten damit die Gesellschaft Kalem in den ersten Urheberrechtsprozess der Filmgeschichte, der den Wallace-Erben 25 . 000 Dollar einbrachte. Abraham Erlanger, der die Bühnenrechte besaß, gründete 1921 eigens die Firma CCC (Classical Cinematograph Corporation), um für 600 . 000 Dollar die Filmrechte zu erwerben und sie für eine Million an den Produzenten Samuel Goldwyn wieder zu verkaufen. Ein Geschäft auf Gewinnbeteiligungsbasis kam schließlich zustande, in das später der Firmenzusammenschluss MGM (Metro-Goldwyn-Mayer) eintrat, dem Goldwyn selbst nicht mehr angehörte. Diese wechselvollen Verhandlungen wirkten sich natürlich auch auf die Dreharbeiten aus, die dann drei Jahre währen sollten. Die Regisseure Rex Ingram und George Brabin wurden nacheinander ebenso entlassen wie der Star George Walsh; alles bisher gedrehte Material wurde vernichtet. MGM übertrug die Hauptregie nun Fred Niblo (Federico Nobile, 1874–1948). Und mit dem Mexikaner Ramon Novarro (Ramon Samaniegos, 1899–1968) wollte man dem Paramount-Star Rudolph Valentino ein anderes romantisches Idol entgegensetzen.

Gedreht wurde zunächst in Italien, wo man auf dem Gebiet des historischen Monumentalfilms große Erfahrung hatte. Nun betrieben die Amerikaner hier mit viel Geld ein Unternehmen, das die italienische Filmproduktion inmitten politischer Wirren total ruinierte. Man okkupierte fast alle Produktionsstätten und verdarb mit Höchstgagen die Preise.

Die große Seeschlacht wurde bei Livorno gedreht. Dazu hatte man anderthalb Jahre lang eine römische Flotte und Golthars Piratengaleeren – 100 Triremen mit Segeln und dreifachen Ruderbänken – nachbauen lassen, um sie dann mit Hilfe von hochbezahlten Matrosenstatisten wirkungsvoll brennend zu vernichten. Die teils farbigen Massenszenen in Jerusalem, Antiochia und in der Wüste entstanden in der Nähe von Rom. Tragische Unglücksfälle und ein sich zu schnell erschöpfender Etat bewogen MGM zum Abbruch der Dreharbeiten in Italien. Man war überzeugt, in Los Angeles billiger arbeiten zu können, und ließ den gigantischen Circus Maximus von Antiochia noch einmal unter der Leitung des Architekten und Archäologen Horace Jackson nachbauen, und zwar so, dass die Arena durch eine exzellente Tricktechnik sogar noch größer wirken konnte.

Ohne Tricks inszenierte dagegen B. Reeves Eason (1886–1956) in prunkvoller Ausstattung (Cedric Gibbons) mit 12.000 Statisten und zwölf Quadrigen das im wahrsten Sinn des Wortes mörderische Wagenrennen über sieben Runden und ließ es von 42 Kameras – aus eingebauten Unterständen, auf Automobilen und von einem Flugzeug aus – verfolgen, bis hin zum unvorhergesehenen Sturz des korinthischen Wagens, durch den vier Pferde starben und andere Quadrigen ebenfalls verunglückten. Ein Wettkampf von gigantischen Ausmaßen auf 16.000 Meter Film. Selbst das mit modernsten Techniken gedrehte Wagenrennen in der Neuverfilmung von 1959 reicht in vielen Details kaum an dieses Stummfilmereignis heran.»

Ben Hur enthielt 15 Minuten Film in Farbe, und das übrige Material hatte man monochromatisch viragiert (in dieser, der ursprünglichen Intention entsprechenden Form musste der Film von der ZDF-Filmredaktion erst in mühsamer Arbeit und nach Recherchen in allen Filmarchiven der Welt rekonstruiert werden). Der Monumentalfilm trägt diese Bezeichnung zu Recht also nicht nur wegen der Monumentalität dessen, was er abbildet: eine antike Welt, deren Glanz, deren gigantische Technik und Organisation sich entfaltet, ohne in jedem Fall sich ganz auf rationale Beweggründe zurückführen zu lassen. Die Abenteuerlichkeit des Monumentalfilms entsteht auch aus dem «Überfluss», den die antike Kultur nach Meinung der Autoren und Regisseure zur Schau stellt; schon weil alles größer und beladener ist, als es eigentlich sein müsste, wird sich hier das Abenteuer ereignen.

Die Handlung des Films hält sich ziemlich genau an die literarische Vorlage: Es ist die Zeit, da sich die Kunde vom Wirken Christi in den von den Römern besetzten Gebieten um Palästina verbreitet. In Jerusalem wird dem Prokurator Gratus ein triumphaler Empfang bereitet. Juda Ben Hur (Ramon Novarro) begrüßt aus seinem Gefolge als alten Freund den römischen Hauptmann Messala (Francis X. Bushman) in seinem Haus; es stellt sieh jedoch heraus, dass diesem die Zugehörigkeit zur römischen Macht mehr bedeutet als die Freundschaft. Bei dem großen Triumphzug löst sich vom Haus der Familie Hur ein Ziegel und trifft Gratus. Messala deutet dies als Attentat und lässt die Witwe Hur sowie die Tochter Tirzah in den Kerker sperren. Ben Hur wird auf eine römische Galeere gebracht, wo er mit vielen anderen als Rudersklave dient. Was ihn trotz aller Qualen und Entbehrungen am Leben erhält, ist der Hass auf Messala und sein Wunsch nach Rache. Nachdem die Galeere bei einem Kampf mit Piraten versenkt worden ist, rettet Ben Hur dem römischen Admiral Arrius (Frank Currier) das Leben, da dieser als einziger ihn menschlich behandelt hat. Arrius nimmt ihn, nachdem andere römische Schiffe sie aufgenommen und nach Italien gebracht haben, an Sohnes statt an. Juda Ben Hur wird zum geehrten und gefeierten Wagenlenker bei den berühmten Kampf-spielen.

