cover

 

 

Hanne Egghardt

Maria Theresias Kinder

Hanne Egghardt

Maria Theresias Kinder

16 Schicksale zwischen Glanz und Elend

 

 

 

Image

 

www.kremayr-scheriau.at

 

 

Copyright © 2010/2013 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil

unter Verwendung eines Fotos von Imagno/Schloß Schönbrunn Kultur- u. Betriebsges.m.b.H.

Layout und typografische Gestaltung: Ekke Wolf, typic.at

E-Book-Konvertierung: Druckerei Theiss GmbH, St. Stefan i. Lavanttal

 

ISBN 978-3-218-00813-6 (Print)

ISBN 978-3-218-00889-1 (EPUB)

ISBN 978-3-218-00888-4 (Mobi)

1. KAPITEL
Kein Thronfolger, »nur« ein Mädchen

MARIA THERESIAS KINDHEIT UND JUGEND
MARIA ELISABETH (1737–1740)

Image

 

Die Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1717 war alles andere als nur eine laue, nach Blüten duftende Mainacht. In den engen Straßen um die Wiener Hofburg drängten sich die Menschen. Unruhig und gespannt, hin und her gerissen zwischen Hoffen und Bangen. Sie warteten auf Nachrichten aus dem Leopoldinischen Trakt. Dort lag Elisabeth Christine, die schöne Gemahlin von Kaiser Karl VI., in den Wehen.

Die schwierige Erbfolge im Hause Habsburg

Karl VI. war der letzte männliche Spross des Hauses Habsburg. Was es bedeutete, wenn ein Monarch ohne männlichen Nachfolger starb, hatte er wenige Jahre zuvor selbst erlebt. Am Allerheiligentag des Jahres 1700 war Karl II., der »Behexte«, gestorben, der letzte Habsburger auf dem spanischen Königsthron. Er hatte mangels eines Thronfolgers Philipp von Anjou, den Enkel von König Ludwig XIV., zu seinem Erben ernannt. Dagegen erhob Kaiser Leopold I. von Österreich vehement Einspruch. Er beanspruchte die iberische Halbinsel für seinen Sohn und dieser übernahm, umstritten und angefochten, als Karl III. den spanischen Thron. Der Konflikt eskalierte, der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) brach aus, ein Flächenbrand, der rasch halb Europa erfasste.

Als in Wien im Jahre 1711 Kaiser Joseph I. unerwartet an den Blattern starb, trat Karl III. als Karl VI. die Nachfolge im römisch-deutschen Kaiserreich, in den österreichischen Erblanden und in jenen Gebieten an, die zwar außerhalb des Reichsverbandes, jedoch innerhalb des habsburgischen Hausgebietes lagen, wie Ungarn, Slowakei, Kroatien, Slawonien und Siebenbürgen. Er gebot über ein Reich, das sich über weite Teile Mittel- und Osteuropas sowie Italiens erstreckte, und das auch noch erheblich wuchs. Am Ende des Spanischen Erbfolgekrieges kamen die südlichen Niederlande sowie in Italien Mailand, Neapel und Sizilien hinzu – und nach dem Friedensschluss von Passarowitz 1718 dank der Erfolge Prinz Eugens auch noch der Banat, große Teile Serbiens und die kleine Walachei, das heutige West-Rumänien. Damit erreichte Österreich die größte Ausdehnung aller Zeiten.

1715 starb in Frankreich Ludwig XIV., der Sonnenkönig. Der Himmel über Europa verdüsterte sich dennoch nicht. Nun strahlte von Wien aus das Licht von Karl VI. als Sonnenkaiser. Das Leben am Wiener Hof hatte sich mit seinem Einzug schlagartig verändert. Der Kaiser, der privat Musik ebenso liebte wie Leibesübungen und Spiele, der Opern komponierte und als Schütze und Reiter brillierte, der den Wissenschaften und Künsten zugetan war, in den eigenen vier Wänden gerne scherzte und Wienerisch redete, hatte das spanische Hofzeremoniell eingeführt. Ganz Barockkaiser, bestand er darauf, seine Majestät nach außen hin in Unnahbarkeit zu demonstrieren und verlangte lückenlose Einhaltung der Hofetikette. Doch sowohl der schwarze, spanische Hofmantel wie auch die üppige Allongeperücke entsprachen der Natur des sowohl mit der Habsburger Melancholie als auch mit der Habsburger Unterlippe belasteten Herrschers. Franz Herre schreibt in seiner Maria-Theresia-Biografie:

