Margot Schmitz

Gedächtnis ohne Lücken

Alzheimervorsorge:
Hirnfutter gegen Vergesslichkeit

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www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-7015-0584-5
Copyright © 2011/2015 by Orac/Verlag Kremayr & Scheriau, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien
unter Verwendung eines Fotos von iStockphoto.com/John Woodcock
Satz und typografische Gestaltung: Gerald Waibel
Abbildungen hier (von links oben nach rechts unten): fotolia.de/MSA; fotolia.de/kharlamova; fotolia.de/Anna Tyukhmeneva; fotolia.de/alliedcomgraphic; fotolia.de/Voizin; fotolia.de/Digitalpress; fotolia.de/Beleberda; fotolia.de/Mario; fotolia.de/dryoria
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhalt

Einleitung

Was das Hirn braucht, um gesund zu bleiben

Die neun Elemente der Gehirngesundheit

Denkgesundheit und Gefühlsgesundheit

Hirngesundheit und Körpergesundheit

Was das alles bringt

Klar im Kopf sein und bleiben – die To-do-Liste

Genussvoll und gesund essen

Was ungesundes Essen bewirkt

Genussreich und gesund: Der Speiseplan

Lisl Wagner-Bacher und Thomas Dorfer: Die Tipps der Spitzenköche

Die besten Lebensmittel

Essen fürs Gehirn

Richtig essen kann man lernen

Bewegung macht fit im Kopf

Bewegung ist unverzichtbar

Bewegung: Einfach tun ist die Devise

Rauchen: Gift fürs Gehirn

Den Stress besiegen

Erste Schritte aus dem Stress

Die Selbsthypnose

Den Stress vermeiden

Achtsamkeitstraining gegen Stress

Musikmedizin: Heilsame Töne für Burnout- und Erschöpfungspatienten

Biofeedback

Schlafstörungen

Mental fit, mental erwachsen, mental gesund

Beziehungen leben

Gehirnjogging

Wie man sein Gehirn herausfordern kann

Gehirntraining im Alltag

Gute Übungen fürs Gehirn

Die Diagnosemethoden

Die neuropsychologischen Untersuchungen

Die instrumentellen Untersuchungen

Die Alterskrankheiten

Therapie-Optionen

1. Stufe: Keine subjektiven Beschwerden, keine Defizite, die im klinischen Interview zu sehen sind

2. Stufe GDS: Subjektive Beschwerden und Gedächtnisdefizite

3. Stufe GDS: Früheste klare Defizite

4. Stufe GDS: Deutliche Zeichen auch schon im klinischen Gespräch sichtbar

5. Stufe GDS: Der Patient kann nicht mehr allein leben und ist auf Hilfe angewiesen

6. Stufe GDS und 7.Stufe GDS: Das Ich verschwindet

Für den Fall, dass es ernst wird

Danksagung

Einleitung

Um in Ruhe alt werden zu können, braucht man viel Humor. Man muss scheitern gelernt haben, Frustrationen aushalten und über kleine Wehwehchen hinwegsehen. Ziel dieses Buches ist es, Sie darin zu unterstützen. Altwerden ist ein tolles, anstrengendes und spannendes Projekt. Wir wollen Ihnen das Werkzeug dazu geben.

Ein bisschen schwarzer Humor gefällig?

Der Hausherr macht sich’s am Kamin bequem, schon im Schlafanzug, denn er möchte sich von den gestrigen Strapazen erholen. Da klingelt es Sturm an der Wohnungstür, sein bester Freund steht draußen mit einem Riesenblumenstrauß und will zum Geburtstag gratulieren. Der Hausherr ist erstaunt: „Aber, lieber Freund, der Geburtstag war gestern, und die Feier auch – und du warst dabei!“

Keine Sorge, mehr Humor dieser Art wird es in diesem Buch nicht geben, schwarzer Humor macht auch traurig und hilflos, wir wollen aber das Gegenteil erreichen. Wenn man mit einem Blumenstrauß die Feier einfach nochmals erleben möchte, ist das eine schöne Sache, man kann es lustig finden, wenn man selbst sicher in der Hausherrnposition ist. Man kann es aber auch beschämend finden, wenn man dumm vor der Haustür steht. Oder man kann versuchen, rechtzeitig herauszufinden, ob einem so etwas auch passieren kann und ob man es verhindern kann.

Wir lachen als 15-Jährige über die 25-Jährigen, als 50-Jährige über die 40-Jährigen und als 60-Jährige hoffentlich über uns selbst. Wir erkennen uns als das, was wir sind, und lernen uns zu lieben.