In seine Heimat zurückgekehrt, springt Ben Hur für einen getöteten Wagenlenker ein, als er hört, dass Messala an dem angesetzten Rennen teilnehmen wird. Messala versucht mit allen Mitteln in einem auf Leben und Tod ausgetragenen Rennen seinen Widersacher zu bezwingen, doch am Ende ist er es, der aus der Kampfbahn getragen wird.

Ben Hur sammelt eine Armee, um dem «König der Juden», von dem er gehört hat, im Kampf gegen die römische Besatzung beizustehen. Er begegnet Jesus jedoch erst auf dessen Weg zur Kreuzigung, und dieser lehnt jede Hilfe ab. Doch er zeigt seine Macht, indem er die als Aussätzige aus dem Kerker entlassene Mutter und seine Schwester von ihrer Krankheit heilt.

Siegfried Kracauer hat den Film (und ein wenig wohl auch das ganze Genre) durch einen Vergleich mit Sergej Eisensteins Bronenosec Potemkin ( Panzerkreuzer Potemkin ; 1925) auf seinen Grundwiderspruch zwischen der Gigantomanie der Abbildung und der letztlichen Bedeutungslosigkeit der erzählten Geschichte hin kritisiert:

«Der Roman, der den Anstoß zu den Massenbildern gab, gehört zu jenen mittelmäßigen Werken, die durch ihr stark aufgelegtes Kolorit breite Schichten bewegen. Gerade noch durch den Aufwand mochte es gelingen, die Handlung für den Film zu retten. Eine geringere Quantität der Mittel, und man hätte eine der üblichen historischen Verfilmungen erhalten, die irgendein gleichgültiges Einzelschicksal in veralteten Trachten aufrollen. Durch den Zahlenrekord ist immerhin eine Prunkoper entstanden, die der Schaulust Genüge tut. Die Unzulänglichkeit des Gehalts legt einen Abgrund zwischen ‹ Ben Hur › und den ‹Potemkin -Film. Hier geht es um die Wirklichkeit, die im ästhetischen Medium des Films getroffen wird, dort ist auf dem Grund eines welthistorischen Stoffes eine kleine Privatangelegenheit groß gemalt

Freilich entwirft Ben Hur , wie viele Antikfilme, doch auch neben dem Geschichtsbild ein politisches: Der Held ist das Gegenteil eines Revolutionärs, seine Motive bestehen zunächst aus nichts als persönlicher Rache, und so führt ihn sein Lebensweg wie die nahezu aller amerikanischen Helden eigentlich nur am Rande der Weltgeschichte entlang. Wo er sich einmal als historisches Subjekt erweisen will, da hindert ihn eine Wendung der Handlung daran. Und doch klärt er für sich die Fronten.

Aber Ben Hur ist auch der unbeugsame Individualist, der sich von Geschichte nicht korrumpieren lassen will, der sich dennoch zur politischen Tat durchringt, bevor er von Christus selbst davon entbunden wird. So ist Ben Hur im Kern das Drama des Bürgers, der nicht zur Geschichte kommen kann. Die Motive der Handlung heben sich beständig gewissermaßen gegenseitig auf und machen eine historische, politische Parteilichkeit unmöglich. Und doch erlauben sie ein sehr amerikanisches Ideal von der Beziehung zwischen Individuum und Geschichte zu entwerfen, nach dem Geschichte und Moral sich auf zwei verschiedenen Ebenen abspielen. So überlagern sich Geschichte und persönliches Schicksal zwar, bedingen sich aber nur bis zu einem gewissen Grad; das Abenteuer führt den Helden weg vom historischen Zusammenhang und nur zur eigenen Ganzheit. Das Glück liegt außerhalb der Geschichte, und auch die Religion wird in erster Linie als «Erlösung von Geschichte» begriffen. Zugleich versöhnt das Abenteuer (wenn es auch von tragischen Elementen durchzogen ist) den Helden (und das Publikum) mit der vom Christentum geforderten Passivität. Ganz folgerichtig steht am Ende nicht Triumph und Sieg, sondern die Wiedervereinigung der Familie. Insofern beschreibt Ben Hur vielleicht so genau die Grundlagen bürgerlich-puritanischer Weltsicht, wie Bronenosec Potemkin Grundlagen sozialistisch-revolutionärer Ideen verdeutlicht. (Und nicht zuletzt ist ein Spiegel beider Systeme, wie bei der Filmproduktion verfahren worden ist.)

Das «Weltbild» des Antikfilms verfestigte sich in der Folgezeit. Wo sich das private Schicksal nicht am Rande, sondern im Kern der historischen Entwicklung abspielt, wie in der Geschichte von Caesar und Cleopatra, da erschien diese selbst wie eine monumentale Spiegelung privater «Historien». Das Publikum allerdings erfuhr auf diesem Umweg über das Bild der Antike, die man gewissermaßen als Ursprung der eigenen Kultur deutete,wie sie die Wiege der eigenen Religion war.

