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Kirstie Papers

Glitzersand





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80331 München

Glitzersand

Glitzersand

 

Kirstie Papers

 


Diese Geschichte ist frei erfunden.

Sämtliche Namen, handelnden Personen und Begebenheiten

entspringen der Fantasie der Autorin.

 

 

 

***

 

Dich sehen,

ist: die Heimat haben!

Dich sehen,

ist: zu Hause sein!

Alle Sehnsucht ist begraben,

alle Wünsche schlummern ein.

 

 

(Cäsar Otto Hugo Flaischlen / Cäsar Stuart)

 

***

Kapitel 1

 

Wäre Luis mit mir nach Kreta geflogen, hätte sich bestimmt alles anders entwickelt. Doch mein Freund hatte kurzfristig einen Rückzieher gemacht und sich nicht an unsere Abmachung gehalten. Seit Monaten hatte ich unseren ersten gemeinsamen Urlaub geplant und dabei die deutlichen Zeichen übersehen. Luis liebte mich längst nicht mehr so wie zu Beginn unserer Beziehung, sondern hing häufiger mit seinen Freunden rum, als mit mir kuschelige Stunden zu verbringen. Wenn ich Kinokarten für romantische Komödien besorgte, runzelte er die Stirn und sagte: „Mäuschen, du weißt doch, dass ich nur Actionfilme gucke.“ Versuchte ich ihn zu überreden, bei meinen Eltern zum Sonntagskaffee aufzuschlagen, vertröstete er mich: „Nächste Woche, versprochen, mein Mäuschen. Heute muss ich unbedingt in die Halle und pfeifen.“ Luis ist Handball-Schiri und nimmt sein Hobby sehr ernst. „Ich liebe Handball eben“, meinte Luis. „Such dir doch auch etwas, was dich richtig zum Kochen bringt, Mäuschen. Ein bisschen langweilig bist du ja schon, aber mich stört es nicht.“ Sein „Mäuschen“ hing mir zum Hals raus.

 

Mit meinen 26 Jahren sehnte ich mich nach einer planbaren Zukunft. Sicher, ich konnte noch warten mit Kindern und eigenem Häuschen – aber ich wollte zumindest den Einen finden, mit dem all das eines Tages möglich wäre. Dabei dachte ich, ich hätte den Richtigen längst an meiner Seite! Seit drei Jahren waren Luis und ich ein Paar und anfangs hing der Himmel voller Geigen. Luis sah toll aus, war genauso alt wie ich und arbeitete als Beamter in der Bezirksregierung. Das klang gut, fand ich. So verlässlich, häuslich und normal.

 

Ich war auch normal, totaler Durchschnitt. Weder sah ich besonders schön, noch auffallend dick oder dünn aus. Normal groß, normal intelligent und normale Wünsche. Mein Job gestaltete sich nicht toll oder schrecklich, sondern er versorgte mich mit monatlichen 1.682 Euro netto und einem dreizehnten Gehalt. Morgens um halb neun saß ich am Schreibtisch und fing ruhig und konzentriert mit meiner Arbeit als Buchhalterin in einer Spedition an. Pünktlich um 17 Uhr fuhr ich den Computer runter und machte mich auf den Heimweg. Gestresst war ich eigentlich nie, denn meinen Chef sah ich selten und die Kollegen – bis auf den Abteilungsleiter – fand ich soweit okay. Manchmal machte ich Überstunden, die ich dann später abbummeln konnte. So kam ich auf 35 Urlaubstage im Jahr. Luis hatte auch viel Urlaub und darum wollten wir ja auch endlich zusammen verreisen.

 

Bisher waren wir nur zweimal für einige Tage an der Nordsee gewesen. Das war allerdings sehr schön. Endlich hatte ich meinen Freund mal ganz für mich alleine. Keine Anrufe von seinen dämlichen Kumpels, die nur Alkohol und Handball im Kopf haben. Keine Schiedsrichter-Termine und kein Sex nach Stundenplan. Im Alltag schliefen wir nämlich nur am Wochenende miteinander – ich weiß auch nicht warum. Es hatte sich einfach so eingeschlichen. Aber an der Nordsee war Luis zu jeder Tageszeit zärtlich und lustig. In diesen Luis hatte ich mich damals verliebt und so gefiel er mir am besten.

