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Forschungsmission

 

Wiederauferstehung im Zeitalter der Globalisierung

 

»Wir wissen, dass wir sterben müssen. Also sind wir lebende Tote«, sagt Zombiefilm-Guru George A. Romero in der Dokumentation THE AMERICAN NIGHTMARE (2000). Seltsamerweise wurde aus der Todesangst der Menschen ein Motiv geboren, das tiefste Sehnsüchte auf verschiedene Medien überträgt: Ob in Filmen, Comics oder Videospielen, selbst in der Musikbranche treffen wir auf Zombies.

 

Seit fast 100 Jahren bevölkern lebende Tode das Horrorfilmgenre und gegenwärtig auch kommerziell sehr erfolgreiche TV-Serien. Einst Stilmittel provokanter Filmemacher wie Abel Gance, waren Zombies lange Zeit Markenzeichen blutrünstiger Unterhaltung für den Videomarkt. Big-Budget-Produktionen wie WORLD WAR Z (2013) oder die Blockbusterreihe RESIDENT EVIL (2002-…) zeigen hingegen, dass weltweit angesehene Konzerne, und bei weitem nicht nur die Filmindustrie, an der Zombiemanie verdienen. Neben Spieleschmieden wie Capcom oder Techland sind selbst Autohersteller an Zombies interessiert – Man nehme zum Beispiel Hyundais »The Walking Dead«-Special Edition des Models Tucson.

 

Untote sind längst Event-tauglich und so zu Trendsettern geworden. Die Fans verabreden sich in Internetforen zu sogenannten Zombie Walks (o.a. Zombie Runs oder Zombie Flashmobs), um ihr gemeinsames Faible für die Untoten auszuleben. Die Anhänger dieser Veranstaltungen verlassen dabei mediale Inszenierungen und treffen sich stattdessen in der realen Welt, um ihre imaginäre »Helden« zu preisen. Und das rund um den Globus.

 

Wahrlich sind Zombies zu einer Art Vermittler-Instanz zwischen Individuum und moderner Gesellschaft geworden und stehen besonders im Film für tiefgründigere Botschaften, als nur auf kreative Art Körper zu zerpflücken. Über die Jahre wurden aus einstigen Nebenfiguren und Randgruppen ein Symbol für Revolution und Neuanfang. So werden lebende Tote nicht nur in religiösen, sondern schon längere Zeit in biopolitschen Kontexten diskutiert.

 

An dieser Stelle möchte ich nur kurz die Gelegenheit nutzten, all denen zu danken, die mit uns gemeinsam die zweite Ausgabe von Masters of Fiction gestemmt haben: Vor allem Stefanie Zurek (Lektorat), die in diesem Band gleich in zwei Beiträgen zu Wort kommt. Außerdem gilt unser Dank wieder einmal Michael Linke für seine Cartoons, Eileen Steinbach (Layout) und dem Mann in Technikfragen: Winfried Brand. Und zu guter Letzt möchten wir Euch, den Lesern, danken, die uns mit ihren Reaktionen und der konstruktiven Kritiken nach Masters of Fiction #1 zeigten, an was wir Autoren noch arbeiten müssen. Ihr werdet bereits mit dieser Ausgabe sehen, dass sich schon so Einiges getan hat!

 

Genug der langen Vorrede. Begleitet uns nun auf eine morbide Reise ins Reich der Untoten, Infizierten, Beißern und Co., und viel Spaß mit dem Rundumsorglos-Paket zum Thema »Zombies«.

 

Elias Albrecht

 

 

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Inhaltsverzeichnis

 

 

Forschungsmission

 

Wiederauferstehung im Zeitalter der Globalisierung

 

Monsterfibel

 

Story of the (Un)Dead

Zombies, lebende Tote, Infizierte oder Beißer – Das Grauen hat viele Namen. Wie und wo entstanden die Mythen um die lebenden Toten, und was ist es, was die Menschen aller Kulturen am Thema »Zombie« fasziniert? Das Porträt eines Monsters im Wandel der Zeit.

 

Film

 

Zombie-Filmguide – Eine Einführung in den filmischen Kosmos der lebenden Toten

Von WHITE ZOMBIE über NIGHT OF THE LIVING DEAD bis 28 DAYS LATER – Vom klassischen hin zum postmodernen Zombie-Film. Die Untersuchung eines Subgenre von seinen expressionistischen Wurzeln bis ins neue Millennium.

 

Untote als Blockbuster-Garanten: Gehirnmassen für ein Millionen-Publikum

Mit einem Budget jenseits der 200-Millionen-Dollar-Grenze sind Zombies spätestens seit Marc Forsters WORLD WAR Z im Blockbuster-Kino angekommen. Für riesige Umsätze sorgt seit 2002 auch die RESIDENT EVIL-Reihe. Zusammen spielten die Filme – trotz ihrer relativ kleinen Budgets – inzwischen 915,71 Millionen Dollar ein. Ein Überblick über Zombie-Filme für ein Massenpublikum.

 

Zombifikationen bei John Carpenter & David Cronenberg

Die Regisseure John Carpenter und David Cronenberg prägten eine besondere Ästhetik im Horrorkino. Darüber hinaus präsentieren sie dem Publikum eine Umcodierung des Zombie-Motivs. Die Porträts von zwei der renommiertesten Regisseure phantastischer Geschichten und eine filmische Analyse von THE FOG und SHIVERS.

 

TV

 

Zombies als TV-Stars – Alternativen zu The Walking Dead

Nicht erst seit THE WALKING DEAD flimmern Zombies im TV-Serien-Format über die weltweiten Mattscheiben. Ein Überblick für Serienjunkies und Freunde von Untoten.

 

Und die Zombies tanzen Tango: Schocker, Dramen, Komödien - THE X-FILES nähern sich den lebenden Toten von allen Seiten

In dem TV-Mystery-Klassiker THE X-FILES spielen Zombies nur eine untergeordnete Rolle. In den Folgen, in denen sie vorkommen, spiegelt sich trotzdem das ganze Genre wider. Mal nähert sich die Serie dem Zombie-Thema wissenschaftlich, einmal gesellschaftskritisch, mal mythologisch und einmal sogar als Komödie.

 

Grande Illusions – Künstlerwelten

 

Die Zombie-Macher (Teil 1): Tom Savini – Der König der Metzelkunst hat schon als Schüler mit Horror-Masken erschreckt

Tom Savini ist ein Meister der Zombie-Masken und der Horror-Effekte. Zu seinen Auftraggebern gehört unter anderem Zombie-Mastermind George A. Romero, für den Savini zum Beispiel die Horror-Effekte für DAWN OF THE DEAD gestaltet hat. Wir stellen den Mann vor, der als Soldat und Fotograf im Vietnamkrieg ganz realen Horror erlebt hat.