Cecil B. DeMille gestaltete mit The Sign of the Cross ( Im Zeichen des Kreuzes ; 1932) seinen ersten Antikfilm mit Ton. Der Film erzählt von der Christin Mercia (Elissa Landi) und dem römischen Präfekten Marcus Superbus (Fredric March), der sie mit allen Mitteln für sich zu gewinnen trachtet. Kaiserin Poppaea (Claudette Colbert) versucht unterdessen, Marcus zu verführen, doch auch sie bleibt ohne Erfolg. Ihr Mann, Kaiser Nero (Charles Laughton), setzt Rom in Brand und beschuldigt die ihm lästigen Christen der Tat, die verhaftet und in der Arena den Löwen vorgeworfen werden. Marcus sagt sich von dem «dekadenten» Römertum los, stellt sich an die Seite der tapferen Mercia und stirbt mit den Christen im Kolosseum.

DeMilles Film zeigt, neben dem «Panorama» wie in Ben Hur , eine zweite Möglichkeit, sich der historischen Motive zu bedienen: das «Sittenbild». Und er tut dies mit Stil und so viel Geschmack, dass nur sehr, sehr wenige seiner Zeitgenossen die doch nicht selten recht gewagten Szenen als anstößig empfanden, zumal alle Filme DeMilles ihre Inventionen um einen sehr puritanischen moralischen Kern herum gruppierten. Höhepunkt dieses Films sind zum einen die Massenszenen, von denen The Sign of the Cross eine Reihe aufzubieten hat, und die erotischen Bilder, die ganz in der Tradition des viktorianischen Stummfilms das Erotisch-Offensive im Schatten des Bösen mit der allseits bedrohten jungfräulichen Unschuld konfrontierten. Der Sieg des Christentums (zumindest der «moralische Sieg ») steht hier am Ende eines Weges durch alle möglichen und gelegentlich sehr abgründigen Versuchungen des Fleisches. Hatte Ben Hur den Sieg des Christentums als Sieg einer Haltung beschrieben, so The Sign of the Cross als Sieg einer Moral.

DeMilles Cleopatra (1934) ist, wenn zwar in einer noch unchristlichen Zeit angesiedelt, nicht weniger als moralisches Ausstattungsstück zu verstehen: Julius Caesar (Warren William) kehrt nach einer Zeit in Ägypten zusammen mit Cleopatra (Claudette Colbert) nach Rom zurück, wo er sich zum Diktator aufschwingen, seine Frau verstoßen und mit Cleopatra an seiner Seite das römische Weltreich regieren will. Doch Caesar wird ermordet, und Mark Anton (Henry Wilcoxon) führt die geflohene ägyptische Königin in Fesseln nach Rom zurück. Aber auch er unterliegt ihrem Charme und verliebt sich in sie. Schließlich kämpft er auf der Seite der Ägypter gegen Rom und wird in einer Seeschlacht entscheidend geschlagen. Er begeht Selbstmord, und auch Cleopatra stirbt, nachdem sie sich von einer giftigen Schlange hat beißen lassen.

Im Gegensatz zu Theda Bara im Stummfilm ( Cleopatra ; 1917, Regie: Gordon Edwards), und ein wenig auch Elizabeth Taylor in Joseph Mankiewicz’ Film 29 Jahre später, war Claudette Colbert als Cleopatra nicht eigentlich ein Vamp; es blieb bei allen Verfehlungen doch etwas Unschuldiges um sie, und die schrecklichen Intrigen nehmen gewissermaßen gegen ihren Willen ihren Lauf. Cleopatra wie ihre Liebhaber, die durch sie Macht und Leben verlieren, versuchen vergeblich dem statischen Aufbau der Machtverhältnisse zu entkommen und zu wirklichen historischen Subjekten zu werden. Sie scheitern an der unerlaubten Liebe so sehr wie an dem Versuch, sich über die Mechanik der Geschichte hinwegzusetzen.

Steckt in DeMilles Film soviel von George Bernard Shaw wie von Shakespeare, soviel von einer «tragischen» Geschichtsparabel wie von einem exotischen moralischen Melodram, so ist der englische Film Caesar and Cleopatra (1945, Regie: Gabriel Pascal) «reiner Shaw» (das Drehbuch ist mit dem Stück nahezu identisch). Diese Filme zeigen, dass im Genre des Antikfilms auch Platz für das Melodram ist.

Ein wenig andere Aspekte betonte The Last Days of Pompeji (1935, Regie: Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack). Ähnlich den «Katastrophenfilmen» späterer Zeit verwob der Film eine Reihe von persönlichen Schicksalen vor dem Erdbeben und zeigte dann in einer grandiosen filmischen Zerstörungsorgie den Untergang des glanzvollen, aber dekadenten Stadtreiches.

Vom reinen Abenteuer-Spektakel war der Antikfilm zu dieser Zeit noch am weitesten entfernt, auch wenn er seine Helden ins Abenteuer stieß, um sie von ihrer historischen Bindung zu befreien. Niblo und DeMille hatten neue Maßstäbe in der Massenregie gesetzt, und doch waren bei allem Gespür fürs «Ornament der Masse» die Filme oft nichts anderes als ins Gigantische projizierte Melodramen.

Die Stoffe des Antikfilms wurden als «schwer» empfunden, das heißt ihr Aufwand schien auf eine ebenso große «innere» Bedeutung hinzuweisen, während es dem Publikum doch hauptsächlich um die Schauwerte des Genres ging. Und doch entwickelte sich hier etwas, das auf die späteren Entwürfe phantastischer Welten im populären Film der USA hindeutete. Dekorationen und Architekturen begannen sich von den strengen moralischen und «historischen» Bedeutungen zu trennen und die Phantasie des Zuschauers auf abenteuerliche Seitenwege zu führen.