Alt sein heißt angekommen sein, angekommen bei sich selbst. Dazu möchte ich das Beispiel einer Seniorenstudentengruppe bringen: Zwölf Studenten, alle über 60, sitzen mit der Ambulanz-Chefin der Sigmund-Freud-Privatuniversität nach einer Lehreinheit in der Selbsterfahrungsgruppe und beratschlagen, was diesmal das Highlight der gerade zu Ende gegangenen Stunden war. Alle sind voller Eifer und beseelt vom soeben Erlebten.

Einer der Studenten kommt aus Oberösterreich, er reist jedes Mal extra an und ist von Donnerstagabend bis Sonntag in Wien, um alle Stunden an der Universität wirklich pünktlich wahrnehmen zu können. Er ist 67 Jahre alt, war immer schon präzise, als Tischler musste jeder Griff sitzen, jede Nehrung passen. Dann gibt es die ehemalige Hausfrau, die drei Kinder großgezogen hat, aber nach deren Studium nichts mehr für sie tun konnte. Sie nennt nun drei propere Erwachsene ihr Eigen und möchte nicht wieder Kinder hüten, zumindest nicht in der nächsten Zeit. Anwesend sind auch der pensionierte Versicherungsmathematiker, der sich eigentlich immer schon für Psychologie begeistert hatte, der rundliche Lehrer, der sich endlich von der Schule und den Schülern erlöst sieht und sich freut, dass nun andere Lehrer für ihn schwitzen müssen. Alle aus der Gruppe sitzen gerne hier. Sie meinen es ernst mit dem Wissensdrang. Sie wollen dem Leben auf den Grund kommen.

Die fröhliche, wissensdurstige Stimmung mit den vielen Highlights und spannenden Erkenntnissen bietet aber auch Platz für die „Kummerecke“.

Ein Gruppenteilnehmer erzählt, er sei so unglücklich, weil er dick sei, und das belaste ihn wirklich: Es belaste die Gelenke, beim Umdrehen, beim Anziehen, die anderen können das leicht nachfühlen und auch beobachten. Ein anderer fragt, wann das denn mit dem Dicksein angefangen habe? Der Dicke fängt an zu erzählen: Er wollte seine Frau nicht betrügen, er hatte als Chef viele attraktive Frauen um sich gehabt und die Avancen der Schönen konnte er nur abwehren, indem er zu essen begann. Er durchschaute das auch, aber es schien ihm angenehmer zu sein, zu essen als ein Verhältnis anzufangen, noch dazu am Arbeitsplatz, er wollte nicht der Verführte sein und übersah, dass er sich ein ernsthaftes Gewichtsproblem einhandelte. Dabei war er ein wirklich attraktiver Mann gewesen, nicht nur ein begehrter Chef.

Die Seniorenstudenten sagen ihm im Anschluss, einer nach dem anderen, in unnachahmlicher Alt-Klugheit: „Du kannst jetzt schlank werden, du bist nur mehr für dich verantwortlich und deine Frau. Du bist deine Abteilung los, musst nicht mehr der Chef sein und kannst einfach deinen Körper mögen.“ „Außerdem, wenn man älter ist, so wie wir, dann geht es nicht mehr darum, einen Mann zu finden, eine Familie zu gründen und Kinder zu kriegen, es geht um innere Inspiration, und diese können wir einander in der Gruppe geben. Wir müssen einander nicht auswählen und keine Hahnenkämpfe führen, wir dürfen einander sagen, was wir denken und haben es miteinander lustig.“

Die Gruppe kann gut Wahrheiten miteinander austauschen, sie können frei heraus reden, weil sie die Zeit nicht mehr mit Unwahrheiten und Tändeleien vertun. Es geht in dieser Lerngruppe nicht um den Arbeitsplatz, die Karriere oder um Prestige, es geht um die (Selbst-)Erkenntnis im Alter, um die menschliche Kraft, die miteinander wachsen kann.

Die Gruppe unterstützte den Herrn, der sein Gewicht loswerden wollte. Im Laufe des Studienjahres bekam er viele Komplimente, Kilogramm um Kilogramm schwand, der Zusammenhalt wirkte. Und wenn man ein Studium schafft, dann schafft man es auch, bewusst zu essen, auch das lässt sich studieren und lernen.

