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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

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7.

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14.

15.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2566

 

Oase der Wissenden

 

Sie sind drei unterschiedliche Wesen – und erreichen in Anthuresta die Welt der Befreiung

 

Frank Borsch

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Eigentlich herrscht seit über hundert Jahren Frieden.

Doch seit die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe gestoßen sind, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tobt der Konflikt mit der Frequenz-Monarchie: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof und greift mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe an.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – der Kampf findet in der Milchstraße und in Andromeda statt. Man entdeckt die Achillesferse der Vatrox, der Herren der Frequenz-Monarchie: Sie verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie.

Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen. Für den einzelnen Vatrox ändert das aber wenig an der prekären Situation, und manch Frequenzfolger muss sich mit den unangenehmen Folgen des Krieges auseinandersetzen. Frequenzfolger Sinnafoch etwa stößt auf die OASE DER WISSENDEN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sinnafoch – Der Frequenzfolger wird an seinen Taten gemessen.

Kruuper – Der Okrivar wird an seine untergeordnete Stellung erinnert.

Philip – Der Okrill von Oxtorne muss sich auf einem fremden Planeten behaupten.

Demeiro – Der Frequenzmittler begrüßt den Anführer des gescheiterten Hythorjan-Feldzuges.

1.

 

»Transferkamin ist bereit, Sinnafoch!«

Kruuper erwartete den Vatrox in der großen Halle der Station. Der Okrivar stand neben der Konsole, welche die Röhre aus Licht steuerte, die in gerader Linie in die Unendlichkeit führte. Der Transferkamin schimmerte blau, verlor sich mehrere hundert Meter weiter in einem Dunst, der dem Hitzeflimmern eines Sommertags ähnelte.

Der Schutzanzug des Okrivar war schmutzig und rußig und ließ Kruuper wuchtiger und kurzgliedriger wirken, als er tatsächlich war.

»Hier, Controller!«

Kruuper hielt Sinnafoch das Steuergerät entgegen, ohne dessen Hilfe die Aktivierung des Transferkamins unmöglich war. Die Hand mit den sechs Fingern zitterte.

»Du hast keinen Wasserstoff gefunden?«, fragte der Vatrox.

»Nein. Station ist auf Sauerstoff-Stickstoff-Atmer ausgelegt.«

Mit anderen Worten, dachte Sinnafoch, sie ist kein Ort für dich!

Okrivar atmeten Wasserstoff ein und Ammoniak und Spuren von Methan aus. Die Atmosphäre, die auf den Welten und in den Raumschiffen und Stationen der Frequenz-Monarchie herrschte, war für sie pures Gift. Auf den Schlachtlichtern gab es eigens für die Okrivar eingerichtete Zonen, in denen sie eine auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Atmosphäre vorfanden.

In den übrigen Schiffsteilen gab es Zapfstellen, an denen Okrivar die Atemtanks ihrer Schutzanzüge auffüllen konnten.

Diese Station bot weder das eine noch das andere. Sie war zu klein oder vielleicht auch zu alt. Die Station mochte in eine Zeit zurückdatieren, in der die Okrivar noch keine Diener der Frequenz-Monarchie gewesen waren. Seitdem war sie verborgen gewesen, aus dem Polyport-Netz gefallen.

»Wie lange reicht der Vorrat deines Anzugs?«, fragte Sinnafoch.

»Nicht ganz eine Stunde ungefähr.«

Es war knapp, ein stichhaltiger Grund zu Nervosität, aber kein Anlass zu Panik. Noch nicht.

»Der Transfer wird nur dreizehn Minuten in Anspruch nehmen, in einer Stunde sind wir längst in Sicherheit«, beruhigte Sinnafoch den Okrivar. Er nahm den Controller an sich.

Es war ein unscheinbares helles Gehäuse mit abgerundeten Kanten, das gut in der Hand lag. Nichts deutete darauf hin, was die darin verborgene Technologie vermochte: Der Controller der Klasse C ermöglichte seinem Besitzer nahezu unbeschränkte Herrschaft über das Polyport-Netz. Etliche Galaxien standen demjenigen offen, der den Controller besaß und ihn zu bedienen vermochte.

Sinnafoch überprüfte die Schaltungen, die der Okrivar in Vorbereitung des Transfers vorgenommen hatte. Er hatte den Controller für Kruuper freigegeben. Wie der Vatrox es erwartet hatte, waren die Schaltungen des Okrivar präzise. Der Transferkamin war bereits justiert. Zielstation: der Handelsstern JERGALL.

