The Cover Image

Lexikon Soziologie und Sozialtheorie

Hundert Grundbegriffe

Herausgegeben von
Sina Farzin und
Stefan Jordan

Reclam

 

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Gestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen.
Printed in Germany 2015

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN: 978-3-15-960698-9

ISBN der Buchausgabe: 978-3-15-019297-9

 

www.reclam.de

Inhalt

Einleitung

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Hundert Grundbegriffe

Akteur   (Patrick Sachweh)

Alltag   (Bernhard Waldenfels)

Arbeit/Freizeit   (Gertraude Mikl-Horke)

Autorität   (Rainer Paris)

Beruf   (Gertraude Mikl-Horke)

Bildung   (Heiner Meulemann)

Differenzierung   (Uwe Schimank)

Diskurs   (Hannelore Bublitz)

Elite   (Michael Hartmann)

Empirie   (Andreas Diekmann / Ben Jann)

Entwicklung   (Dieter Goetze)

Ethnomethodologie   (Stefan Hirschauer)

Evolution   (Axel T. Paul)

Familie   (Rosemarie Nave-Herz)

Freiheit   (Peter Wagner)

Funktionalismus   (Christian Lahusen)

Gemeinschaft   (Rolf Fechner)

Generation   (Christine Hikel)

Geschlecht   (Karin Gottschall)

Gesellschaft   (Armin Nassehi)

Gesundheit/Krankheit   (Heiner Keupp)

Globalisierung/Weltgesellschaft   (Rudolf Stichweh)

Gruppe   (Bernhard Schäfers)

Habitus   (Beate Krais)

Handlung   (Wolfgang Ludwig Schneider)

Herrschaft   (Andrea Maurer)

Identität   (Heiner Keupp)

Ideologie   (Ute Tellmann)

Individuum/Individualisierung   (Markus Schroer)

Industrielle/Postindustrielle Gesellschaft   
(Jochen Steinbicker)

Inklusion/Exklusion   (Sina Farzin)

Institution   (Uwe Schimank)

Integration/Solidarität   (Sandra Hüpping /
Wilhelm Heitmeyer)

Interaktion   (André Kieserling)

Intersubjektivität   (Heiner Keupp)

Kapital   (Heinz Dieter Kittsteiner)

Klasse/Schicht   (Rainer Geißler /
Sonja Weber-Menges)

Körper   (Robert Gugutzer)

Kommunikation   (Gaetano Romano)

Konflikte   (Peter Imbusch)

Konstruktivismus   (Ernst von Glasersfeld /
Sina Farzin)

Kontingenz   (Jean Clam)

Kontrolle   (Helge Peters)

Kritische Theorie   (Hauke Brunkhorst)

Kultur   (Andreas Reckwitz)

Lebensstile   (Jürgen Raab)

Macht/Gewalt   (Trutz von Trotha)

Masse   (Urs Stäheli)

Materialistische Gesellschaftstheorie   (Lothar Peter)

Medien   (Oliver Marchart)

Methodologie   (Karl-Dieter Opp)

Migration   (Ludger Pries)

Milieu   (Michael Vester)

Minderheiten/Randgruppen   (Rainer Geißler /
Sonja Weber-Menges)

Modelle   (Andreas Diekmann)

Moderne   (Ulrich Beck)

Moral   (Gertrud Nunner-Winkler)

Netzwerk   (Andréa Belliger / David J. Krieger)

Norm/Devianz   (Helge Peters)

Öffentlichkeit   (Oliver Marchart)

Organisation   (Veronika Tacke)

Phänomenologische Soziologie   
(Hubert Knoblauch)

Politik   (Michael Th. Greven)

Postmoderne   (Ralf Beuthan)

Poststrukturalismus   (Stephan Moebius)

Rational-Choice-Theorie   (Andreas Diekmann)

Raum   (Markus Schroer)

Recht   (Hans Albrecht Hesse)

Religion   (Monika Wohlrab-Sahr)

Risiko   (Ulrich Beck)

Ritual   (Andréa Belliger / David J. Krieger)

Rolle   (Stefan Jordan)

Sinn   (Rainer Schützeichel)

Sozialisation   (Klaus Hurrelmann)

Sozialpsychologie/Sozialanthropologie   
(Helmut Nolte)

Sozialtheorie   (Thomas Schwinn)

Soziologie   (Dirk Kaesler / Matthias Koenig)

Spiel   (Christian Rieck / Stefan Jordan)

Tod   (Stephan Moebius)

Umwelt   (Melanie Reddig)

Ungleichheit   (Nicole Burzan)

Utopie   (Gereon Uerz)

Verhalten   (Franz M. Wuketits)

Verstehen/Erklären   (Georg Kneer)

Wandel   (Stefan Hradil)

Wirklichkeit   (Alexander Riegler)

Wirtschaft   (Dirk Baecker)

Wissen   (Sabine Maasen)

Wissenschaft   (Rainer Fretschner)

Wohlfahrts- und Sozialstaat   (Steffen Mau)

Zeit   (Armin Nassehi)

Zivilisation   (Annette Treibel)

Weiterführende Literatur

Personenregister

Sachregister

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Einleitung

Bereits Aristoteles definierte den Menschen als ein zoon politikon, ein ›Gesellschaftstier‹, das auf das Zusammenleben mit anderen Menschen angewiesen ist. Diese Angewiesenheit auf Gesellschaft führte dazu, dass sich Menschen seit jeher mit Formen und Möglichkeiten ihres Zusammenlebens beschäftigt haben. Die grundlegenden Fragen hierzu wurden bereits in der antiken Philosophie formuliert: Wie entsteht soziale Ordnung? Wie deren Wandel? Welchen Einfluss haben Menschen auf die sozialen Strukturen, in denen sie leben? Und umgekehrt: Wie beeinflussen soziale Vorgaben die Art und Weise, wie Menschen handeln, sich verhalten oder kommunizieren?

In eigenständige Wissenschaften mündeten diese Fragen erst im Rahmen der sozialen, technischen und kulturellen Umwälzungen, die Europa in der Frühen Neuzeit erschütterten und die mit dem 19. Jahrhundert in jene soziale Formation übergingen, die allgemein als ›Moderne‹ bezeichnet wird. Indem die herkömmlichen religiösen Begründungsmuster der alten Gesellschaft ebenso schwanden wie ihre starren ständischen Strukturen, entstand das Bedürfnis, den rasanten Wandel der neuen Gesellschaft, der nicht zuletzt durch die Folgen der Industrialisierung und damit einhergehende soziale Fragen gekennzeichnet war, zu deuten. Diese Aufgabe fiel in zunehmendem Maße den Sozialwissenschaften zu, die sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablieren konnten und zu denen neben der Soziologie vor allem die Nationalökonomie (später: Wirtschaftswissenschaften), die Politikwissenschaft und die Anthropologie zählen. Sie richteten ihr Interesse auf alle Aspekte des Zusammenlebens von Menschen in der Gesellschaft.