In meinem Büro hängt ein Bild von Johanna Braun: eine schöne, lachende junge Frau und ein älterer Herr mit Geldbeutel, als Herz dargestellt. Der Titel des Bildes: „Keine Romanzen ohne Finanzen“. Ein Geschäftsmann, der an unserem Institut in Behandlung ist, wollte ein Foto von sich und diesem Bild haben. „Ich bin ein alter Geschäftsmann“, sagte er, „ich bin erfolgreich, ich weiß, dass das Erotischste an mir mein Geldbeutel ist, aber ich liebe den Anblick schöner Frauen. Das Beruhigende ist, Geld allein genügt nicht, wenn schöne Frauen einen schönen Abend mit mir verbringen wollen, dann muss ich schon charmant und großzügig sein. Dann sitzen sie gerne mit mir zusammen und ich freue mich über ihre Gesellschaft. Ich möchte nicht mit Resturlaub und Sparbuch sterben.“

Man mag den Zugang zum Altwerden so oder so für sich entdecken, wichtig ist, dass man es mit anderen gestaltet. Die Verbindung von Mensch zu Mensch ist entscheidend, und dazu muss man zuerst einmal mit sich selbst beginnen: sich selbst gut behandeln und wissen, was für einen selbst gut ist. Und dabei tut einem Anstrengung und Ausdauer gut, genauso wie Genuss.

Was das Hirn braucht, um gesund zu bleiben

Was ist normales und was ist vorzeitiges Altern? Wenn man die Menschen fragt, wovor sie sich am meisten fürchten, dann antworten 84%, dass sie vor dem geistigen Verfall, der Abhängigkeit und Hilflosigkeit im Alter die größte Angst haben.

Nicht so sehr die physische Schwäche, sondern vielmehr der geistige Verfall bereitet ihnen Sorgen. Viele haben das Gefühl, der geistige Verfall sei unausweichlich und unaufhaltsam und man könne sich seinem Schicksal nur ergeben. Die Menschen haben keine Erfahrung damit, 90 und älter zu werden. Bis vor kurzer Zeit gab es nur wenige Hochbetagte und sie waren eine bestaunte Ausnahme. Finanziell waren sie keine Gefahr für die Gesellschaft. Doch wenn die zwischen 1946 und 1964 Geborenen im Jahr 2030 zwischen 65 und 85 Jahre alt sein werden, dann werden sie mehr als 20% der Bevölkerung in den reichen Ländern ausmachen. Sie müssen sich im Klaren sein, dass sie ein finanzielles Desaster für die Gesellschaft sein können, wenn sie 90 und 100 Jahre alt sind. Dass die Generation, die so lange lebt, die Weisheit und Einsicht haben wird, sich gesundheitlich so zu erhalten, dass der Generationenvertrag lebbar bleibt, wäre zu wünschen und ist mit unserem Erkenntnisstand auch machbar.

Sowohl für sich selbst als auch den Angehörigen zuliebe ist es notwendig, rechtzeitig für ein möglichst gesundes Altern Verantwortung zu übernehmen, vor allem deshalb, weil es möglich ist. 10% Gehirnverlust ist mit 80 Jahren normal, der zentrale Blutfluss im Hirn ist geringer, senile Plaques (Flecken) in den grauen Zellen und wellige Strukturen beruhen auf normalen Abbauprozessen und sind Teil des Altwerdens. Das ist bei der Haut genauso, Flecken und Falten gehören dazu, wichtig ist, dass die Haut eine gute Schutzschicht bildet und ihren Zweck erfüllt. Die Haut ist der Spiegel der Seele, das ist in diesem Zusammenhang ein stimmiges und gut eingefühltes Bild.

Selbst im schlimmsten Fall, wenn man krebskrank wird, eine schwere chronische Krankheit wie Multiple Sklerose oder Rheuma oder einen Unfall hat, bedeutet die Minimierung der Risikofaktoren immer, dass die Krankheit dann leichter und besser zu überstehen ist. Die Entscheidung, für sich Verantwortung zu übernehmen, heißt, den Körper zu pflegen, zu schützen, gut zu ernähren und den Kopf zu verwenden – für sich und um der eigenen sozialen Verantwortung gerecht zu werden.

Aber was unterscheidet den 90-jährigen Gesunden mit den erwähnten Plaques von dem Senilen, Unselbstständigen, der für sich nichts mehr tun kann? Nein, nicht die Gene, nein, nicht das Schicksal, die präventive Strategie bis 90 unterscheidet die beiden.

Selbstverständlich gibt es Krankheiten, die keine Wahl mehr lassen, die ihren Lauf nehmen und bei denen nur mehr liebevolle Pflege hilft. Wenn es allerdings um die zukünftigen Hochbetagten der Babyboom-Generation geht, ließen sich 50% der Demenzerkrankungen im hohen Alter durch entsprechende gezielte Vorbeugungsmaßnahmen verhindern.

