und andere Kriminalgeschichten
Oberst Dane stand entschlossen in der geräumigen, prachtvollen Halle des Hauses, in dem er einen Kuraufenthalt verbracht hatte. Auch alle anderen Patienten hielten sich gern in diesem schönen Raum auf. Besonders an kühlen Tagen fühlte man sich hier behaglich. Die hohen Wände waren bis zur Decke mit Holz getäfelt, und die polierten Flächen spiegelten die großen Holzfeuer wider, die in den offenen Kaminen loderten. In stillen, verschwiegenen Ecken luden eingebaute Sofanischen zum Sitzen und zum Plaudern ein; schöne alte Stiche in glätten, geschmackvollen Holzrahmen fügten sich harmonisch in die Umgebung ein. Weiche Teppiche, in denen die Füße versanken, bedeckten den Boden und dämpften alle Geräusche.
Im Sommer war es hier kühl, wenn die großen Portieren halb zugezogen wurden und vor dem grellen Sonnenlicht schützten. Verträumt tickte im Hintergrund die große, alte Standuhr mit den geschnitzten Engelsfiguren, und zu der halbgeöffneten Tür trug die Brise den Duft von Teerosen herein. In dieser paradiesischen Ruhe und Schönheit hatte schon manches unruhige Gemüt nach all den Kämpfen und Qualen des Lebens Ruhe und Frieden gefunden.
Oberst Chartres Dane spielte nervös mit dem obersten Knopf seines Staubmantels; auf seinem gut geschnittenen Gesicht lag ein nachdenklicher Zug. Er war schlank und hager und mochte etwa fünfundfünfzig Jahre zählen, aber er sah müde aus, und seine Bewegungen waren etwas fahrig.
Dr. Merriget sah ihn fragend durch seine starke Brille an. Er wunderte sich darüber, mit welcher Gelassenheit der Patient das Gutachten hingenommen hatte. Es war ein peinlicher Augenblick; der Doktor hatte in liebenswürdigster Form sein Bedauern über den Befund ausgesprochen und versucht, den Kranken aufzurichten und zu trösten. Und nun war alles gesagt, was gesagt werden konnte. Es blieb nur noch übrig, dass der Patient sich verabschiedete und ging.
"Sie haben übrigens früher eine sehr schwere Verwundung an der Wange gehabt, Mr. Jackson", sagte der Arzt, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen und dadurch das drückende Schweigen zu brechen. Sicher hat der Oberst viele Gefechte mitgemacht, das bewiesen seine Verwundungen. An mancher Schlacht hatte er teilgenommen und dem Tod mutig ins Auge gesehen. Solche Erinnerungen mochten vielleicht dem früheren Offizier im Augenblick darüber weghelfen, dass seine Tage gezählt waren und dass er nicht mehr lang zu leben hatte.
Dane strich nachdenklich mit der Hand über die lange Narbe in seinem Gesicht.
"Das hat ein Kind getan, meine Nichte. Wenn ich auch sonst dreimal verwundet worden bin, diese Narbe hat nichts mit meinem Beruf als Soldat zu tun."
"Sehr merkwürdig, wie kommt denn ein Kind dazu, so etwas zu tun?" fragte Dr. Merriget etwas betreten. Seine Neugierde war geweckt.
"Es war schließlich meine eigene Schuld, sie war erst vierzehn Jahre alt, ich sprach wegwerfend von ihrem Vater, und das war um so unverzeihlicher, als er erst vor kurzem gestorben war. Wir saßen beim Frühstück, und ich sagte dabei etwas über meinen Schwager, was ich in Gegenwart des Kindes besser unterlassen hätte. In ihrer Erregung warf sie das große Brotmesser nach mir, und es traf so unglücklich ..."
Er nickte nachdenklich, aber dann ging ein Lächeln über seine Züge.
"Sie hat mich seit der Zeit gehaßt und sie haßt mich immer noch ..."
Er wartete.
Dem Doktor war die Situation sehr peinlich. Er versuchte deshalb, noch einmal auf das Resultat der Untersuchung zurückzukommen.