 

Die Zombie-Macher (Teil 2): »Wie machen wir das?« – Der SFX-MakerGreg Nicotero & KNB

Tom Savinis einstiger Protegé Greg Nicotero befindet sich mit dem SFX-Unternehmen KNB auf Hollywood-Erfolgskurs, was das Team nicht zuletzt ihrer Mitarbeit an der TV-Serie THE WALKING DEAD verdankt. Ein Blick hinter die Kulissen.

 

Literatur und Comics

 

Lebende Tote als Lesestoff: Zombie-Romane von Edgar Allan Poe bis The Walking Dead

Die ersten Zombies tauchten in der westlichen Fiktion bereits im 17. Jahrhundert auf. Die Basis der modernen Zombie-Mythologie legte Edgar Allan Poe mit seinem Roman The Fall of the House of Usher. Heute decken Autoren mit ihren Zombie-Geschichten eine riesige Bandbreite ab, vom blutrünstigen Heft-Roman bis zu den The Walking Dead-Büchern, die das Universum der gleichnamigen Comic-Reihe erweitern.

 

Horror aus Panels und Sprechblasen - Die Welt der Zombie-Comics

Der Zombie-Hype spiegelt sichauch in der Comicwelt wider. Verlage wie Marvel, DC, Dark Horse, Wild Storm oder Image machten lebende Tote für Comics populär und salonfähig. Wir nehmen einige relevante Comicreihen zum Thema »Zombie« genauer unter die Lupe.

 

Playtastic

 

Play the Dead – Untote in Computerspielen

Was 1996 mit Alone in the Dark als Survival-Horror-Adventure begann und mit Resident Evil von Capcom für Playstation und PC fortgesetzt wurde, führte über die Jahre hinweg zu Open-World-Zombie-Games. Wir liefern eine Übersicht zu relevanten Videospielen mit Untoten sowie eine Betrachtung der Jugendschutzdebatten in apokalyptischen Games.

 

Interview: Making Left 4 Dead 2 – Im Gespräch mit Welten-Entwickler Jacob Wawer

Zusammen mit einer Gruppe, deren Mitglieder auf dem ganzen Globus verteilt waren, hat Jacob Wawer aus Villingen-Schwenningen im Schwarzwald die Welten und Szenarien für das Zombie-Spiel Left 4 Dead 2 entworfen und entwickelt. Wir haben uns ausführlich mit ihm über seine Arbeit unterhalten.

 

The Last of Us – Von einem Spiel das auszog, das Gamen zu verändern

Was macht The Last of Us zu einem Meisterwerk – und ist es wirklich ein klassisches Zombiespiel?

 

Musik

 

Never too Dead to Rock – Nightmares on Stage

Selbst in der Musikbranche trifft man hin und wieder auf Hirnschlürfer. Ein Porträt einschlägiger Künstler und Bands des Musikbusiness, die das Zombie-Motiv im Look, in ihren Performances und Songtexten aufgreifen.

 

Blick in die Wissenschaft

 

Die realen Ursprünge der Zombie-Seuchen

Ein immer wieder verwendetes Motiv im Horrorfilm ist die explosionsartige Ausbreitung von Seuchen, die Menschen in blutrünstige Monster verwandeln. Zwar gibt es – zum Glück – bisher keine Zombie-Viren, trotzdem ist die Angst der Menschen vor Epidemien oder gar Pandemien gefährlicher oder tödlicher Krankheiten real. Eine Seuchen-Geschichte von Pest bis Ebola.

 

Von Zombie-Drogen, Giften, Viren und Parasiten

Vielen Zombie-Motiven ist gemeinsam, dass sie bis zu einem gewissen Grad in der realen Welt verankert sind. Die Wirkung von Viren, Giften oder Drogen wird in der Fiktion allerdings ins Gigantische verstärkt. Es gibt aber tatsächlich Gifte, die Persönlichkeit und Körper verändern, Parasiten, die das Verhalten beeinflussen und Drogen, die Menschen in blutrünstige Monster verwandeln.

 

Politik

 

Geächtet, verboten, verstümmelt – Über gekürzte Filme und die Geschichte der Zensur

EVIL DEAD von Sam Raimi ist ein Meilenstein des Horror-Kinos aber galt in Deutschland als gewaltverherrlichend und landete schon nach kurzer Zeit im Gift-Schrank. Ein Artikel über Filme auf dem Index, radikale Kürzungen und ein Überblick über die Geschichte der Zensur.

 

Philosophie

 

»Ich denke nicht mehr, also wanke ich« – Zur Menschlichkeit von Zombies

Die Metamorphose der lebenden Toten erstreckt sich über fast ein Jahrhundert hinweg. Zeitgenössische Film- und Serienproduktionen entfernen sich von klassischen Zombie-Geschichten und Interpretieren das Motiv um: Wie menschlich sind Zombies eigentlich? Denken oder fühlen sie etwas? Eine philosophische Betrachtung.

 

The Walking Dead – Kinder in Zeiten der Apokalypse

Die TV-Serie THE WALKING DEAD glänzt durch Kompromisslosigkeit und macht dabei auch bei den Kinderfiguren keine Ausnahme.

 

Erweitertes Universum

 

Zombie-Verwandtschaften und andere Untote: Reaver, Mutanten, Mumien und Frankenstein-Monster

Schwertschwingende Skelette, zornige Mumien, kopflose Reiter, wiederkehrende tote Seeleute … das Horror- und Fantasy-Genre ist voller unheimlicher Gestalten, die eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Zombie-Motiv besitzen. Ein Überblick.

 

Fandom

 

»Zombies sind die besseren Menschen« – Was ist ein Zombie Walk?

Untote faszinieren. Längst treffen sich die Fans im Alltag bei Zombie Walks, um ihre imaginären Helden in die reale Welt zu holen.

 

Interview: Auf dem Hinderniskurs warten die Untoten – David Zapp und Jennifer Barwell sind beim Zombie Run in Maryland gestartet

David Zapp und Jennifer Barwell sind große Horror-Fans und waren beim Zombie Run in Maryland dabei. Masters of Fiction erzählen sie, was sie dort erlebt haben.

 

Am Ziel einer langen Reise  …

 

Ausnahmezustand - Was tun bei der Zombie-Apokalypse?

 

Quellenangaben

 

Film-, Serien- und Dokumentationenindex

 

Abbildungsnachweis

 

Impressum

Monsterfibel

 

Story of the (Un)Dead

 

»Du kannst sie nicht töten. Sie sind schon tot.« (Zitat aus THE RETURN OF THE LIVING DEAD)

 

 

Wohin wir auch schauen, die meisten Kulturen glauben daran, dass das Leben weit über den Tod hinausgeht. Im Gilgamesh-Epos (18.000 Jahre v. Chr.), einem der ältesten schriftlichen Zeugnisse der Menschheit, sagt die wütende Göttin Ischtar: »Laß ich auferstehen die Toten, dass sie fressen die Lebenden, der Toten werden mehr sein denn der Lebendigen.« (zit. n. Zombieheimat{1}) Und auch Mythen, wie beispielsweise der japanische Onryō (Rachegeist) – Verstorbene, die nicht nur als Gespenster in die Welt der Lebenden zurückkehren, sondern sich körperlich manifestieren –, zeigen, wie tief das Motiv der Wiederkehrer in der Menschheitsgeschichte verwurzelt ist; uns fasziniert und regelrecht »infiziert«.

