background image
©Verlag Zabert Sandmann GmbHMünchen1. Auflage 2015ISBN 978-3-89883-540-4RedaktionGertrud KöhnAngelika LangGrafische GestaltungGeorg FeiglTitelfoto + Fotografie Petra Ender HerstellungJan Russok, Peter Karg-CordesLithografieJan RussokeBook-Produktionrombach digitale manufaktur, Freiburg Besuchen Sie uns auch im Internet unter www.zsverlag.de
background image
Dr. med. Franziska Rubinunter Mitarbeit von Dr. Annette Kerckhoff
Meine besten
Gesundheits-Tipps
fürs Älterwerden
vorbeugen
lindern
heilen
background image
Vorwort6GedankenüberdasAlter8Washeißthiereigentlichalt?10Alterfrüherundheute10JungeAlte12AlteAlte14BlickindieWissenschaft:dievierArtendesAlters17GefühltesAlterundZufriedenheit21MännerundFrauen22DerUmgangmitdemÄlterwerden24Anti-Aging26KörperlicheundgeistigeFitnesserhalten27WissenundWeisheit28LanglebigkeitrundumdenGlobus29DasGeheimnisderHundertjährigen31KeineAngstvormÄlterwerden32TESTS: WiefitsindSie?34MeinGesundheitskonzept38Gesundundausgeglichenälterwerden40RegelmäßigeBewegung41AusgewogeneErnährung47GesunderSchlaf50Den»innerenArzt«stärken51GeistundPsychegesundhalten54Die10Rubin-RegelnimÜberblick57SPEZIAL:Fitness-ProgrammfürjedenTag59MitdemRauchenaufhörenlohntsich–immernoch!62
Inhalt
background image
DiezwölfhäufigstenKrankheiten64Arthrose66Bluthochdruck74ChronischeErkrankungenvonBronchienundLunge82Demenz90Diabetesmellitus98Fettstoffwechselstörungen106KoronareHerzkrankheit114SPEZIAL:HerzinfarktundSchlaganfall122Krebserkrankungen126Osteoporose134Parkinson142Schlafstörungen150Schmerzen158BeschwerdenvonAbisZ166VonAugenerkrankungenüberDepressiveVerstimmungen,Gicht,HalluxvalgusundMagenbeschwerdenbisZahnersatzWichtigesundWissenswertes244KeineAngstvordemhohenAlter!246Miteinanderreden246SozialesUmfeld249Gesundheit251WennesdemEndezugeht254InteressanteHilfsmittel256Buchtipps258Literaturverzeichnis259Adressen261Register262Bildnachweis264EinnahmeempfehlungenfürhomöopathischeMittel265
background image
6Vorwort
background image
I
st es nichteine wunderbareVorstellung,gesund und kravoll auch durch die letzten anstrengendenBerufsjahre zu gehen? Dann in der Rente ohne wesentliche gesundheitliche Einschränkungen all das zu tun, wofür vorher vielzu wenig Zeit war – und dabei fast unbemerktalt zu werden? Trotz all der Höhen und Tiefen, die das Dasein so mit sich bringt, ein erfülltes, interessantes Leben zu führen ganz bis zum Schluss? Die Frage ist: Was kann ich dazu wirklich beitragen? Seit vielen Jahren faszinieren mich Gespräche mit Hundertjährigen, die zunehmend veröentlicht werden. Keine Altersgruppe wächst so stark wie die der über Hundertjährigen. Sie ist in den Fokus derWissenschagerückt. Welche Geheimnisse sind das, die unsso alt werden lassen, und wie geht es den meisten in diesem Alter? Gibt es Patentrezepteoder ist es nur Glück, gesund zu altern? Die wichtigsten Erkenntnisse hierzu nden Sie im ersten Kapitel des Buchs.Leider ist es aber auch Realität, dass wir heute zwar sehr altwerden können, uns dabei aber omit diversen Begleiterkrankungen arrangieren müssen. Soheilbringend unsereSchulmedizin auch ist – wenn Sie zunehmend viele Beschwerden mit Medikamenten behandeln, kann es irgendwann zu einer Flut von Neben und Wechselwirkungen kommen, die die Lebensqualitätstark beeinträchtigen können. Ein großer, wichtiger Teil in diesem Buch sind deshalb Hausmittel, die bei vielen Erkrankungen einfach und wirkungsvoll helfen. Besonders ist,dass es sowohl Rezepte gibt für Erkrankungenim Anfangsstadium – das beginnt ja oschon in jüngeren Jahren – wie auch Behandlungsmöglichkeitenfür fortgeschrittene Erkrankungen. Sie bekommen einen Überblick, welche kom plemen tärmedizinischen Ansätze sinnvoll sind und wie Sie selber mithelfen können. Egal, wie weit Ihre Erkrankung vorangeschritten ist, Sie können in jedem Stadium etwas bewirken! Wagen Sie es einfach: Hausmittel sind einfacher anzuwenden, als Sie vielleicht denken. Sie helfen damit Ihrem Körper, sich selbst zu heilen, und sparen sich so manches Medikament.Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, dass viele Erkrankungen auch ein Ergebnis des Lebensstils sind, den wir pegen. Das ist manchmal bitter, denn kaum etwas können wir so schwerumstellen wie unsere Gewohnheiten. Aberes lohnt sichauch noch im höheren Alter, Dinge zu verändern. Einsnach dem anderen, in kleinen Schritten oder auch mit einem Ruck, wenn Sie der Typdafür sind. In den »RubinRegeln« in diesem Buch nden Sie meine wichtigsten Tipps für ein langes Leben.Besonders am Herzen lag mir das Kapitel über das hohe Alter. Wirdenken nichtgern über Gebrechlichkeit und Sterben nach, doch wenn wir beizeiten Vorbereitungen treen, können wir dem Ende gelassen entgegensehen. Soviel ist es gar nicht, was es zu organisieren gibt, aber es macht es einfacher, den letzten Weg zu gehen.Viel Erfolg mit all den Tipps und alles Gute! Ihre LiebeLeser!7Vorwort
background image
background image
Gedanken über das AlterDas Älterwerden ist ein spannendes Thema. Denn was wir über das Alter denken, ist von unseren Er-innerungen an die Großelterngeneration geprägt und trifft heute oft nicht mehr zu. Aus aktuellen Studien wissen wir, dass die Art und Weise, wie wir älter werden, von vielen Faktoren bestimmt wird, die wir durchaus beeinussen nnen.
