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Über dieses Buch:

Von Breaking Bad bis zu den Simpsons, von Seinfeld bis The Walking Dead: Jochen Till guckt sie alle und kann nach über 10.000 Stunden Seriengenuss zu Recht als Aficionado von TV-Serien bezeichnet werden. In diesem Buch stellt er 25 Sendungen vor, die ihn zum Serienjunkie gemacht haben. Er nimmt den Leser mit auf einen amüsanten Streifzug durch Comedy, Drama, Mystery, Horror, Science Fiction und viele andere Genres.

Altbekanntes und Geheimtipps: Ein Muss für alle Serienfans!

Über den Autor:

Jochen Till, geboren 1966 in Frankfurt am Main, wollte eigentlich Rockstar werden. Trotz seines unbestreitbaren Desinteresses an Buchhaltung schloss er im Alter von 22 Jahren das Wirtschaftsgymnasium ab. Neun Jahre später veröffentlichte er sein erstes Buch. Nachdem er einige Jahre in einem Comic-Laden gearbeitet hat, widmet er sich heute ausschließlich dem Schreiben – und dem Genuss zahlreicher Fernsehserien.

Die Website des Autors: www.jochentill.de

Der Autor im Internet: www.facebook.com/JochenTillAutor

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Originalausgabe November 2012

Copyright © 2012 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Philipp Bobrowski

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © Ray Rubeque

ISBN 978-3-95520-023-7

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Jochen Till
Bekenntnisse eines Serienjunkies

Staffel 1

dotbooks.

Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Oz

The Big Bang Theory

Mad Men

Star Trek – The Next Generation

The Wire

Rescue Me

Dexter

Weeds

Sons Of Anarchy

24

Geister

Curb Your Enthusiasm

True Blood

The Office

Treme

The X-Files

Die Simpsons

Seinfeld

Deadwood

Breaking Bad

Californication

The Killing

Dittsche

The Walking Dead

Glee

Abspann

Lesetipps

Vorspann

Hallo. Mein Name ist Jochen Till, und ich bin ein Serienjunkie.

So, jetzt ist es raus. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, heißt es ja. Wobei ich mich wie jeder leidenschaftlich Süchtige eigentlich gar nicht bessern will, im Gegenteil. Ich liebe, lebe und zelebriere meine Sucht jeden Tag aufs Neue mit ständig wachsender Begeisterung. Und – abgesehen von genervt aus den Ohren blutenden Bekannten, wenn ich wieder einmal euphorisch tiradierend versuche, sie mit in den Seriensumpf zu ziehen – ich schade schließlich niemandem. Nein, mir selbst auch nicht. Ich hab das im Griff. Doch, wirklich! Ich schaue mir pro Woche locker vierzehn Serien an, ohne gesundheitlich Schaden zu nehmen. Nein, ehrlich! Die Brille brauche ich schon, seit ich fünf bin. Damals hatten wir noch gar keinen Fernseher, das hat also nachweislich nichts damit zu tun. Und ich gehe regelmäßig in die Rückenschule, um Haltungsschäden vorzubeugen.

Außerdem besitze ich in Anbetracht meines derzeitig geführten Lebenswandels die perfekten Voraussetzungen für ein mich und mein direktes Umfeld zu keiner Zeit gefährdendes Dasein als Seriensüchtiger. Das fängt schon mal damit an, dass ich Single bin. Nein, daran ist nicht meine Sucht schuld. Dass meine letzte Lebensabschnittspartnerin während des Finales der 5. Staffel 24 Schluss gemacht hat, und ich es erst drei Tage später gemerkt habe, ist bloß ein Gerücht – in Wirklichkeit handelte es sich um die Abschlussfolge der Sopranos. Nein, nur ein Witz. Meine letzte Freundin brachte durchaus Verständnis für meine Sucht auf, sie war selbst einigen Serien verfallen. Und genau da lag das Problem. Ich habe es wirklich versucht, habe mir alle Mühe gegeben und mich mehr als selbstlos aufgeopfert, aber irgendwann verfehlte sogar die prophylaktisch eingenommene Flasche Branntwein ihre betäubende Wirkung, und ich konnte keine weitere Folge Verbotene Liebe, Verliebt in Berlin oder Alarm für Cobra 11 ertragen, ohne den Couchtisch mit meinem Kopf zu zertrümmern. Dass sie mich kurz darauf verlassen hat, weil ich RTL jeden Tag auf einem anderen dreistelligen Senderplatz versteckt und die Batterien aus der Fernbedienung entfernt habe, ist übrigens kein Gerücht. Trotzdem möchte ich festgehalten wissen, dass diese Beziehung keinesfalls an meiner Sucht gescheitert ist, sondern an offensichtlich unüberbrückbaren Differenzen im zwischenmenschlichen Bereich.