Hollywoods antike Parabeln 1950–1960

Das römische Weltreich und seine autokratischen Herrschaftsstrukturen übten in den fünfziger Jahren eine starke Faszination auf das amerikanische Publikum aus, da man sich seiner eigenen Situation als Weltmacht ebenso bewusst geworden war wie der Tatsache, dass auf «der anderen Seite» ein nahezu ebenso starkes «Weltreich» stand. Um die eigene, durchaus zwiespältig empfundene Lage zu benennen, tat man einen tiefen Griff in die Geschichte. Das Zwiespältige äußerte sich unter anderem darin, dass die Filme auf der einen Seite an den Römern die Technologie, die Robustheit, den Pragmatismus bewunderten, auf der anderen Seite aber eine kleine, korrupte Herrscherclique als Musterbild degenerierter Macht schilderten. Es gab den Unterschied zwischen dem typischen «gesunden» römischen Offizier, der sich früher oder später zum Christentum bekennen musste, und der wahnsinnigen, unmoralischen, in permanente Intrigen verwickelten Gruppe von Männern und Frauen um den Kaiser. (Die Motive für dieses Bild lassen sich sowohl nach «links» als auch nach «rechts» hin interpretieren; es handelt sich nicht um eine dezidiert politische Allegorie, vielmehr um eine sehr puritanische Art des Umgangs mit einem faszinierenden historischen Bild, von dem man wusste, dass die Geschichte es verworfen hatte.)

Androcles and the Lion ( Androkles und der Löwe ; 1952, Regie: Chester Erskine), wiederum nach einem Stück von George Bernard Shaw entstanden, ist die Geschichte eines Sklaven, der einen Löwen von einem Dorn befreit hat, welcher ihn später, als er ihm in der Arena gegenübersteht, verschont. Erskines eher statischer Film war eine Parabel über Schicksal und Macht. David and Bathseba ( David und Bathseba ; 1952, Regie: Henry King) führte die Linie der biblisch-erotischen Melodramen fort. Der im selben Jahr entstandene Film Quo vadis ( Quo vadis ), inszeniert von Mervyn LeRoy, zeigt nicht nur sehr deutlich das Abenteuer als Flucht aus der Geschichte, sondern auch das römische Reich in seinem Verfallsstadium als Allegorie für die Notwendigkeit moralischer und politischer Wandlung.

Die Handlung von LeRoys Film ist der von The Sign of the Cross nicht unähnlich: Im Rom zur Zeit der Schreckensherrschaft Kaiser Neros (Peter Ustinov) entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen einem römischen Offizier (Robert Taylor) und einer Christin (Deborah Kerr), und auch hier endet sie damit, dass der Römer sich nach vielen Wendungen der Handlung bekehrt und mit den Christen in die Arena kommt. Doch nun erheben sich auch die Römer gegen Nero; das Paar wird gerettet, und Nero ereilt sein verdientes Schicksal.

Das mehr als dreistündige, opulent ausgestattete Spektakel (man berichtete von 29 Hauptdarstellern, 30.000 Statisten, 115 Dekorationen, 63 Löwen, 450 Pferden, 85 Tauben und 2 Geparden, von für damalige Verhältnisse spektakulären 8 Millionen Dollar Produktionskosten und zwei Jahren Herstellungszeit) gibt ein verklärendes und doch auch sehr puritanisches Bild vom Frühchristentum, und eigentlich nur durch die Übertreibung der römischen Sünden bis zur Karikatur (etwa in der Darstellung Neros) gelingt es dem Film, darzutun, warum eigentlich das Christentum der augenscheinlich doch sehr viel toleranteren Religion der Römer vorzuziehen ist. Als politische Metaphorik lässt sich allenfalls die Trennung von Staat und Religion ausmachen. (In Quo vadis hat übrigens der bärenstarke Sklave Ursus als Beschützer der Christin einen ersten Auftritt, der später zu einem der Haupthelden in den italienischen Muskelprotzfilmen werden sollte.)

Im Jahr darauf folgt Julius Caesar ( Julius Cäsar ; Regie: Joseph L. Mankiewicz), entstanden nach dem Bühnenstück von William Shakespeare. Dieser ganz auf die Schauspieler (darunter Marlon Brando, James Mason, John Gielgud, Deborah Kerr) zugeschnittene Film hielt sich eng an die Bühnenvorlage und konnte sowohl als «sehenswertes Experiment» als auch als «marmorn und vordergründig» bezeichnet werden.

Es war dieser Film, der Roland Barthes zu seinen Anmerkungen zu einem ikonographischen Detail anregte, die sich sicherlich auch auf andere Details und vor allem andere Beispiele im Genre anwenden lassen:

«Im Julius Caesar von Mankiewicz tragen alle Personen auf den Stirnen Haarfransen. Bei manchen sind sie gewellt, bei anderen glatt, bei wieder anderen aufgekräuselt und bei anderen geölt, bei allen jedoch sind sie sorgfältig zurechtgemacht, und Glatzköpfe sind nicht zugelassen worden, obwohl doch die römische Geschichte auch davon eine große Zahl geliefert hat. Wer wenig Haare hat, ist nicht billig davongekommen, denn der Friseur, Haupthandwerker des Films, hat es verstanden, aus dem spärlichen Haarwuchs immer noch eine letzte Strähne zu bilden, die bis zum Rand der Stirne reicht, eine jener römischen Stirnen, deren geringe Größe zu allen Zeiten eine spezifische Mischung von Rechtlichkeit, Tugend und Eroberertum angezeigt hat.