 

Archäologen stoßen bei Ausgrabungen alter Zivilisationen (z.B. der Alten Ägypter) immer wieder auf Grabbeilagen, die als Beweis für ausgeprägte Sterbe- und Begräbnisriten gedeutet werden.

 

»Schon früheste Zeugnisse von Begräbnisritualen um 30.000 v.Chr. verweisen auf einen sorgsamen Umgang mit den Verstorbenen, und Grabbeigaben sprechen für die Überzeugung, dass der Tote davon «Gebrauch machen»könnte.« (Deacy, Christopher/Vollmer, Ulrike (Hg.): Blick über den Tod hinaus. Bilder vom Leben nach dem Tod in Theologie und Film, Schüren-Verlag, Marburg 2012, S. 95)

 

Im Christentum ist das Böse das notwendige Gegenstück zum Guten. FrommeMenschen genießen nach ihrem Tod die Freuden des Paradieses, die Sünder hingegen erleiden die Qualen der Hölle. (Vgl. Seeßlen, Georg: George A. Romero und seine Filme, edition phantasia-Verlag, Bellheim 2010, S. 9) Die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie besagt, dass mit der Auferstehung der Toten ein dunkles Zeitalter über die Menschheit kommen wird; sprich die Apokalypse.

 

»Immer, so scheint es, gibt es einen Abglanz der Hölle auf Erden – entweder, indem sich das Höllische in Menschen (oder etwas in der Art) zeigt, die im Auftrag des Teufels versuchen, uns zu verderben […], oder indem sich ganz buchstäblich »die Hölle auftut« und irgendwelche geheimen Pforten, Rituale, Blutmessen eine direkte Verbindung von Welt und Unterwelt herstellen.« (Seeßlen 2010, S. 10)

 

Ein Bestandteil des katholischen, aber auch des apostolischen (protestantischen) Glaubensbekenntnisses besagt: »Ich glaube […] an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.« (zit. n. Deacy/Vollmer 2012, S. 95) Angesichts dieser Überzeugung scheint ein Zitat aus George A. Romeros DAWN OF THE DEAD (DT: ZOMBIE; 1978), das auch in Zack Snyders Remake von 2004 wieder auftaucht, bedeutungsvoll: »Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück.«

 

 

Das Exotische und das Fremde – Der klassische Zombie

 

»Sie können die Gesetze der Natur nicht für diese Gegend verwenden. Es geschehen seltsame Dinge, die der Menschenverstand nicht fassen kann. Da draußen herrscht das Böse.« (Zitat aus dem Film WHITE ZOMBIE)

 

 

Voodoo, Besessenheit, Strahlen, Mutation, Viren oder Parasiten sind Ursachen für die Rückkehr der Toten. Der Zombie (lat.Cadaver animatum, homo cerebrosus extremus) fasziniert vor allem durch seine Nicht-Zuordenbarkeit: Er ist ein wiedererweckter Toter und somit ein Wesen zwischen Leben und Tod, Subjekt und Objekt, Mensch und Nicht-Mensch. (Vgl. Rath, Gudrun (Hg.): Zombies: Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Ausg. 1/2014, transcript-Verlag, Bielefeld 2014, S. 11)

 

Der Ethnologe Michel Leiris (1901-1990) hat als Erster das Zombie-Phänomen untersucht. An seiner Definition von 1929 – nachzulesen in Natias Neuterts Artikel Begegnung mit einem Zombie. Auf den Spuren einer Legende in der Süddeutschen Zeitung vom 5./6. März 1994 – hält auch heute noch die Zombie-Forschung fest.

 

Den historischen Hintergrund erhält der Zombie – der ursprünglich von dem Kimbundu-Wort »nzúmbe« abstammt – durch die Einwohner der karibischen Inseln, im Besonderen durch den Voodoo-Kult auf Haiti (hier zombi genannt). Laut einer Legende verabreicht ein Voodoo-Priester kräftigen jungen Männern einen Zaubertrank – Hauptzutat ist das Kugelfischgift Atropin bzw. Tetrodotoxin –, das die Muskulatur lähmt und die Opfer in eine Art Scheintod versetzt. Anschließend werden die Männer lebendig beigesetzt, nur um sie nach einiger Zeit wieder auszugraben und sie von nun an als willenlose Arbeitssklaven zu missbrauchen. (Vgl. Fürst, Michael/Krautkrämer, Florian/Wiemer, Serjoscha (Hg.): Untot. Zombie. Film. Theorie, Belleville-Verlag, München 2011, S. 8) Zombies sind somit ihrer menschlichen Identität und Individualität beraubt.

 

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Bild 1: Carrefour aus I WALKED WITH A ZOMBIE ist der Inbegriff eines klassischen Zombies.

 

Auch die Forschungen des Ethnobotanikers Wade Davis von 1982, der mit seinen Recherchen auf Haiti Zombifikationen von Menschen auf die Spur kommen wollte, sind von essentieller Bedeutung bei Zombie-Debatten. Regisseur Wes Craven widmete Davis sogar einen Film mit dem Titel THE SERPENT AND THE RAINBOW (DT: DIE SCHLANGE IM REGENBOGEN; 1988), eine Art Reisebericht und Bestandsaufnahme seiner Arbeit.

 

Und damit sind wir bei einer Instanz angelangt, die das Bild der Zombies auf ewig prägen sollte: das Kino.

 

 

Romero sei Dank – Der moderne Zombie

 

»Je näher man die Welt ansieht, desto brutaler sieht sie zurück.« (Georg Seeßlen)

 

 

Dank des Eingriffs der westlichen Kultur in die Mythologie der Untoten sind Zombies längst zu einer Metapher des Mechanischen geworden: Wankende Gestalten, die mit ausgestreckten Armen nach ihren Opfern greifen und sie mit ihren unsittlichen Tischmanieren fressen. Da Zombies nur noch über eingeschränkte motorische Fähigkeiten verfügen, können sie sich nur langsam fortbewegen. Im modernen Zombie-Film zeigen sich konstante Muster. So zitiert Bart Simpson aus dem Buch der Zaubersprüche: »Wenn ein Zombie dich beißt, wirst du zum Zombie.« (THE SIMPSONS-Folge »Treehouse of Horror III« (DT: »Bösartige Spiele«), Staffel 4)

 

Eine entscheidende Wendung erfuhr das Bild des Zombies im Jahr 1968, im Zombiefilmklassiker schlechthin: NIGHT OF THE LIVING DEAD (DT: DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN) von George A. Romero. Hier treten zum ersten Mal Zombies im Kino auf, die von einem kannibalischen Hunger getrieben Jagd auf Menschen machen. Der damals 28-jährige Regisseur ließ sich u.a. vom Roman I am Legend von Richard Matheson inspirieren.