Die neun Elemente der Gehirngesundheit

Das Gehirn wird mit dem Alter langsamer, zweifellos, aber es hat eine sehr hohe Neuroplastizität. Auch das alternde Gehirn kann sich neu modellieren und zerstörte Verbindungen und Nervenzellen ersetzen. Die Bereiche für Lernen und Gedächtnis können neu strukturiert werden, vorausgesetzt, der „alte Hund“ will einen „neuen Trick“ lernen. Wir haben viele Lernfelder: Sprache, Gedächtnis, Nachdenken, Abstrahieren, Entscheidungen treffen, Assoziationen pflegen, Neugier und Weisheit schulen. Sie alle lassen sich trainieren, vorausgesetzt, der Mensch, der über 90 werden will, will noch denken, fühlen, spüren.

Wer nicht daran glaubt, das Gehirn beeinflussen zu können, wird weniger Aufmerksamkeit darauf verwenden, es auch beeinflussen zu wollen. Ein Beispiel: Ein alternder Läufer, Bergsteiger, Wanderer wird beim Laufen, Gehen, Wandern langsamer werden: Soll er die Bemühung einstellen oder soll er in der Langsamkeit die Aufmerksamkeit für Mitgeschöpfe, Mitwanderer, die Umgebung und das Erlebnis steigern? Die Antwort ist wohl klar, selbstverständlich vertieft und erweitert sich mit der Verlangsamung das Erleben, weg von „schneller“ und „weiter“ zu tieferem Erleben, zu Dankbarkeit für den Augenblick und weisen Gedanken über das Laufen, Wandern und Bergsteigen. Es ist auch in Ordnung, langsamer zu lernen, es ist die Tiefe des Augenblicks, der einen das Leben bewusster genießen lässt.

Neun Elemente machen die Hirngesundheit aus: Sprache, Gedanken, Gedächtnis, erlernte Leistungen (z.B. schreiben, Schuhe zubinden, Knöpfe aufmachen, Haare flechten usw.), Auffassung, Urteilsfähigkeit, Aufmerksamkeit, die Beherrschung von Abläufen, die einmal erlernt wurden (z.B. Autofahren, ein Telefon bedienen, ein Gerät in Betrieb nehmen) und die Fähigkeit, einen Sinn im Leben zu finden. Diese neun Elemente müssen geschult werden, will man hirngesund bleiben.

Denkgesundheit und Gefühlsgesundheit

Die Denkgesundheit kann nie ohne die Gefühlsgesundheit existieren. Diese emotionale Gesundheit meint nicht die Abwesenheit einer psychischen Erkrankung, sondern die positive Gefühlsanpassung an die Realität, an das Leben, wie es fließt. Zur mentalen Fitness, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist, gehört die Fähigkeit, Gefühle zu regulieren. Hirngesund ist der, der in der Lage ist, die eigenen Gefühle zu erkennen, zu steuern, andere wahrzunehmen und konstruktiv mit Gefühlen umzugehen. Emotionale Belastbarkeit entwickeln, Gefühle aushalten können, weise und achtsam sein, das ist mindestens so wichtig wie das Gedächtnis zu trainieren. Wenn man die Wahl hat zwischen Kreuzworträtsel üben und anderen zuhören, sich in andere einfühlen und gemeinsam über Lösungen nachdenken, mit dem Ziel, sich zu engagieren, dann ist ganz klar: Kreuzworträtsel in die Ecke, raus zum menschlichen Engagement.

Man kann Unmut aushalten und Ärger verkraften lernen. Alle anzuraunzen, zu schimpfen, zu keifen und zu drohen, das ist mit Gefühlsanpassung nicht gemeint. Eine reife Persönlichkeit ist in der Lage, Widrigkeiten zu verkraften und darüber nachzudenken, was der eigene Anteil an dem Problem ist. Wer das kann, kommt damit auch besser zurecht. Hassen, die Ausländer verantwortlich machen und bessere Zeiten beschwören, das bringt nur Rechtsradikalität. Respekt und Wertschätzung ist gut fürs Hirn. Fremdenhass und Schuldzuweisung machen doof und lebensunlustig.