Und ich habe aus dieser Erfahrung gelernt. Wenn ich jetzt auf eine potenzielle Kandidatin für eine gemeinsame Lebensplanung treffe, frage ich sie zuallererst nach ihrer Lieblingsserie. Sag mir, was du guckst und ich sage dir, ob wir eine Zukunft haben. Dieses Motto hat mich schon vor einigen bösen Überraschungen bewahrt. So entging ich gerade neulich erst einer ansonsten äußerst attraktiven Mittdreißigerin, die auf meine Frage nach ihrer Lieblingsserie doch tatsächlich ohne jedes Anzeichen von Scham oder Sarkasmus mit Lasko – Die Faust Gottes antwortete. Der reine, unfassbare Wahnsinn, oder? Ich meine, damit rechnet man schließlich nicht, dass es erstens solche Leute überhaupt gibt, und sie sich zweites auch noch völlig unbeaufsichtigt in aller Öffentlichkeit frei bewegen dürfen. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, hätte ich diese Frage nicht vorab gestellt und sofort nach der Antwort fluchtartig (aber selbstverständlich nicht, ohne dabei laut brüllend alle anderen Anwesenden zu warnen) das Speed-Dating-Café verlassen. Stellen Sie sich nur einmal vor, diese grausame Offenbarung wäre mir erst am darauffolgenden Donnerstag kurz vor 20:15 Uhr, nach einer ekstatischen Runde Begrüßungssex unter frisch Verliebten gemütlich mit ihr vor meinem Fernseher sitzend, zuteil geworden – da hätte mit Sicherheit nicht nur der Couchtisch dran glauben müssen. Und so hat jenes Motto bereits mindestens drei komplette Wohnzimmereinrichtungen sowie mein seelisch-nervliches Gleichgewicht vor der Zerstörung bewahrt. Nur seltsam, dass es bis heute noch nicht zu einem einzigen amourös-positiven Ergebnis geführt hat.

Aber egal, wie gesagt, für ein reibungsfrei ablaufendes Dasein als Serienjunkie ist der Singlestatus ohnehin das am erfolgversprechendste Lebenskonzept. Eine gute Serie zu verfolgen, kostet nämlich nicht nur (je nach Konzept) pro Folge zweiundzwanzig bis an die sechzig Minuten Zeit, sondern verlangt währenddessen auch absolute und ungeteilte Aufmerksamkeit. Sätze von etwaigen Lebenspartnern oder gar Familienangehörigen wie »Schatz, komm ins Bett, ich bin so wuschig!« oder »Papa, ich habe seit drei Tagen nichts gegessen!« sind nicht besonders hilfreich, wenn man kurz davor steht, endlich zu erfahren, wer denn nun tatsächlich Rosie Larsen umgebracht hat. Was aber keinesfalls heißen soll, dass man als praktizierender Beziehungsmensch oder verantwortungsgeplagtes Elternteil gänzlich auf diese Art von Sucht verzichten muss – ein Pensum von vierzehn Serien pro Woche dürfte unter diesen Umständen allerdings höchstens zu bewältigen sein, wenn man seiner Liebsten einen Sexsklaven gönnt und den Nachbarn das Aussehen der Kinder als von der rücksichtslos Schlankheit propagierenden Werbeindustrie ausgelöste Magersucht verkauft.

Aber es müssen ja auch nicht unbedingt gleich vierzehn Serien sein. Ich kenne genug Leute, die mit einer Dosis von zwei bis vier pro Woche durchaus zurechtkommen – zumindest behaupten sie das. Würde man von mir verlangen, mich von zehn meiner aktuell laufenden Lieblingsserien zu verabschieden, der Trennungsschmerz würde mich schier zerreißen und im Umkreis von hundert Kilometern Erdbebenalarm auslösen.