 

»Die Zombies sind hier zwar immer noch willenlose, sich langsam bewegende, menschlich erscheinende Wesen, aber im Gegensatz zum Voodoo-Zombie […] haben sie jetzt ein unstillbares Verlangen, ein Bedürfnis: Wie der Vampir stürzen sie sich auf die Lebenden, einerseits, um sie zu verzehren, sich von ihnen zu ernähren, andererseits aber auch, um sich zu vermehren, denn der bloße Biss eines Zombies infiziert die Gebissenen und sorgt für die Transformation vom Menschlichen zum Monströsen.« (Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 8)

 

Auf Romeros Low-Budget-Produktion gehen mehr oder minder alle nachfolgenden Zombietypen und -szenarien zurück. Dabei erhalten romeroische Zombies ihre Macht vor allem durch ihr massenhaftes Auftreten.

 

»Ihr Zusammenwirken ist rein additiv, ein Nebeneinander gleicher, sich ausbreitender, aber unabgestimmter Handlungen, das dennoch ein Kollektivkörper mit tausend Händen und Zähnen ergibt.« (Schätz, Joachim: Mit den Untoten leben. Sozietäten im Zombie-Invasionsfilm, in: Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 47)

 

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Bild 2: Moderne Zombies in NIGHT OF THE LIVING DEAD.

 

Die Überlebenden solcher oder ähnlich gelagerten filmischen Narrationen versuchen sich in Verstecken wie Bunkern, Landhäuser oder Einkaufszentren einzukapseln. Doch nur kurzzeitig wiegen sie sich in Sicherheit. Den Ausnahmezustand zu kontrollieren oder zu beherrschen, scheint unmöglich. Der Kampf der Menschen gegen die Übermacht der Zombies dient nur dem zeitweiligen Überleben. (Vgl. Wicher, Roland: Systemische Wut. George A. Romeros ZOMBIE – DAWN OF THE DEAD, in: Außer Kontrolle. Wut im Film, Schüren-Verlag, Marburg 2005, S. 104)

 

Über Jahre entwickelte sich das Zombie-Motiv weiter. Anstatt nur hinter Menschenfleisch her zu sein, haben es die Untoten seit Dan O'Bannons THE RETURN OF THE LIVING DEAD (DT: VERDAMMT, DIE ZOMBIES KOMMEN; 1985) auf menschliche Gehirne abgesehen. Warum das so ist, belegt ein Gespräch zwischen dem Bestatter Ernie (Don Calfa) und den Überresten eines weiblichen, auf einem Seziertisch angeketteten Zombies im Film:

 

Ernie: »Warum esst ihr Menschen?«

Zombie: »Keine Menschen, nur Gehirne.«

Ernie: »Ihr wollt nur die Gehirne?«

Zombie: »Ja.«

Ernie: »Wieso?«

Zombie: »Der Schmerz.«

Ernie: »Was für ein Schmerz?«

Zombie: »Der Schmerz, dass man tot ist.«

Ernie: »Ich verstehe, dass der Tod schmerzt.«

Zombie: »Ich kann es fühlen, wie ich in der Erde verwese.«

Ernie: »Und wenn ihr Gehirne esst, was gibt euch das für ein Gefühl?«

Zombie: »Es lässt den Schmerz vergehen.«

 

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Bild 3: Ernie im Gespräch mit einer Untoten – oder was davon noch übrig ist – in THE RETURN OF THE LIVING DEAD.

 

Paradoxerweise kann man Zombies nur unschädlich machen, wenn man ihr Gehirn zerstört oder sie vollkommen verbrennt.

 

 

Auferstehung einer neuen Spezies – Der postmoderne Zombie

 

»Im Zeitalter der Beschleunigung darf auch der Zombie nicht stehen bleiben […].« (Tobias Haupts)

 

 

Instinkte treiben Zombies voran. Somit sind Analogien zu Tieren keineswegs von der Hand zu weisen. Max Brooks meint in seinem Zombie Survival Guide (DT: Zombie Survival Guide: Überleben unter Untoten): »Doch es wäre unzutreffend, sie als Raubtiere und uns selbst Beute zu nennen. Sie sind eine Seuche und die menschliche Rasse ihr Wirt.« (Brooks, Max: Der Zombie Survival Guide – Überleben unter Untoten, 2. Aufl., Goldmann-Verlag, Pößneck 2004, S. 13) In diesem Zitat tritt die gesamte Tragweite des Themas zu Tage. Brooks macht für die Rückkehr der Toten keine »schwarze Magie«, sondern den Solanum-Virus verantwortlich:

 

»Solanum wandert durch den Blutkreislauf – von der ursprünglichen Eintrittsstelle zum Gehirn. Auf Wegen, die noch nicht vollständig entschlüsselt wurden, nutzt das Virus die vorderen Hirnlappen zur Vermehrung und zerstört sie dabei. Während dieser Phase kommen alle Körperfunktionen zum Stillstand. Durch Herzstillstand »stirbt« der infizierte Organismus. Das Gehirn freilich bleibt am Leben, jedoch im Schlafzustand, während das Virus seine Zellen zu einem komplexen neuen Organ mutieren lässt. Die entscheidende Eigenschaft dieses neuen Organs ist eine Unabhängigkeit von Sauerstoff. Durch Überwindung des Bedürfnisses nach dieser unendlich wichtigen Ressource kann das untote Gehirn sich alle komplexen Mechanismen des menschlichen Körpers zunutze machen, ist aber keineswegs davon abhängig. Ist der Mutationsvorgang abgeschlossen, reanimiert dieser neue Organismus den Körper zu einer Lebensform, die – physiologisch gesprochen – wenig Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Leichnam hat. Einige Körperfunktionen bleiben konstant, andere funktionieren auf eine modifizierte Weise, die restlichen werden völlig abgeschaltet. Dieser neue Organismus ist ein Zombie […].« (Brooks 2004, S. 18 f)

 

Aber wann wurden aus wankenden Gestalten rennende und kreischende Zeitgenossen? Alles begann mit Danny Boyles 28 DAYS LATER (2002). Hier vollzog sich im Zombie eine Wandlung. Vorbei war es mit der sich langsam vorwärtsbewegenden, homogenen und untergeordneten Masse. (Vgl. Haupts, Tobias: Als die Zombies laufen lernten, in: van Bebber, Jörg (Hg.): Dawn of an Evil Millennium, Büchner-Verlag, Darmstadt 2011, S. 93) Die Infizierten – nun Opfer der Wissenschaft und nicht mehr der Magie – sind sozusagen Überzombies und »fallen ihre Opfer nur an, assimilieren sie, aber verspeisen sie nicht.« (Haupts 2011, S. 94) Als Nebenbuhler inszenierte Zack Snyder zwei Jahre nach Boyles Film ein Remake zu DAWN OF THE DEAD, in dem Zombies ebenfalls wie Furien durch die Gegend sprinten.