background image
10Gedanken über das AlterWas heißt hier eigentlich alt?Denkt man über das Älterwerden nach, sofallen einem als Erstes die Bilder derjenigen Menschen ein, die man selbst kennt:Großeltern, Eltern, Tanten und Onkel. Und jetzt? Jetzt wächst man selbst in dieses Alter hinein, merkt bei jedem Familienfest, vor allem an den Kindern, wie die Zeit vergeht. Nun schauen einen diese Kinder genauso an,wie man damals seine älteren Verwandten angesehen hast. Was für ein ko-misches Gefühl. Aber das ist eben der Lauf der Zeit.Natürlich gibt es Dinge beim Älterwerden, die immer gleichsind, über die Generationen, über Jahrhundertehinweg. Vieles aber hatsich mittlerweile auch verändert– und zwar so stark, dass die Lebenssituati-on und die Perspektive älterer Menschen heute eine völlig andere ist als vor 20, 40 oder 60 Jahren. Die Lebensbedingungen haben sich geändert, es gibt neue Erkenntnisseüber das Älterwerden, neue Möglichkeiten inder Medizin. Dieses Wissen und diese Optionen lassen sich nutzen, um die eigene Zukun mitzugestalten. Alter früher und heuteHeute wissen wir, die Vorstellung vom eigenen Alter wird entscheidend geprägt vonden Bildern, die wir über das Alter im Kopf haben. Diese Bilder, ob sie nun von den eigenen Vorfahren, aus der Literaturoder der Kunst stammen, treen jedoch auf die heutige Situation der über 65-Jährigen meist nicht mehr zu. 1514 malte Albrecht Dürer seine Mut-ter Barbara (siehe Abbildung links), die zu diesem Zeitpunkt63 Jahre alt war – eine abgearbeitete, ausgemergelte Frau. Sie hatte 18 Kinder zur Welt gebracht und war alt, richtig alt. Zwei Monate später starb sie.Bekanntsind auch die Abbildungenvon »Lebenstreppen«, die das Le-ben der Menschen auf Stufen zeigen, von der Geburt bis zum 100. Ge-burtstag. Auf einer solchen »Lebenstreppe« aus dem 19. Jahrhundert(siehe Abbildung rechts) wird dem Leben in den Fünfzigernschon ein Stillstand bescheinigt, der 70-Jährige gilt als Greis. Damals war ein 50-Jähriger schon fast ungewöhnlich alt. Kein Wun-der, denn genauso sah es auch in der Realität aus! Die durchschnittliche Lebenserwartung lag gemäß der Sterbetafeln für Deutschland um 1880 für Männer bei 35,6 Jahren, für Frauen bei 38,4 Jahren (Statistisches Bundesamt). Als Otto von Bismarck im Jahr 1889 die gesetzliche Ren-Albrecht Dürer: Bildnis der Mutter (Kohlezeichnung, 1514)
background image
11Was heißt hier eigentlich alt?tenversicherung einführte und dabei das Renteneintrittsalter auf 70 Jah-re festsetzte, bedeutete das für die meisten, dass sie ihren wohlverdien-ten Ruhestand nicht erleben würden.Die Lebenserwartung steigt Die Lebenserwartung Neugeborener hat sichin den letzten 130 Jahren mehr als verdoppelt.So gibt dasStatistische Bundesamtfür 2010/2012 geborene Jungen eine Lebenserwartung von77,9 Jahren, für 2010/2012 geborene Mädchen von82,1 Jahren an.1Noch deutlich älter werden wir nach der dynamischen Berechnung der Lebenserwartung der Deut-schen Aktuarvereinigung – das sind die Versi-cherungs- und Finanzmathematiker:Bereits in der 2004 veröentlichten Sterbetafel wurde eine Lebenserwartung von um die 100 Jahrevon im gleichen Jahr geborenen Kindern genannt.2Anders als auf den alten »Lebenstreppekann heute von einem Greisenalter ab 70 keine Rede mehr sein. Wir leben nichtnur länger, son-dern auch besser. Vergleichende Altersstudien zeigen, dass heute ältereund alte Menschen ge-nerell deutlich tter sind als die Alten früher,so-wohl im Kopf als auch im Körper. Das Alter hat sich nach hinten verlagert. Mit 65 Jahren, dem Eintritt in die Rente, ist man heute noch nicht alt. Studien mit Hochaltrigen und Hundertjährigen belegen, dass auch der Zustand der Hochbetagten von Jahr zu Jahr besser wird.Fit bis ins hohe AlterÄltere Menschen sind auch im Sportbereich auf dem Vormarsch. Bun-desweit sind nachdem Arbeitgeberverband für die Fitness-Wirtscha13 Prozent aller Mitglieder von Fitnessclubs älter als60 Jahre. 80-Jähri-ge sind in Sportstudios und -vereinen keine Seltenheit mehr. Die Aktivitäten von älteren Menschen können sich auch im Hinblick auf geistige Beschäigung und soziales Engagement sehenlassen: An den deutschen Universitäten waren im Wintersemester 2010/2011 bun-desweit knapp 19.000 Gaststudenten im Alter von über 60 Jahren ein-geschrieben. Im Vergleich zum Wintersemester 2002/2003 machte der Anteil der »Generation 60 plus« nicht mehr 43 Prozent, sondern mitt-lerweile 51 Prozent aus.3Es gibt sogarspezielle Seniorenakademien. Das Leben der Menschen wurde im 19. Jahrhundert gern in Form einer Lebenstreppe dargestellt. Jede Stufe entspricht einem Lebensjahrzehnt.
background image
12Gedanken über das AlterMehr als die Häle aller Menschen über 65 sind für die Gemeinschaaktiv, in der Familie, in der Nachbarscha oder im Ehrenamt. Auchhier mit steigender Tendenz: Während 1999 nur 52 Prozent der über 65-Jäh-rigen gemeinschalich aktiv waren, waren es 2009 bereits 66 Prozent.4Die neuen AltenDas Alter heute hat also in vielen Punkten nichts mehr mit dem Alter früher zu tun. Aber was bedeutet Alter heute? Vor allem ist es häug eines: buntund vielfältig. Das Altergibt es nicht. Vielleichtgibt es so viele Formen von Älterwerden, wie es Menschen gibt.Mich persönlich haben ältere Menschen immer besonders beein-druckt. Und so möchte ich in diesem Kapitel einige Geschichten von Menschen und ihrer Art, mit dem Alter umzugehen, das Alter zu gestal-ten, erzählen. Diese Geschichten nden Sie hier und auf den nächsten Seiten in den Randspalten. Es sind Geschichten von Neugierde und Be-geisterungsfähigkeit, von Aktivitätund Autonomie. Kurz: von Lebens-freude. Die Menschen, um die es hier geht, sind nicht mit einer besseren Gesundheit gesegnet als andere. Auchsie haben gesundheitliche Krisen gehabt, häug Zipperlein, manchmal sogar schwere Krankheiten. Auchsie ärgern sich im Alter über nachlassende Fähigkeiten, über schlechter werdende Augen oder Ohren, über schmerzende Gelenke. Aber da gibt es eben aucheine andere Kra, die dagegenhält. Die Menschen, deren Geschichten ich erzähle, sind aktiv geworden oder aktiv geblieben. Sie sind emotional lebendig, nach wie vor interessiert, haben dabei eine be-neidenswerte Gelassenheit entwickelt, Lust auf die Welt und sind ein-fach kreativ. Sie nehmen ihr Leben in die Hand. Und sie nehmen das Alter häug mit Humor.Junge Alte Schauenwir uns »das Alter« auf den nächsten Seiten etwas genauer an. Die Altersforschungunterteilt den langen Zeitraum ab 60 Jahren noch einmal in das »dritte und vierteLebensalter«, die »jungen Alten« (60 bis 80 Jahre) und die »alten Alten« (80 bis 100 Jahre). Anderesprechenvon der »Phase des autonomen Alters« im Vergleich zu einer »Phase der gesundheitlichen Einschränkungen ab 80 und mehr Jahren«. Für die jungen Alten gibt es, wie ich nde, einige etwas sonderbar anmutende Namen, wie »Generation 60 plus«,»Best-Ager« oder »Sil-ver-Ager«. Tatsächlich hatman entsprechend der aktuellen Lebenser-wartung mit 65 noch ein Viertel des Lebens vor sich. Für die jungen Roswitha Uhde, geb. 1949, bezeichnet sich selbst als absoluten Computerfreak. 2012 machte sie ihr Hobby zum Beruf: »Ich möchte Jung-gebliebenen helfen, ihre Probleme zu lösen. Ich möchte vielen Menschen meiner Altersgruppe die Ängste vor der Technik nehmen und sie bei der Nutzung eines Computers und des Internets unter-stützen.« Heute gibt sie Senioren-Computerkurse für Junggebliebene und bietet einen Blog für die reifere Jugend an.