Eine der besten Übungen zur Gefühlsgesundheit ist die Jesuitenübung: Ein Alter hört einem Jungen zu, bei den Jesuiten war es der Prior, der dem Novizen zuhörte, und wiederholt, was der Junge gesagt hat. Am besten geht man gemeinsam in aller Ruhe eine Stunde in einem Kreuzgang oder als Normalsterblicher in einem Park spazieren, hörend und sorgfältig wiederholend, was der Junge sagt. Nach der Stunde weiß der Junge, was zu tun ist, und der Alte hat erfasst, worum es geht. Das Zuhören schärft den Verstand und das Sprechen die Geduld. So gibt es einen doppelten Gewinn. Weisheit bedeutet, Geduld zu haben, sich etwas beschreiben zu lassen, die eigene Beschränkung anzuerkennen und den kreativen Raum für beide zu schützen, die sich aufeinander einlassen. Die Übung heißt deshalb Jesuitenübung, weil es bei den Jesuiten Vorschrift war, vor allem zuzuhören und nichts hinzuzufügen, sondern erst einmal das Gesagte zu wiederholen, um zu begreifen, wo der andere steht. Diese Übung hat noch immer nicht genügend Eingang gefunden in Management, Bildung und Politik, Achtsamkeit für andere ist eine Übung, die wir noch nicht wirklich gelernt haben. Aber wir werden jetzt alt genug, um diese Übung zu begreifen und in unserem kreativen Umgang mit dem Leben zu trainieren.

Hirngesundheit und Körpergesundheit

Es gibt jetzt schon Hochbetagte, wenige, aber doch. Wer sind die 100-Jährigen, was haben sie gemeinsam? Sie sind keine Asketen, keine früheren Leistungssportler, sie sind gern unter Menschen, trinken bisweilen ein Glas Wein, haben meist in ihrem Leben keine Krankheiten gehabt und waren immer aktiv und körperlich in Maßen tätig, rauchen nicht und zeigen Engagement für vieles. Sie können über den Sinn des Lebens erzählen, zuhören und den Tag genießen, denn er kann und darf der letzte sein. Meist fürchten sie sich nicht vor dem Tod, sie sind bereit, jederzeit zu gehen.

Die Hirngesundheit kann nicht unabhängig von der körperlichen Gesundheit gesehen werden. Das Hirn ist gesund, wenn für den Körper vom Hals abwärts Sorge getragen wird.

Das heißt zuallererst tägliche Bewegung, Vermeidung von Bluthochdruck und hohen Blutfettwerten, erfolgreiche Kontrolle des Blutzuckers, auf keinen Fall rauchen bzw. so rasch wie möglich damit aufhören. Die Strategie muss ganz klar sein, Ausreden gelten nicht: Selbstverantwortung ist nicht delegierbar. Sonst bekommt man im Alter die Rechnung für mangelnde Verantwortung in früheren Jahren serviert. Bluthochdruck und Altersdiabetes sind eine Frage des Lebensstils, genauso wie das Gewicht und der Body-Mass-Index sowie die emotionale Achtsamkeit.

Wir werden zu alt, um uns einfach dem intensiven Nichtstun zu widmen. Wir werden zu siech und zu doof, um uns in diesem Zustand anderen zu überantworten, wir müssen damit rechnen, dass wir der Familie und der Gesellschaft nicht zumutbar sind, wenn wir nicht rechtzeitig selbst Verantwortung für uns übernehmen.

Strategien wider die Senilität und Abhängigkeit, die einem denkenden und fühlenden Menschen zumutbar sind, allerdings auch Anstrengungsbereitschaft und Autonomie verlangen, sind erlernbar. Im Folgenden eine Übersicht über die Elemente, die dazugehören, detailliertere Informationen dazu finden sich dann in den weiteren Kapiteln dieses Buches.

Bluthochdruck-Behandlung

Hoher Blutdruck kann die Arteriosklerose vorantreiben und kleine Gefäße im Gehirn verschließen, dadurch eine chronische Unterversorgung von Nervenschutzhüllen verursachen und einen Schlaganfall vorbereiten. Bluthochdruck verursacht möglicherweise degenerative Veränderungen kleiner Gefäße und lässt die Blut-Hirn-Schranke weniger wirksam werden. Das Hirn hat eine Absperrung, die Blut-Hirn-Schranke, die verhindert, dass Infektionen, Schadstoffe und Gifte eingeschwemmt werden, die die Hirnfunktion beeinträchtigen. Diese Absperrung gilt es unter allen Umständen zu schützen.

Senkung der Blutfettwerte

Die Blutfettwerte müssen sich in einem normalen Rahmen bewegen, weil zu hohe Cholesterinwerte Ablagerungen im Gehirn fördern, die sogenannten Hirngefäß-Plaques, die die Nervenzellen im Gehirn schädigen können.

Antioxidantien

Freie Radikale sollten erst gar nicht entstehen oder aber rasch abgebaut werden, weil sie Hirnzellen schädigen. Dazu ist eine gute Ernährung notwendig: Was da alles dazugehört, ist im Kapitel „Genussvoll und gesund essen“ ausführlich dargelegt.