»Karl war schwarzgallig, neigte zu Schwermut und Niedergeschlagenheit. Zu seinem ernsten, mitunter verdüsterten Gemüt passte Schwarz, die vorherrschende Farbe der spanischen Hoftracht, wie angegossen. Deren Steifheit, die zu gemessenem Auftreten zwang, kam seinem bedächtigen, ja schwerfälligen Wesen zupass. Eine Etikette, in der so vieles festgelegt und geregelt war, ersparte ihm Entscheidungen, die er scheute.«[1]

Im Juli 1708 hatte der damals 22-jährige König von Spanien auf der iberischen Halbinsel seine Braut in Empfang genommen, Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Wie damals üblich, war die Verbindung nach dynastischen Überlegungen eingefädelt worden. Die Heirat eines Habsburgers mit einer Welfin versprach eine Lockerung der gespannten Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten. Um Königin von Spanien werden zu können, musste Elisabeth Christine daher zum katholischen Glauben übertreten, so schwer ihr das auch fiel.

Karl war auf Anhieb von ihrer engelhaften Erscheinung fasziniert. Begeistert schrieb er später an seinen Schwiegervater: »Ich hatte zwar von allen Orten von der Schönheit und den Annehmlichkeiten gehört, durch welche meine englische Königin und Gemahlin die Herzen aller Menschen an sich zu ziehen wisse; allein jezo, da ich sie sehe, befinde ich, daß alles dasjenige, so man mir von derselben erzählet, nur ein Schatten gegen die helle Sonne ist …«[2]

Die erhoffte politische Wirkung dieser Heirat blieb aus. Die erzwungene Konversion der Welfin zum Katholizismus löste in Deutschland eher feindselige als versöhnliche Gedanken aus. Die Ehe des Paares hingegen verlief überaus glücklich. Bis auf einen Wermutstropfen: Es wollte sich kein Thronfolger einstellen.

Die Frage der männlichen Nachkommenschaft entwickelte sich allmählich zum zentralen Problem. Und es wurde immer dringender, als Karl VI. und Elisabeth Christine zum Kaiserpaar aufstiegen. Der immer ratloser werdende Ehemann scheute keine Mühen. Er ließ sogar die Wände des Schlafgemaches seiner Gemahlin mit erotischen Bildern schmücken. Das, so hatte man ihm versichert, würde die Zeugung männlicher Nachkommenschaft fördern – vergeblich. Längst wurde getuschelt, schuld an der Kinderlosigkeit sei, dass die Welfin den Übertritt zum katholischen Glauben womöglich doch nicht ganz ernst genommen habe.

Im Jahr 1713 verfügte Karl VI. eine Erbfolgeregelung, die Pragmatische Sanktion. Darin wurde die Unteilbarkeit der habsburgischen Länder festgelegt und – die Möglichkeit der weiblichen Erbfolge. Die Kinder Karls VI. sollten den Vorrang vor den beiden Töchtern seines verstorbenen Bruders haben. Da Elisabeth Christine längst als unfruchtbar galt, stimmte die Familie bereitwillig zu.

Dann aber geschah das völlig Unerwartete. Das Paar war bereits acht Jahre verheiratet, da brachte Elisabeth Christine im April 1716 einen Thronfolger zur Welt, Leopold Johann. Der Jubel kannte keine Grenzen, endlich war die lange ersehnte männliche Nachkommenschaft gesichert. Umso größer der Schmerz und die Verzweiflung, als das Kind bereits nach sieben Monaten, im November desselben Jahres, starb.