Es war jener Ort, den sie hatten erreichen wollen, als ein unbekannter Defekt sie vor rund einem halben Dutzend Tagen in das Land D'Tarka verschlagen hatte, in dessen Boden diese Station gegraben war.

Es war ein merkwürdiges Land, bevölkert von merkwürdigen Wesen.

Sinnafoch hatte dort nur kurze Zeit bei Bewusstsein verbracht. Unmittelbar nach der Ankunft war er in ein Koma gefallen, aus dem er erst vor wenigen Stunden erwacht war. Während des Komas war sein Geist tief in die Vergangenheit zurückgekehrt. Sinnafoch, der auf Dutzende Leben zurückblickte, hatte seine erste Wiedergeburt, sein zweites Leben, von Neuem erlebt.

Über die Ursache konnte der Vatrox nur Vermutungen anstellen. Die gewaltige Explosion von Psi-Materie, welche die Terraner in Hathorjan ausgelöst hatten, mochte der Auslöser gewesen sein. Oder die Fehlfunktion des Polyport-Netzes hatte sein Koma verursacht. Oder das Trauma der Niederlage gegen die Terraner in Hathorjan. Oder eine Kombination der unterschiedlichen Faktoren.

Was immer der Fall sein mochte, Sinnafoch hatte sich an ein Leben voller Leid erinnert. Es hatte viele gute Gründe gegeben, es zu vergessen. Das Vergessen hatte ihm viel Schmerz erspart. Aber zu einem hohen Preis. Mit dem Schmerz hatte er auch die Lehren seines zweiten Lebens vergessen.

Deliachlan … er war ein D'Tar gewesen. Ein Soldat unter Abermilliarden, ein Werkzeug, dessen Existenz in den grandiosen, viele Galaxien umspannenden Plänen der Frequenz-Monarchie, wenn überhaupt, allenfalls einen vernachlässigbaren Wert besaß. Aber Deliachlan war Sinnafoch wie ein Bruder gewesen. Ein Gefährte, der ihm bis in den Tod und darüber hinaus treu geblieben war. Und wie Sinnafoch ihn in den Dutzenden von Leben, die auf sein zweites gefolgt waren, nicht mehr gefunden hatte …

Sinnafochs Blick fiel auf den Okrivar, der ihm gegenüberstand und der sein Zittern vergeblich zu verbergen suchte. Kruuper war ein plumpes Wesen, das einem Vatrox kaum zur Brust ging. Ein Untergebener, der den Satzbau des Handelsidioms selbst nach Jahren im Dienst der Frequenz-Monarchie nur unvollkommen beherrschte – und sich zugleich als messerscharfer Denker erwiesen hatte, als phantasievoller Tüftler, dem keine Reparatur unmöglich war, keine Aufgabe zu komplex.

Der Vatrox spürte eine Berührung an den Fingern, feucht und warm. Es war die Zunge Philips, der lautlos an Sinnafoch herangeschlichen war. Der Vatrox ballte die Hand zur Faust und schlug mit aller Kraft auf Philips Schnauze. Es war ein Streicheln.

Philip war ein Okrill und stammte von der Extremwelt Oxtorne in der Milchstraße. Einst war er das Haustier eines terranischen Agenten gewesen, ein gezähmtes Raubtier. Aus einer Laune heraus hatte Sinnafoch dem Oxtorner sein Tier genommen – und als man ihm kurz darauf eine neue Kriegsordonnanz verweigerte, hatte der Vatrox aus einer zweiten Laune heraus Philip eine Induktivzelle einpflanzen lassen, wie er sie selbst trug.

Was als zynischer Scherz, als subtile Geste der Auflehnung begonnen hatte, hatte unerwartete Ergebnisse gezeitigt: Im Zusammenspiel mit der Induktivzelle war in Philip Intelligenz erwacht. Der Okrill war wie ein Kind, unschuldig und von einer unstillbaren Neugierde beseelt.