Das Faszinierende an der Soziologie, die als umfassendste Disziplin der Sozialwissenschaften gesehen wird, liegt in der Vielfalt ihrer Forschungsfelder. Doch was dem einen als Vielfalt erscheint, kann auf den anderen unübersichtlich und uferlos wirken. Um diesem Eindruck entgegenzuarbeiten und die Soziologie als strukturiertes Arbeitsfeld mit zentralen Fragestellungen und Kernthemen zugänglich zu machen, richtet sich das Lexikon Soziologie und Sozialtheorie an fachinteressierte Neueinsteiger, aber auch an Fortgeschrittene. Mit seinen leicht verständlichen und dennoch nicht oberflächlichen Artikeln zu Hundert Grundbegriffen ermöglicht es den Einstieg in ein Verständnis der wesentlichen Kategorien soziologischen Denkens und Arbeitens.

Der von uns gewählte Titel deutet bereits an, dass dabei die Tradition der Soziologie als empirische Wissenschaft ebenso Berücksichtigung finden soll wie die in diesem Zusammenhang geführten theoretisch-systematischen Auseinandersetzungen mit dem schwer bestimmbaren Gegenstand des ›Sozialen‹: Einerseits gilt es, Themen und Teilbereiche der Soziologie zu erörtern, die ihre Kenntnisse aus der möglichst genauen und nachvollziehbaren Beobachtung der sozialen Wirklichkeit ziehen; andererseits zielt das Lexikon auf die Theorie des Sozialen. Unter ›sozial‹ wird dabei wie in der Soziologie allgemein üblich nicht etwa die bloße Summe je individueller Handlungen oder psychischer Befindlichkeiten verstanden, sondern ein nach eigenen Gesetzmäßigkeiten verfasster Wirklichkeitsbereich. Wir haben dem weiter gefassten Begriff ›Sozialtheorie‹ den Vorzug vor dem der ›soziologischen Theorie‹ gegeben, um auch nicht ursprünglich soziologische, aber für die soziologische Forschung einflussreiche theoretische Ansätze wie den ›Konstruktivismus‹ oder den ›Poststrukturalismus‹ einbeziehen zu können.

Das Lexikon Soziologie und Sozialtheorie stellt den Versuch dar, in 100 Grundbegriffen möglichst viele soziologische Bereiche ausgewogen zu präsentieren. Nun lässt sich über Kriterien der Auswahl von Begriffen – zumal wenn für diese beansprucht wird, ›Grundbegriffe‹ zu sein – gewiss immer streiten. Jene Leser, die Stichwörter vermissen, seien aber auf das Register verwiesen, über das sich viele soziologische Termini, die nicht eigens abgehandelt werden, zumindest intertextuell erschließen lassen. In die Stichwortliste aufgenommen wurden – neben grundlegenden Überblicksartikeln wie ›Soziologie‹ oder ›Gesellschaft‹ – Begriffe, die entweder eine Forschungsperspektive kennzeichnen, mit der ein besonderer theoretischer Anspruch verbunden ist (›Differenzierung‹, ›Ungleichheit‹ usw.) oder solche, um die herum sich spezielle soziologische Forschungsfelder entwickelt haben (›Familie‹, ›Wirtschaft‹ usw.). Schließlich finden sich Stichwörter, die Arbeitsweise und Erkenntnisstrategien von Soziologen erläutern (›Methodologie‹, ›Statistik‹, ›Verstehen‹ usw.). Um eine größtmögliche Übersichtlichkeit zu erreichen, wird die Vielzahl von Komposita, die bestimmte Theorien oder spezielle Soziologien bezeichnen, nicht gesondert aufgeführt, sondern im Rahmen des namengebenden Stichworts verhandelt (›System‹ statt ›Systemtheorie‹, ›Kultur‹ statt ›Kultursoziologie‹ usw.). Aus demselben Grund wurde generell auf die Beifügung des Adjektivs ›sozial‹ bei den titelgebenden Begriffen verzichtet (›Gruppe‹ statt ›soziale Gruppe‹ usw.).

Der Aufbau der Artikel folgt einem Schema, das von Fall zu Fall leicht variieren kann: Ein Artikel beginnt mit der Nennung des Stichworts und einer Kurzdefinition, an die sich ein meist begriffsgeschichtlicher, manchmal systematisch strukturierter Darstellungsteil anschließt. Am Ende jedes Beitrags steht eine kurze Liste (möglichst aktueller) Überblicksliteratur, die die im Text genannten Titel ergänzt und dem Lesepublikum den Einstieg in weiterführende Lektüre ermöglicht. Diese Absicht verfolgt auch der Anhang, in dem eine Liste deutschsprachiger soziologischer Nachschlagewerke, bedeutender soziologischer Zeitschriften und aktueller Einführungen in die Soziologie und Sozialtheorie verzeichnet ist. Neben einem Sachregister schließt ein Personenregister den Band ab.

Querverweise auf andere Stichwörter sind in den Artikeln mit einem Pfeil (→) gekennzeichnet. Die Abkürzung der Stichwörter kann sich auf Singular oder Plural beziehen; so kann ›A.‹ im betreffenden Artikel sowohl ›Akteur‹ als auch ›Akteure‹ bedeuten. Genus, Numerus und Kasus bleiben in der Abkürzung ebenfalls unberücksichtigt. Weitere Abkürzungen folgen der Standardisierung des Grammatik-DUDEN. Wichtig ist uns der Hinweis, dass im Hinblick auf den knapp bemessenen Raum die Nennung beider Geschlechter nicht möglich war, aber immer mitgedacht werden sollte.

Unter den Autorinnen und Autoren des Lexikons Soziologie und Sozialtheorie befinden sich nicht nur Vertreter der Soziologie, sondern auch der Philosophie, Anthropologie, Geschichts-, Politik- und Literaturwissenschaft. Alle verbindet, dass sie sich der besonderen Herausforderung gestellt haben, die Kürze der Beiträge auch angesichts des Gebots möglichst leichter Verständlichkeit beizubehalten. Die Herausgeber danken allen Beteiligten herzlich für diesen Mut und die angenehme Zusammenarbeit.

Bremen/München, im April 2008

Sina Farzin und Stefan Jordan

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

HEINZ ABELS, Jg. 1943, Dr. rer. soc., Dr. paed., Professor für Soziologie an der FernUniversität in Hagen.

THOMAS AUGUSTIN, Jg. 1965, Dr. phil., Professor für Statistik, Arbeitsgruppe Statistische Methoden in der Soziologie am Institut für Statistik der Ludwig-Maximilians-Universität München.

DIRK BAECKER, Jg. 1955, Dr. rer. soc., Professor für Kulturtheorie und -analyse an der Zeppelin University in Friedrichshafen (Bodensee).