Maria Theresia – die künftige Herrscherin über das Habsburgerreich

Zu diesem Zeitpunkt war die Kaiserin wieder guter Hoffnung. Als sich am 12. Mai 1717 die Nachricht verbreitete, dass die Niederkunft nicht mehr fern sei, eilte eine riesige Menschenmenge zur Hofburg, um das freudige Ereignis aus nächster Nähe miterleben zu können. Um halb acht Uhr früh endlich hatte das Warten ein Ende. Ein Herold trat vor die Menge und verkündete: »Eine Erzherzogin ist geboren worden!«

Jubelrufe waren nicht zu hören. Viele der Wartenden senkten den Kopf und gingen bedrückt nach Hause. Andere begaben sich zum Gottesdienst in den Stephansdom, von dessen Turm aus die erst sechs Jahre zuvor aus 180 türkischen Kanonen gegossene »Pummerin« die Geburt der Erzherzogin verkündete. Wäre ein Thronfolger geboren worden, hätte der Hof drei Tage »große Gala« angeordnet. So mussten auch ein Tag »große Gala« genügen und danach zwei Tage »kleine Gala«.

Der Kaiser hatte verfügt, dass die Taufe noch am selben Tag erfolgen sollte. Die Ritterstube der kaiserlichen Burg war mit kostbaren gold- und silberdurchwirkten Tapeten behängt, zahlreiche kristallene Hänge- und Wandleuchter ließen das goldene, mit Edelsteinen besetzte Taufbecken schimmern. Reliquien, ein Dorn der Leidenskrone, ein Nagel vom Kreuz Jesu, ein Tropfen seines Blutes und ein wenig Jordanwasser symbolisierten die innige Verbundenheit des Hauses Habsburg mit der Kirche und seine göttliche Bestimmung. In diesem Rahmen taufte Bischof Kollonitz das leise wimmernde Neugeborene auf die Namen Maria Theresia Walburga Amalia Christine.

Wenige Wochen nach der Geburt brachte das Kaiserpaar der Gnadenmutter in Mariazell eine goldene Kinderstatue dar. Zum Dank für dieses gesunde Kind. Und sicher auch, um weiteren Kindersegen zu erbitten, denn ein Erbprinz war nach wie vor ihr größter Wunsch. Er sollte sich nicht erfüllen. Elisabeth Christine brachte nur noch Mädchen zur Welt, 1718 Maria Anna und 1724 Maria Amalia, die aber schon 1730 starb.

Der verspätet, aber doch noch eingetretene Kindersegen hielt beim Kaiserpaar die Hoffnung auf einen männlichen Nachkommen wach. Maria Theresia wurde daher nicht wie ein Erbprinz erzogen. Von der Vorbereitung auf künftige Regierungsgeschäfte konnte keine Rede sein. Wie bei allen anderen Kindern des Hofes wurden Jesuiten mit der Leitung des Unterrichts betraut. Deren Verdienst war es, dass Maria Theresia der katholischen Kirche zeitlebens verbunden blieb. Einen Schwerpunkt des Unterrichtes bildeten Sprachen. Bei Hof wurde Deutsch gesprochen, Wienerisch, aber »Reserl« hatte auch Latein zu lernen, übrigens die Amtssprache in Ungarn, und dann Französisch, Italienisch und Spanisch. Besonders erfolgreich waren ihre Lehrer allerdings nicht, denn in ihrem hübschen Köpfchen mischten sich die verschiedenen Sprachen oft zu einem drolligen Kauderwelsch. Mit »Der König kann nicht revenirn von unserer Noirceur« zum Beispiel teilte sie mit, er habe sich von seiner gedrückten Stimmung nicht befreien können.[3]

Weitaus einfacher hatten es die Lehrer, die für Zeichnen und Tanz, Etikette und Poesie, Gesang und Cembalospiel zuständig waren. Das kleine, kräftige und lebhafte Mädchen liebte alles Künstlerische, absolvierte ohne Scheu die in der Barockzeit so beliebten Bühnenauftritte in fantasievollen Kostümen, sang italienische Arien, spielte Klavier und musizierte gerne vor Publikum.