Aber zum Glück muss ich das ja nicht. Und ganz so zeitaufwändig, wie es im ersten Moment wirken mag, ist das mit den vierzehn Serien auch gar nicht. Nein, wirklich nicht! Mir bleibt sogar mehr als genug Zeit für die Pflege sozialer Kontakte. Ja, so etwas habe ich! Was haben Sie denn gedacht? Dass Sie es hier mit einem dieser Sonderlinge zu tun haben, die Tag und Nacht einsam und allein in ihrer zugemüllten 1-Zimmer-Mietnomaden-Wohnung stumpf vor dem Fernseher hocken und höchstens einmal vor die Tür gehen, um im Blutrausch die halbe Nachbarschaft mit einer selbstgelöteten Pumpgun wegzuballern, weil im Kindergarten niemand mit ihnen spielen wollte? Ich bitte Sie! Verwechseln Sie Serienjunkies nicht mit Serienkillern. Wir – ich sage jetzt einmal wir, um zu verdeutlichen, dass ich beileibe nicht als isoliert zu betrachtende Abnormität der Natur dastehe – also, wir mögen zwar zugegebenermaßen alle einen an der Murmel haben, sind aber zum Großteil durchaus liebenswerte und garantiert harmlose Zeitgenossen.

Einzig für die unliebsame Splittergruppe der Daily-Soap-Süchtigen würde ich diesbezüglich meine Hand nicht unbedingt ins Feuer legen – wer diesen sträflich uninspirierten und selbst den Intellekt von Nacktschnecken beleidigenden Mist guckt, muss früher oder später zwangsläufig gewalttätig werden. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Polizei bei all den Amokläufern in den letzten Jahren nicht nur deren Präferenzen bei Computerspielen und Kinofilmen analysiert, sondern gleichfalls überprüft hat, welchen Fernsehserien sie verfallen waren. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn dabei herauskäme, dass die derzeit angenommene Kausalitätskette eigenbrötlerischer Außenseiterexzessive Ballerspiele Vater im SchützenvereinBlutrausch neu geknüpft werden und fortan Daily-Soap-Guckerexzessive BallerspieleVater im Schützenverein Blutrausch lauten muss, was zwangsläufig ein Umdenken in Hinsicht der Präventionsmaßnahmen erfordert. Denn es sind nicht etwa falsche Freunde/mobbende Mitschüler/geizige Familienmitglieder/hässliche Passanten, die ein solcher Amokläufer abschlachtet, sondern vielmehr von seinem täglich malträtierten Gehirn projizierte Abbilder der eindimensionalen und stümperhaft dargestellten Charaktere seiner Lieblingsserie. Und somit ist die Lösung für dieses gesellschaftspolitische Problem ebenso einfach wie einleuchtend: Ein GZSZ-Ego-Shooter-Spiel, bei dem der in den Amok zu kippen Drohende sich seine aufgestaut-verdrängten Aggressionen jeden Tag gleich nach Ende des Abspanns von der Seele ballern kann. Nein, sparen Sie sich die Mühe, ich habe das Konzept bereits an EA Sports, Nintendo sowie fünfzehn weitere maßgebliche Spielehersteller geschickt und rechne zeitnah mit einem dicken Scheck in meinem Briefkasten, mit dem ich dann eine eigene Daily Soap produzieren werde, bei der am Ende jeder Folge alle Charaktere von einem mysteriösen Unbekannten niedergemetzelt werden, der sich in Folge 1287 schließlich als der elfjährige Nachbarsjunge aus dem dritten Stock herausstellt, der zudem entweder Vater, Mutter oder Wellensittich all seiner Opfer war und nebenbei …