ULRICH BECK, Jg. 1944, Dr. phil., Dr. h. c. mult., Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Centennial Professor of Sociology an der London School of Economics and Political Science.

ANDRÉA BELLIGER, Jg. 1970, Dr. theol., Leiterin des Instituts für Kommunikationsforschung Luzern und Direktorin des Bereiches Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Luzern.

RALF BEUTHAN, Jg. 1964, Dr. phil., Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für theoretische Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

HAUKE BRUNKHORST, Jg. 1945, Dr. phil., Professor für Soziologie und Direktor des Instituts für Soziologie an der Universität Flensburg.

HANNELORE BUBLITZ, Jg. 1947, Dr. rer. pol., Professorin für Allgemeine Soziologie, Sozialwissenschaften und Sozialphilosophie an der Universität Paderborn.

NICOLE BURZAN, Dr. rer. soc., Professorin für Soziologie an der Technischen Universität Dortmund.

JEAN CLAM, Jg. 1958, Dr. phil., Habil. rer. soc., DEA Psychopathologie, Forscher am Centre National de la Recherche Scientifique (Paris).

ANDREAS DIEKMANN, Jg. 1951, Dr. rer. pol., Professor für Soziologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

SINA FARZIN, Jg. 1976, M. A., PhD-Fellow an der Bremen International Graduate School of Social Sciences der Universität Bremen.

ROLF FECHNER, Jg. 1948, Dr. phil., Dipl.-Sozialwirt, Leiter der Ferdinand-Tönnies-Arbeitsstelle am Institut für Technik und Wissenschaftsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

RAINER FRETSCHNER, Jg. 1970, Dr. rer. soc., Wiss. Mitarbeiter am Institut »Arbeit und Technik« (Gelsenkirchen) und an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.

RAINER GEISSLER, Jg. 1939, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Universität Siegen.

ERNST VON GLASERSFELD, Jg. 1917, Dr., Dr. phil. h. c., Professor em. für Psychologie an der University of Georgia (Athens, USA), Research Associate am Scientific Reasoning Research Institute, University of Massachusetts, Amherst.

DIETER GOETZE, Jg. 1942, Dr. phil., Professor für Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Regensburg.

KARIN GOTTSCHALL, Jg. 1955, Dr. phil., Professorin für Soziologie und Leiterin der Abteilung Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat am Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen.

RAINER GRESHOFF, Jg. 1955, Dr. phil., Wiss. Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

MICHAEL TH. GREVEN, Jg. 1947, Dr. phil., Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg.

ROBERT GUGUTZER, Jg. 1967, Dr. phil., Wissenschaftlicher Angestellter an der Fakultät für Sportwissenschaft der Technischen Universität München.

MICHAEL HARTMANN, Jg. 1952, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt.

WILHELM HEITMEYER, Jg. 1945, Dr. phil., Professor für Sozialisation an der Universität Bielefeld, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

HANS ALBRECHT HESSE, Jg. 1935, Dr. rer. pol., Professor em. für Rechtssoziologie und Rechtsdidaktik am Fachbereich Rechtswissenschaften der Leibniz Universität Hannover.

CHRISTINE HIKEL, Jg. 1979, M. A., Doktorandin im Graduiertenkolleg »Archiv – Macht – Wissen. Organisieren, Kontrollieren, Zerstören von Wissensbeständen von der Antike bis zur Gegenwart« an der Universität Bielefeld.

STEFAN HIRSCHAUER, Jg. 1960, Dr. rer. soc., Professor für Soziologische Theorie und Gender Studies an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

STEFAN HRADIL, Jg. 1946, Dr. phil., Dr. h. c. sc. oec., Professor für Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

SANDRA HÜPPING, Jg. 1978, Dipl.-Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.

KLAUS HURRELMANN, Jg. 1944, Dr. sc. pol., Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld.

PETER IMBUSCH, Jg. 1960, Dr. phil., Privatdozent am Institut für Soziologie der Philipps-Universität Marburg.

BEN JANN, Jg. 1972, lic. rer. soc., Assistent am Lehrstuhl für Soziologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

STEFAN JORDAN, Jg. 1967, Dr. phil., Wiss. Angestellter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

DIRK KAESLER, Jg. 1944, Dr. rer. pol., Dr. rer. pol. habil., Professor für Allgemeine Soziologie an der Philipps-Universität Marburg.

HEINER KEUPP, Jg. 1943, Dipl.-Psych., Dr. phil., Professor für Sozial- und Gemeindepsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

ANDRÉ KIESERLING, Jg. 1962, Dr. rer. soc., Professor für Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

HEINZ DIETER KITTSTEINER, Jg. 1942, Dr. phil., Professor für Vergleichende europäische Geschichte der Neuzeit an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

GEORG KNEER, Jg. 1960, Dr. phil., Professor für wissenschaftliche Grundlagen an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd.

HUBERT KNOBLAUCH, Jg. 1959, Dr. rer. soc., Professor für Allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Berlin.

MATTHIAS KOENIG, Jg. 1971, Dr. phil., Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Religionssoziologie an der Georg-August-Universität Göttingen.

BEATE KRAIS, Jg. 1944, Dr. rer. pol., Professorin für Soziologie am Institut für Soziologie der Technischen Universität Darmstadt.

DAVID J. KRIEGER, Jg. 1948, Dr. phil., Titularprofessor für Religions- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Luzern, Leiter des Instituts für Kommunikationsforschung Luzern.

CHRISTIAN LAHUSEN, Jg. 1962, Dr. rer. pol., Professor für Soziologie an der Universität Siegen.

SABINE MAASEN, Jg. 1960, Dr. rer. soc., Professorin für Wissenschaftsforschung/Wissenschaftssoziologie an der Universität Basel.

JÜRGEN MACKERT, Jg. 1962, Dr. rer. soc., Privatdozent am Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin.

OLIVER MARCHART, Jg. 1968, Dr. phil., PhD, SNF-Förderprofessor am Soziologischen Seminar der Universität Luzern.

STEFFEN MAU, Jg. 1968, Dr. rer. pol., Professor für politische Soziologie und vergleichende Analyse von Gegenwartsgesellschaften und Dean der Bremen International Graduate School of Social Sciences an der Universität Bremen.

ANDREA MAURER, Jg. 1962, Dr. rer. pol., Professorin für Soziologie am Institut für Soziologie und Gesellschaftspolitik der Universität der Bundeswehr München.

HEINER MEULEMANN, Jg. 1944, Dr. phil., Professor für Soziologie und Direktor des Forschungsinstituts für Soziologie an der Universität zu Köln.

GERTRAUDE MIKL-HORKE, Jg. 1944, Dr. rer. comm., Professorin für Allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie an der Wirtschaftsuniversität Wien.

STEPHAN MOEBIUS, Jg. 1973, Dr. phil. habil., Juniorprofessor für Soziologie am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt.