Was ist mit diesen eigensinnigen Haarfransen verbunden? Ganz einfach die Zurschaustellung des Römertums. Man kann darum hier das unverdeckte Funktionieren der Hauptantriebsfeder des Schauspiels, des Zeichens , beobachten. Die Stirnfransen verbreiten Evidenz, niemand kann bestreiten, dass er sich im alten Rom befindet. Und diese Gewissheit wird aufrechterhalten: Die Schauspieler sprechen, handeln, quälen sich und diskutieren ‹universale› Fragen, ohne, dank dieser kleinen über die Stirn gebreiteten Fahne, etwas von ihrer historischen Wahrscheinlichkeit zu verlieren; ihre Allgemeinheit kann sich sogar in aller Ruhe ausbreiten, kann den Ozean überqueren, durch Jahrhunderte wandern und bis zu den Yankeeschädeln der Statisten von Hollywood dringen. Es macht nichts, denn jedermann darf beruhigt sein und sich in der gelassenen Gewissheit einer Welt ohne Duplizität ergehen, in der die Römer durch ein höchst lesbares Zeichen, die Haare auf der Stirn, römisch sind

Zu dieser «kleinen» Ikonographie der Dialogfilme trat die große der Uniformen, Heere und Waffen in den Ausstattungsfilmen; in den Palästen und Tavernen definierte die Locke den Römer, im Felde seine Uniform. (Wie so oft zeigte sich auch hier der Höhepunkt einer in einem Genre entwickelten Ikonographie in ihrer Übertragung auf die Kinderkultur von Spielzeug, Comics etc. nach dem Erfolg der Neufassung von Ben Hur .)

Auch The Robe ( Das Gewand ; 1953, Regie: Henry Koster) folgte der in The Sign of the Cross entwickelten Formel der Mischung von Abenteuerfilm, Melodram und christlicher Legende. Wie viele Filme dieses Genres hatte The Robe auch und vor allem technische Sensationen zu bieten: Es war der erste in CinemaScope gedrehte Spielfilm der Filmgeschichte. Erzählt wird von dem jungen Tribun Marcellus Gallio (Richard Burton), seiner Geliebten Diana (Jean Simmons) und dem griechischen Sklaven Demetrius (Victor Mature), die den Weg zum Christentum gefunden haben. Marcellus erhält vom römischen Statthalter in Jerusalem den Auftrag, eine Kreuzigung durchzuführen. Doch schon auf dem Weg nach Golgatha beginnen sich bei ihm Zweifel über die Schuld des Verurteilten Jesus von Nazareth zu bilden. Unheimliche Begebenheiten nach dem Tod des Gekreuzigten verwirren ihn, und entsetzt wirft er dessen Gewand fort, das er beim Würfelspiel gewonnen hat. Doch er erhält den Auftrag, es zu suchen und nach Rom zu bringen. Alles, was ihm begegnet, fördert seine Bekehrung. Seine tragische Begegnung mit Christus hat sein ganzes Leben geändert. Er geht nach Rom, schließt sich dort den Christen an und geht lieber in den Tod, als seinem neuen Glauben untreu zu werden.

Delmer Daves’ Demetrius and the Gladiators ( Die Gladiatoren ; 1954) setzte die Handlung von The Robe fort, im Mittelpunkt steht nun die Figur des Demetrius. Den Prolog des Films bildet die Schlussszene aus Kosters Film, wo der Tribun Marcellus und seine Geliebte Diana zum Tode verurteilt werden.

Kaiser Caligula (Jay Robinson) beauftragt nun Claudius (Barry Jones), den Mann von Messalina (Susan Hayward), damit, das Gewand, dem er magische Kraft zuschreibt, zu suchen. Derweil übergibt der Apostel Paulus (Michael Rennie) am Grab von Marcellus und Diana dem ehemaligen griechischen Sklaven Demetrius das Gewand, der es zu einem alten blinden Töpfer bringt. Dessen Tochter Lucia (Debra Paget) widersetzt sich einem römischen Legionär, der es an sich bringen will. Demetrius schlägt den Römer nieder, wird aber überwältigt und dazu verurteilt, als Gladiator in der Arena zu kämpfen.

Lucia gelingt es, Demetrius in der Gladiatorenschule zu besuchen, doch in der Gewalt der Gladiatoren bewahrt sie – scheinbar – nur der Tod vor einem noch schrecklicheren Schicksal. Demetrius, den man daran gehindert hat, sie zu beschützen, sagt sich daraufhin von Gott los, wird zum Helden in der Arena, zum Geliebten Messalinas und schließlich zum römischen Tribun. Er findet das Gewand wieder und mit ihm die totgeglaubte Lucia, die durch seine Gebete aus ihrem Koma erlöst wird. Demetrius überbringt das Gewand dem Kaiser, der einen Gefangenen tötet, nur um die vermeintliche Zauberkraft des Mantels zu erproben. Als sich Demetrius entsetzt auf Caligula stürzt, wird er ergriffen, und Caligula verurteilt ihn zum Kampf gegen den gefürchteten Gladiator Macro (Karl Davis). Doch die Prätorianergarde stellt sich nun auf die Seite Demetrius’, und sowohl Caligula als auch Macro sterben unter ihren Speeren. Zum neuen Caesar wird Claudius ausgerufen, der die Freiheit für die Christen verfügt.