"Ich wäre viel beruhigter, wenn Sie zu einem Spezialisten gingen, Mr. Jackson. Sie sehen ja, wie schwierig es für mich ist, in einem solchen Fall ein endgültiges Urteil abzugeben. Es ist möglich, dass ich mich geirrt habe. Ich weiß wenig von Ihrem Vorleben, ich meine, ich habe Sie bei Ihren früheren Krankheiten nicht behandelt. In London gibt es viele Spezialärzte, die Ihnen ein wertvolleres Urteil geben konnten als ich. Ein praktischer Arzt, besonders wenn er auf dem Land lebt, ist von der großen Entwicklung der Wissenschaft mehr oder weniger ausgeschlossen. Man hat hier nur die gewöhnlichen Fälle zu behandeln ... Es ist schwer, sich in der Medizin auf dem laufenden zu halten ..."
"Wissen Sie etwas über die Machonicies-Schule?" fragte der Oberst unerwartet.
"Selbstverständlich", entgegnete der Doktor überrascht. "Sie ist eine der besten technischen Schulen für Naturwissenschaften. Viele unserer Ärzte und Chemiker bereiten sich dort auf ihr Studium vor. Aber warum fragen Sie danach?"
"Ach, es kam mir nur so in den Sinn. Was Sie von den Spezialisten sagen, mag stimmen, aber ich glaube kaum, dass ich mich noch an einen anderen Arzt wenden werde."
Mit diesen Worten drehte sich der Oberst um und ging mit langen Schritten die gepflegten Kieswege zwischen den Blumenbeeten entlang.
Dr. Merriget stand noch auf den Stufen der Treppe, die zur Haustür hinaufführten, als man schon lange nichts mehr von dem Wagen hörte, in dem der Patient fortgefahren war.
"Hm", murmelte Dr. Merriget nachdenklich, als er in sein Arbeitszimmer zurückkehrte und sich an seinem Schreibtisch niederließ.
"Mr. Jackson?" sagte er laut zu sich selbst. "Ich möchte nur wissen, warum sich der Oberst Mr. Jackson nennt?"
Vor zwei Jahren hatte er den tüchtigen Kolonialoffizier bei einem Gartenfest kennengelernt, und er hatte ein vorzügliches Gedächtnis für Gesichter.
Er dachte nicht weiter über die Sache nach, da er sich selbst für eine längere Reise vorbereitete und das Packen seiner Koffer beaufsichtigte. Er wollte nach Konstantinopel fahren und von dort aus den näheren Orient besuchen. Schon seit langer Zeit hatte er sich auf diese Urlaubsreise erfreut.
* * *
Am folgenden Nachmittag war in der Machonicies-Schule ein Experimentalvortrag in vollem Gange.
"... durch diese Verbrennung haben wir einen besonderen Stoff gefunden, der ein hervorragendes Gift darstellt ... Wir wollen nun damit weitere Untersuchungen anstellen und sehen, wie sich das Kristall zusammensetzt ... Es ist ein vergängliches, farbloses Gebilde, das sich in Flüssigkeiten äußerst schnell und vollkommen löst."
Der Lehrer, dessen monotone Stimme den Saal füllte, war so durch und durch Chemiker, dass für ihn das ganze Leben nichts weiter als eine Aufeinanderfolge chemischer Reaktionen bedeutete; außer seiner Wissenschaft kannte er nichts ...
Ella Grant sah widerwillig auf die Kristalle, die auf dunkelblauem Papier vor ihr lagen, und drehte den Bunsenbrenner aus. Professor Denman konnte nie ein Ende finden; seine Vorlesungen gingen stets über den Stundenschluß hinaus, und jetzt war es schon Viertel nach fünf! Das runde Zifferblatt der Uhr über dem Katheder schien sie anzugrinsen und sich über sie lustig zu machen.
Sie wurde immer ungeduldiger, seufzte und spielte nervös mit den chemischen Apparaten, die vor ihr standen. Außer ihr waren noch etwa zwanzig andere junge Mädchen in weißen Arbeitskitteln anwesend; aber alle dachten wie Ella Grant nur daran, dass die Vorlesung des Professors schon eine Viertelstunde zu lang dauerte. Ihre Augen waren auf den kahlen Schädel des Gelehrten gerichtet, der die Zeit vollständig vergessen hatte und dauernd über die Eigenschaften des Zyankali sprach.