ARMIN NASSEHI, Jg. 1960, Dr. phil., Professor für Soziologie und Geschäftsführender Direktor des Departments für Soziologie und Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

ROSEMARIE NAVE-HERZ, Jg. 1935, Dr. rer. pol., Dr. phil. h. c., Professorin für Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

HELMUT NOLTE, Jg. 1941, Dr. phil., Professor em. für Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

GERTRUD NUNNER-WINKLER, Jg. 1941, Dr. rer. pol., Professorin em. für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ehem. Leiterin der Arbeitsgruppe Moralforschung am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, München.

KARL-DIETER OPP, Jg. 1937, Dr. rer. pol., Professor em. für Soziologie an der Universität Leipzig und Affiliate Professor an der University of Washington.

RAINER PARIS, Jg. 1948, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

AXEL T. PAUL, Jg. 1965, Dr. phil., Hochschuldozent am Soziologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.

LOTHAR PETER, Jg. 1942, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Universität Bremen.

HELGE PETERS, Jg. 1937, Dr. sc. pol., Professor em. für Soziologie mit dem Schwerpunkt Soziologie abweichenden Verhaltens und sozialer Kontrolle am Institut für Soziologie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

LUDGER PRIES, Jg. 1953, Dr. phil., Professor für Organisationssoziologie und Mitbestimmungsforschung an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.

JÜRGEN RAAB, Jg. 1964, Dr. rer. soc., Privatdozent an der Universität Konstanz und Oberassistent am Soziologischen Seminar der Universität Luzern.

ANDREAS RECKWITZ, Jg. 1970, Dr. phil., Professor für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Universität Konstanz.

MELANIE REDDIG, Jg. 1972, Dr. phil., Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Theoretische Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

CHRISTIAN RIECK, Jg. 1963, Dr. rer. pol., Professor für Finance an der Fachhochschule Frankfurt a. M.

ALEXANDER RIEGLER, Jg. 1969, Dipl.-Ing., Dr. tech., Senior Research Fellow am Centrum Leo Apostel for Interdisciplinary Studies, Freie Universität Brüssel, und am Centrum für Logik, Wissenschafts- und Sprachphilosophie der Katholischen Universität Leuven, Belgien.

GAETANO ROMANO, Jg. 1961, Dr. phil., Professor für Soziologie und Leiter des Soziologischen Seminars an der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.

PATRICK SACHWEH, Jg. 1979, Dipl.-Soz., Fellow an der Bremen International Graduate School of Social Sciences der Universität Bremen.

BERNHARD SCHÄFERS, Jg. 1939, Dr. sc. pol., Professor em. für Soziologie an der Universität Karlsruhe.

UWE SCHIMANK, Jg. 1955, Dr. rer. soc., Professor für Soziologie an der FernUniversität in Hagen.

CHRISTOPH SCHNEIDER, Jg. 1967, Dr. rer. soc., Wiss. Mitarbeiter an der Universität Konstanz, DFG-Forschergruppe »Grenzen der Absichtlichkeit«.

WOLFGANG LUDWIG SCHNEIDER, Jg. 1953, Dr. rer. soc., Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Osnabrück.

MARKUS SCHROER, Jg. 1964, Dr. phil., Privatdozent an der Technischen Universität Darmstadt und Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

RAINER SCHÜTZEICHEL, Jg. 1958, Dr. rer. soc., Vertretungsprofessor für Sozialtheorie und Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

THOMAS SCHWINN, Jg. 1959, Dr. phil., Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

URS STÄHELI, Jg. 1966, Ph. D., Professor für Soziologie und Co-Leiter des Instituts für Soziologie der Universität Basel.

JOCHEN STEINBICKER, Jg. 1972, M. A., Wiss. Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

RUDOLF STICHWEH, Jg. 1951, Dr. rer. soc., Professor für soziologische Theorie an der Universität Luzern.

VERONIKA TACKE, Jg. 1961, Dr. rer. soc., Professorin für Organisationssoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

UTE TELLMANN, Jg. 1971, Ph. D., Wiss. Assistentin am Institut für Soziologie der Universität Basel.

ANNETTE TREIBEL, Jg. 1957, Dr. rer. soc., Professorin am Institut für Sozialwissenschaften der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.

TRUTZ VON TROTHA, Jg. 1946, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Universität Siegen.

GEREON UERZ, Jg. 1970, Dr. phil., Senior Foresight Consultant, Z_punkt GmbH Essen.

MICHAEL VESTER, Jg. 1939, Dr. phil., Professor für Politische Wissenschaft i. R. an der Leibniz Universität Hannover.

PETER WAGNER, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Soziologie an der Universität Trient.

BERNHARD WALDENFELS, Jg. 1934, Dr. phil., Professor em. für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.

SONJA WEBER-MENGES, Dr. phil., Lektorin für Soziologie an der Universität Siegen.

MONIKA WOHLRAB-SAHR, Jg. 1957, Dr. phil., Professorin für Kultursoziologie an der Universität Leipzig.

FRANZ M. WUKETITS, Jg. 1955, Dr. phil., Professor für Wissenschaftstheorie mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften an der Universität Wien, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung in Altenberg an der Donau.

Hundert Grundbegriffe

Akteur

Mit dem Begriff ›A.‹ (frz. ›der Handelnde‹; von lat. actus = ›Handlung‹) wird in der Soziologie die ausführende Einheit einer sozialen → Handlung bezeichnet. Er wird auf einzelne handelnde Personen (individuelle A.), mehrere Personen (kollektive A.) oder ganze → Organisationen (korporative A.) angewendet (Uwe Schimank, Handeln und Strukturen. Eine Einführung in die akteurtheoretische Soziologie, 2000). Entsprechende soziologische Ansätze werden auch akteurzentrierte Ansätze genannt. Theoretische Bedeutung erlangte die Kategorie ›A.‹ durch Max Webers Bestimmung der → Soziologie als Wissenschaft, die soziales Handeln »deutend verstehen und […] ursächlich erklären will« (Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 1922). Zum expliziten Bestandteil eines allgemeinen handlungstheoretischen Bezugsrahmens wurde der Begriff des ›A.‹ auch in Talcott Parsons’ Ausarbeitung einer voluntaristischen Handlungstheorie (The Structure of Social Action, 1937).