Schon von frühester Jugend an wurden Überlegungen über eine spätere Heirat der kleinen Erzherzogin angestellt. Das Haus Habsburg war dem Herzog von Lothringen eng verbunden. Herzog Karl V. hatte 1683 bei der Befreiung von der Türkenbelagerung unvergessliche Dienste geleistet, sein Sohn Leopold war bereits in Österreich aufgewachsen und nun setzte sich Prinz Eugen, der weise Ratgeber des Kaisers, für eine Verbindung mit Lothringen ein. Auf seine Initiative hin sollte der älteste Sohn des regierenden Herzogs, Clemens von Lothringen, an den Wiener Hof kommen. Das Schicksal aber machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Clemens starb 1723 in Nancy an den Blattern. Jetzt musste sein jüngerer Bruder einspringen.

Franz Stephan von Lothringen, Maria Theresias Gemahl

Franz Stephan von Lothringen, geboren 1708 in Nancy, war ein besonders hübsches und aufgewecktes Kind. Seine Großmutter, Liselotte von der Pfalz, die unglückliche Gattin von Philipp von Orléans, dem Bruder des Sonnenkönigs, der ihr unter anderem durch seine zahlreichen Liebschaften mit jungen, hübschen Männern Kummer bereitete, erwähnte ihn schon 1722 in Zusammenhang mit den Kindern ihrer Tochter: »Der hübscheste in meinem Sinn von den drei Buben ist der mittelste …«[4]

Im August 1723 reiste der Kaiser mit Familie und Hofstaat nach Prag, wo er zum König von Böhmen gekrönt wurde. Rund um die feierliche Zeremonie fand er Zeit, auf Schloss Brandeis seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, der Jagd. Diese Gelegenheit nützte Franz Stephan von Lothringen, um sich ihm vorzustellen. Prinz Eugen hatte ihn zuvor ausführlich über das richtige Verhalten instruiert: »Der Erbprinz muß vor dem Kaiser eine ehrfurchtsvolle Haltung bewahren; er muß seine Lebhaftigkeit mäßigen bis zu dem Grade, daß er nicht spricht, außer, wenn ihm der Kaiser Gelegenheit hiezu gibt; er vermeide in dem Gespräch mit ihm jede Vertraulichkeit; überhaupt frage er ihn um nichts und spreche so viel als möglich deutsch mit ihm. Vor der Kaiserin kann er seiner Lebhaftigkeit wol mehr freien Lauf lassen … Auf diese Weise wird der Prinz dem Kaiser und dem ganzen Hof gefallen.«[5] Diese Worte nahm sich der junge Erbprinz zu Herzen. Und sie wirkten. Er hinterließ einen überaus positiven Eindruck. Beim Kaiser, beim gesamten Hof und bei einem kleinen, sechsjährigen Mädchen namens Maria Theresia.

Im Herbst des Jahres 1723 traf Franz Stephan von Lothringen in Wien ein. Er wurde von einem Erzieher, drei Kammerdienern, zwei Dienern und zwei Läufern begleitet. Der Kaiser erweiterte seinen Hofstaat um zwei Kammerherren und zwei Pagen. Für seine Erziehung waren die Grafen Neippberg und Cobenzl zuständig. Sie waren um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Wie Lefèbre, der Hofmeister Lothringens, berichtete, war Franz Stephan »ein liebenswürdiges Kind, aber erstaunlich unbändig. Er schien unfähig zu irgendeiner Art von Fleiß zu sein.«[6]

Sein um seine Bildung besorgter Vater hatte Franz Stephan eine Kiste Bücher mitgegeben. Sie zu öffnen, nahm sich der Prinz nicht oft Zeit. Er war eher damit beschäftigt, den Kaiser auf die Jagd zu begleiten, Repräsentationsaufgaben zu erfüllen oder sein bald gerühmtes Glück im Kartenspiel zu erproben. Dass seine Bildung angesichts des turbulenten Hoflebens und der glanzvollen Verpflichtungen zu kurz kam, dass er alle Arten von Vergnügungen ernsthafter Arbeit vorzog, spielte keine Rolle. Der Kaiser stieß sich nicht daran, dass er weder Deutsch noch Französisch fehlerlos schreiben konnte – und dies auch nicht lernte. Seiner Meinung nach hatte ein Barockfürst in erster Linie Passion für die Jagd zu entwickeln und zu repräsentieren. Er fühlte sich wohl in Gesellschaft des jungen Lothringers und sah ihn vielleicht auch als den Sohn, den er so lange ersehnt hatte.