 

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Bild 04: Sprinten statt wanken. Postmoderne Zombies in 28 DAYS LATER.

 

Die Angst vor postmodernen Zombies wird geschürt durch gezüchtete Viren, die den festen Mauern der Labore entkommen. Somit wird das abweichende Verhalten der Zombies als medizinische, sogar biopolitische Angelegenheit interpretiert. (Vgl. Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 9) Im Zentrum der »Gefühlswelt« der neuen Untoten steht Wut – Moralität wird von ihnen als Benachteiligung verstanden.

 

»„Rage“ – Wut: So benennt Danny Boyles 28 Days Later […] die Krankheit, die Menschen in untote bestialische Menschenjäger verwandelt. Strukturelle und physische politische Gewalt und die ohnmächtige Wut auf sie wird in Bildern extremer Bedrohung dargestellt – so lautet das Rezeptionsangebot an den gesellschaftskritischen Zeitgeist.« (Wicher 2005, S. 99 f)

 

Durch die Darstellung der Infizierten in 28 DAYS LATER – sprich ihre Bewegung vor der Kamera – werden Untote nun zu einem Schatten ihrer selbst. (Vgl. Haupts 2011, S. 94)

 

Abseits jener bisher genannten Zombie-Typen existieren neuerdings auch Neo-Zombies: Zwischenwesen oder auch Mutanten, denen man in Filmen wie THE LAST DAYS ON MARS (2013) oder TV-Serien wie HELIX (2014-…) begegnet. Aber auch in der jüngeren Videospielgeschichte treffen wir des Öfteren diesen Typus an (z.B. in Techlands Survival-Horror Dying Light).

 

 

Wie sich zeigt, sind Untote nicht nur ein räumliches, sondern vor allem ein zeitliches Phänomen, was daher rührt, dass das Thema immer wieder neu interpretiert wird. Interessant ist, wie heutzutage Fans (besonders Jugendliche) auf das Zombie-Motiv reagieren. So gehören Zombie Walks und Runs mittlerweile zum Etat jeder Großstadt. Dank dieser Events erleben die Untoten derzeit eine Renaissance und werden sogar zu Trendsettern erhoben.

 

(ea)

 

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Film

 

Zombie-Filmguide

Eine Einführung in den filmischen Kosmos der lebenden Toten

 

»Was uns gute Zombiefilme wirklich zeigen, ist, wie kaputt wir eigentlich sind. Sie bringen uns dazu, unseren Platz in der Gesellschaft zu hinterfragen, ebenso wie die Gesellschaft selbst.« (Robert Kirkman)

 

 

Viele Horror-Fans sind mit Zombiefilmen aufgewachsen, aber zahlreiche neugewonnenen Phantastik-Freunde kennen klassische Genreproduktionen eigentlich gar nicht mehr oder nur vom Hörensagen. Bei aktuelleren Zombiefilmen fällt es stattdessen schwer, dank der Flut an Neuproduktionen den Überblick zu behalten. Im Folgenden ein geschichtlichen Abriss zu Zombie-Filmen, die man als wahrer Fan gesehen haben sollte.

 

 

Am Anfang war … J'accuse (1919)

 

Zombies krochen nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen wird, zuerst aus den Gräbern Hollywoods, sondern aus den europäischen Filmstudios im Jahr 1919. Der provokante und visionäre Filmemacher Abel Gance klagte im pazifistischen Antikriegs- und Stummfilmklassiker J'ACCUSE! (DT: ICH KLAGE AN!) den Irrsinn und die Unmenschlichkeit des Krieges an. Gance, der selbst am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte und nach eigener Aussage neun seiner zehn besten Freunde an der Front verlor, erzählt in seinem Film die unglückliche Liebesgeschichte von Jean (Romuald Joubé), François (Séverin-Mars) und seiner Frau Edith (Maryse Dauvray), die durch die Kriegsereignisse auseinandergerissen wurden. »Die Frau, von deutschen Soldaten geschändet, gebiert ein Kind und wird sozial geächtet, während beide Männer an der Front kämpfen; [ihr] Ehemann fällt.« (Neumann, Frank: Leichen im Keller, Untote auf der Straße. Das Echo sozialer Traumata im Zombiefilm, in: Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 70) Jean wird verrückt und kehrt in sein Dorf zurück. Hier berichtet er den Bewohnern von seiner Vision: »[D]ie Rückkehr der toten Soldaten, die wissen wollen, ob ihr Opfer es wert war oder ob sie ihr Leben umsonst gegeben haben.« (Arte{2}) Keinesfalls idealisiert Jean den Tod der Soldaten, sondern macht sie zu Zeugen der Anklage. Mit Hilfe eines, aus heutiger Sicht simplen filmtechnischen Tricks – nämlich einer Überblendung – erheben sich die Toten aus dem schlammigen Morast der Schlachtfelder und formieren sich zu einer Armee von lebenden Toten. Nun sehen sich die Bewohner mit einer heranströmenden Masse untoter Soldaten konfrontiert.

 

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Bild 5: J'ACCUSE! zeigt mit die ersten Wiederkehrer der Filmgeschichte.

 

Abel Gance drehte 1938 ein Remake von J'ACCUSE!, um erneut den Irrsinn des Krieges anzuprangern.

 

Schon vor 1919 traten vereinzelt Untote im Film auf. Genauer gesagt im deutschen Kino. Hubert Moests DER GEFANGENE VON DAHOMEY aus dem Jahr 1918 erzählt von einem untoten Rächer, der an seinen Feinden Vergeltung übt. Zwei Jahre später zeigt auch Robert Wiene im DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920) eine Variation der Untoten: Cesare (Conrad Veidt), der somnambule Handlanger des Dr. Caligari (Werner Krauss).

 

Regisseur Joe Dante (THE HOWLING (DT: DAS TIER; 1981), GREMLINS (DT: GREMLINS – KLEINE MONSTER; 1984)) lehnt die MASTERS OF HORROR-Episode »Homecoming« (2005) an Gances Erzählung an, ist aber an einer zeitgemäßeren Umsetzung interessiert. Dantes Geschichte berichtet von einem fiktiven Krieg – Parallelen zum USA/Irak-Konflikt sind aber kaum zu übersehen –, der die gesamte amerikanische Nation schockiert. Die Trauer um die gefallenen Soldaten gipfelt in Wut und Empörung. Die Menschen wünschen sich die toten Soldaten zurück, damit sie der Welt vom Irrsinn des Krieges berichten. Ihr Wunsch geht in Erfüllung. Die Wiederkehrer erheben sich aus den Gräbern, nehmen Rache für ihren Tod und besiegeln das Ende der amtierenden Regierung. »Homecoming« kritisierte die damalige US-amerikanische Staatsmacht.