 

„Schatz“, säuselte ich im Juni, „wir haben im Juli genau 14 Tage gleichzeitig Urlaub. Was hältst du davon, wenn wir wegfliegen? Christian und Jenny haben letztes Jahr ganz günstige Flüge nach Griechenland bekommen. Last Minute.“

„Was heißt denn günstig? Wir können doch einfach wieder nach Cuxhaven fahren, da weiß man, was man hat.“

„Ja, aber noch können wir doch gut ins Ausland. Wenn man erst mal Kinder hat, dann ist die Nordsee viel bequemer.“

„Kinder? Soweit sind wir wohl noch nicht, Mäuschen. Hoffentlich.“

Das hatte wehgetan, aber ich ließ mir nichts anmerken. Bestimmt meinte er es gar nicht so, redete ich mir ein. Er ist halt sehr direkt und wird sich bestimmt nicht nach einer anderen Mutter für seine Kinder umschauen. Die Zeit ist einfach noch nicht reif. Nach außen ungerührt drängelte ich weiter:

„Ich möchte so gerne mal nach Griechenland. Jenny hat erzählt, dass es dort wirklich tolle Ecken gibt, wo noch nicht so viele Touris rumlaufen. Weiß getünchte Häuser, blaue Türen und Tsatsiki – du weißt schon. Bitte, Schatz, am liebsten eine griechische Insel. Wir können doch mal im Internet gucken!“

„Von mir aus. Aber suchen musst du selbst. Ich hab dazu weder Bock noch Zeit. Außerdem will ich gleich noch die Vereinshomepage aufmotzen. Mehr als 1.000 Euro gebe ich jedenfalls nicht aus und außerdem können die Griechen froh sein, wenn sie überhaupt noch jemand unterstützt.“

 

Tausend Euro, damit kann ich arbeiten, dachte ich. Auch wenn Luis und ich sonst fast schon unter die Rubrik „Spießer“ fielen, in puncto Urlaub mochten wir es unkonventionell. Wir fanden beide Bettenburgen und Ballermann-Atmosphäre zum Abgewöhnen. Ich wollte ein kleines Hotel oder ein Appartement für uns finden, nicht weit vom Strand, aber ohne Animation oder solch einen Blödsinn. Luis beteiligte sich überhaupt nicht an meinen Internet-Recherchen, sondern ging immer häufiger direkt nach der Arbeit mit seinen Kumpels in die Sporthalle oder in ein Bistro. Na ja, andere machen Party in der Disko und flirten mit fremden Mädels. So etwas würde Luis nicht machen, dafür ist er viel zu stumpf, redete ich mir ein. Sollte er sich ruhig noch ein bisschen austoben, ich würde ihn schon geschickt für mich gewinnen.

 

Der Urlaub in Griechenland sollte ihm verdeutlichen, wie toll es mit mir ist. Wir würden andere Pärchen kennenlernen und einen Mix aus Geselligkeit und Romantik unter südlicher Sonne erleben. Ich freute mich schon so! Manchmal googelte ich schon mittags heimlich im Büro nach möglichen Reisezielen. Inzwischen war ich mir sicher, dass es eine griechische Insel sein sollte; welche, war mir egal. Zusammen mit meinem Schatz wollte ich auf urigen Holzstühlen in einer Taverne am Hafen sitzen und bei Bifteki und griechischem Wein auf das Meer blicken.

 

Doch es kam alles ganz anders. Zwei Wochen, bevor es losgehen sollte – wir hatten uns entschieden, direkt am Flughafen Last Minute ein Superschnäppchen zu ergattern – fiel Luis ein, dass er lieber doch nicht weg möchte.

„Mäuschen, ich habe einfach keine Zeit. Insgesamt finden in den zwei Wochen Urlaub drei Punktspiele statt. Die kann ich echt nicht verpassen. Außerdem will ich meinen Wagen in die Werkstatt bringen, irgendwas stimmt nicht mit dem Anlasser. Fahr doch mit Jenny, dann könnt Ihr ein bisschen shoppen und gemütlich essen gehen.“

Geschockt starrte ich ihn an und bereits nach wenigen Sekunden stiegen mir die Tränen in die Augen.

„Das kannst du doch nicht machen! Wir haben doch alles geplant!“

„Wir haben gar nichts geplant, du hast geplant, Pia. Ich wollte von Anfang an nach Cuxhaven, aber du hast ja nur noch von Griechenland gelabert.“

Wenn Luis mich Pia statt Mäuschen nannte, war das kein gutes Zeichen. Es kam äußerst selten vor, dass Luis sauer wurde und jetzt schien solch ein Moment gekommen zu sein. Aber warum? Was hatte ich ihm getan? Fand er mich langweilig oder unattraktiv?

 

„Sag doch gleich, wenn du keine Lust hast, mit mir allein zu sein!“, heulte ich.

„Was für ein Quatsch. Wir sind doch andauernd allein, hier in unserer Wohnung. Ist doch alles gut. Ich will nur nicht in Urlaub, aber du kannst doch gerne fahren, Pia. Hab ich überhaupt kein Problem mit.“

„Ach ja, und warum nennst du mich dann Pia?“

„Äh, weil du so heißt? Ich denk, du kannst Mäuschen nicht ausstehen.“

„Ja, schon, aber ich will doch einfach nur in Urlaub mit dir.“

Inzwischen war ich in Tränen aufgelöst und kreuzunglücklich. Wie konnte er mir das nur antun? Ich wollte nicht mit Jenny weg, sondern mit Luis!