"Wir haben hier einen Stoff, dessen Affinität zu Sauerstoff unendlich groß ist ... Ach, ist es schon fünf ...? Ja, die Vorlesung ist jetzt zu Ende."
Erlöst sprangen die jungen Mädchen von ihren Plätzen auf, und der Professor konnte sich in dem Lärm kaum noch verständlich machen.
"Meine Damen ...! Aber hören Sie doch noch einen Augenblick zu. Der Laboratoriumsdiener wird die einzelnen Chemikalien einsammeln, die zu diesem Experiment ausgegeben worden sind ..."
Sie drängten zur Tür, und der Laboratoriumsdiener sammelte am Ausgang schnell die grünen, braunen und blauen Fläschchen ein, die ihm hingehalten wurden.
Er besaß ein fabelhaftes Gedächtnis für die Namen der Schülerinnen und für die Materialien, die er ausgeteilt hatte.
Als die Klasse leer war, fuhr er mit der Hand über die Stirn.
"Miss Grant ...?"
Das Laboratorium für analytische Chemie war leer. Neunzehn kleine Flaschen stellte er in Reih und Glied an ihren Platz. Eine fehlte. Und er wußte genau, dass Miss Grant ihr Glasfläschchen nicht abgegeben hatte.
Er ging in die Garderobe, wo die einzelnen Arbeitskittel hingen, und untersuchte die Taschen der weißen Arbeitsschürze von Miss Grant, aber er fand nichts.
Schließlich kehrte er ins Laboratorium zurück und schrieb in seinen Bericht:
"Miss Grant hat die für die Experimente ausgeliehenen Chemikalien nicht zurückgegeben."
Ella hatte die Flasche in der Tasche ihres Arbeitskittels entdeckt, als sie ihn in der Garderobe aufhängte. Einen Augenblick zögerte sie und runzelte die Stirn, während sie das kleine Ding in der Hand hielt. Sie überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis sie ins Laboratorium zurückging, den Diener aufsuchte und ihm die Flasche zurückgab, dann steckte sie sie entschlossen in ihre Handtasche und verließ die Schule. Es kam ja häufiger vor. dass die jungen Studentinnen die Rückgabe irgendeiner Chemikalie vergaßen. Das war nicht weiter gefährlich. Am nächsten Morgen konnte sie vor Beginn des Unterrichts den Laboratoriumsdiener aufsuchen und alles in Ordnung bringen.
Sie war nur von einem Gedanken beherrscht: Hatte Jack Erfolg gehabt? Er war zur Zeit als junger Anwalt bei der Staatsanwaltschaft beschäftigt, und es war das große Wunder geschehen, von dem so viele träumen: Der Erste Staatsanwalt war plötzlich erkrankt, und da sich niemand so genau in die Akten des Falles eingearbeitet hatte wie Jack, wurde ihm die Führung der Verhandlung anvertraut. Er hatte keinen leichten Stand, denn der Angeklagte wurde von zwei glänzenden Rechtsanwälten verteidigt, und es war allgemein bekannt, dass der Richter sehr nachsichtig und mild urteilte.
Sie kaufte sich nicht erst eine Zeitung, denn sie hatte Angst, dass Jack Freeder vielleicht nicht auf sie gewartet hatte. Erleichtert atmete sie auf, als sie in die Anlagen kam und entdeckte, dass er auf dem mit großen Steinplatten belegten Weg auf und ab ging.
"Es tut mir so leid ..."
Sie hatte ihn eingeholt und stand jetzt dicht hinter ihm. Als er ihre Worte hörte, wandte er sich schnell um. Seine Augen leuchteten, und sie sah ihm sofort an, dass er großen Erfolg gehabt hatte. Die Begeisterung in seinen Zügen sagte ihr alles, was sie wissen wollte. Ella legte glücklich ihren Arm in den seinen ... sie war stolz auf ihn.