Zur Bestimmung der Art des sozialen Handelns von A. wurden verschiedene, nicht aufeinander reduzierbare A.-Modelle entwickelt. Das in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Modell des Homo Oeconomicus geht davon aus (Gebhard Kirchgässner, Homo Oeconomicus, 1991), dass der A. vorrangig auf die Maximierung eigenen Nutzens aus ist und daher interessengeleitet handelt (→ Rational-Choice-Theorie). Dem stellte die Soziologie das Modell eines Homo Sociologicus entgegen (Ralf Dahrendorf, Homo Sociologicus, 1956). Dieses Modell geht von der Annahme aus, dass das Handeln eines A. an → sozialen Normen, Werten und Rollenanforderungen (→ Rolle) orientiert ist. In jüngerer Zeit wurde im A.-Modell des Emotional Man (Helena Flam, The Emotional Man and the Problem of Collective Action, 2000) verstärkt die Rolle von → Emotionen für soziales Handeln betont. Zudem wurde auf die Bedeutung der → Identität als wichtigem Handlungsantrieb hingewiesen und der A. als »Identitätsbehaupter« charakterisiert (Erving Goffman, The Presentation of Self in Everyday Life, 1959, dt. 1969).

Kollektive Akteure handeln sozial koordiniert und sind von den Präferenzen der beteiligten individuellen A. abhängig. Eine wichtige Unterform kollektiver A. stellen soziale Bewegungen dar (z. B. Friedens- oder Umweltbewegung), die gemeinsame Interessen und Ziele haben, aber über separate Handlungsressourcen verfügen. Ihr Hauptproblem besteht in der Mobilisierung einzelner individueller A. mit zwar gleichen Interessen und Zielen, aber unterschiedlich starker Bereitschaft zur Teilnahme. Verbände (z. B. Berufsverbände) dagegen sind solche kollektiven A., die zur Förderung eines übergreifenden gemeinsamen (kollektiven) Interesses ihre Ressourcen zusammenlegen. Die von ihnen geschaffenen Leistungen und Güter kommen auch denen zugute, die sich nicht an ihrer Erstellung – z. B. in Form von Beiträgen – beteiligt haben (›Kollektivgüter‹) (Fritz W. Scharpf, Games Real Actors Play. Actor-Centered Institutionalism in Policy Research, 1997, dt. 2000).

Korporative Akteure machen einen Spezialfall kollektiver A. bzw. von → Organisationen aus und werden meist von einem Eigentümer oder einer hierarchischen Führung kontrolliert (z. B. Unternehmen, Parteien). Sie verfügen über ein zentrales Entscheidungszentrum (den Prinzipal) und einen Sprecher (den Agenten). Es wird angenommen, dass sich Korporationen dadurch wie eine natürliche Person bzw. ein einzelner A. verhalten können. Im Unterschied zu natürlichen Personen sind korporative A. als juristische Personen im Prinzip unsterblich und können auch den Wechsel einzelner individueller A. innerhalb der Korporation – z. B. des Sprechers oder Prinzipals – überdauern. Zudem gibt es bei Korporationen immer einen (potentiellen) Interessengegensatz zwischen dem Prinzipal, der die Erreichung des Organisationsziels vor Augen hat, und dem Agenten, der primär an der Verfolgung seiner eigenen Interessen interessiert ist (Hartmut Esser, Soziologie. Spezielle Grundlagen, Bd. 2, 2000).

Patrick Sachweh

Peter Weise: Homo oeconomicus und homo sociologicus: Die Schreckensmänner der Sozialwissenschaften. In: Zeitschrift für Soziologie 18 (1989). S. 141–161.

Helena Flam: Corporate Actors: Definition, Genesis, and Interaction. Köln 1990. (Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Discussion Paper 90/11.)

Manfred Gabriel: Paradigmen der akteurszentrierten Soziologie. Wiesbaden 2004.

Alltag

Der Begriff ›A.‹ (auch ›A.-Leben‹ oder ›A.-Welt‹ ; engl. everyday life; frz. vie quotidienne) bezeichnet (1) jenen Lebensbereich, der durch Gewohnheit, Wiederholung und Normalität geprägt ist im Gegensatz zu festlichen und außergewöhnlichen Ereignissen. ›A.‹ bezieht sich (2) auf die konkret-anschauliche, situative Erfahrung in Abhebung von der methodischen Exaktheit des Expertenwissens. Der Begriff meint (3) ähnlich wie → Milieu oder → Umwelt einen umgrenzten Erfahrungsbereich im Gegensatz zur Grenzenlosigkeit einer allgemeinen Vernunftwelt. Da diese Kontraste in allen drei Bereichen → Konflikte erzeugen, wird der A.-Begriff nicht nur deskriptiv, sondern auch polemisch gebraucht.

Theoriebedürftig wird der A. erst in einer funktional ausdifferenzierten → Gesellschaft, deren Sonderbereiche das Ganze zu dominieren drohen. Seinen ersten systematischen Ort fand er in Edmund Husserls Phänomenologie der Lebenswelt (Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie [1936], 1954). Den Wahrheiten und Gewissheiten der »alltäglichen Lebenswelt« wird dort ein Eigenrecht zugestanden gegenüber den Konstruktionen der exakten → Wissenschaft. Doch dazu bedürfe es eines Bruchs mit dem A.-Glauben und eines Rückgangs von der vorgegebenen Welt auf den Prozess subjektiver und intersubjektiver Sinnbildung (→ Sinn). Die Einsicht in das Alltägliche sei nicht selbst alltäglich. In Martin Heideggers Daseinsanalyse (Sein und Zeit, 1927) sinkt die Alltäglichkeit ab zur Durchschnittlichkeit und Uneigentlichkeit eines öffentlichen »Man«, die nur durch die Entschlossenheit eines »Selbst« zu durchbrechen ist. Bei marxistisch geprägten Autoren wie Henri Lefebvre (Critique de la vie quotidienne, 3 Bde., 1947–81, dt. 1974/75) gipfelte die Kritik an der Entfremdung des A. in der → Utopie eines befreiten A. Doch ein A., der aus einer Scheidung von Alltäglichem und Außeralltäglichem hervorgeht und Prozesse der Ver- und Entalltäglichung durchläuft, ist mehr als bloßer A., nämlich ein »Schmelztiegel der Rationalität« (Bernhard Waldenfels, Der Stachel des Fremden, 1990).

Die sozialwissenschaftliche A.-Forschung verdankt der Sozialphänomenologie von Alfred Schütz (Gesammelte Schriften, 1971; → Phänomenologische Soziologie) entscheidende Impulse. Der A. erscheint hier als »ausgezeichnete Wirklichkeit«, in die wir unmittelbar eingreifen. Er konstituiert sich in wiederkehrenden Typen und Relevanzstrukturen; er gliedert sich in Nah- und Fernräume, in Vorwelt, Mitwelt und Nachwelt. Die soziale → Wirklichkeit wird von der Erlebnis- und Handlungsperspektive (→ Handlung) her erschlossen. Husserls Projekt einer Wissenschaft der Lebenswelt lässt sich auf diese Weise in empirische Forschung umsetzen, sei es in der historischen Form von Zivilisationsstudien wie bei Norbert Elias (Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde., 1939; → Zivilisation), sei es in der systematischen Analyse von → Milieus, Berufspraktiken (→ Beruf) oder A.-Ritualen (Pierre Bourdieu, La distinction. Critique sociale du jugement, 1979, dt. 1982; → Ritual). Dabei verbindet sich der phänomenologische Ansatz durchweg mit interaktionistischen (→ Interaktion), ethnomethodologischen (→ Ethnomethodologie), narrativen oder interpretativen Verfahren (Hans-Georg Soeffner, Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung, 1989, 22004; → Verstehen). ›A.‹ bedeutet also weniger ein einheitliches Konzept als ein Syndrom mit vielfältigen Aspekten.