Der Okrivar und der Okrill waren zu Gefährten Sinnafochs geworden, die sich beinahe mit Deliachlan messen konnten. Nur den beiden hatte der Vatrox es zu verdanken, dass er sich jetzt anschickte, das Land D'Tarka lebend zu verlassen. Kruuper und Philip schuldete er dieses Leben – das womöglich sein letztes war. Die Hibernationswelten Hathorjans waren verloren, und mit ihnen waren die Genproben Sinnafochs vernichtet worden, aus denen nach seinem Tod neue Körper hätten geklont werden können.

»Kruuper hat alle Systeme überprüft«, sagte der Okrivar. Er benutzte niemals »ich«, sprach von sich immer in der dritten Person. Als plage ihn die Furcht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so sehr, dass er es vorzog, sich selbst zu verleugnen. »Funktionstüchtig, ohne Ausnahme. Sinnafoch, Philip und Kruuper brechen auf?«

»Gleich«, vertröstete ihn Sinnafoch.

Der Vatrox war noch nicht bereit. Er musste Abschied nehmen von dieser Welt. Er blickte entlang der waagerechten energetischen Röhre. Der Transferkamin. Er schimmerte blau und führte in einer perfekten Geraden in die Territorien der Frequenz-Monarchie, zurück in das wirkliche Leben …

… eine zweite Linie kam Sinnafoch in den Sinn. Die Kante, mit der das Land D'Tarka endete. Vor wenigen Minuten hatte er mit F'har, dem genialen Erfinder der D'Tar, dort gesessen und die Beine in die Unendlichkeit baumeln lassen. Die Kante war wie mit einem riesigen Messer geschnitten und schien gerade. Doch das war eine Täuschung. Die Kante war gekrümmt.

Das Land D'Tarka war kein gewöhnlicher Planet, sondern eine künstliche Struktur. Man hatte sie erschaffen, indem man einen Planeten in seiner Mitte durchtrennt – oder ihn in Scheiben geschnitten hatte.

Sinnafoch hielt letztere Möglichkeit für wahrscheinlicher. Einen Planeten in Scheiben zu schneiden schien ihm das effizientere Verfahren. Aus einer Welt ließen sich damit gleich mehrere erzeugen.

Eine dritte Möglichkeit war der komplett künstliche Aufbau, beispielsweise durch eingesammelte und verdichtete interstellare Materie, Staub aus Sternentstehungsgebieten oder dergleichen.

Doch egal, welche der Möglichkeiten zutraf, es bedeutete, dass die Erschaffer des Landes D'Tar über eine Technologie verfügt haben mussten, die jener der Frequenz-Monarchie ebenbürtig war, wenn nicht sogar überlegen. Allein durch den glühenden Kern eines Planeten zu schneiden und ihn kontrolliert abkühlen zu lassen, ohne dass die Scheibe ihre Form verlor, stellte zahllose technische Anforderungen. Ähnliches galt für das Einsammeln und die Weiterverarbeitung von Sternenstaub.

Das Land D'Tar war eine künstliche Struktur.

Eine Welt, die sich der herkömmlichen Vorstellung entzog.

Und eine verborgene Welt, die zugleich an das Polyport-Netz angebunden war!

Wer mochte sie erschaffen haben? Die Anthurianer?

Und welcher Zufall hatte die Bewohner in das Land D'Tarka geführt? Er musste lange zurückliegen. Die D'Tar besaßen keine Aufzeichnungen über ihre Herkunft. Eigentlich war ihr Volk längst ausgestorben, verdrängt von den Darturka, den Soldaten der Frequenz-Monarchie, die man auf der Basis ihrer Gene gezüchtet hatte.

Sinnafoch rief über den Controller ein Holo auf. Es erinnerte den Vatrox an einen Kugelsternhaufen, unzählige Lichtpunkte, die sich aneinanderdrängten, umschwärmt von Punkten. Jedes der Lichter stand für einen Transferkamin, einen Knotenpunkt im Polyport-Netz. Einen Ort, den sie innerhalb von Minuten, allenfalls Stunden von ihrem Standort aus erreichen konnten. Es waren exakt 20.000.

Die große Mehrzahl der Punkte drängte sich in unmittelbarer Nähe des Landes D'Tarka. Handelte es sich dabei um weitere künstliche Welten? Der Gedanke schien absurd. Der Aufwand, selbst eine einzige künstliche Welt wie das Land D'Tarka zu erschaffen, musste immens sein. Zu welchem Zweck sollte man Hunderte, ja Tausende von Scheibenwelten herstellen? Das Land D'Tarka wies keine offensichtlichen Besonderheiten oder Einrichtungen auf, sah man von seinen Bewohnern ab.