"... der Richter hat mich nach der Verhandlung in sein Zimmer kommen lassen und mir ausdrücklich gesagt, dass der Staatsanwalt selbst den Fall nicht besser hätte führen können."
"Ist der Angeklagte wirklich schuldig?" fragte sie zögernd.
"Wen meinst du, Flackman ...? Ich nehme es bestimmt an", erwiderte er etwas gleichgültig. "Sein Revolver wurde in Sinnits Zimmer gefunden, und die Zeugenaussagen ergaben einwandfrei, dass er vorher wegen Geldangelegenheiten einen heftigen Streit mit Sinnit hatte. Es drehte sich außerdem nicht nur um Geld, sondern vor allem um ein Mädchen. Leider reichte das Material, das die Untersuchung zutage brachte, nicht aus, auch gegen sie Anklage zu erheben. Selten hat man bei solchen Mordfällen direkte Beweise, und in gewisser Weise wiegen Indizien viel schwerer. Wenn ein Zeuge vor Gericht aufgetreten wäre und gesagt hätte: 'Ich sah, wie Flackman Sinnit erschoß und wie Sinnit tot umfiel', dann würde die ganze Anklage mit der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen stehen oder fallen. Dem Verteidiger bleibt nichts anderes übrig, als die Glaubwürdigkeit des Zeugen anzugreifen, und wenn es ihm gelingt, den Mann als einen Gewohnheitslügner hinzustellen, ist eine Verurteilung unmöglich. Wenn wir andererseits sechs oder sieben Zeugen haben, von denen jeder eine besondere Aussage macht und dadurch den Verdacht der Täterschaft immer mehr erhärtet, und wenn keine Aussage der anderen widerspricht, dann ist die Kette geschlossen, und das Netz zieht sich über dem Angeklagten zusammen, so dass es kein Entrinnen mehr gibt."
Sie nickte.
Bei Beginn der Sommerferien hatte ihre Bekanntschaft mit Jack Freeder begonnen; ein romantisches Abenteuer hatte sie zusammengeführt. Sie sah vom Ufer aus, dass ein Segelboot in der Nähe kenterte und der eine Insasse unter dem Segel gefangen war. Als glänzende Schwimmerin tauchte sie, und es gelang ihr, ihn aus der Takelage zu befreien und ihm das Leben zu retten.
"Für mich hat der Fall eine außerordentlich große Bedeutung, Ella", sagte er, als sie in eine verkehrsreiche Straße einbogen. "Dieser Erfolg schafft mir eine Existenz."
Er sah sie an, und ihre Blicke ruhten sekundenlang ineinander. Auch sie hatte von Anfang an gewußt, dass dieser Erfolg die Grundlage ihres gemeinsamen Glücks werden würde.
"Hast du übrigens Stephanie gestern Abend gesehen?" sagte er plötzlich.
Sie schlug schuldbewußt die Augen nieder.
"Nein", gab sie zögernd zu. "Aber du solltest dir darum keine Sorge machen, Jack. Stephanie erwartet das Geld mit jeder Post."
"Die Auskunft hast du nun schon einen ganzen Monat lang bekommen", entgegnete er sachlich und trocken, "und inzwischen wird die Summe fällig. Ich kann überhaupt nicht verstehen ..."
Sie unterbrach ihn lachend.
"Ja, ich weiß, du kannst nicht verstehen, warum meine Unterschrift als Garantie für Stephanie genügte", sagte sie vergnügt. "Das ist eigentlich gar nicht nett von dir!"
Stephanie Boston war ihre Freundin. Lange Zeit hatte sie mit ihr zusammengelebt, und jetzt hatte sie die Wohnung über ihr gemietet. Jack Freeder machte die Freundschaft der beiden schon lang große Sorge, obwohl er Stephanie erst ein einziges Mal gesehen hatte. Sie war eine schöne, etwas oberflächliche junge Dame, die elegante Kleider liebte und weit über ihre Verhältnisse lebte. Obwohl sie als eine anerkannte Modezeichnerin galt, war sie in Schwierigkeiten geraten und wußte nicht mehr aus noch ein. Andere hatten das lange vorausgesehen. Eines guten Tages war sie mit einem Formular zu Ella gekommen und hatte ihr eine lange Geschichte mit dem kurzen Inhalt erzählt, dass jemand ihr Geld leihen wollte, wenn Ella ihren Namen unter den Schuldschein schriebe. Ella, der alle Finanzdinge vollkommen fremd waren, erfüllte den Wunsch der Freundin sofort.