Als Schwiegersohn allerdings zog er ihn vorerst nicht in Betracht. Dazu kam er auch gar nicht. Je mehr die Hoffnung auf einen männlichen Thronfolger schwand, desto deutlicher wurde ihm bewusst, dass seine älteste Tochter für die Thronfolge in Frage kam. Ihr Ehemann würde ein österreichischer Prinzgemahl sein und römisch-deutscher Kaiser werden. Entsprechend groß war die Zahl der Bewerber um ihre Hand. Kaiser Karl VI. zog den Erben von Portugal in Betracht, später traf er eine geheime Abmachung, der zufolge Maria Theresia den Thronfolger von Spanien heiraten sollte, Don Carlos, und ihre jüngere Schwester Marianne dessen Bruder Don Philipp. Prinz Eugen hingegen riet zu einem Wittelsbacher Kurprinzen.

Franz Stephan musste 1729 nach dem Tod seines Vaters in seine Heimat nach Lothringen zurückkehren. Von dort begab er sich auf Reisen nach Paris und London. Den Haag erhielt für ihn besondere Bedeutung. Dort fand er Aufnahme in den Geheimbund der Freimaurer. 1732 kehrte er nach Wien zurück, im Gepäck jede Menge Golddukaten, Wechsel und Kreditbriefe – ein für den Kaiser nicht zu unterschätzendes Mitbringsel.

Maria Theresia war inzwischen zu einer hinreißenden jungen Dame herangewachsen. Später schwärmte ein Biograf: »Sie war eine der schönsten Frauen-Erscheinungen Europas … Sie hatte eine hohe, edle Gestalt mit dem herrlichsten Ebenmaße der Glieder. Ihr tief blaues Auge glänzte voll Lebhaftigkeit und wies doch auf milde Sanftmut hin. Das vollendet schöne Oval des von heiterem Ausdrucke strahlenden Antlitzes krönte eine hohe Stirn. Der Mund war fein geschnitten, die Zähne blendend weiß, die Nase sanft gebogen. Das reiche blonde Haar paßte vortrefflich zu der frischen Hautfarbe, die im Gesichte bei jeder Aufregung oder bei der Bewegung im Freien noch lebhafter ward und so den Glanz ihrer Schönheit erhöhte …«[7]

Dass die hübsche und lebenslustige Erbtochter in den jungen Lothringer verliebt war, konnte niemand übersehen. Sie träumte von ihm, redete den ganzen lieben Tag mit ihren Hofdamen nur über ihn. Maria Karolina Fuchs, die Aja und Vertraute der Erbprinzessin, die sie ihr Leben lang begleitete und die übrigens als einzige Nicht-Habsburgerin in der Kapuzinergruft ihre letzte Ruhe fand, setzte sich intensiv für eine Verbindung ihres Schützlings mit dem Lothringer ein.

Die entscheidende Wende brachte jedoch erst der Polnische Erbfolgekrieg (1733–1738). Prinz Eugen, inzwischen schwer krank, alt und müde, konnte seinem Kaiser keinen letzten Sieg bescheren. Österreich verlor den Krieg. Frankreich besetzte Lothringen, Spanien Unteritalien. Franz Stephan wurde in aller Deutlichkeit vor die Alternative gestellt: Lothringen oder die Hand der Erbtochter. Dreimal soll er die Feder zur Unterzeichnung des Abkommens auf den Boden geschleudert haben. Dreimal soll sie Johann Christoph Freiherr von Bartenstein, Berater des Kaisers, aufgehoben und ihm wieder in die Hand gedrückt haben. Schließlich unterschrieb Franz Stephan. Er trat Lothringen ab, wurde mit dem Großherzogtum Toskana abgefunden und durfte offiziell um die Hand Maria Theresias anhalten.