Bernhard Waldenfels

Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. 2 Bde. Reinbek 1973, 51981.

Kurt Hammerich / Michael Klein (Hrsg.): Materialien zur Soziologie des Alltags. Opladen 1978.

Walter M. Sprondel / Richard Grathoff (Hrsg.): Alfred Schütz und die Idee des Alltags in den Sozialwissenschaften. Stuttgart 1979.

Bernhard Waldenfels: In den Netzen der Lebenswelt. Frankfurt a. M. 1985, 32005.

Richard Grathoff: Milieu und Lebenswelt. Frankfurt a. M. 1989, Nachdr. 1995.

Arbeit/Freizeit

Als ›A.‹ (lat. labor; engl. work, labour; frz. travail) bezeichnet man eine Tätigkeit, die mit Mühe sowie körperlicher und/oder geistiger Belastung verbunden ist und deren Zweck die physische Reproduktionstätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Daseinsvorsorge ist; zudem versteht man unter ›A.‹ jene Aktivitäten, die Hannah Arendt als »Herstellen« und »Handeln« im Sinne des auf andere bezogenen Tuns bezeichnete (Vita Activa oder Vom tätigen Leben, 1960). A. erfüllt auch wichtige psychische und soziale Bedürfnisse des Menschen im Sinne einer Selbstverwirklichung, der Aufgabenerfüllung und gesellschaftlichen Anerkennung.

Im Wandel der Gesellschafts- und Wirtschaftsformen haben sich auch die A. und ihre Bedeutung geändert. Karl Marx charakterisierte A. im Kapitalismus als »Lohnarbeit« (→ Kapital, Materialistische Gesellschaftstheorie). Ihr typisches Merkmal sei ihre Warennatur, die die »Entfremdung« des Arbeiters begründe. Zur »Ausbeutung« der Arbeiter durch die Kapitalisten komme es, weil diese die Arbeiter über die gesellschaftlich notwendige Zeit hinaus beschäftigten. Den durch diese Mehrproduktion auf dem Warenmarkt erzielten »Mehrwert« behält der Kapitalist für sich als Grundlage seines Profits (Ökonomisch-philosophische Manuskripte, 1844). Émile Durkheim (De la division du travail social, 1893, dt. 1977) sah die gesellschaftliche A.-Teilung als Grundlage der → Solidarität der modernen Gesellschaft.

In der → Industriellen Gesellschaft kommt der unselbstständigen Erwerbs- oder ›Lohn-A.‹ grundlegende soziale und wirtschaftliche Bedeutung zu, weil sie den überwiegenden Teil der Erwerbstätigen betrifft. Das A.-Verhältnis beruht auf dem A.-Vertrag, durch den der A.-Nehmer dem A.-Geber seine A.-Kraft gegen Entlohnung für eine bestimmte Zeit pro Tag und pro Woche zur Verfügung stellt. Die übrige Zeit wird als ›F.‹ bezeichnet, was jedoch nicht gleichbedeutend mit Nicht-A. ist, denn ein Großteil der F. wird für Haus-A. oder andere Tätigkeiten verwendet. ›F.‹ kennzeichnet jene Zeit, die nicht der ›Erwerbs-A.‹ gewidmet ist, sondern der Privatsphäre des A.-Nehmers zugerechnet wird. Das Begriffspaar ›A.‹/›F.‹ charakterisiert die typische Situation des A.-Nehmers in der Industriellen Gesellschaft und wird durch die A.-Zeitregelung bestimmt. Letztere kommt zunächst durch tarifvertragliche Verhandlung zwischen den → Organisationen der A.-Geber und den Gewerkschaften als Interessenvertretung der A.-Nehmer zustande und findet als Normalarbeitszeit in Gesetzen ihren Niederschlag.

Die Verkürzung der täglichen und wöchentlichen A.-Zeit im Laufe der Entwicklung der Industriellen Gesellschaften hat zu einer Ausweitung der F. geführt. Dies wurde mit dem Schlagwort ›Freizeitgesellschaft‹ zum Ausdruck gebracht. Bei der soziologischen Untersuchung der Formen, wie Menschen ihre F. verbringen, kommt den Zeitbudget-Forschungen besondere Bedeutung zu, die sich mit den zeitlichen Anteilen für die diversen im Privatleben anfallenden Tätigkeiten aufgrund familiärer Verpflichtungen (→ Familie), notwendiger täglicher Verrichtungen (→ Alltag) und der Verwendung der persönlichen freien Zeit beschäftigen. Die Lagerung von A.-Zeit und F. ist überdies von volkswirtschaftlichem Interesse (→ Wirtschaft), da damit auch Konsumzeiten umschrieben sind, was etwa in Bezug auf die Ladenöffnungszeiten diskutiert wird.

Aufgrund der neuen Anforderungen in A. und → Beruf kommt es gegenwärtig unter dem Schlagwort ›Flexibilisierung der A.-Zeit‹ zu einer Veränderung der A.-Zeitgestaltung. Zwar ist der Großteil der A.-Nehmer noch in einem Normalarbeitsverhältnis in Vollzeit beschäftigt, doch werden zunehmend flexible A.-Zeiten (z. B. Gleitzeit, Teilzeit, Viertagewoche) und bislang atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Zeit-A., Werkvertrag, befristete A.-Verträge, geringfügige Beschäftigung usw. eingeführt, die auch die Struktur von A.-Zeit und F. betreffen. In manchen Fällen kommt es zu prekären Situationen für die Betroffenen, etwa dann, wenn sich die existentielle Unsicherheit erhöht. Mitunter lässt sich der Lebensunterhalt nur durch mehrere gleichzeitige Beschäftigungsverhältnisse sichern. Veränderungen des A.-Zeit/F.-Zeit-Gefüges ergeben sich auch bei Tele(heim)arbeit, da sich hier A.-Phasen mit Zeiten privater Tätigkeiten vermischen. Dabei handelt es sich z. T. um eine Verhäuslichung der Lohn-A., z. T. um die A.-Situation der oft selbstständigen Wissensarbeiter.