Verzeihung, ich wollte nicht abschweifen, aber das passiert uns Serienjunkies manchmal, wenn wir nicht vor einem Fernseher sitzen. Wo war ich noch gleich? Ach ja, ich wollte klarstellen, dass ich kein isolierter Sonderling bin, sondern ein ganz normales Leben mit den dazugehörigen sozialen Kontakten pflege. Das ist tatsächlich so. Nein, wirklich! Fragen Sie ruhig meine Freunde! Ja, Sie haben richtig gelesen: Mehrzahl! Und sie leben nicht in Deadwood oder auf der Enterprise! Einige von ihnen sehe ich sogar mehrmals pro Woche in meiner Stammkneipe, in der ich mich jeden Abend von ungefähr 20:00 bis 0:00 Uhr aufhalte. Jawohl, jeden Abend. Das mag zwar nicht gerade von einer (besonders von Frauen gern gewünschten) flexibel-spontan entscheidbaren Abendgestaltung meinerseits zeugen, belegt aber meinen grundsätzlichen Hang zur zwanglosen Geselligkeit mit nicht fiktiven Charakteren unterschiedlichster Fasson. Es braucht in der Tat selbst bei einem Serienjunkie wie mir nicht immer eine Horde Rocker oder Feuerwehrmänner, um mich bestens unterhalten zu fühlen – manchmal genügt bereits ein erfrischend realer Kumpel, der betrunken vom Hocker kippt. Serien sind kein Ersatz für die Realität, sondern lediglich eine Ergänzung.

Nun fragen Sie sich bestimmt, wie ich vierzehn Serien pro Woche bewältige, wenn ich jeden Abend in der Kneipe verbummele? Diese Frage lässt sich recht simpel mit mathematischem Grundschulwissen beantworten. 14 Serienfolgen geteilt durch sieben Wochentage ergeben zwei Folgen pro Tag. Ausgegangen von einer durchschnittlichen Laufzeit von 45 Minuten benötige ich folglich 1,5 Stunden täglich, um mein Pensum zu erreichen, und das ist wahrlich nicht viel, diese Zeit brauchen manche Leute allein für ihren Stuhlgang. Diese 1,5 Stunden nehme ich mir, wenn ich aus der Kneipe nach Hause komme, was den enormen Vorteil hat, dass mich um diese Uhrzeit für gewöhnlich niemand mehr belästigt und ich mich in aller Ruhe auf das Geschehen am Bildschirm konzentrieren kann.

Wie bitte? Sie möchten wissen, wann ich morgens aufstehen muss? Eigentlich gar nicht, aber meistens bewege ich mich so gegen 10:00 Uhr aus dem Bett. Nein, ich habe keinen ordentlichen Job, ich bin Schriftsteller – ein weiterer enormer Vorteil für ein Leben als Serienjunkie. Was aber nicht heißen soll, dass ich nur nach Lust und Laune arbeite. Gerade jetzt zum Beispiel würde ich mir viel lieber diese neue australische Serie anschauen, die mir heute Morgen aus England geliefert wurde, als selbstdiszipliniert zu schreiben.

Das ist ja überhaupt das Größte heutzutage, finde ich. Seit die

TV-Industrie uns Seriensüchtige als Zielgruppe entdeckt hat (oder hat sie uns sogar überhaupt erst erschaffen?), ist es so viel angenehmer und bequemer geworden, ein Junkie zu sein als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Früher musste man tatsächlich zu festen Uhrzeiten zu Hause sein, um seine Serie zu gucken, weil jede Folge nur ein einziges Mal ausgestrahlt wurde. Gut, später gab es dann immerhin die Möglichkeit der Videoaufnahme, aber so richtig komfortabel war das auch wieder nicht, und man war immer noch davon abhängig, was im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Heute kommen manche Serien sogar noch vor der Ausstrahlung im Fernsehen staffelweise als DVD-Box heraus, und in den großen Elektronikmärkten gibt es mittlerweile eine eigene Abteilung für TV-Serien – Regale vollgepackt mit reinstem Stoff für unsereins. Und wenn ich im Internet etwas über eine vielversprechende Serie lese, die in Deutschland nicht läuft, gehe ich einfach auf amazon und bestelle sie mir direkt in England oder Amerika. Hoch lebe die Globalisierung des Konsums, die mich ins Serienschlaraffenland katapultiert hat!