„Was hat denn dein Name mit Griechenland zu tun? Pia, Mäuschen, verdammt, Schatz – ich komm nicht mit. Mach kein Drama draus. Ich kann euch ja zum Flughafen bringen.“

„Dann flieg ich eben alleine! Du mieser Kerl! Du wirst schon sehen, was du davon hast!“

 

Ich heulte die ganze Nacht durch und drehte Luis im Bett den Rücken zu. Sonst kuschelte ich mich immer an ihn. Es schien ihn nicht zu stören – weder das eine, noch das andere. Als ich am nächsten Morgen im Spiegel mein verheultes Gesicht sah, beschloss ich, dass die alte Pia aus dem Mäuschenloch rausmusste. Was war nur aus mir geworden in den letzten Monaten? Ein bettelndes und klammerndes Äffchen, das um die Gunst seines Freundes flehte und sich total lächerlich machte. Nein, so konnte es nicht weitergehen. Ein Leben mit solch einem Mann als Vater meiner Kinder – das konnte ich mir nicht vorstellen. Luis interessierte sich nur noch für sich, beschwichtigte mich, wenn ich Wünsche und Sehnsüchte hatte. Und im Bett verlief doch schon lange alles nach Schema F. Wann hatten wir uns das letzte Mal einfach nur ausgiebig geküsst, so richtig herumgeknutscht? Auf Georgs Silvesterparty – aber das lag ein halbes Jahr zurück und außerdem war Luis da auch total besoffen.

 

Tapfer stieg ich auf die Waage und sah, was ich ohnehin schon ahnte. Statt meiner üblichen 59,9 Kilo leuchtete mir die Digitalanzeige vorwurfsvoll eine 63,4 entgegen. Luis, du Blödmann, ich werde es dir schon zeigen! Anstatt zur Arbeit zu fahren, steuerte ich ein Reisebüro an. Ich wollte nicht mehr lange nach der perfekten Unterkunft suchen, ich wollte keine Freundin mitnehmen, ich wollte einfach nur noch weg und das möglichst schnell dingfest machen, damit ich es mir nicht noch anders überlegte.

 

„Ich möchte nur einen Flug nach Kreta, hin und zurück, zwei Wochen lang.“

„Haben Sie schon eine Bleibe?“, wollte die Reiseverkehrskauffrau wissen.

„Nein. Ich suche mir vor Ort was Hübsches. Das geht doch, oder?“

„Ja, ich denke schon. Zur Not müssen Sie ein bisschen im Landesinnern auf die Suche gehen, da findet man immer ein Dach über dem Kopf. An der Küste ist es sicherlich voller. Sind Sie schon oft als Rucksacktouristin gereist?“

„Nein, noch nie. Aber mein Leben soll sich ändern. Ich will endlich mal etwas wagen.“

„Wow!“, sagte die sympathische junge Frau und ich hatte den Eindruck, sie war ein bisschen neidisch auf mich.

 

 

„Na, Mäuschen, bleibst du doch bei mir zu Hause? Aber sei nicht böse, wenn ich wenig Zeit für dich hab, ich werde fast nur in der Halle sein. Wir können ja immer schön ausschlafen, nicht?“

„Wie meinst du das denn? Willst du nicht ausschlafen?“

Langsam drehte ich mich auf den Rücken und beobachtete Luis’ Minenspiel. In ihm ratterte es und er schien sich zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.

„Wieso Christian? Ich flieg nicht mit Jenny, sondern alleine.“

„Mäuschen“, brummte Luis liebevoll und beugte sich über mich, so dass sein Gesicht ganz dicht über meinem war. Jetzt nur nicht schwach werden! „Mäuschen, du kannst doch nicht alleine fahren, das ist doch total langweilig. Komm, ich zeige dir was viel Schöneres.“

Er küsste mich hinter meinem Ohr, dort, wo ich es besonders gerne hatte, und fuhr mit seiner linken Hand an meinem Körper herunter, schob mein Top nach oben und wollte meine Brüste streicheln. Ach, Luis, dachte ich wehmütig, du kennst mich so gut und das ist auch wirklich schön. Aber lass dir doch ein einziges Mal etwas anderes einfallen!

Jetzt wurde Luis wütend.

„Quatsch. Du weißt doch, dass ich auf so was nicht stehe. Nein, ich weiß es noch nicht. Hab mir nur einen Flug gebucht und bin zwei Wochen später wieder da.“

Die Sache begann mir Spaß zu machen und Luis war anscheinend ein wenig besorgt. Richtig so, das hatte er sich schließlich selbst zuzuschreiben!

„Pia, jetzt mal ehrlich, du bist jung, blond und alleinreisend. Das ist doch Wahnsinn. Und überhaupt, was willst du denn ohne mich überhaupt anstellen?“

Und damit drehte ich mich wieder auf die Seite, zog mein Top nach unten und wünschte eine gute Nacht.