Wegen dieser Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse und der Gestaltung der A.-Zeit bekommt die Work-Life-Balance verstärkte Aufmerksamkeit eingeräumt. Die Flexibilisierung der A.-Zeit kann den Arbeitenden durch die bessere Abstimmung mit privaten Verpflichtungen und Aktivitäten Vorteile bringen. Sie wird aber v. a. im betrieblichen Interesse einer besseren Auslastung von Anlagen sowie einer Anpassung der A.-Zeiten und des Beschäftigungsstands an die Auftragslage, an saisonale oder konjunkturelle Schwankungen eingeführt. Der modernen Arbeitsgesellschaft kommen A.-Plätze abhanden, aber die A. geht nicht aus, was sich in der steigenden Bedeutung der Eigen-A., Familien-A. und der ehrenamtlichen A. in der Zivilgesellschaft ausdrückt.

Gertraude Mikl-Horke

Joffre Dumazedier: Sociologie empirique du loisir. Paris 1974. – Engl.: Sociology of Leisure. Amsterdam [u. a.] 1974.

Bernhard Teriet: Neue Strukturen der Arbeitszeitverteilung. Göttingen 1976.

Claus Offe: Arbeit als soziologische Schlüsselkategorie. In: Joachim Matthes (Hrsg.): Krise der Arbeitsgesellschaft. Frankfurt a. M. / New York 1983. S. 38–65.

Gertraude Mikl-Horke: Industrie- und Arbeitssoziologie. München/Wien 1991, 52000.

Karin Gottschall / G. Günter Voß (Hrsg.): Entgrenzung von Arbeit und Leben. München/Mering 2003, 22005.

Autorität

Der Begriff ›A.‹ (lat. auctoritas = ›Einfluss‹, ›Ansehen‹, ›Würde‹; auctor = ›Schöpfer‹, ›Förderer‹) bezieht sich auf die wertmäßige, aus freien Stücken vorgenommene Anerkennung einer Person (→ Individuum), die dem A.-Gläubigen in verschiedenen, häufig miteinander verbundenen Dimensionen existentiell überlegen erscheint und deren → Macht er sich daher aus eigenem Antrieb fügt und unterwirft. A. ist somit grundsätzlich anerkannte, geachtete Macht. Jemandem A. zuzuschreiben bedeutet, sich ihm freiwillig unterzuordnen und die damit verbundene Abhängigkeit zu bejahen. Der Anerkennung fremder Überlegenheit entspricht die Selbstzuschreibung eigener Unterlegenheit; die Grundmerkmale des A.-Verhältnisses sind daher Asymmetrie und Distanz.

Die A. wird geachtet, weil sie allgemein akzeptierte Werte, ein Ethos, repräsentiert und eine Ordnung schafft, die dem Einzelnen Orientierung und Sicherheit bietet. Sie erscheint dem A.-Gläubigen gleichsam als überpersönliche Persönlichkeit, als »objektive Instanz« (Georg Simmel). Ebenso kann die Objektivität, Unangreifbarkeit und Tradition von → Institutionen einen ähnlichen Effekt auslösen (z. B. ›A. des → Staats‹), so dass die Anerkennung der Macht als A. auch als Mechanismus der Selbstangleichung von Unterlegenen an bestehende Herrschaftsverhältnisse interpretiert werden kann (→ Herrschaft).

Die Anerkennung der A. kann sich im → Alltag von → Organisationen entweder auf ihre formale Positionsmacht (Amts-A.), ein spezifisches, exklusives Sachwissen oder Organisationstalent (Sach-A. / funktionale A.) oder auf überragende und im gegebenen Wertspektrum als vorbildlich angesehene Eigenschaften ihrer Person (Persönlichkeits-A./Charisma) beziehen. Diese Typen der A. können sowohl unabhängig als auch in verschiedenen Mischungs- und Spannungsverhältnissen auftreten: So wird etwa vom Inhaber eines hohen Amts typischerweise zugleich eine entsprechende Sachkompetenz, v. a. aber eine gewisse persönliche Statur gefordert, um das Amt ›bekleiden‹ zu können. Umgekehrt erhöht eine charismatische A. ihren Ruf mitunter dadurch, dass sie, wenn es die Sache erfordert, im Einzelfall die bürokratischen Regeln bricht, die die Grundlage der Amts-A. darstellen.

Weil die Zuschreibung von A. auf der Anerkennung von Werten und Tugenden beruht, denen der A.-Gläubige selbst zustrebt, kann die A. auf die Anwendung ›grober‹ Machtmittel (Drohungen, Sanktionen) normalerweise verzichten und die Fügsamkeit des anderen durch das dosierte Geben und Nehmen von Anerkennung steuern: »Wir wollen von denen, die wir besonders anerkennen, besonders anerkannt werden« (Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, 21992). Deshalb ist die unangefochtene A. meist nicht autoritär; stattdessen wird ein autoritäres, die formalen Machtbefugnisse betonendes Gebaren oftmals eher als Mangel an Anerkanntheit und Souveränität interpretiert. Andererseits muss die A. die ihr zur Verfügung stehenden Machtmittel immer dann entschlossen einsetzen, wenn die durch sie repräsentierte Ordnung und Wertordnung akut gefährdet scheint.

Mit der asymmetrischen Struktur des A.-Verhältnisses sind Auseinandersetzungen programmiert. Dabei nehmen A.-Konflikte oft den Charakter antiautoritärer »Ablehnungsbindungen« (Richard Sennett, Authority, 1980, dt. 1985) an. Die fraglose, mit dem Verzicht auf Selbstständigkeit bezahlte Anerkennung der A. weicht einer abrupten, nicht selten überentschiedenen Ablehnung all dessen, was sie repräsentiert. Und häufig wird der Streit durch die repressiven Reaktionen der A. auf solche ›Undankbarkeit‹ noch verschärft. Die Aufgabe der Emanzipation von der A. und des Erlernens der Mündigkeit besteht darin, sich in seinen Affekten, Kognitionen und Handlungen schrittweise von ihrem Einfluss zu lösen und gleichzeitig ein Bild der A. zu entwickeln, in dem ihre wirklichen Stärken und Leistungen anerkannt bleiben, ohne sich zwanghaft an sie zu fixieren und weiter von ihr abhängig zu machen.

Rainer Paris

Heinz Hartmann: Funktionale Autorität. Stuttgart 1964.

Theodor Eschenburg: Über Autorität. Frankfurt a. M. 1965, 21976.

Lutz Zündorf / Manfred Grunt: Hierarchie in Wirtschaftsunternehmen. Frankfurt a. M. / New York 1980.

Wolfgang Sofsky / Rainer Paris: Figurationen sozialer Macht. Autorität – Stellvertretung – Koalition. Opladen 1991, Neuausg. 1994.

Beruf

Unter ›B.‹ (engl. profession, von lat. professio = ›Bekenntnis‹, ›Gewerbe‹) wird jene Tätigkeit von Menschen verstanden, die diese dauerhaft zur Erzielung ihres Lebensunterhalts ausüben. Im Unterschied zur → Arbeit beruht diese Tätigkeit auf der Spezialisierung und Kombination von Leistungen, die eine besondere Ausbildung (→ Bildung) erfordern.