"Wenn du eine große Erbin wärst, oder wenn du durch den Tod eines Verwandten auf ein Legat rechnen könntest", fuhr Jack besorgt fort, "dann könnte ich schließlich verstehen, dass Mr. Bent sich mit deiner Unterschrift zufrieden gegeben hat. Aber das trifft doch alles nicht zu!"
Ella lachte und schüttelte den Kopf.
"Der einzige Verwandte, den ich auf der Welt habe, ist mein armer, lieber Onkel Dane, und der ist böse auf mich. Ich habe ihn auch nicht leiden können, aber darüber bin ich längst hinweg. Nachdem mein Vater starb, war ich ein paar Monate in seinem Haus, und wir stritten uns, den Grund brauche ich dir nicht zu erzählen. Ich bin davon überzeugt, dass ihm nachher leid tat, was er gesagt hatte. Als Kind war ich sehr jähzornig, ich habe damals ein Messer nach ihm geworfen."
"Um Himmels willen!" Jack starrte sie erschreckt an.
Sie nickte feierlich.
"Das Geschehene läßt sich nicht mehr ändern. Deshalb habe ich auch keine Aussicht, von ihm etwas zu erben. Mein Onkel ist unheimlich reich, aber nach all diesen Vorfällen ist gar nicht daran zu denken, dass er mir etwas vermacht. Höchstens das Messer, mit dem ich ihn damals verwundet habe."
Jack schwieg. Bent, ein gewerbsmäßiger Geldverleiher, war als hartherzig und rücksichtslos bekannt.
Als Ella an diesem Abend nach Hause kam, war sie fest entschlossen, Stephanie aufzusuchen. Jack Freeder war in dem Punkt sehr energisch gewesen und hatte sie gedrängt, das zu tun. Sie gestand sich ein, dass sie einem solchen Besuch bis jetzt aus dem Weg gegangen war.
Stephanies Räume befanden sich im ersten Stock; Ella wohnte eine Treppe höher. Sie stand lange Zeit nachdenklich vor der Tür, bevor sie die Entschlußkraft aufbrachte, die Klingel zu drücken.
Grace, das etwas ältliche Mädchen Stephanies, öffnete die Tür mit rotgeweinten Augen.
"Was ist denn geschehen?" fragte Ella bestürzt.
"Treten Sie bitte näher", erwiderte das Mädchen kleinlaut. "Miss Boston hat einen Brief für Sie zurückgelassen."
"Zurückgelassen?" wiederholte Ella erstaunt. "Ist sie denn abgereist?"
"Als ich heute morgen in die Wohnung kam, war sie fort, der Gerichtsvollzieher war auch da ..."
Ellas Herz wurde schwer. Stephanies Brief war nur kurz, aber eindeutig.
Ich muß fortgehen, Ella. Ich hoffe, Du wirst mir verzeihen. Dieser entsetzliche Wechsel ist fällig geworden, und da ich keine Deckung beschaffen konnte, mag ich Dir nicht mehr in die Augen sehen. Ich werde alles tun, um meine Schuld an Dich zurückzuzahlen.
Stephanie
Ella starrte auf das Blatt. In dem Augenblick war ihr noch nicht klar, was das alles zu bedeuten hatte. Stephanie war fort!
"Sie hat ihre ganzen Kleider mitgenommen!" rief Grace verzweifelt. "Heute morgen in aller Frühe ist sie fort und hat dem Portier gesagt, dass sie aufs Land ginge. Und dabei ist sie mir noch den Lohn für drei Wochen schuldig!"
Ella ging verwirrt und bestürzt in ihre eigene Wohnung. Sie selbst hatte kein Mädchen, aber es kam jeden Morgen eine Aufwartefrau zu ihr, die die Wohnung aufräumte. Ihre Mahlzeiten nahm Ella in einem nahegelegenen Restaurant ein.