Nein, dieses Buch ist keine hoch dotierte Auftragsarbeit des amazon-Konzerns. Als Buch-Erschaffender bin ich sogar eher Feind als Freund des seelenlosen Internethandels selbiger. Wenn ich mir ein Buch kaufen möchte, dann gehe ich in die örtliche, nicht verkettete Buchhandlung. Dort werde ich nicht nur bestens beraten, sondern kriege zusätzlich ein paar freundliche Worte und das Gefühl, nicht nur als Kreditkartennummer wahrgenommen zu werden, mit auf den Weg. Falls Sie allerdings während der Lektüre der folgenden Seiten auf eine Serie neugierig werden, die es in Deutschland nicht gibt (und das werden einige sein), kann ich Ihnen eine Bestellung über amazon nur wärmstens empfehlen – ob Versand, korrekte Abrechnung oder gar Umtausch, in Serienangelegenheiten hat sich amazon bisher immer als Dealer meines Vertrauens erwiesen. Sollte rein zufällig ein amazon-Mitarbeiter diese Zeilen lesen: Bitte machen Sie Ihren Vorgesetzten auf meine dezent-offensive Schleichwerbung aufmerksam – vielleicht ist da ja doch noch eine kleine nachträgliche Vergütung in Form eines Geschenkgutscheins über eine vierstellige Summe drin?

An dieser Stelle möchte ich mich schon einmal vorab für die in der Folge häufige Verwendung von Anglizismen entschuldigen. Ich weiß, als deutschsprachiger Autor sollte es mein hehres Ziel sein, dieser unserer wunderbaren Sprache zu huldigen, wo ich nur kann – besonders in Zeiten, in denen manch deutschem Jüngling die Muttersprache komplett abhanden gekommen zu sein scheint (ich zitiere Heiko S. (14), Schüler der Konrad-Duden-Schule, aus meinem Gästebuch: »scheise büscher alder figg daine mudder«). Aber auch wenn mir die deutsche Sprache grundsätzlich heilig ist, und ich jungen Menschen wie Heiko gern dabei helfen würde, nicht als Casting-Kandidat bei Dieter Bohlen zu enden, die international gebräuchliche Serienterminologie ist nun mal eine englischsprachige, der ich mich dann in diesem Rahmen auch verpflichtet fühle. So kommunizieren wir Serienjunkies eben, wir reden von Daily Soaps, Pilots, Reviews, Awards, unterscheiden zwischen Multi-Camera- und Single-Camera-Sitcoms und freuen uns schon like crazy auf die nächste Season von Curb Your Enthusiasm. Ich weiß, das klingt albern, ist aber so.

Zweiundzwanzig der von mir im Folgenden aufgeführten fünfundzwanzig Serien wurden oder werden aktuell noch in den USA produziert. Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich alles andere als ein Fan der Vereinigten Primaten von Amerika bin – ein Volk, dass sich gleich zweimal hintereinander einen Mann wie George W. Bush zum Chef erwählt und in jedes Land einmarschiert, das ein Mal zu laut hustet, ist mir zutiefst suspekt. Nichtsdestotrotz muss ich neidvoll anerkennen, dass dort die mit Abstand besten Serien der Welt entwickelt, gedreht und ausgestrahlt werden. Das ist Fakt – sage ich jetzt einfach mal. Die Amerikaner haben fantastische Schauspieler, mutige Senderchefs und vor allem wahnsinnig gute Drehbuchautoren. Natürlich muss ich das als Autor sagen, was es aber nicht weniger wahr macht. Eine gute, eine herausragende Serie steht und fällt mit den Autoren. Was nützen einem als Serienmacher die besten Schauspieler, wenn sie nicht wissen, was sie sagen sollen?

Wie wichtig und entscheidend die schreibende Zunft für Serien ist, hat man beim großen Autorenstreik in Amerika Ende 2007 gemerkt. Einige Serien mussten auf die Hälfte der ursprünglich geplanten Episoden gekürzt werden und die Qualität der zu dieser Zeit notdürftig produzierten Folgen ließ deutlich spürbar nach. An einer Serie schreibt auch so gut wie nie nur ein einziger Autor, sondern meistens ein festes Team, anders wäre eine Staffel von oftmals über zwanzig Folgen pro Jahr überhaupt nicht realisierbar. Und wenn so ein Team dann geschlossen in den Streik tritt, weil die Kreativen zu wenig an der Zweitverwertung (DVDs, Internet) der von ihnen sauer erarbeiteten Serien verdienen, dann sehen die Herren Studiobosse plötzlich verdammt alt aus. Wenn es nach mir ginge, wären die Autoren an jeder von mir gekauften DVD-Box (und das sind nicht wenige) mit fünfzig Prozent beteiligt. Ach was, fünfzig, sagen wir gleich achtzig! Das haben sie locker verdient! Alle Macht den Autoren! Ich trete auch in den Streik! Ich verlange mehr Rechte! Und mehr Geld! Vor allem mehr Geld! Wie soll ich denn von den lächerlichen zehn Prozent Tantiemen leben? Ich will mindestens elf! Nein, zwölf! Jawohl! Streik! Streik! Streik! Mist, das geht ja gar nicht – ich schreibe leider nur Bücher, keine Drehbücher. Und wenn ich jetzt aufhöre, wird dieses Buch nie erscheinen, und ich verdiene keinen einzigen Cent daran. Oder der Verlag übernimmt einfach das Konzept und beauftragt einen anderen Autor – womöglich einen Daily-Soap-Fan! Nein, das kann, das darf ich Ihnen und meinem Gewissen zuliebe natürlich nicht zulassen.