Die Hochzeit von Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen

Schon die Verlobung ging als überaus glänzendes Ereignis über die Bühne. Dem hohen Adel war nahegelegt worden, am 31. Januar 1736 in Prachtgewändern bei Hof zu erscheinen. Als der Zug des jungen Lothringers aus seinen Gemächern trat, ging ein Raunen durch die Menge. Am Ende einer langen Reihe festlich gekleideter Bedienter, Läufer, Kämmerer und Edelknaben schritt er in einem kostbaren Gewand aus kastanienbraunem Samt, das mit Silber durchwirkt und mit Goldnähten geschmückt war und an dem rund 50 Brillanten die Knöpfe ersetzten, zu den Gemächern des Kaisers. Dort empfing ihn der Monarch zu einer Unterredung, in deren Verlauf er um die Hand Maria Theresias anhielt. In gleicher Weise ging dann der Zug zu den Wohnzimmern der Kaiserin. Auch dort hielt der Herzog um die Hand Maria Theresias an. Als er die dritte Kniebeugung zu machen im Begriff war, ging ihm Elisabeth Christine einen Schritt entgegen, hörte seine kurze, aber in warme Worte gekleidete Ansprache an und sprach nun auch ihr »Ja«. Erst jetzt durfte Maria Theresia das Porträt ihres Bräutigams in Empfang nehmen, das nicht wie sonst üblich mit Kristallglas, sondern mit einem großen Brillanten überdeckt war, und ihm gestatten, ihr die Hand zu küssen.

Dem Protokoll entsprechend folgte auf die Verlobung eine Trennungszeit des Brautpaares. Franz Stephan hatte die Tage bis zur Hochzeit in Pressburg zuzubringen. Es waren nicht allzu viele. Um die Jahreswende 1735/36 hatte sich der Gesundheitszustand von Prinz Eugen dramatisch verschlechtert. Mit seinem Ableben und der darauf folgenden Staatstrauer musste jeden Tag gerechnet werden. Also wurde der Hochzeitstermin eilig auf den 12. Februar festgelegt.

Während der knapp zwei Wochen der Trennung tummelten sich zwischen Pressburg und Wien Kuriere mit Briefen des Brautpaares. Maria Theresia schrieb an den »durchleuchtigsten Herzog, villgeliebten Bräutigamb« Liebesbriefe wie: »Ich bin Ihnen unendlich verbunden für Ihre Aufmerksamkeit, mir Nachrichten von sich zu geben, denn ich war in Sorge wie eine arme Hündin, haben Sie mich ein bißchen lieb und verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen nicht genug antworte, aber es ist 10 Uhr und Herbeville wartet auf meinen Brief. Adieu, Mäusl, ich umarme Sie von ganzem Herzen, schonen Sie sich recht, adieu caro viso, ich bin die Ihrige …« Er antwortete seiner Braut: »Nachdem mir von Ihro May. dem Kayser die allerhöchste erlaubnis gegeben worden, Ew. Lbd. zu schreiben, so kann ich nicht länger warthen, von diesen Gnaden zu profitiren und Ew. Lbd. zu versichern, das mir nichts harters ankombt, als dieses schrifftlich zu thuen und mich selbst zu Dero Füßen zu legen nicht erlaubt seye, wie es E.L. nicht schwer zu glauben seyn wird, indeme die allerliebste braut persuadirt sein wird, das kein Bräutigamb in der weld mit mehrere ergebenheith und respect seyn kann …«[8]

In Wien liefen inzwischen die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren. Ganz Barockkaiser, bestand Karl VI. auf größtmöglicher Prachtentfaltung. Er hatte aus Paris große Mengen kostbarer Stoffe und Schmuckgegenstände bringen lassen, 136 Gold- und Silbersticker waren aufgenommen worden, die nun Tag und Nacht arbeiten mussten. Entsprechend glänzend ging die Hochzeitsfeier über die Bühne.