« Wenn Daves’ Demetrius and the Gladiators fehlerhaft war, kann das hauptsächlich durch die Tatsache erklärt werden, dass er und Henry Koster ohne Bildsucher oder etwas, was ihnen genau sagen konnte, was sie auf den Film bekamen, den Weg für CinemaScope bahnten. Es ist ein nichtpubliziertes Faktum der Filmgeschichte, dass Demetrius and the Gladiators › der zweite Cinema-Scopefilm ist – The Robe verließ das Atelier Ende April 1953, und 22 Tage später (nach einer siebentägigen Verschiebung) übernahm The Story of Demetrius – schließlich ‹ Demetrius and the Gladiators › – seine Dekors, wobei die Bauten und Kostüme von The Robe benutzt wurden, um die hohen Kosten jenes Films zu verringern. Obgleich Philip Dunnes Drehbuch überall anzumerken ist, dass es schnell zusammengehauen wurde, sind Daves’ Inszenierung der Action-Episoden in der Arena und die Details der Gladiatorenschule ausgezeichnet. Und seine Behandlung der Freundschaft zwischen Zweien der Gladiatoren (Victor Mature und der farbige Darsteller William Marshall) kennzeichnet diesen ausgebreiteten Koloss eines Films durch Daves’ eigenes unauslöschliches Warenzeichen.» (Richard Whitehall)

Die Helden dieser Filme, tragische Abenteurer allesamt, waren eine «mythische» Lösung für den Grundwiderspruch des Genres zwischen dem faszinierenden vorchristlichen Römertum, das so deutlich Macht, Ruhm, Ehre, Liebe dem Tüchtigen und Rücksichtslosen versprach, und dem gewaltlosen, vergeistigten Christentum, dessen Forderung im Kern nichts anderes als Verzicht war. Die Helden dieser amerikanischen Antikfilme aus den fünfziger Jahren lösten diesen Konflikt, indem sie (ganz ähnlich, wie sich das im Western derselben Zeit zwischen Indianern und Weißen oft entwickelte) abwechselnd zu Angehörigen beider Kulturen wurden, in beiden eine wichtige Rolle spielten und ihre «Grenzen» verändern konnten. Und da der Sieg des Christentums immer zugleich auch der Sieg über den wahnsinnigen Tyrannen ist, erscheint er, bei aller ein wenig anämischen Passivität und Opferbereitschaft der Christen, letztlich doch als Sieg des Gesunden über das Kranke. Und natürlich ist es auch die Dichotomie in der erotischen Typologie, die für den Abenteurer in dieser Gestalt die Entscheidung erleichtert. Der Held steht zwischen der guten, jungfräulichen Christin und der bösen, verführerischen Heidin, die sich freilich, wie Susan Hayward am Ende von Demetrius and the Gladiators , dazu durchringen kann, ihrem lasterhaften Lebenswandel zu entsagen.

In diesen Filmen war Victor Mature als definitives Gegenbild zum typischen yankee hero und als Nachfolger der romantischen, «lateinischen» Liebhaber wie Rudolph Valentino, freilich immer versehen mit ein wenig masochistischen Untertönen in seinem Spiel, endgültig zum Star des Genres geworden. Gerade weil er trotz seiner «exotischen» Anlage das Gegenbild zum eigentlichen Abenteurer, nämlich ein psychisch und vor allem auch physisch «leidender Mann» war, gab er dem Genre einen eigenen Stil. Er war sozusagen der Abenteurer, den niemand, auch die liebende Frau und schon gar nicht er selbst, davor bewahren konnte, dass die Gefahr ihn einholte, ein Parzival mit viel Sexappeal, der fürs Abenteuer geboren und doch nicht in ihm zu Hause schien. Victor Mature stand allemal im Mittelpunkt einer Tragödie, in die das Schicksal ihn geworfen hatte, und selbst sein Lächeln noch war so herb, dass man spüren musste: Diesem Mann fiel, mochte er auch stark sein, nichts leicht. Beginnend mit Cecil B. DeMilles Samson and Delilah ( Samson und Delilah ) aus dem Jahr 1949, war er der Held, der zum Opfer für die dämonische Frau prädestiniert schien, bis ihm die Erlösung anheimfiel. Im Hintergrund der Handlungen seiner Filme dräute die Erkenntnis, dass dieser Mann sich entweder zu moralisieren, zu christianisieren (zu «amerikanisieren ») hatte oder sterben musste.

In The Egyptian ( Sinuhe, der Ägypter ; 1954, Regie: Michael Curtiz) spielt er den großen Arzt und Hirnchirurgen Sinuhe, der zur Zeit Echnatons (Michael Wilding) wirkt. Und in einem der italienischen Antikfilme, die sich in den fünfziger Jahren zu einem eigenen Genre gruppierten, das seinen Höhepunkt zur Mitte der sechziger Jahre erreichte, in Annibale ( Hannibal ; 1959, Regie: Carlo Ludovico Bragaglia) war er der entschlossene Feldherr, der die Alpen mit Elefanten überquerte. Hier wie dort ist Mature in tragische Liebesgeschichten verwickelt, die ihn zwischen die Fronten bringen, ihn Verrat an seinen Idealen begehen lassen, ihn von seinen Leuten entfremden. Mit der Zeit wurde freilich auch dieser «tragische Abenteurer» ein wenig überständig; auch für das Genre des Antikfilms wünschte man sich Helden, die den Gefahren lachend ins Auge sehen konnten, deren Taten spektakulärer waren als ihr Leiden.

Eine Wende in der Entwicklung des Genres brachte wohl die italienisch-amerikanische Produktion Ulisse ( Die Fahrten des Odysseus; 1954, Regie: Mario Camerini), die in ihrem Titelhelden, dargestellt von Kirk Douglas, einen wirklichen Abenteurer sah, den das Schicksal vor harte Prüfungen stellt, der aber auch selbst das Schicksal herauszufordern weiß. Der Film erzählt davon, wie Odysseus den zehn Jahre währenden Kampf zwischen Hellenen und Trojanern durch die Kriegslist mit dem hölzernen Pferd entscheidet und dann, unter dem Fluch der Kassandra, auf den Meeren der Welt umherirrt, bevor er die Heimat erreicht, wo er, der Totgeglaubte, sich gegen die Freier seiner Frau Penelope (Anna Magnani) behaupten muss.