background image
13Was heißt hier eigentlich alt?Alten stehtjedenfalls in der Regelder Wechsel vomBerufsalltag indie Rente an. Für viele ist das ein schwerer Schritt, insbesondere für die, die ihren Beruf geliebt haben. Sie fürchten Langeweile und Bedeutungslo-sigkeit. Andere sehnen den letzten Arbeitstag herbei. Endlichkann man reisen, an all die Orte fahren, die man schon immer einmal sehen woll-te. Endlich kann man all das tun, wozu man zuvor nichtgekommen ist. Besser dran ist natürlich, wer zu diesem Zeitpunkt wirtschalich relativ gut abgesichert ist. Aktiv und vital bis ins hohe AlterUnd die Gesundheit? Erste Zipperlein kündigen sich an, generell ist man aber noch mobil. DieGeneration 65 plus schneidet hinsichtlich Gesundheit in Deutschland sehr viel besser ab,als man vermuten möch-te. Die jungen Alten sind nicht nurgesünder, sondern auch dynami-scher, selbstbewusster und aktiver als früher. Dies bestätigt auchdie sogenannte Generali Altersstudie von 2013, für die das Institut für De-moskopie Allensbach jeweils rund 2000 Personen von65 bis 74 und von 75 bis 85 Jahren befragte. In der Studie heißt es: »Auällig ist die Leis-tungsfähigkeit dieser Generation.Auch im hohen Alter ist die Vitalitätdeutlich höher als bei den Vorgänger-Generationen. Die Altersschwel-len, ab denen sich Interessen und Aktivität deutlich vermindern, haben sich um rund zehn Jahrenach hinten verschoben. Während die Gesell-scha strukturellaltert, hat sich die ältere Generation gleichsam ver-jüngt und kompensiertdamit zum Teil die Auswirkungen des demo-graschen Wandels … Die 65- bis 85-Jährigen sind heute wesentlich gesünder als vergleichbare Altersgruppen früher … Mehr als in den Vorgänger-Generationen kümmernsich die Äl-teren heute darum, t zu bleiben … Unterden nschen für die Zukun dominiertentspre-chend die Erhaltung der Gesundheit. Sie ist neben Einkommen und Bildung in vielen Lebensberei-chen der wichtigste Parameter für ein erfülltes Le-ben im Alter5Glücklich und zufriedenAuch die Zufriedenheitskurve steigt jetzt wieder gehörig an. Es ist eine Kurve,die in letzter Zeit viel Aufsehen erregt hat und sich mit dem Slo-gan »Das Glück ist ein U« zusammenfassen lässt. Die heutigen »jungen Alten« sind geistig und körperlich tter und aktiver als die Gleichaltrigen früherer Generationen.
background image
14Gedanken über das AlterSie beruhtauf einer Studie eines Wissenschalers vom Center forHealth and Wellbeing der Princeton University. Demnach sind Menschen mit 20 glücklich, danach nimmtdie Lebenszufriedenheit ab. Das Leben wird anstrengend, wir hecheln vielem täglich hinterher. Erst nach dem 50. Lebensjahr geht es wieder aufwärts bis zum75. Lebensjahr. Das heißt, dass 70-Jährige, was das Ausmaß ihrer Zufriedenheit angeht, jun-gen Menschen vergleichbar sind.Darauf kann man sich, wenn man so wie ich selbst in der Lebensmitte steht, richtig freuen!Alte AlteDem »dritten Lebensalter« folgt das »vierte Lebensalter«, von Hochalt-rigkeit spricht man ab dem 80. Lebensjahr. Erst jetzt fühlen sichviele Menschen »wirklich alt«, dann nämlich, wenn viele Dingenicht mehr so gut gehen.Es kommtzu Einschränkungen, die sich auf die Mobilität auswirken. Jetzt zieht es hier und drückt es dort. Bei dem einen lassen die Augen nach, beim anderen die Ohren. Beschwerden und Krankhei-ten können sich gegenseitig verstärken. InAmerika als einer aktivitäts-, leistungs- und bewegungsorientierten Gesellscha wird im Verlauf des Älterwerdens vonden »Go-goes«, den »Slow-goes« und den »No-goes« gesprochen. Also erst mal geht’s, dann geht’slangsam und irgendwann geht’s gar nicht mehr.Immer mehr HundertjährigeDie Zahl derHundertjährigen ist in den letzten Jahren deutlich gestie-gen. Das wird sich in Zukun noch verstärken: Nach Hochrechnungen soll der Anteil der über 80-Jährigen bis 2030 um51 Prozent zunehmen.6 Es werden dann 8,3 Prozent der Bevölkerung über 80 Jahre alt sein und entsprechend steigt dann der Anteil der Hundertjährigen.Wunsch nach selbstbestimmtem LebenAuchwas das hohe Alter angeht,müssen wir die Bilder in unseren Köp-fen glücklicherweise korrigieren. Es sind häug Bilder von einsamen, gebrechlichen, alten Menschen, Bilder vonPegeheimen, von Abhän-gigkeit und fehlender Selbstbestimmung, von typischen Alterskrank-heiten, nicht zuletzt von Demenz. Soschön das dritte Lebensalter ist, so sehr man diese Zeit genießt – dashohe Alter macht vielenMenschen Sorge. Wiewird es einem ergehen, wie viel Lebensqualität bleibt? Und so mancher Jüngere macht sich dieseSorgen auch bei den eigenen El-tern – ob sie unabhängig und lebensfroh bleiben werden?Veronica Carstens (1923–2012) gründete 1981 die Karl und Vero-nica Carstens-Stiftung zur Erforschung der Natur-heilkunde und zwei Jahre später den Förderverein Natur und Medizin e. V. Bis zu ihrem 80. Lebens-jahr hielt Veronica Car-stens jährlich bis zu 30 Vorträge im ganzen Bundesgebiet. Auch danach pflegte sie eine intensive Korrespondenz mit Mitgliedern und setzte sich politisch für die Über-nahme von naturheilkund-lichen Mitteln durch die Krankenkassen ein.