Das noch größere Problem aber ist das Rauchen: Das ist das Schlimmste, was Sie hier tun können. Die Schadstoffe in den Zigaretten, insbesondere Ruß, erzeugen freie Radikale, die normalerweise im Körper nichts zu suchen haben. Zudem wirkt Rauchen gefäßverengend. Nicht die Lunge ist dann das Problem, sondern die Minderversorgung des Gehirns.

Vitamin B 12, Folsäure, Vitamin D

Vitaminmangelzustände und Vitaminüberversorgung sind gleichermaßen schlecht, das Wissen über sinnvolle Maßnahmen gehört ebenfalls zur eigenverantwortlichen Vorsorge. Es geht nicht darum, Pillen zu schlucken, sondern darum, zu wissen, was der Körper braucht und wie man Mangelzuständen vorbeugen kann. Ein Beispiel: Mehr als 25% der Menschen haben einen Vitamin-D-Mangel, das wird aber in keiner Routineuntersuchung kontrolliert. Vitaminmangel können Sie vermeiden. Wie, das steht im Kapitel „Genussvoll und gesund essen“.

Nahrungsoptimierung und hilfreiche Chemie

Auch wenn es bereits zu nachgewiesenen neuropsychologischen Ausfällen gekommen ist, in der Vorstufe der Demenz und bei dementiellen Zuständen, ist man seinem Schicksal nicht ausgeliefert. Es gibt eine Reihe von hilfreichen Therapieansätzen, die auch laufend durch neue Forschungsergebnisse verbessert werden.

Diese Möglichkeiten kann man auch für sich überprüfen und gegebenenfalls anwenden. Die Beschreibung der Therapieansätze finden Sie im Kapitel „Therapie-Optionen“.

Fischöl, Safran, Sesam, grüner Tee, viele Nahrungsmittel, Gewürze und Pflanzenstoffe werden gerade untersucht und darauf abgeklopft, ob sie nicht dazu geeignet sind, über die Säulen der Herzgesundheit, Bewegung und Ernährung hinaus gesundes Altern zu fördern. Es könnte sein, dass es Nüsse gibt, die vor Alzheimer schützen. Das klingt nach Utopie, aber in einem Tal, in dem auffällig wenig Demenzkranke leben, aber die Bevölkerung uralt wird, werden genau solche Nüsse auf ihre Schutzwirkung hin untersucht. Dass Nüsse gesund sind, wissen wir, welche aber in der Vorbeugung besonders geeignet sind, das wird in der Wissenschaft gerade heiß diskutiert. Medizinische Hirnnahrung gibt es, die ersten Ergebnisse sind da.

Wenn eine Krankheit entsteht, kann man sie managen, man kann eine Patientenverfügung erstellen, man kann das Zeitfenster von der Erstdiagnose bis zum wirklichen geistigen Verfall für alles nutzen, was das Leben schön macht, meist hat man mehr als zehn Jahre dafür Zeit.

Blutzucker-Senkung

Sehr wichtig ist es, den Altersdiabetes zu verhindern oder so rasch wie möglich wieder zu normalisieren, denn Altersdiabetes führt fast zwangsläufig zu Gedächtnisstörungen, Hirndurchblutungsstörungen und Blutflussbeeinträchtigungen. Dazu ist zum einen ein vernünftiger Lebensstil mit gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung erforderlich, zum anderen eine gute Therapie des Altersdiabetes und eine gute Blutflusseigenschafts-Therapie. Eine gute Therapie senkt den Blutzucker, erklärt, wie man den Blutzucker-Anstieg verhindern kann und macht deutlich, dass das Ergebnis nicht nur für den Moment wichtig ist, sondern Jahre an Lebensqualität dran hängen. Zucker ist nicht nur im Blut gefährlich, sondern vor allem auch im Hirn.

Hormontherapie

In der Frage der Hormontherapie ist noch immer nicht ganz klar, was sinnvoll ist und was nicht. Keinesfalls sinnvoll ist Panikmache und gänzlicher Verzicht auf Hormone. Eine gute Östrogenersatztherapie oder Testosterontherapie ist in Abwägung von Nutzen und Risiko eine fachärztliche Meisterleistung, die individuell abgestimmt werden sollte. Hormone entscheiden über Energie, Lust, Neugier und das Gefühl, dem Leben gewachsen zu sein. Deshalb kann man das Thema Hormone nicht auf die Frage nach dem Brustkrebsrisiko reduzieren. Hormone sind wichtige Hirnbestandteile, sie kurbeln den Lebenswillen an und machen neugierig oder abgeschlagen. Hormone tragen wir nicht im Bauch herum, ihre Ausgangsstoffe und Rückkopplungsmechanismen haben wir im Hirn.