Aber die D'Tar, dürften späte Einwanderer sein, nicht Teil des ursprünglichen Plans. Die Schöpfer der Scheibenwelten mussten von einem Ziel angetrieben worden sein, das sich in seiner alles überragenden Wichtigkeit mit der Suche nach dem PARALOX-ARSENAL maß, nach dem die Vatrox seit langer Zeit forschten.

Ein Gedanke kam Sinnafoch: Eines Tages würde er in das Land D'Tarka zurückkehren und sein Geheimnis ergründen. Sobald der Krieg gegen die Terraner durchgestanden war …

Der Vatrox wollte das Holo löschen, als er in der Mitte der Anzeige, versteckt hinter einer Wand aus leuchtenden Punkten, eine Signatur entdeckte. War das nicht …? Er zoomte sie heran, um sicherzugehen. Sie gehörte zu einem Handelsstern. Einem der Frequenz-Monarchie unbekannten Handelsstern.

Aus Sinnafochs unbestimmtem Vorsatz wurde in diesem Augenblick ein fester Entschluss: Er musste an diesen Ort zurückkehren. Das Geheimnis, das er barg, konnte die Rettung für die Frequenz-Monarchie bedeuten. Die Terraner waren auf dem Vormarsch, die Vatrox brauchten neue Ressourcen, wenn sie bestehen wollten. Ein unbekannter Handelsstern eröffnete ungeahnte Perspektiven …

Sinnafochs Blick kehrte aus der Ferne zurück, fiel auf Kruuper, den die Furcht vor dem Ersticken unruhig von einem Bein auf das andere treten ließ. Der Vatrox erkannte, dass er den Gefährten nicht länger leiden lassen durfte.

»Gehen wir!« Sinnafoch löschte das Holo.

Sie betraten den Transferkamin.

Philip drängte sich an Sinnafoch, suchte Körperkontakt. Der Okrill, der wenig in diesem Universum zu fürchten hatte, vermochte seine Furcht vor den Dimensionen, die sich seinem Verstand entzogen, nicht abzuschütteln. Sinnafoch bedeutete ihm Trost. Der Vatrox war ihm wie ein Vater. Ein Vater, wie ihn ein Kleinkind sah: unerschütterlich, ohne Makel.

Das Blau der Röhre begann zu pulsieren, sich zu verdunkeln, wurde zu Rot. Statik entstand, knisternd tanzten Funken über die bloßen Oberarme des Vatrox, sprangen über auf den Kopf.

Der Transfer begann.

Sinnafoch fühlte sich von einer unwirklich sanften Hand davongetragen. Die Halle blieb hinter ihnen in einem grauen Wabern zurück, aus dem Wabern entstand Schwärze, aus der Schwärze traten die hellen Spiralen von Galaxien hervor. Es war, als stiegen sie auf, ließen das Universum unter sich zurück und blickten von einer Anhöhe auf die Unendlichkeit herab.

Sinnafoch gab sich dem Anblick hin. Sein Zeitgefühl setzte aus. Er hätte nicht zu sagen vermocht, ob der Transfer Minuten, Stunden oder Tage andauerte. Es war ihm gleich. Tiefer Frieden erfüllte ihn. Seine Sorgen und Ängste schwanden dahin, und er bewunderte die funkelnden Lichter …

… bis der Transfer abrupt endete und aus dem Funkeln der fernen Galaxien das gefährliche Glitzern von tief in den Höhlen liegenden Darturka-Augen wurde …

2.

 

»Keine Bewegung!«, befahl eine tiefe, kräftige Stimme. Ihr Echo schallte wie Donner durch die riesige Halle.

Kruuper erstarrte.

Sie hatten ihr Ziel erreicht, JERGALL. Bei der Halle handelte es sich um ein Transferdeck des Handelssterns. Aber die Darturka, die sie erwarteten, waren keine Ehrengarde, wie sie einem Frequenzfolger gebührte. Hunderte Klonsoldaten waren in Stellung gegangen. Es musste ein ganzes Vao-Regiment sein.