background image
15Was heißt hier eigentlich alt?Diese Sorgen werden auch in der Generali Altersstudie deutlich: Der Wunsch nach Autonomie und die Angstvor Pegebedürigkeit steht für den vierten Lebensabschnitt ganz oben: Jeweils rund vier von fünf Befragten wünschen sich, dass sie möglichstlange unabhängig bleiben können und nicht pegebedürig werden.5Ich kannSie hier etwas beruhigen: Die vielen berechtigten Meldun-gen über den Pegenotstand verleiten dazu, die tatsächlichen Verhält-nisse nichtrichtig einschätzen zu können. 2011 gab es in Deutschland 2,5 Millionen Pegebedürige. Vonihnen wur-den allerdings 70 Prozent zu Hauseversorgt, nur 30 Prozent waren vollstationär in Heimen unter-gebracht. Aufdie Gesamtbevölkerung bezogen leben also weniger als ein Prozent in Heimen.7Möglichst lange gesund bleibenWir alle wünschen unsein hohes Lebensalter. Aberwir möchten natürlich nicht, dass die ge-wonnenen Jahre mit einem massiven Mangel an Lebensqualitäteinhergehen. Deshalb ist es wich-tig, zu wissen, was mantun kann, um möglichst lange gesund zu bleiben. Die gute Nachricht ist:Altersforscher gehen davon aus, dass eine stei-gende Lebenserwartung nicht zwangsläug miteiner längeren Krankheitsspanne einhergeht. Der medizinische Fort-schritt, die Verbesserungder Lebens- und Arbeitsbedingungen, Bil-dung, die Verminderung der Umweltbelastungen und ein bewussteres Gesundheitsverhalten tragen dazu bei, die Gesundheit auch im Alter zu verbessern.Alt zu sein muss nicht bedeuten, krank zu sein. Sehr alt zu werden, muss nicht bedeuten, sehr lange krank zu sein.Die häufigsten AlterskrankheitenWelche gesundheitlichen Probleme sind im hohen Alter realistisch? Er-wartet wirdein deutlicher Anstieg der großen Volkskrankheiten, die auch die häugsten Alterskrankheiten sind,vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruckoder koronare Herzkrankheit(Gefäßveränderungen der Herzkranzgefäße, drohender Herzinfarkt), Stowechselkrankheiten wie Diabetes oder Fettstowechselstörungen, chronische Erkrankungen von Bronchien und Lunge sowie Erkrankun-gen des Nervensystems wie Demenz und Parkinson. Im Alter verwirklichen viele noch ihre Urlaubsträume. Studien zeigen: 70Jährige sind ähnlich zufrieden wie junge Menschen.
background image
16Gedanken über das AlterUnd selbst, wenn die Krankheiten schon eingetretensind, gibt es zahl-reiche Möglichkeiten, Beschwerdenzu lindern und den Krankheitsver-lauf zu verlangsamen. Deshalb nden Sie in diesem Buch auch viele bewährte Tipps, wie Sie selbst oder pegende Angehörige dazu beitra-gen können, dass es Ihnen besser geht.Das Schicksal akzeptierenDie Befragungen von Hochaltrigen führte noch zu einem anderen und für mich recht verblüenden Ergebnis: Die Zufriedenheit stehtin den meisten Fällen nicht in direkter Verbindung zum Gesundheitszustand. Das bedeutet, dass die Hochbetagten deshalb nicht unzufriedener sind, auch wenn im fortgeschrittenen Alter die Krankheiten häug zuneh-men. Nach der bereits angesprochenen U-Kurve der Zufriedenheit (sie-he S. 13/14) sinkt die Zufriedenheitzwar typischerweise nach dem 75. Lebensjahr wieder, dennoch zeigen gerade die Hochbetagtenstudien der letzten Jahre ein etwas anderes Bild: 80Prozent der Hundertjähri-gen sind mit ihrem Leben zufrieden.8Alte Menschen als Beispiel für JüngereIn den letzten Jahren habe ich in meinen Sendungen auch immer mal sehr alte Menschen empfangen dürfen. Meist haben sie mich sehr be-eindruckt, ich war fasziniert von dem, was sie erzählt haben, von ihrem Leben, ihren Ansich-ten, aber auch von ihrer positiven Art und ihrem o sogar richtig sportlichen Lebensstil. Mittler-weile hat sich meine Angst, im Alter einsam auf einem Sofa zu sitzen und auf Besuch zu warten oder manche Dinge nicht mehr richtig zu kön-nen, in vielen Punkten gelegt. Nicht zuletzt wa-ren es diese Gespräche gerade mit den Hochalt-rigen, die mich mitveranlasst haben, mehr über das Älterwerden nachzudenken, darüber,was Älterwerden und Altern überhaupt bedeutet – und natürlich über das Geheimnis eines guten, glücklichen und zufriedenen Alters. Und übri-gens: Drei von vier Senioren im Alter von 85Jah-ren und älter geben an, Freude und Erfüllungin tiefgehenden Begegnungen mit anderen Men-schen zu nden.9Enkel halten t. Viele, die keine eigenen Enkelkinder haben, machen deshalb bei »GroßelternDiensten« mit.