 

Im Hollywood-Kino wurde das Thema »Zombie« bis in die 1950er Jahre »nur sporadisch aufgegriffen und mit dem jeweils aktuellen zeit- und filmgeschichtlichen Elementen variiert: In den 1930er Jahren waren dies die Depression und Arbeitslosigkeit sowie der zeitgenössische Horrorfilm, in den 1940er Jahren der Zweite Weltkrieg und in den 1950er Jahren die Science-Fiction-Filme, in denen die Kalter-Krieg-Paranoia einen Ausdruck fand.« (Klippel, Heike: Shame and Sorrow for the Family. Rassen- und Sexualproblematik im klassischen Zombiefilm, in: Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 135)

 

 

Rassistischer Subtext in White Zombie (1932)

 

»Bei den Zombies der 1930er und 40er Jahre ist nicht das Bewusstsein durch den Körper ersetzt und das Individuum durch die Gruppe, sondern sie sind leere Hüllen; ihre Körper bedürfen der Animation durch den_die Herrscher_in, um sich in Bewegung zu setzen.« (Heike Klippel)

 

 

Das junge Paar Neil Parker (John Harron) und Madeline Short (Madge Bellamy) will auf Haiti, der Hochburg des Voodoo-Kults, heiraten und auf dem Anwesen seines Freundes Charles Beaumont (Robert Frazer), einem Plantagenbesitzer, seine Flitterwochen verbringen. Dort angekommen, machen die beiden Bekanntschaft mit merkwürdigen Gestalten. Ihr Kutscher verrät ihnen, dass es sich dabei um Zombies handelt, doch das Paar glaubt ihm kein Wort. Beaumont verliebt sich in Madeline. Doch seine Versuche, sie für sich zu gewinnen, bleiben ohne Erfolg. Deshalb sucht er 'Murder' Legendre (Universals Dracula-Star Bela Lugosi), den Betreiber einer Papiermühle, auf, der Eingeborene als Zombies zur Sklavenarbeit missbraucht. Er soll Madelines Willen brechen und sie zu einem Zombie machen.

 

WHITE ZOMBIE ist der erste abendfüllende und einflussreiche Zombiefilm der Kinogeschichte, der zahlreiche Nachfolger inspirierte und die Dauerpräsenz von Untoten im Spielfilm garantierte. Der Film traf den Geschmack eines desillusionierten amerikanischen Publikums, das durch die Wirtschaftskrise in irrationalen und übernatürlichen Geschichten Ablenkung suchte. (Vgl. Neumann 2011, S. 67)

 

Mit knappen Budget außerhalb der United Artists-Filmstudios als unabhängige Produktion der Gebrüder Halperin produziert, thematisiert WHITE ZOMBIE u.a. die Ausbeutung Haitis in der Kolonialzeit: »[E]s ist eben nicht ein schwarzer Voodoo-Meister, der die Zombies regiert, sondern ein weißer Europäer.« (Krautkrämer, Florian: A Matter of Life and Death. Leben und Tod im Zombiefilm, in: Fürst/Krautkrämer/Wiemer 2011, S. 25) Bereits die Titelsequenz reflektiert die zeitgenössische Einstellung des Publikums zu den karibischen Inseln, Voodoo und Zombies: Zu sehen ist eine Gruppe von Schwarzen, die sich rhythmisch zu den Klängen von Voodoo-Trommeln und Eingeborenen-Gesängen bewegt. Das Konzept von Rasse findet somit nicht nur im Merkmal der Hautfarbe, sondern auch in ihren körperlichen Bewegungen Ausdruck.

 

Doch vor allem förderte WHITE ZOMBIE die Popularität der Zombies: Dank Victor Halperin konnten die Leinwand-Untoten sogar KING KONG (DT: KING KONG UND DIE WEIßE FRAU; 1933) an den Kinokassen schlagen. (Vgl. Neumann 2011, S. 68) Charakteristisch für WHITE ZOMBIE ist sein traumähnlicher Charakter – Bela Lugosi blickt »immer wieder direkt in die Kamera, um die Zuschauer_innen wie seine Zombies zu hypnotisieren«. (Krautkrämer 2011, S. 34) Außerdem führte Halperin in WHITE ZOMBIE den Point-of-View-Shot im Horrorfilm ein.

 

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Bild 6: Bela Lugosi als 'Murder' Legendre hypnotisiert in WHITE ZOMBIE das Publikum.

 

Bisher lässt leider die deutsche Synchronisation und die überarbeite musikalische Untermalung von WHITE ZOMBIE zu wünschen übrig. Deshalb den Film am besten im Originalton schauen, oder auf eine gelungenere Übersetzung warten.

 

 

Aufopferung in I Walked with a Zombie (1943)

 

In einer stürmischen Winternacht bittet Dr. Maxwell (James Bell) die kanadische Krankenschwester Betsy Connell (Frances Dee), nach Jamaika zu reisen, um Jessica Holland (Christine Gordon), die junge Gattin des reichen Plantagenbesitzers Paul Holland (Tom Conway), zu pflegen. Jessica hat ihre Sprache und ihr Gedächtnis verloren. Da sie zusehends in ihrem Dämmerzustand dahinvegetiert, versucht Betsy, sie mit Hilfe eines Voodoo-Rituals, das sie auf der Insel heimlich beobachtet hat, zu therapieren, ohne zu wissen, dass ihre Patientin schon längst im Banne des Voodoo ist. Die Pflegerin beginnt zu vermuten, dass sich hinter Jessicas Zustand ein schreckliches Familiengeheimnis verbirgt. Bei ihrer Nachforschungen gerät sie immer tiefer in den Strudel des Voodoo-Kults.

 

Der ästhetisch-interessante B-Movie I WALKED WITH A ZOMBIE (DT: ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE) von RKO entstand in Zusammenarbeit zwischen Produzent Val Lewton und Regisseur Jacques Tourneur, die gemeinsam auch CAT PEOPLE (DT: KATZENMENSCHEN; 1942) und THE LEOPARD MAN (1943) inszenierten. Zwar mangelt es dem Film an einem ausgefeilten Drehbuch, dafür kann sich die Beleuchtung, Bildkomposition, die wirkungsvoll eingesetzte Geräuschkulisse und das Heraufbeschwören einer bedrohlichen Atmosphäre sehen lassen.

 

»Präzise inszenierte Licht- und Schattenspiele, einmal ornamental, einmal graphisch, ein anderes Mal mit Naturelementen arbeitend, verwandeln selbst unbedeutende Szenen in einen ästhetischen Genuss; heitere, helle High-Key-Ausleuchtung wechselt mit dunklen Schattenspielen, impressionistische Bildentwürfe mit durchkalkulierten, klar definierten Kompositionen.« (Klippel 2011, S. 146)

 

Wie Halperin greift Tourneur die Themen Exotismus und sexuelle Unterwerfung der Frau auf. Die Zombifizierung der Frau, wie sie am Beispiel Madelines aus WHITE ZOMBIE oder Jessicas in I WALKED WITH A ZOMBIE zu Tage tritt, soll zunächst deren Willen brechen. Beim Fall Jessica sollen zudem die weibliche Sexualität und ihr Begehren zerstört werden. Im Film ist sie die Mittelsfigur zwischen den Kulturen, weil sie, wie die Eingeborenen, vom weißen Patriarchat in die Knie gezwungen wird.