In den Mündungen der Impulsstrahler flimmerten die Abstrahlfelder der Waffen wie kleine Feuer, Spiegelungen der glitzernden hässlichen Augen. Die Waffen waren entsichert, die Darturka mussten nur abdrücken, um seine Gefährten und ihn in glühendes Plasma zu verwandeln. Und die Darturka würden abdrücken, daran hegte Kruuper nicht den geringsten Zweifel. Die Riesen waren zum Töten geschaffen. Die Zuchtsoldaten betätigten ihre Waffen mit derselben Beiläufigkeit, wie sie einen Getränkeautomaten bedienten. Töten war ein selbstverständlicher Teil ihrer Existenz – mehr noch, Töten war ihr einziger Daseinszweck.

Der Okrivar spürte, wie ihm die Knie weich wurden, unter ihm nachzugeben drohten. Ihm schwindelte.

Kannte der grausame Erfindungsreichtum des Schicksals keine Grenzen? JERGALL war seine letzte Hoffnung gewesen. In den Tanks seines Anzugs befand sich nur noch Wasserstoff für wenige Minuten. Dann würde er elend ersticken. Wieso verwehrte ihm das Schicksal die sicher geglaubte Rettung? Wieso hatte es seine Wege mit denen Sinnafochs verknüpft, ihn in das Land D'Tarka geführt, ihm ein Leben jenseits der Grausamkeit der Frequenz-Monarchie aufgezeigt – wenn es ihn doch zu einem qualvollen Tod verurteilte?

Da donnerte eine zweite Stimme über das Transferdeck. »Wer ist der befehlshabende Offizier dieser Einheit?« Es war Sinnafoch, der die Frage stellte. Aber nicht der Sinnafoch, der im Land D'Tarka unvermutet nachdenklich und kleinlaut aus seinem unerklärlichen Koma erwacht war, sondern der alte Sinnafoch, der herrische Frequenzfolger, der Gehorsam einforderte.

Der Vatrox erhielt keine Antwort. Doch Kruuper entging nicht, dass die Läufe der Strahler kaum merklich zu schwanken begannen. Darturka waren erschaffen und gedrillt dazu, Vatrox zu gehorchen. Einem Vatrox zu trotzen, war ihnen beinahe unmöglich, verursachte ihnen körperliche Schmerzen.

»Vaofor-Eins!«, rief Sinnafoch. »Ich befehle dir, augenblicklich vorzutreten!«

Ein Darturka löste sich zögernd aus der Schützenreihe. Er war unbewaffnet, und sein Kampfanzug war von einem dunklen Violett, das beinahe an Schwarz erinnerte. Der Anführer des Regiments. Der Darturka überquerte das freie Feld, das die Soldaten vom Zentralen Verladeplatz trennte. Der Gang des Soldaten war unsicher, ja grotesk.

Kruuper glaubte die Darturka gut zu kennen. Er fürchtete die Zuchtsoldaten, die ihn um mehr als das Doppelte überragten. Oft stießen ihn ihre Rohheit, ihre Missachtung intelligenten Lebens ab, aber gleichzeitig faszinierten sie ihn. Heimlich beobachtete er sie, wann immer sich Gelegenheit dazu bot. Und es gab viele. Darturka hielten die schwächlichen, unkriegerischen Okrivar nicht für ihrer Aufmerksamkeit würdig – wodurch ihnen entging, dass die Okrivar dank ihrer drei Augen perfekte Rundumsicht hatten.

Darturka, hatte Kruuper rasch bemerkt, kannten zwei Arten zu gehen, wenn sie nicht kämpften: kriechen und stolzieren. War ein Vatrox in der Nähe, krochen Darturka, rutschten auf den Knien umher. Fühlten die Zuchtsoldaten sich unbeobachtet, reckten sie sich in die Höhe, als wollten sie damit die Demütigung des Kriechens vergessen machen.

Doch dieser Darturka bewegte sich anders. Er kroch nicht. Er hatte die Knie trotzig durchgedrückt. Gleichzeitig ließ er die breiten Schultern unterwürfig hängen. Als wäre er innerlich gespalten, wüsste er nicht, welche Haltung im Augenblick angebracht war. Kruuper tat der Soldat leid. Darturka hielten sich für unermesslich stark – und gleichzeitig waren sie die schwächsten und verletzlichsten Kreaturen, die Kruuper kannte.

Der Darturka blieb stehen. Keine zehn Schritte trennten ihn von Sinnafoch.

»Du bist der Vaofor-Eins dieses Regiments?«, fragte der Vatrox.