Mit dem Rauchen aufhören

Rauchen ist katastrophal für das Gehirn. Leise, stille Hirninfarkte sind wahrscheinlich, der oxidative Stress, der die Nervenzellen schädigt, ist dramatisch erhöht, Tabak verursacht Arteriosklerose, also in letzter Konsequenz Gefäßverschlüsse. Nicht nur die Haut wird minderdurchblutet und runzelt um vieles schneller, im Gehirn wirkt sich das genauso aus.

Gesunde Ernährung

Es geht nichts über indische oder mediterrane Kost. Im Kapitel „Genussvoll und gesund essen“ werden die Möglichkeiten einer fischreichen Ernährung, die für geringere Blutfette und richtige Blutzuckerwerte sorgt, ausführlich beschrieben, ebenso alle wichtigen Vitamine und Spurenelemente in Gemüse und Obst. Was Gewürze bei der Krebsbekämpfung und für die Herzgesundheit bewirken können, ist ebenso Thema dieses Kapitels. Essen Sie nicht wahllos Pillen, nur um Ihr Gewissen zu beruhigen oder Ihre Ängste zu bedienen, die sollten Sie besser mit dem Mentalen Fitnessprogramm schulen, wie es in „Mental fit, mental erwachsen, mental gesund“ beschrieben ist.

Stress reduzieren

Glucocorticoide sind das Ergebnis von Stress im Blut, sie können die Nervenzellen im Hippocampus ruinieren. Der Hippocampus ist ein wichtiger Verschaltungsort im Hirn, der abstraktes Denken und Gefühlsleben steuert. Glucocorticoide bewirken oxidativen Stress und eine Schädigung von Hirnzellen. Stress heißt im Klartext: nicht genügend schlafen, nicht genügend das tun, was einem Spaß macht, rennen für andere, einen Vorgesetzten haben, der sich nicht wertschätzend verhält, und nicht wissen, wofür man sich Tag und Nacht anstrengt, sprich, den Lebenssinn nicht finden.

Wenn Ihre Arbeit, Ihre Beziehung, das Gefühl der Sinnlosigkeit Sie krank machen, dann beginnen Sie so schnell wie möglich eine Therapie. Sie verschmutzen Ihren Hirnstoffwechsel mit depressiven Gedanken und riskieren nicht nur psychisches Leid, Schlafstörungen und Energielosigkeit, sondern auch Herzinfarkt, Infektionen und psychosomatische Erkrankungen. Nehmen Sie Ihr Unglück ernst, erlauben Sie sich, Fragen zu stellen: Lohnt sich das Leben vor dem Tod, komme ich meinem Lebenssinn näher oder versuche ich nur, den Tag irgendwie zu überstehen, um mich dem abendlichen Nichtstun, dem Wochenend-Nichtstun, dem Im-Urlaub-intensiv-Nichtstun zu widmen? Keinen Sinn im Leben zu finden, das kann nur schiefgehen. Wir werden zu alt, um das auszuhalten. Da kriechen dann Gedanken in die Leere: Wozu und wofür? Das ist Stress, da braucht es einen Therapeuten, einen spirituellen Helfer oder aber zuerst einen Mediziner, wenn Sie so ausgebrannt sind, dass Sie keine Kraft mehr haben, um sich selbst zu helfen. Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel „Den Stress besiegen“.

Bewegung

Regelmäßige Bewegung, das heißt mindestens dreimal pro Woche eine halbe Stunde flott gehen, zweimal wöchentlich eine halbe Stunde Mobilisierung der kleinen Gelenke, zum Beispiel mittels Yoga, Stretching, Mobilisierungsübungen, Feldenkrais, Pilates, den fünf Tibetern, und zweimal pro Woche eine halbe Stunde Kräftigungstraining. Das ist ein Muss, um nicht im Körpergefängnis eingesperrt zu sein und nicht mit Schmerzen zu enden. Sie bewegen sich nicht vorrangig für den Körper, sondern für den Geist und das, was ihm Bewegung an Erlebnis bietet. Im Kapitel „Bewegung macht fit im Kopf“ wird das genauer erläutert.

Soziales Leben

Ein aktives soziales Leben mit einem Netzwerk an Freunden und Bekannten, mit physischer Erholung und sozialen Aktivitäten wie Spielen, Musikmachen, Feiern und Geschichten austauschen reduziert Stress, beugt Hirnabbau vor und schützt die Gefäße, weil die schädliche Stresschemie vermieden wird.