Der B.-Begriff geht auf das Röm. Recht zurück und erhielt besondere Ausprägungen in den mittelalterlichen Zunftordnungen und zur Zeit der Reformation: Martin Luther verstand ›B.‹ als vocatio Dei, als Berufung Gottes. Von Jean Calvin wurde die rastlose B.-Arbeit als Mittel zur Erlangung des Gnadenstands betrachtet. Infolge der wirtschaftlichen Entwicklungen der Neuzeit wurde die Bedeutung des B. für den Reichtum des Staatshaushalts erkannt und das individuelle Erwerbsstreben entsprechend positiv bewertet. Im Zuge der Industrialisierung verloren die traditionellen B. der ständischen Ordnung an Bedeutung. Nach der Frz. Revolution kam es zur Verankerung der → Freiheit der B.-Wahl des → Individuums als in der Verfassung garantiertes Grundrecht (→ Recht). Nach Émile Durkheim (De la division du travail social, 1893, dt. 1977) ist der B. Grundlage der »organischen Solidarität« der modernen → Gesellschaft als einer funktionalen sozialen Ordnung. Die berufliche Leistung erhielt in der → Industriellen Gesellschaft zentrale Bedeutung für Ansehen, Wohlstand und sozialen Aufstieg von Individuen und → Gruppen. Die soziale Schichtung ist v. a. Ausdruck des Ansehens und Prestiges der B.

Die berufliche → Sozialisation erfolgt im Elternhaus und die Ausbildung in Schule und Lehre. Die Ausübung eines B. begründet Erwartungen von Seiten der sozialen → Umwelt; für die B.-Rolle (→ Rolle) haben insbesondere B.-Kollegen und Kunden/Klienten große Bedeutung. Da in der modernen Gesellschaft der B. aber meist in betrieblichen → Organisationen ausgeübt wird, erfährt die B.-Rolle Veränderungen durch die organisatorischen Anforderungen.

Professionen sind durch eine hohe Systematisierung des → Wissens, etwa durch eine akademische Ausbildung, sowie durch ein B.-Ethos, etwa das des Dienstes an der → Gesellschaft, gekennzeichnet. Professionen weisen einen hohen Selbstorganisationsgrad in B.-Verbänden aus, die Kontrolle über den B.-Zugang und über das Verhalten der Mitglieder ausüben. Typische professionalisierte B. sind z. B. die des Arztes, Rechtsanwalts, Architekten, Ingenieurs. Es handelt sich dabei oft um ›freie Berufe‹, allerdings arbeiten in der modernen Gesellschaft immer mehr Angehörige professioneller B. im Rahmen von Organisationen (z. B. im Krankenhaus oder in der Rechtsabteilung eines Unternehmens).

Harold L. Wilensky (»The Professionalization of Everyone«, in: American Journal of Sociology 70, 1964, Nr. 2) sprach von einer Tendenz zur Professionalisierung von immer mehr B.-Gruppen. Andere Autoren stellen eine Entberuflichung durch die Zersplitterung und Standardisierung der Arbeit in vielen B. fest. Die Orientierung an betrieblichen Erfordernissen bewirkt, dass das B.-Wissen verstärkt extrafunktionale Kompetenzen (z. B. Team- und Lernfähigkeit) umfasst und die B.-Ausbildung sich am Erwerb von Qualifikationen orientiert. Aufgrund neuer Technologien und struktureller Veränderungen in Unternehmen im Zuge der wirtschaftlichen → Globalisierung kommt es heute zu einem raschen Wandel des B.-Wissens, der Notwendigkeit zu ständigem Weiterlernen, zu mitunter mehrmaligem B.-Wechsel bzw. einer flexiblen Gestaltung des Erwerbslebens. Dadurch entsteht eine Entwicklung weg von beruflicher Kontinuität hin zu einer verstärkten Orientierung an der Erreichung und Erhaltung von Beschäftigungsfähigkeit.

Gertraude Mikl-Horke

Thomas Luckmann / Walter M. Sprondel (Hrsg.): Berufssoziologie. Köln 1972.

Ulrich Beck [u. a.]: Soziologie der Arbeit und der Berufe. Grundlagen – Problemfelder – Forschungsergebnisse. Reinbek 1980.

Keith M. Macdonald: The Sociology of the Professions. London [u. a.] 1995, Nachdr. 1999.

Friedrich Fürstenberg: Wirtschaftsbürger in der Berufsgesellschaft. Zürich/Osnabrück 1997.

– / Michael Hasse: Berufsgesellschaft in der Krise. Berlin 2000.

Bildung

B. ist ein Prozess des Lernens, verteilt auf die → Rollen von Schüler und Lehrer. Lernen ist das Sammeln von Erfahrungen durch Belohnung und Bestrafung von Verhaltensweisen durch die → Umwelt (→ Verhalten). In der B. wird Lernen, das jedes Verhalten begleitet, auf ein Ziel gerichtet und in die soziale Beziehung zwischen Lehrer und Schüler gegossen. Aus diesem Grund wird ›B.‹ auch von → ›Sozialisation‹ unterschieden, in der Eltern oder »signifikante Andere« (George Herbert Mead) ihren Kindern implizit Werte durch ihr Verhalten vermitteln (→ Familie).

In Antike und Mittelalter suchten soziale Eliten Lehrer für ihre Kinder in Akademien oder Klöstern. Seit dem 16. Jh. wurden Lernorte und -zeiten (›Schule‹) aus dem Alltagsleben ausgegrenzt und bestimmte Lernstoffe (›Fächer‹, ›Pensum‹) festgelegt. Dadurch konnten Lerngruppen (›Klassen‹) und Spezialisten der Vermittlung (›Lehrer‹) nach ihrer Kenntnis des Lernstoffs voneinander unterschieden werden: Die Schule als → Institution der Wissensvermittlung entwickelte sich aus der → Wissenschaft als Institution der Wissensproduktion (Philippe Aries, L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime, 1960, dt. 1977). Seit dem Beginn des 19. Jh. wurde in Westeuropa die allgemeine Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr eingeführt (Peter Flora, »Die Bildungsentwicklung im Prozess der Staaten- und Nationenbildung«, in: Soziologie und Sozialgeschichte, hrsg. von Peter C. Ludz, 1973), so dass Schulformen mit einer Berufsausbildung der Lehrer und unterschiedlich qualifizierenden Abschlüssen entstanden und Leistung in Prüfungen gemessen und in Noten ausgedrückt wurde. Die → Staaten schufen und kontrollierten nationale B.-Wesen.

Das B.-Wesen ist ein soziales Subsystem, in dem Lernen sich als eigene Funktion aus dem Ganzen einer Gesellschaft ausdifferenziert sowie nach eigenen ErfordernisLeçons de sociologie, physique des mœurs et du droitSoziologie von Anfang an