background image
17Was heißt hier eigentlich alt?Blick in die Wissenschaft: die vier Arten des AltersAltern und Alter sind komplexe emen. Die Frage: »Wann beginntAl-tern?«, ist lange nichtso einfach zu beantworten, wie man das auf den ersten Blick meinen könnte. Zunächst einmal: Altern ist ein allmähli-cher Prozess,er beschreibt Veränderungen, die im Laufe eines Lebensstattnden. Das Altern – und damit»das Alter« – ist kein Schreckge-spenst, das einen mit dem Eintritt in den beruichen Ruhestand wie von Geisterhand ereilt, kein Damoklesschwert, das plötzlich über einem hängt. Altern gehört einfach zum Leben dazu.Angesichts des rasantvoranschreitenden demograschen Wandels rücken zwei wissenschaliche Disziplinen in den Fokus, die lange Zeitein Schattendasein führten: die Altersmedizin (Geriatrie) und die Wis-senscha vom Altern, die Gerontologie. Die Gerontologie, die fach-übergreifende Lehre vom Alterndes Menschen in Gesundheit wie in Krankheitin allen Lebensphasen, wurdein Leipzig von Max Bürger (1885–1966) begründet.Bis Anfang der 1990er-Jahre war die Leipziger Universitätmit der vonihm begründeten wissenschalichen Schule weltweit führend auf dem Gebiet der Altersforschung. Bürger denierte Altern als jede unumkehrbare Veränderung lebender Substanz als Funktion der Zeit. Auf den Menschen bezogen führte er den Begri der Biomorphose ein. Darunter versteht man eine Folge von dauernden Veränderungen, denen Körper, Geist und Seele des Menschen im Lauf des Lebens unterliegen. Sein bereits 1947 erschienenes Buch »Altern und Krankheit« und seine Monograe »Biomorphose– die Lebens-wandlungskunde des menschlichen Organismus und seiner Funktio-nen« (1956) gelten heute noch als Standardwerke.Entsprechend wird das Alter eines Menschen in verschiedene Berei-che unterschieden und erforscht,je nachdem, ob sich Biologie, Medizin, Psychologie, Sozial- oder Kulturwissenschaen damitbefassen. Dieseverschiedenen Disziplinen unterscheiden vier Arten des Alters.Das chronologische AlterDie Anzahl von Jahren und Tagen, die man »auf dem Buckel hat«, ist das chronologische Alter, auch als biograsches Alter, kalendarisches Alter oder Lebensalter bezeichnet. Das chronologische Alterentschei-det nicht nur darüber, ab wann wir als erwachsen gelten, den Führer-schein machen, wählen oder Vorsorgeleistungen der Krankenkasse in Anspruch nehmen dürfen, es wird auch bei allen Studien, die hier be-schrieben werden, zugrunde gelegt.Henry Hübchen, geb. 1947, gehört zu den bekanntesten deutschen Schauspielern. Er war ein langjähriger Volksbühnen-Star und auf der Kinolein-wand u. a. in »Alles auf Zucker«, »Sonnenallee« und »Whisky mit Wodk zu sehen. In einem In-terview anlässlich seines 65. Geburtstags sagte er zu einem möglichen »Ruhestand«: »Das steht gar nicht zur Debatte. Ich arbeite, weil es mir Spaß macht und ich mich am Leben beteiligen will.«
background image
18Gedanken über das AlterDas biologische AlterDie körperliche Verfassung, in der sich ein Mensch bendet, nenntman das biologische Al-ter.Es kann vomchronologischen Alter deutlich abweichen –es kann schlechter, aber auch besser ausfallen als das Alter im Personalausweis. Vom biologischen Alter spricht der Arzt, wenn er sagt: »Sie sind 65 Jahre alt, aber, ganz ehrlich, körper-lich sind Sie deutlich älter.« Oder aber, weitaus erfreulicher: »Auch wenn Sie gerade Ihren 65. Ge-burtstag gefeiert haben, körperlich würden Sie als 50-Jähriger durchgehen!« Dabei können ein-zelne Organe durchaus »unterschiedlich alt« sein, je nachdem, wie sie belastet oder trainiert wurden. Aus Sicht der Biologen ist der Alterungsprozess vor allem durch Abbauprozesse und Schwäche der Reparaturmechanismen gekennzeichnet. Die Regenerati-onsprozessewerden etwa abdem 50. Lebensjahr langsamer.Vongro-ßem Interesse für die Altersforschung ist deshalb die Frage der Zellalte-rung, die etwa durch Stress und Umweltschadstoe beschleunigt wird.Vereinfachtgesagt entstehen dabeisogenannte »freie Radikale«, die den Zellstowechsel und damit Gewebe und Organe schädigen. Für das biologische Alter spielen mehrereFaktoren eine Rolle, die zei-gen, dass Körper, Seele und soziales Umfeld eng zusammenhängen. Ei-nige von ihnen lassen sich nicht beeinussen oder liegen – wenn Sie dieses Buch mitMitte 60 oder älter in die Hand nehmen sollten – bereits in der Vergangenheit: Geschlecht, Schulbildung,Einkommen, Beruf, bisherige Lebensbedingungen, bisherige Umwelteinüsse, bisheriger Nikotin- und Alkoholkonsum, bisherige sportliche Betätigung, Alter und Erkrankungen der Eltern. Andere dagegen lassensich sehr wohlbeeinussen: der gegenwärtige Gesundheitsstatus, Nikotin- und Alko-holkonsum heute, Sport und Ausdauer heute, Körpergewicht, Ernäh-rung, Verdauung, Ehe oder Beziehung, Freunde, Sexualität, Gewohn-heiten, Schlaf, emotionale Stressfaktoren und Ähnliches. Intensiv disku-tiert wird auch die Bedeutung der Hormone. Das psychologische AlterBeim psychologischen Alter geht esum Veränderungenim psychischen und kognitiven Bereich, um Verluste einerseits, andererseits aber auch darum, welche Fähigkeiten, Eigenschaen undRessourcen mit zuneh-Wer sich körperlich t hält, ist oftmals biologisch jünger, als sein Ausweis angibt.
background image
19Was heißt hier eigentlich alt?mendem Alter erhalten bleibenoder sogar zunehmen. In diesen Be-reich gehörtauch die Frage, wiewir mit altersbedingten Veränderun-gen, Einbußenund Ein schränkungen umgehen.Das heißt, wie wir sie bewerten,wie wir sie kompensieren und in welchem Umfang wir Hilfs-strategien (oder Hilfsmittel) einsetzen.Das soziale AlterWie sich ein Menschenleben im Lauf der Zeit in der Gesellschaverän-dert, wird als soziales Alter bezeichnet. Es ist interessant,dass bei man-chen Naturvölkern dieseKategorie des Alters eindeutig im Vordergrund steht. Bei den Kayapo-Indianern im brasilianischen Amazonasgebiet hat beispielsweise die Einteilung eines Menschen in Altersstufen kaum etwas mit dem kalendarischen Alter zu tun. Wenn ein Kind abgestillt wird, wird es zum »großen« Kind und bekommt die Haare geschnitten. Wenn die Pubertäteinsetzt, wechselt man in die nächste Altersstufe. Weitere Abschnitte begin-nen mit der Geburt des ersten Kindes und der Geburt des ersten Enkelkindes. Jede Altersstufe hat besondere Rechte und Pichten und wird nach außen durch unterschiedlichen Körper-schmuck und Haartracht sichtbar gemacht.Hierzulande ist das anders: An Frisur, Schmuck und Kleidung lässt sich kaum noch ein Alter festmachen. Inder Forschung zum sozialen Al-ter werden die soziale Einbettung, das soziale Netz, Freunde, Familie, Unabhängigkeit, Selbst-bestimmung und ähnliche Faktoren untersucht. Das Alter hat viele EbenenMan kann also auf verschiedenen Ebenen einen ganz unterschiedlichen »Altersstand« haben. Dafür etabliert sich immer mehr der Begri»biofunktionaler Status«. Dieser umfasstdas ge-samte Spektrumkörperlicher, geistiger, emotio-naler und sozialer Komponenten und kann – ge-nauso wie Krankheit– gemessen werden. Dieses Messverfahren basiert übrigens ebenfalls auf den Erkenntnissen der Leipziger Max-Bürger-Schule (siehe S. 17). Um beurteilen zu können, wie alt eine Person ist, muss man auch berücksichtigen, wie aktiv sie in allen Bereichen des Lebens ist.