Was das alles bringt

Was am allerwichtigsten bei all diesen Bemühungen ist: Es ist erwiesen, dass sie wirken und das Gehirn vor dem Abbau schützen. Das sollten Sie sich immer vor Augen halten. Die kognitive Reserve, über die das Hirn verfügt, wird mobilisiert. Mit den oben beschriebenen Maßnahmen trainieren Sie sich einen Turboeffekt an, der die Gehirnzellen zur Aktivität zwingt. Statt einfach abzubauen, baut sich das Gehirn an anderer Stelle wieder auf. Die Gehirnplastizität wird angekurbelt: Auch wenn das Gehirn Narben aufweist und sich Abbauprodukte angesammelt haben, an anderen Stellen des Gehirns ist dann aktiver Aufbau im Gange und die Nervenzellen sprießen.

Natürlich spielt es bei der kognitiven Reserve eine Rolle, ob jemand intelligent ist, lebenslang Neues gelernt hat, viele Jahre mit Bildung und Denken zugebracht hat und ob Freunde und der Austausch mit vielen unterschiedlichen Kulturen normal und ständig als geistiges Zubrot vorhanden waren und sind. Je mehr Sprachen jemand gelernt hat, desto länger wird der Sprachschatz groß oder noch eine neue Sprache erlernbar sein. Je mehr jemand mit Freunden, in der Familie, in der Gemeinde, in sozialen Organisationen oder in anderen Zusammenhängen nachdenkt und über Probleme und deren Lösung diskutiert, desto eher wird abstraktes Denken und Urteilen geübt bleiben, desto mehr werden die Baustellen im Gehirn bewirtschaftet. Sich zum gemeinsamen Wandern und Gärtnern, Naturerlebnis und zum Wein zu verabreden, bringt auch neue Nervenzellen. Wenn Sie dann noch den Geschmack schulen und riechen üben und kochen lernen oder es perfektionieren, dann sind nicht nur unvergessliche Kindheitserlebnisse Ihre geistige Nahrung, sondern Sie können auch von neuen Erlebnissen mit neuen Aromen und Gaumenfreuden zehren. Deshalb sind die Frauen auch meist fitter im Alter, weil sie ein Leben lang mehr Praxis, Handeln und Alltagsbewältigung geschult haben.

Emotionale Gesundheit

Die Wissenschaft der Erforschung der „goldenen Jahre“ der Hochbetagten steht erst am Anfang, aber die primäre Aufgabe, die es zu lösen gilt, ist schon klar: Die emotionale Gesundheit ist wichtiger als die kognitive Gesundheit, die Rolle der Gefühle ist vorrangig. Die inneren Gefühlskonstrukte müssen stimmen. Die Menschen müssen lernen, Stress abzubauen, Feindseligkeit und Depression zu überwinden, falls notwendig mit Hilfe einer Psychotherapie. Um Gefühlsgesundheit und Denkgesundheit zu erreichen, muss aber auch das Herz-Kreislauf-System intakt sein, die Nebennieren und Immunfunktionen müssen passen, man muss seine genetischen Risiken kennen und seine physischen Grenzen gut nützen.

Wenn Sie feindselig und depressiv sind, dann können Sie nicht gesund bleiben. Aber Sie können diese Haltung aufgeben, Sie können wählen. Wenn Sie übergewichtig und mit hohem Blutzucker unterwegs sind, dann müssen Sie sich klarmachen, dass Ihr Hirn die Rechnung zahlt. Wenn Sie aus Ihrem Haus und Ihrem täglichen Trott nicht herauskommen, dann werden Sie sich mit dem Altwerden plagen.

Klar im Kopf sein und bleiben – die To-do-Liste

Sie sehen, das ist Arbeit. Es gibt keinen Ruhestand. Ruhe und Tod sind Zwillingsbrüder. Wenn das Herz ohne Veränderung ganz gleichmäßig schlägt und auf nichts mehr reagiert, dann steht der Tod vor der Tür. Bis dorthin sollten Sie es ständig in Unruhe bringen. Selbst nach einem Herzinfarkt sind Bewegung und Aktivität, nach ärztlicher Anleitung, das Mittel der Wahl.

Nur so kann es gelingen, hirngesund alt zu werden und das Leben bis zum Schluss zu genießen.

Genussvoll und gesund essen

Was ungesundes Essen bewirkt

Risikofaktor Ernährung

Birgit K. (65) und Herbert K. (68) sind seit 30 Jahren verheiratet, haben drei Kinder und sechs Enkelkinder, das siebte ist unterwegs. Die Familie trifft sich oft zu einem gemeinsamen Essen, entweder wird zu Hause groß aufgetischt, oder sie gehen gemeinsam aus. Da wird dann immer darauf geachtet, wo geschmaust wird, natürlich muss es ein „Essen Sie so viel Sie wollen“-Buffet sein.