 

Einen weiteren wichtigen Aspekt im Film betrifft das Märtyrertum. Dieses wird vor allem durch die Figur der Krankenschwester Betsy und die des heiligen Sebastian verdeutlicht. Die Figur des heiligen Sebastian wird im Film als Galionsfigur eines Sklavenschiffs in Szene gesetzt, die sich auf dem Anwesen der Hollands befindet. Wie Sebastian als Schutzpatron gegen die Pest und andere Seuchen steht, fungiert Betsy als Asket im Film: Am Ende von I WALKED WITH A ZOMBIE erliegt sie ihrer Opferbereitschaft.

 

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Bild 7: Betsy (links) und ihre Zombie-Patientin Jessica (rechts).

 

Tourneurs feinsinniges Gespür für Grusel in I WALKED WITH A ZOMBIE hat mit den unappetitlichen Zombie-Schockern der Gegenwart nichts gemein. Tourneur sagt selbst über sein Œuvre:

 

»Ich verabscheue den Terminus Horrorfilm. Was ich gemacht habe, das sind Filme über das Übernatürliche. Und ich habe sie gemacht, weil ich an seine Existenz glaube.« (Vivasvanpictures.Wordpress{3})

 

Expressionistischen Wurzeln sind dem Film deshalb eingeschrieben, da Curt Siodmak (u.a. Drehbuch zu THE WOLFMAN (DT: DER WOLFSMENSCH; 1941) und CREATURE WITH THE ATOM BRAIN; 1955) am Script mitschrieb.

 

 

Übergangsphänomen – Hammers The Plague of the Zombies (1966)

 

Cornwall im spätviktorianischen Zeitalter: Dr. Peter Thompson (Brook Williams) ist mit seinem Mediziner-Latein am Ende. Eine Seuche grassiert in seiner Stadt, die bereits viele Bewohner das Leben kostete. Die Geschehnisse reiben die Bürger gegen Thompson auf. Deshalb bittet er in einem Brief seinen Mentor und Arzt Sir James Forbes (André Morell), nach Cornwall zu kommen, um die mysteriösen Todesfälle zu enträtseln. Mehr um seiner Tochter Sylvia (Diana Clare) einen Gefallen zu tun und ihr die Möglichkeit zu geben, ihre alte Schulfreundin und die Gattin Thompsons, Alice (Jacqueline Pearce), wiederzusehen, willigt Forbes dem Ausflug ein. Als auch noch Alice der Krankheit erliegt und die vermeintlich Toten in der Nähe einer Zinnmine wieder auftauchen,beschließen Forbes und Thompson den ansässigen Besitzer der Mine und Voodoo-Priester Squire Clive Hamilton (John Carson) auf den Zahn zu fühlen.

 

In den 1950er und 1960er Jahren interpretierten die Hammer-Studios Universal-Gothic-Horror-Geschichten neu, unter anderem DRACULA (meist mit Christopher Lee in der Hauptrolle), FRANKENSTEIN – besonders hervorzuheben sind die Frankenstein-Verfilmungen mit Peter Cushing als Victor Frankenstein – und Mumien-Verfilmungen. Aber auch United Artists WHITE ZOMBIE und RKO's I WALKED WITH A ZOMBIE mussten für ein Reboot herhalten. THE PLAGUE OF THE ZOMBIES ist der einzige Zombiefilm, den das Studio jemals produzierte.

 

THE PLAGUE OF THE ZOMBIES – in Deutschland unter verschiedenen Titeln erschienen (z.B. IM BANNE DES VOODOO-PRIESTERS oder NÄCHTE DES GRAUENS) – markiert das Ende des klassischen Zombiefilms, lässt aber durch stilprägende Gewaltdarstellungen und Massenauferstehungsszenen Untoter erahnen, zu was sich zwei Jahre später das Zombiegenre entwickeln sollte. Dank seiner grimmigen Härte gilt THE PLAGUE OF THE ZOMBIES filmgeschichtlich als wegweisend für alle nachkommenden Zombiefilme.

 

»Mit pittoresken Sets und Kostümen lenkt Regisseur Gilling die Erwartungen zunächst in Richtung eines harmlosen romantischen Gruselfilms, nur um im Windschatten scheinbar bekannter Motive umso kompromissloser neue Wege einzuschlagen.« (Neumann 2011, S. 73)

 

Auch wenn die Handlung des Films aus fernen Ländern in die englische Provinz verlagert wurde, ist das kolonialistische Motiv noch erkennbar. (Vgl. Neumann 2011, S. 73) Dass sich Regisseur John Gilling mit dieser Produktion in heimisches Terrain zurückzog, kann u.a. daran liegen, dass zwischen 1945 und 1966 das Vereinigte Königreich rund 25 Kolonien verlor.

 

Der Film, der auch ohne die großen Hammer-Stars Christopher Lee und Peter Cushing auskommt, wirkt besonders dank den gespenstischen Zombies mit modriger Haut furchteinflößend.

 

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Bild 8: Alice im Sarg kurz nach ihrer Verwandlung in einen Zombie.

 

Ersichtlich für jeden Hammer-Fan: THE PLAQUE OF THE ZOMBIES wurde in der gleichen Kulisse der englischen Bray Studios wie Gillings THE REPTILE (DT: Das schwarze Reptil) von 1966 gedreht.

 

 

»They're us« – Night of the Living Dead (1968)

 

Schon die unheilvollen Klänge am Anfang von NIGHT OF THE LIVING DEAD signalisieren, dass etwas Unheimliches seinen Schatten voraus wirft. Zu sehen ist ein Auto, das auf einer Landstraße im Nirgendwo fährt. Barbara (Judith O'Dea) und Johnny (Russell Streiner) wollen das Grab des Vaters besuchen, um ein Blumengesteck niederzulegen. Am Grab angekommen, nutzt Johnny die Gelegenheit, seiner Schwester Angst zu machen. Eine wankende Gestalt nähert sich den Beiden. Johnny sagt im Scherz: »Sie kommen und holen dich, Barbara.« Die drohende Gefahr wird von beiden ignoriert, bis der Zombie näher kommt und über Barbara herfällt. Ihr Bruder geht dazwischen, wird aber bei dem Versuch, den Angreifer abzuwehren, getötet. Barbara flüchtet im Auto, kommt jedoch nicht weit. Zu Fuß läuft sie zu einem nahegelegenen, verlassen wirkenden Haus, der Untote ihr dicht auf den Fersen. Im Haus angekommen, macht sie Bekanntschaft mit Ben (Duane Jones) und weiteren Überlebenden, die hier versuchen, sich vor der angreifenden untoten Übermacht zu verbarrikadieren.