background image
20Gedanken über das AlterUm diesen Istzustand zu verbessern, wirdgemeinsam mit dem Betref-fenden das weitere Vorgehen besprochen. So ergibtsich ein ganz per-sönliches Portfolio: Was ist medizinischnotwendig, was solltephysio-therapeutisch geschehen, ist eineVerhaltenstherapie erforderlich, muss es Veränderungenim Alltag geben? Und vor allem: Was möchte und was kann der an seiner GesundheitInteressierte im Lebensalltag tat-sächlich umsetzen? Mittlerweile interessieren sich nichtnur Unterneh-men im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für diesen innovativen Ansatz, sondern auch Krankenkassen. So unterschiedlich kann Alter aussehenAnfang des Jahres begegnete mir der Sohn einer Freundin. Der junge Mann ist 19 Jahre alt und hat gerade sein Philosophiestudium begon-nen. Nun war er Weihnachten wieder zu Hause – mitseiner Großmut-ter väterlicherseits und seinem Großvater mütterlicherseits,beide über 80 Jahre alt, also im »vierten Lebensalter«, beide mit polnischen Betreu-erinnen im Haus. Der Großvater, Germanist, Historiker und Philosoph, 86 Jahre alt, ist mittlerweile nichtmehr gut zu Fuß. Er sitzt viel, schreibt an seinen Memoiren, dieer historisch in die jüngere Geschichte einzu-betten versucht. Esist ihm ein Anliegen, den Enkeln zu vermitteln, wie es war, als er selbst jung war und als 16-Jähriger in den Zweiten Welt-krieg eingezogen wurde. Er weiß, dass er sich mehr bewegen sollte, aberes gibt immer viel zu lesen und zu schreiben. Im Fernsehen schaut der alte Herr ausschließlich Kultursendungen und politische Sendungen an.Daneben die Großmutter, Anfang 80. Sie war immer sportlich, eine große Dauerläuferin, bildete sich, nachdem die vier Kinder aus dem Haus waren, als Reformhausberaterin weiter und interessierte sich sehrfür gesunde Ernährung. Vor zwei Jahren erlittsie eine schwere Gehirn-blutung, war zunächst an den Rollstuhl gefesselt und halbseitig gelähmt. Doch bald gingsie wie zuvorjeden Tag zwei Stunden spazieren. Heute ist die Lähmung komplett aufgehoben, und sieist körperlich t wie eh und je. Selbst die Ärzte sind beeindruckt über diesen Verlauf.Mein Nachbarssohn Moritz stand völlig perplex auf der Straße und sagte: »Das ist schon komisch. Omi itzt durch die Gegend, sie läu je-den Tag zwei Stunden, sodass ihre Helferin kaum hinterherkommt. Sie ist den ganzen Tag vergnügt, aber wenn ich ihr sage, dass der Teller mit Keksen schon voll ist, lächeltsie mich fröhlich an und packt immer mehr drauf. Opi auf der anderen Seite fragt mich genau nach meinen Vorlesungen, will alles wissen, zieht seine Bücher aus dem Bücherregal Erika S., geb. 1945, ist »Wunschoma«. Regel-mäßig passt sie auf einen kleinen Jungen auf, der eine Oma gut gebrauchen kann und die alleiner-ziehende Mutter hat so ein wenig Freiraum. Die Beschäftigung mit dem Sechsjährigen macht ihr Spaß, weil er neugierig ist und viele Fragen stellt: »Ich lerne viel von dem Kleinen.« Allein in Berlin arbeiten 500 Männer und Frauen bei einem »Groß-eltern-Dienst«, der 1945 aus dem Deutschen Frau-enbund hervorhing. Sein Slogan: »Enkel dich fit!«
background image
21Was heißt hier eigentlich alt?und hat die philosophischen Texte, die wir im Studium besprochen ha-ben, noch im Kopf parat– aber mit seinem Rollator kommter gerade mal zehn Meter weit!«Das sind nur zwei Beispiele, wie unterschiedlichMenschen alternkönnen. Bei den einen lässt der Körper nach, bei den anderen eher der Geist. Manche sind »t wie ein Turnschuh«, aber emotional starr. Gefühltes Alter und ZufriedenheitEine ganz andere Kategorie ist das subjektiv gefühlte Alter, das sich mit dem objektiven Alter, ob es sich nun um das Lebensalter oder den kör-perlichen Zustand handelt, inden wenigsten Fällen deckt. Umfragen bei Menschen über 65 zeigen: Jeälter die Befragten sind, desto größerist die Spanne zu ihrem gefühlten Alter. Sprichwörtlichist die Geschichte von einem 80-jährigen Schristeller, der einen großen Literaturpreis mit einem ansehnlichen Preisgeld er-hielt. Aufdie Frageeines Journalisten,was er damit machen wolle,soll er geantwortet haben: »Das Geld kommtauf die Bank, das ist für mein Alter!« Die große Mehrheit der 65- bis 85-Jährigen fühltsich jünger,als sie tatsächlich sind: ImDurchschnitt lag das gefühlte Alter sogar rund zehn Jahre unterhalb des chronologischen Alters. Ein witziges Detail: Jede zweite der befragten Frauen verwendete Lippensti – vor rund 30 Jahren war das nur jede vierte!Wovon hängt Zufriedenheit ab?Die Frage, ob ein Mensch im Alter zufrieden ist oder nicht, hat nicht zwangsläug etwas mit dem chronologischen Alteroder dem objektiven Ge-sundheitszustand zu tun. Wie bereits erwähnt, sind 80 Prozent der Hundertjährigen mit ihrem Leben zufrieden. Interessant beiBefragungen über einen längeren Zeitraum ist jedoch auch, dass die Zufriedenheit vonder persönlichen Einstellung abhängt: Wer mit sich und seinem Leben im Reinen ist, hat es auch im Alter leich-ter. Der Schlüssel scheint dabei zu sein, ob man eher auf das schaut, was einem fehlt, was nicht mehr geht, oder eben auf das, was da ist, was gutist. Auch und gerade im Alter bestätigt sich, dass es immer auf die innere Einstellung ankommt. Man ist so alt, wie man sich fühlt das haben Umfragen bei über 65Jährigen gezeigt.