Die Zeremonie fand in der prachtvoll geschmückten Augustinerkirche statt. Ein schöneres Paar hatte es zuvor wohl nie gegeben. Maria Theresia leistete den Schwur »Für immer und ewig!« in einem silbernen Kleid, dessen Schleppe nicht wie sonst üblich Pagen trugen, sondern die ehemalige Aja und spätere Vertraute Gräfin Fuchs. Der Bräutigam trat ganz in Weiß vor den Traualtar und sprach sein Ja auf Lateinisch: »Volo«. Ein Bild auf dem Altar drückte die große Hoffnung aus, die sich an diese Hochzeit knüpfte: Aus dem Himmel wird der Ehering herabgereicht und Gott erteilt seinen Segen zu erwünschter männlicher Erbfolge.

Gefeiert wurde mehrere Tage, zuerst mit einem glanzvollen Hochzeitsmahl, dann mit der Erstaufführung der Hochzeitsoper »Achille in Sciro« mit einem Libretto von Pietro Metastasio und schließlich, am letzten Tag des Faschings, mit einem großartigen Maskenball.

Prinz Eugen durfte die Hochzeit noch miterleben. Er schrieb am 23. März 1736 an einen Freund: »Die Verbindung des lothringisch-österreichischen Stammes in dem neuen Ehepaare war der froheste Tag meines Lebens, besonders da sich dieses Ereignis auf den Frieden mit Frankreich und auf die von allen europäischen Staaten verbürgte pragmatische Sanktion gründet.«[9] Es war allerdings die letzte Freude, die ihm vergönnt war. Er starb wenige Wochen darauf, am 21. April.

Das frisch vermählte Paar erbat auf einer Wallfahrt nach Mariazell mit zwei goldenen, von Lorbeer umschlungenen Herzen reichen Kindersegen. Die Gnadenmutter erhörte ihre Bitten. Maria Theresia brachte im Laufe der Ehe in ihrem Entbindungsstuhl 16 Kinder zur Welt, elf Mädchen und fünf Knaben. Drei starben als Kleinkinder, drei als Jugendliche. Zwei Söhne wurden Kaiser, zwei Töchter und der jüngste Sohn blieben unverheiratet. Friederike Wachter schreibt in ihrer Dissertation über die Erziehung der Kinder Maria Theresias: »Durchaus modern mutet es an, wenn Maria Theresia forderte, daß die Erziehung praktisch bei der Geburt beginnen müßte.«[10]

Maria Elisabeth, das erste Kind Maria Theresias

Das erste Kind des Paares wurde am 5. Februar 1737 geboren: Erzherzogin Maria Elisabeth. Wie für alle noch folgenden Geschwister wurde eiligst Personal eingestellt. Die Erziehung leitete bei den Mädchen die »Aja«, bei den Knaben der »Ajo«, für das leibliche Wohl waren eine Kammerfrau, drei Kammerdienerinnen und ein »Kammermensch« zuständig, dazu kamen Kammerheizer und Kammertürhüter. Friederike Wachter: »Die Ajas hatten die absolute Autorität über alle Angestellten der Kinder … Keine Aja durfte versuchen, die Neigung des ihr anvertrauten Kindes besonders auf sich zu ziehen, was diese, nach Maria Theresias Meinung, nur durch besondere Verwöhnung hätte erreichen können. Maria Theresia befürchtete dabei vor allem, daß die Kinder dadurch eigenwillig hätten werden können und sich z.B. nur von ihrer Aja bekleiden oder an der Hand führen hätten lassen …«[11]

Der wahre Jubel blieb bei der Geburt Maria Elisabeths jedoch aus: Das junge Paar, Kaiser und Kaiserin und das Volk hatten einen Thronfolger ersehnt und erhofft. Entsprechend groß war die Enttäuschung. Ihren Eltern bereitete die erstgeborene Maria Elisabeth dennoch viel Freude. Sie entwickelte sich zu einem gesunden, kräftigen Kind. Umso größer war der Schock, als sie im Alter von knapp dreieinhalb Jahren, am 7. Juni 1740, plötzlich verstarb.