Im Gegensatz zu den mit christlichen Motiven verknüpften Antikfilmen aus Hollywood zeigt Ulisse einen autarken Helden, der sich freilich Gesetzen unterwirft, die ihn auch zur Grausamkeit zwingen. Und anders als in den melodramatischeren Filmen des Genres gilt der Aufwand hier nicht in erster Linie der Präsentation von Prunk und Luxus, sondern der Übertragung des phantastisch-legendenhaften Stoffes ins Bild des Films; der Kampf gegen Polyphem, den einäugigen Riesen, das Trojanische Pferd etc. sind vor allem Meisterstücke der Tricktechnik.

Eine Abkehr von den melodramatischen, «überladenen» Antikfilmen war auch Howard Hawks’ Land of the Pharaohs ( Land der Pharaonen ; 1955), für den (neben Harry Kurnitz und H. Jack Bloom und natürlich – uncredited – Hawks) William Faulkner am Drehbuch arbeitete. In einem Gespräch mit den Cahiers du Cinéma teilte der Regisseur mit:

«Wir sind von einer Geschichte ausgegangen, die ich gerade vorbereitete, nämlich über den Bau eines Flughafens in China während des Krieges. Die US-Army wollte dort eine Luftbasis errichten, die Ingenieure und Techniker veranschlagten acht Monate für den Bau; man stellte ihnen 20 . 000 Leute zur Verfügung, und die Arbeit war in drei Wochen geschafft! … Ich musste dieses Projekt wegen der politischen Lage aufgeben … Und dann begann ich plötzlich an die Pyramiden zu denken, ich dachte bei mir, das ist doch eigentlich genau dieselbe Geschichte; als wir dann das Drehbuch geschrieben haben, hatten wir immer die Pyramide im Kopf … »

Es geht in Land of the Pharaohs also in erster Linie um die Lösung einer schwierigen Aufgabe. Die eigentliche Geschichte des Films bietet dazu eher so etwas wie den Hintergrund: Pharao Cheops (Jack Hawkins) befindet sich in einem Machtkampf mit der schönen Prinzessin von Zypern, Nellifer (Joan Collins), die ihn schließlich zugrunde richtet, aber auch selbst vom Sog der Ereignisse erfasst und vernichtet wird. Am Ende wird sie mit dem toten Pharao in der Cheopspyramide eingeschlossen.

«Das größte Problem», meinte Alexander Trauner, art director bei der Produktion von Land of the Pharaohs , «war die Konstruktion der Pyramide … wir hatten verschiedene Methoden diskutiert, wie wir sie schließen sollten. Die Idee, es mit Sand zu machen, kam von Hawks; und es war tatsächlich viel natürlicher, den Sand zu benutzen, der ja dort überall herumliegt, als etwa Wasser oder Holz, welches man verbrennt. War erst einmal die große Linie da – das Heraushauen der Steine und ihr Transport zum Nil, die Konstruktion der Pyramide, die Steine, die sich zusammenschieben und die Pyramide bilden – und hatte man erst einmal die langen Kamerafahrten festgelegt, die vielleicht die längsten sind, die man jemals gemacht hat, nämlich damit man die Leute bei der Arbeit sehen kann –: dann hatte man schon das Maximum erreicht. Wenn man sich den Film heute noch anschauen kann, dann auf Grund dieser Sachen – von der Handlung her ist er nicht sonderlich befriedigend

Land of the Pharaohs ist also ein Film über Arbeit, und insofern, obwohl in einem ungewohnten Genre, doch auch ein «typischer» Hawks-Film.

«In Land of the Pharaohs gibt es die Maschine, wegen der sich am Ende die Pyramide unwiderruflich schließt um den toten Pharao und seine Schätze. Den Mechanismus hat der Baumeister zu Beginn des Films dem Pharao am Modell erklärt. So ist er auch dem Zuschauer kein Geheimnis mehr. Seine Erwartung wird übertroffen durch das Maß, das Anschauung der Vorstellung voraus hat.

Zu sehen, wie etwas funktioniert: daher rührt ein Teil des Vergnügens bei den Filmen von Hawks. Immer geht dabei auch etwas in die Brüche, wird zerstört, indem es funktioniert. Damit die Pyramide sich schließe, werden zunächst ein paar Tonschalen, die aussehen wie Eierschalen, mit Hämmern zerschlagen. Dann rinnt Sand aus den Öffnungen, die die Schalen verschlossen hielten; in die Lücken, die der Sand freigibt, senken sich mächtige Steinquader, auf denen der Oberbau der Pyramide ruht, so dass alle Zugänge sich schließen. Das Prinzip wiederholt sich mehrfach, nachdem der Prozess in Gang gesetzt ist: immer aufs neue werden Eierschalen zerschlagen, nun durch herab sausende Steinbolzen, rinnt Sand, senken sich die Blöcke.

Dann hat sich die Pyramide geschlossen, und der Baumeister und sein Volk werden aus der ägyptischen Gefangenschaft entlassen. Man sieht sie auf der Leinwand nach Hause ziehen, während man selbst aufsteht und dem Ausgang zustrebt.» (Hark Bohm/Enno Patalas)

Bei allem Vergnügen an der Mechanik der Dinge wird vielleicht für Hawks und Faulkner auch der Gedanke faszinierend gewesen sein, das «Lebenswerk» eines Mannes zu zeigen: sein eigenes Grab.