background image
22Gedanken über das AlterIch selbst denke hier anmanche alteMenschen, die gebrechlich und eingeschränkt sind. Abernach einem Besuchbei ihnen ist manbiswei-len demütig, weil sie sich so sehr an den kleinen Dingen freuen können, die um sie herum geschehen, an Gesprächen, an der Natur oder ihren Hobbys.Man selbst dagegen kann noch so viel, was diese alten Herr-schaen nicht mehr können, aber fühlt sich ständig gestresst. Es erin-nert mich an das, was wirklich wichtig ist.Männer und Frauen Die Statistik zeigt: Frauen werden älter als Männer. Warum ist das so? Bei den allgemeinen Berechnungenüber die Lebenserwartung werden alle Todesfälle berücksichtigt, also auch alle Sterbefälle, die sichin jun-gen Jahren ereignen. Laut Statistik überleben frühgeborene Jungen sel-tener als frühgeborene Mädchen. In der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen liegt die Sterblichkeit bei Männern sogarfast dreimal sohoch wie bei Frauen. Die Gründe sind vor allem Unfälle, die Folgen von Verletzungen und Vergiungen,aber auch Selbstmord. Das Risiko,ei-nen Unfall zu erleiden, der eine ärztliche Behandlung erfordert, ist laut Robert-Koch-Institut bei jungen Männern (18 bis 29 Jahre) fast doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Frauen.10Bei den heutigen Senioren und Hochbetagten müssen natürlich auch die beiden Weltkriege mit be-dacht werden, in denen deutlich mehr Männer als Frauen starben.Die biologische Ausstattung von Frauen ist zu-dem tatsächlich etwas günstiger,um gesund zu bleiben und lange zu leben, etwa was das Hor-mon- oder das Immunsystem angeht. Dennoch machen diese Unterschiede maximal zwei Jahre aus, fanden Altersforscher he raus, die sich mit der Gesundheit von Nonnen und Mönchen be-fasst haben. Auf die spannenden Ergebnisse die-ser Studie gehe ich auf den nächsten Seiten ein. Auf die Lebensweise kommt es anWeit wichtiger als das Geschlechtist das Ge-sundheitsverhalten, die Lebensweise der Men-schen. Männer sind statistisch gesehen nicht nurrisikofreudiger, sie trinken mehr Alkohol, essen schlechter,sind häuger übergewichtig, gehen Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer. Das liegt vor allem an ihrem gesundheitsbewussteren Lebensstil.
background image
23Was heißt hier eigentlich alt?weniger zum Arzt, scheuen Vorsorgeuntersuchungen.Aber: Das ge-sundheitsbewusste Verhalten der Frauen ändert sich gerade. Mehr als deutlich wirddas bei einem großen Risikofaktor, dem Rauchen. Langehaben Männer viel mehr geraucht als Frauen. Diese Verteilungverän-dert sich langsam, aber dramatisch – insbesondere jungeFrauen rau-chen mittlerweile mehr als früher. Ärzte erwarten eine rasante Zunah-me von Lungenkrebserkrankungen bei Frauen.Nonnen und MöncheDer deutsche WissenschalerDr. Marc Luy hat fürdas Institut fürDe-mograe der Österreichischen Akademie der Wissenschaen eine hochinteressante Studie zur Langlebigkeit bei mehr als 11.000 Nonnen und Mönchen in bayerischen Klöstern durchgeführt. Weitere Studien und Umfragen sind gerade in Arbeit. Luy und sein Team werteten bis-lang unter anderem Daten von 1890 bis 1950 aus und nannten die Stu-die die »Deutsch-Österreichische Klosterstudie«.11Die Studie ist interessant, weil Angehörige beider Geschlechter einen ähnlichen Tagesablauf haben, die verhaltensbedingten Unterschiede al-so geringer sind als außerhalb der Klostermauern. Die Studie ergab, dass die Lebenserwartung der Nonnen nur ein bis zwei Jahre über der der Mönche lag – die Mönche wurden sehr viel älter als Männer im Bevölkerungsdurchschnitt. Die Klosterstudie widerlegt die weitläug gehegte Vorstellung,dass vor allem die biologischen Unterschiede dafür verantwortlich sind, dass Frauen älter werden als Männer. Warum aber werden Männer im Kloster soviel älter als»draußen«? Die Ordensmänner selbst glauben, dass ihr Lebenstressfreier ist, weilsie nicht ständig ihren Alltag organisieren müssen, sondern einen gere-gelten Tagesablauf haben. Als zweiten Faktor vermuten sie, so Luy,dass es im Ordensleben keinen Ruhestand gibt. Bis ins hohe Alter nehmen die Mönche an den Aktivitäten des Alltags teil,übernehmen je nach Gesundheitszustand Aufgaben. Sie erleben keinen, so Luy,»Daseins-bruch beim Übergang in die Rente«.Körperliche Liebe Wenn man 20 Jahre alt ist, kann man sich kaum vorstellen, dass 40-Jäh-rige noch Sex haben, wenn man dann 40 Jahre alt ist, geht es einem mit den 60-Jährigen so.Und die 60-Jährigen können sich wiederum nicht vorstellen, dass auch im hohen Alter körperliche Liebe von Bedeutung ist. Fakt ist jedoch, dass für Männer und Frauen Sexualität,Körperkon-Ursula R., geb. 1922, gibt mit über 90 Jahren immer noch begeistert Englischunterricht, insge-samt seit über fünf Jahr-zehnten. Ihre älteste Schü-lerin ist zehn Jahre älter als sie, sie besucht seit mehr als 30 Jahren den Unterricht. Ursula R.: »So-lange ich noch gute Augen, ein gutes Gedächtnis und ein gutes Gehör habe, wer-de ich mit dem Unterrich-ten nicht aufhören.«
background image
24Gedanken über das Altertakt, Intimität, Berührung undZärtlichkeitauch im Alter wichtig sind – und praktiziert werden, auch wenn es zu körperlichen Veränderungen kommt, die Einuss auf die Sexualität haben. Eine Studie der Universi-täten Rostock, Leipzig und Heidelberg trug wesentlich dazu bei, dieses Bild zurechtzurücken. Ein wichtiges Teilergebnis innerhalb der Multi-center-Studie ist, dass sich die sexuelleAktivität zwarmit zunehmen-dem Alter verringert, die Zufriedenheitmit dem eigenen Sexualleben bei Senioren jedoch eher zunimmt – wenn diese in Partnerschaen le-ben. Kleineren Zärtlichkeiten,körperlicher Nähe, liebevollen Blicken,dem Miteinander,Zeit und nicht zuletzt dem gemeinsamen Älterwer-den kommt größere Bedeutung zu.Der Umgang mit dem ÄlterwerdenViele Veränderungengehören zumAlter dazu. Umfragen unterÄrzten und Pegenden zeigen: Ein gewisser Verschleiß wie auch eingeschränk-te Fähigkeiten im Alter sind normal. Anderevertreten sogar die An-sicht, dass auch gewisse Beschwerden normal, damit also quasi gesund sind – und nichtpathologisch. Es istalso Unsinn, das Alter zu negieren und einem