 

Mit George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD beginnt eine neue Ära des Zombiefilms. Der expressionistische Charakter des Films tritt besonders in den Szenen deutlich hervor, als Barbara nach ihrer Ankunft im Haus die einzelnen Zimmer inspiziert. Romero und sein Kameramann fotografieren verschiedene Einstellungen in schrägen Aufnahmen. Die semi-dokumentarische Fotografie von NIGHT OF THE LIVING DEAD sowie das Licht- und Schattenspiel erinnern an Produktionen wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI.

 

Die Spannung in Romeros DEAD-TRILOGY (NIGHT OF THE LIVING DEAD, DAWN OF THE DEAD (DT: ZOMBIE) und DAY OF THE DEAD (DT: ZOMBIE 2 - DAS LETZTE KAPITEL; 1985)) wird nicht nur durch ein Weltuntergangsszenario bestimmt, hinzu treten politische und ökonomische Probleme, die das Menschendasein begleiten: Im ersten Teil drückt sich das im Rassenhass aus. Am deutlichsten tritt dieser Konflikt zwischen den Überlebenden Ben – schwarzer Protagonist – und Harry Cooper (Karl Hardman) – Rassist – hervor, die beide um die Führung der Gruppe konkurrieren. Romero demonstriert in NIGHT OF THE LIVING DEAD, wie sich Individuen verschiedenster Herkunft in einer Gruppe etablieren und sich dabei durch politische Ansichten voneinander distanzieren. »They're us« sagt Romero über seine Zombies in NIGHT OF THE LIVING DEAD. (THE AMERICAN NIGHTMARE)

 

Der größte Schockmoment in der DEAD-TRILOGIE wartet am Ende des 1968 produzierten Films. Hauptdarsteller Ben, einziger Überlebender dieser furchteinflößenden Nacht, harrt bis zum nächsten Morgen im Keller des besetzten Hauses aus, als die Rednecks zu seiner »Rettung« eintreffen. »[E]r wird jedoch von den Milizionären erschossen, wobei unklar bleibt, ob sie ihn töten, weil sie ihn für einen Zombie halten oder schlicht aufgrund seiner Hautfarbe.« (Schmidt, Jakob: Vom Entsetzen, einen Körper zu haben. Das bedrohte Ich in George A. Romeros Zombiefilmen, in: Moldenhauer, Benjamin/Spehr, Christoph/Windszus, Jörg (Hg.): On Rules and Monsters. Essays zu Horror, Film und Gesellschaft, Argument-Verlag, Hamburg 2008, S. 84) Im Abspann des Films sieht man in einer Montage aus Standbildern, wie die Überreste Bens mit Fleischerhaken aus dem Haus gezogen werden. Die Bürgerwehr bereitet einen Scheiterhaufen vor, auf dem der Protagonist seine letzte Ruhe findet. Unweigerlich müssen Zuschauer an Vorfälle aus dem Vietnamkrieg denken.

 

Pleiten Pech und Pannen: Als die Dreharbeiten zu NIGHT OF THE LIVING DEAD beendet waren, fuhr Romero mit dem Film im Kofferraum nach New York, um einen Käufer für ihn zu finden. Das war die Nacht, in der Martin Luther King ermordet wurde. (Vgl. THE AMERICAN NIGHTMARE) Folglich kein guter Start für NIGHT OF THE LIVING DEAD, wird doch am Ende des Films der farbige Hauptdarsteller erschossen.

 

Nach der Veröffentlichung von NIGHT OF THE LIVING DEAD fielen Kritiker wie eine Schar von Zombies über den Film her. Es hieß, er sei zu gewalttätig, selbst nationalsozialistische Tendenzen (wie »Das Gesetz des Stärkeren«) warf man Romero vor. Heutzutage hingegen würdigt man NIGHT OF THE LIVING DEAD als Horrorfilm par excellence im Museum of Modern Art in New York.

 

Die Produktionsvorbereitungen zu LAND OF THE DEAD, bei dem eine Horde Zombies ein Hochhaus stürmt, wurden ebenfalls von einem tragischen Schicksal eingeholt. Als Romero das Drehbuch 2001 fertigstellte, brachten zwei Passagierflugzeuge am 11. September das World Trade Center in New York zum Einsturz.

 

 

Erzwungene Krisengemeinschaften und gesellschaftliche Probleme: Dawn of the Dead (1978) & Day of the Dead (1985)

 

Auch in George A. Romeros Folgefilmen DAWN OF THE DEAD und DAY OF THE DEAD dienen Zombies als Werkzeug destruktiver Kräfte. Sie charakterisieren auch hier die ausweglosen Situationen der Protagonisten, denn unerklärliche Umstände entziehen sich der Rationalität und sind maßgeblich an der Erschaffung eines Chaos beteiligt.

 

Die Kritik in DAWN OF THE DEAD betrifft vor allem den Kapitalismus, der als Hölle auf Erden dargestellt wird. Im Film verstecken sich die Überlebenden in einem Kaufhaus; hier mangelt es den Protagonisten an nichts. Sie haben genügend Essen und Kleidung. Jedoch können seine Besatzer dieses Paradies nur so lange genießen, bis die Untoten einen Weg ins Innere des Einkaufszentrums finden, die Überlebenden aufgefressen werden oder aus ihrer Isolation fliehen müssen. So können die Zombies in DAWN OF THE DEAD für unterdrückte Massen, aber auch für eine hirnamputierte Konsumentenschar stehen.

 

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Bild 9: Die Zombies aus DAWN OF THE DEAD haben den Drang einzukaufen.

 

In DAY OF THE DEAD sind die Figuren stattdessen einer laborähnlichen Situation ausgesetzt. Ein unterirdischer Militärbunker dient den letzten Überlebenden der Zombie-Apokalypse, doch vor allem Soldaten, als Zuflucht. Unter diesen Umständen zeigt sich, wer welche Rolle übernimmt, ganz im Gegensatz zu den Untoten, die sich weder organisieren, noch eine Aufgabenverteilungen kennen.

 

»Die Zombiefilme Romeros erscheinen […] als resignative, konservative Werke, als Imaginationen einer Situation, in der niemand vor dem Infekt des Systems sicher sein kann.« (Wicher 2005, S. 96)

 

Die DEAD-Reihe wurde im Jahr 2005 von Romero selbst fortgesetzt: Zunächst erschien LAND OF THE DEAD (2005), dann DIARY OF THE DEAD (2007) und SURVIVAL OF THE DEAD (2009), der vorerst letzte Film des Zombie-Gurus.

 

 

Italo-Zombies – Woodoo (1979)

 

Die Küstenwache untersucht eine scheinbar verlassene Yacht im Hafen von New York. Eine leprös aussehende Gestalt erscheint an Deck und fällt über einen Polizisten her, der bei dem Angriff ums Leben kommt. Journalist Peter West (Ian McCulloch) und die Tochter des Yachtbesitzers, Ann Bowles (Tisa Farrow, die Schwester des ROSEMARY'S BABY