Land of the Pharaohs blieb im Übrigen Hawks’ einziger Film im CinemaScope-Verfahren, das gewissermaßen den Hollywood-Antikfilm konstituierte. Der Regisseur bemerkte:

«Ich halte CinemaScope für kein gutes Verfahren. Es taugt nur dazu, große Massenbewegungen zu zeigen. Sonst lenkt es nur ab, es ist für den Zuschauer sehr schwer, genau hinzusehen», bemerkte der Regisseur.

Die Entwicklung des Hollywood-Antikfilms führte über einige Filme nach nun gewohntem Muster wie Alexander the Great ( Alexander der Große ; 1956, Regie: Robert Rossen) und neuerlichen prunksüchtigen Melodramen wie Salomon and Sheba ( Salomon und die Königin von Saba ; 1959, Regie: King Vidor), mit Gina Lollobrigida und Yul Brynner in den Hauptrollen, zu Stanley Kubricks Spartacus ( Spartacus ; 1959), einer ersten politischen und historischen Reflexion innerhalb des Genres. Howard Fast, Verfasser des Romans, nach dem Dalton Trumbo das Drehbuch gestaltete:

«Dies ist die Geschichte von Spartacus, der den größten Sklavenaufstand gegen Rom anführte. Ich schrieb den Roman, weil ich diese Geschichte gerade in der Zeit, in der wir leben, für wichtig halte. Nicht im Sinne historischer Parallelen, sondern weil man aus einer solchen Geschichte Hoffnung und Kraft für den uralten Kampf für die Freiheit gewinnen kann und weil Spartacus nicht nur eines Mannes Leben, sondern für alle Menschenalter gelebt hat. Ich schrieb sie, um denen Hoffnung und Mut zu geben, die sie lesen würden, und indem ich sie schrieb bekam ich selbst Hoffnung und Mut

Eine Gruppe von Sklaven unter der Führung von Spartacus (Kirk Douglas) entflieht der Gladiatorenschule von Capua. In der nächsten Zeit verstärkt sich die Gruppe um Scharen entlaufener Sklaven und wächst zu einer Armee der Revolte an. Die Stärke dieses Aufständischenheeres wird verstärkt durch die Uneinigkeit der Römer. Doch schließlich gelingt es Marcus Licinius Crassus (Laurence Olivier), die Truppen des Spartacus entscheidend zu schlagen. Die wenigen Überlebenden, darunter Spartacus selbst, werden zum Tod am Kreuze verurteilt und hingerichtet. Spartacus’ Frau (Nina Foch) überlebt, und sie und das neugeborene Kind erhalten schließlich durch den römischen Gegner von Crassus, Gracchus (Charles Laughton), die Freiheit.

Natürlich war auch dieser Film zur sensationellen Nachricht in der Branche geworden wegen des Aufwandes, der bei seiner Produktion getrieben wurde. Der Monumentalfilm Hollywoods kam ohne die sich überschlagenden Nachrichten über Statistenheere, Bauten, Drehzeiten, Produktion von Rüstungen, Waffen und Kostümen und nicht zuletzt über Stars nicht aus. Doch der junge Regisseur Kubrick und Kirk Douglas, der mit seiner Firma Bryna auch die Produktion führte, wollten solchen Aufwand unter keinen Umständen als Selbstzweck verstanden wissen, und sie spielten seine Bedeutung noch eher herunter. Douglas meinte:

«Wenn Spartacus wirklich ein Erlebnis ist, das einen umschmeißt, dann sind zwölf Millionen ein Klacks. – Wenn nicht, dann sind sogar zwölf Dollar zuviel! – Produktionskosten, das Künstlerische und Kinokassenabrechnungen sind ganz verschiedene Dinge

Spartacus ist nicht unbedingt ein «Kubrick-Film» (der Regisseur hatte keinen Einfluss auf das Buch und wurde erst eine Woche vor Drehbeginn an Stelle von Anthony Mann unter Vertrag genommen), und es herrscht die Meinung vor, der Regisseur habe hier mit einem etwas geschwätzigen, politisch überstark vereinfachend argumentierenden und ein wenig rührseligen Buch zu kämpfen gehabt. Er hat, um im Bild zu bleiben, sicher bei vielen Details die Oberhand behalten, im großen aber nicht gewinnen können. Kubrick vermied so gut es ging die Klischees, die sich mittlerweile im Genre herausgebildet hatten, und hier wie in vielen späteren seiner Filme gelingt ihm der optische Essay zur Grausamkeit und ihren Ursachen.

« Kubrick hat ein gutes Auge für die dunklen Ironien des Lebens. Er brilliert in der Beschreibung von Grausamkeiten und menschlicher Niedertracht. Den ihm aufgezwungenen optimistischen Schluss hat er dagegen nicht so sicher im Griff; in Wirklichkeit glaubt er wohl nicht an die Chance des Guten in einer korrupten Welt. Alles übrige ist indessen zu loben. Die wunderbare Fotografie mit ihren Momenten poetischer Rage; die choreografische Präzision der Schlachtszenen; ein Drehbuch, das etwas Wesentliches über den Missbrauch der Macht zu sagen hat – all das macht Spartacus wahrscheinlich über Jahre hinaus zum Maßstab aller Großfilme.» (John Cutts)

Nicht eigentlich durch historische Authentizität (da ist vieles wirksam anachronistisch umgedeutet), sondern mehr durch den eingeschriebenen Diskurs – mag er so amerikanisch-naiv sein, wie er wolle – hat Spartacus dem Antikfilm, dem historischen Film überhaupt, eine sozialgeschichtliche, politische Dimension zurückgegeben. Nachfolger im Genre, die diesen Ansatz fortgesetzt hätten, hat es freilich nur sehr, sehr wenige gegeben.