Jugendwahn hinterherzurennen.Gesundheit im Alter was ist normal?Altern tun alle, doch der Alterungsprozess ist individuell sehr unter-schiedlich. Es istwichtig,sich Folgendes klarzumachen: Alterungspro-zesse können verlangsamt werden. Und: Alterungist nicht gleichbedeu-tend mit Krankheit. Altern ist lediglicheiner von vielen Risikofaktoren, die darüber entscheiden, wie es um die Gesundheit bestellt ist und wel-che Krankheiten einem Menschen in der zweiten Lebenshäle zu schaf-fen machen. Daneben gibt es zahlreiche Faktoren für die Entstehung und den Verlauf von Erkrankungen, die wir sehr wohl beeinussen können, gerade im Hinblick auf typische Alterserkrankungen.Das gilt für die körperliche, geistige wie psychische Verfassung. Hilfreiche StrategienEnde der 1980er-Jahre entwickelten die Gerontologen Margarete und Paul Baltes das SOK-Modell. Die Abkürzung setzt sich aus den ersten Buchstaben der Begrie»Selektion«, »Optimierung« und »Kompensa-tion« zusammen: Gemeintsind damit wichtige Strategien, sich im Lauf des Lebens immer wieder neu zu orientieren und anzupassen. Arthur Rubinstein (1887-1982) war ein be-gnadeter Pianist, auch im Alter. Sein Weg, um nach-lassende Fähigkeiten aus-zugleichen: Er wählte für seine Konzerte Stücke, die ihm leicht fielen, die er be-herrschte. Er wusste, dass er mehr üben musste. Er spielte etwas lang-samer. Als 92-Jähriger gab er sein letztes Konzert in Polen. Er soll gesagt haben: »Ich bin der glück-lichste Mensch, den ich je getroffen habe.«
background image
25Was heißt hier eigentlich alt?Selektion bedeutet, dass man seine persönli-chen Ziele immer wieder auf den Lebenskontext, sprich: auf die Altersphase, abstimmt. Kommt es im Alter zu Verlusten, müssen bisherige Ziele umstrukturiert werden, müssen neue Prioritäten gesetzt werden. Optimierung heißt, dass man, um die denier-ten Ziele zu erreichen, Ressourcen, also noch vorhandene Fähigkeitenund Kräe, anders ein-setzt, neue Fertigkeiten erlangt oder zumindest die vorhandenenStrategien überdenkt. Ange-nommen, Sie haben Ihr Leben lang morgens 25 Kniebeugen gemacht, jetzt meldet sich aber die Hüe, dann sollten Sie nachneuen Übungensuchen, um die Beweglichkeit zu erhalten. Oder Sie haben bisher neue Dinge schnell gelernt, brauchen jetzt aber länger, dann sollten Sie genau diese längere Zeit berücksichtigen und nutzen. Kompensation schließlichmeint, bezogen auf das Alter, neue Mittel einzusetzen, um Verlusten entgegenzuwirken. Sie alle kennen und prak-tizieren das: Der Gang wird unsicher, und Sie greifen nichtnur öer nach einem Geländer, sondern nutzen eine Gehhilfe oder einen Rolla-tor.Die Augen lassen nach– Sie setzen eine Brille auf. Das Gehör lässt nach – Sie nutzen ein Hörgerät.Gerade im hohen Alter spielt dieser dritte Weg eine große Rolle, gibtes doch zahlreiche Hilfsmittel, von de-nen viele nichts wissen oder die nicht genügend genutzt werden, um das Leben zu erleichtern (siehe auch S. 256/257).Erhalten und trainierenDie Kompensation muss sich aber nicht nur auf körperliche Gebrechen beziehen. Sie können nichtmehr so gut bergsteigen wie früher? Neh-men Sie genaudiesen Verlust zum Anlass, die vielen Naturschönheiten entlangder Wanderwege in der Ebene zu entdecken.Fernreisen werden Ihnen zu anstrengend – lernen Sie Deutschland kennen. Sie können Klavierspielen, aber mit den schnellen Sätzen willes nicht mehr ganz so gut klappen – dann bleiben Sie eben bei den gemäßigten Tempi. Immer wieder gehtes auch hier darum: Auf die Ressourcen schauenund nicht ärgerlich werden, wenn etwas nicht mehr geht. Neues entdecken, gerade weil anderes nicht mehr infrage kommt. Das ist, aus psychologischer Sicht, ein erfolgreiches Modell für den Umgang mit dem Älterwerden.Auch wenn schwerere Stücke nicht mehr recht klappen, die Freude am Musizieren bleibt auch im Alter erhalten.
background image
26Gedanken über das AlterAnti-AgingVorallem in der Werbung begegnet einem immer wieder der Begri»Anti-Aging«. Es gibteine wachsende Industrie, die Anti-Aging und Verjüngung verspricht: Sie bietet Präparate zur Einnahme, wie Nah-rungsergänzungsmittel, Vitamine, Antioxidanzien oder Hormone. AuchKosmetikindustrie und Schönheitschirurgie springen auf den Anti-Aging-Zug auf und versprechen Verjüngung durch Ampullen und Seren, Spritzen und Operationen. In gewissem Umfang darf man sich hiervonEekte versprechen –warum nichteine Hautcreme für die reife Haut verwenden und sich die Haare färben? Das tut gut. Aber vieles ist eben einfach nur Unfug.Verjüngung ist ein alter Traum der Menschheit: Verbreitetin Orient und Okzident ist die Vorstellung eines Jungbrunnens, in den man ge-brechlich und siech hineinsteigt und auf der anderen Seite schönund frisch wieder herauskommt! Das Bild von Lucas Cranach dem Älteren ist das bekannteste seiner Art (siehe Abbildung), der Jungbrunnen als Sinnbild aber sehr viel weiter verbreitet. Als Symbol steht der Jungbrun-nen für all das, was uns jung werden oder zumindest jung fühlen lässt. Das Alter willkommen heißenDas Ewig-jung-Bleiben kann auch ganz schönanstrengend, riskantund teuer werden: Wenn ich höre, dass man sich in Amerika mittlerweile die Stimmbänder lien lässt, um die Stimme zu verjüngen, weißich wirk-lich nicht, ob das zum Lachen oder zum Weinen ist.Seriös betrieben meint Anti-Aging aber etwas anderes als Verjüngung und ist bescheidener im Anspruch. Anti-Aging zieltdarauf ab, das bio-logische Altern zu verlangsamen, natürliche Al-terungsprozesse zu verlangsamen, aber nicht zu negieren. Anti-Aging fragt: Wie kann ich hier eingreifen, wie kann ich meinen Zustand verbes-sern? Wie kriege ich es hin, dassich biologisch jünger bin, als es in der Geburtsurkunde steht? Die German Society of Anti-Aging Medicine e. V.schreibt:»Wir haben Alterungsprozesse als den wesentlichen Risikofaktor für die gängigenVolks- und Zivilisationskrankheiten identi-ziert. Ein vertiees Verständnis dieser Prozesseund deren gezielte Beeinussung ist daher das Konzept im Kampf für ein gesundes Altern.«12Der Jungbrunnen ist ein alter Traum der Menschen (Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, 1546)