Also, weiter im Text. Wo war ich? Ach ja, die Anglizismen. Die Tatsache, dass die meisten herausragenden Serien im englischsprachigen Raum produziert werden, und einige von ihnen es erst gar nicht bis nach Deutschland schaffen, führt zwangsläufig dazu, dass man sie sich im Original ansehen muss. Nun ist mein Englisch zum Glück recht passabel, so dass ich damit keinerlei Probleme habe. Und auch, wenn ich beileibe nicht jedes Wort verstehe, weigere ich mich mittlerweile sogar vehement dagegen, mir die teilweise auf Deutsch vorhandenen Fassungen anzusehen. Die deutschen Synchronisationsstudios leisten größtenteils hervorragende Arbeit, ohne Frage, aber es geht immer noch viel zu viel an Sprachwitz, Klangfarbe und regional bedingtem Flair verloren. Ein Mafia-Familienoberhaupt beispielsweise spricht in der Synchronisation hochdeutsch, hat im Original jedoch einen italienischen Akzent, was einfach eine komplett andere Atmosphäre schafft. Oder allein der nicht unwesentliche Unterschied zwischen einem Briten und einem Amerikaner – das wird im Original deutlich, sobald der Brite den Mund aufmacht, während in der deutschen Synchronisation genauso gut beide aus Hannover stammen könnten.

Die Beispiele sind endlos, deswegen höre ich lieber auf, bevor ich noch anfange, mich über hanebüchene Übersetzungsfehler aufzuregen. Nur ganz kurz: Wer in einer Simpsons-Weihnachtsfolge Krustys »Happy Holidays!« an die Zuschauer mit »Fröhliche Ferien!« übersetzt, hat ganz eindeutig die Zweitsprache und somit seinen Job verfehlt. Ja, ich weiß, ich kann manchmal ein nerviger, unerträglicher Pedant sein, aber wenn man etwas so sehr liebt wie ich meine Serien, dann achtet man eben auf jedes Detail und ärgert sich maßlos über derartige Nachlässigkeiten. Selbstverständlich kann man Serien ebenso lieben, verehren und genießen, wenn man des Englischen nicht mächtig ist. Für mich ist diese Sprache eben untrennbar mit dieser Leidenschaft verbunden und wird deshalb hier des Öfteren vorkommen.

Eine der grundsätzlichen Fragen, die ich mir in einem Anfall von Selbstreflektion gestellt habe, als ich über dieses Buch nachdachte, war jene nach dem Warum. Warum bin ich ausgerechnet nach Serien süchtig? Wieso nicht wie jeder andere unvernünftige Mensch nach Crack, Heroin, Koks, Marihuana, Alkohol, Sex, Zigaretten, Rock ’n’ Roll oder Gummibärchen? Gut, zugegeben, die eine oder andere dieser Süchte liegt mir ebenfalls nicht fern, aber das ist dann irgendwie doch etwas anderes, das sind eher körperliche Abhängigkeiten, keine popkulturellen. Filme. Wieso nicht Filme? Ich liebe Filme und gehe mindestens ein Mal pro Woche ins Kino. Und ein Buch über meine 25 Lieblingsfilme zu verfassen, wäre auch so viel einfacher, da könnte ich mir locker jeden Film noch einmal ansehen, bevor ich darüber schreibe. Würde ich mir vorab jede Serie noch einmal komplett ansehen, wäre dieses Buch frühestens 2017 fertig. Doch meine Leidenschaft für Filme hat in letzter Zeit stark nachgelassen. Waren es früher noch an die fünf Filme pro Jahr, die ich mir mehr als ein Mal angesehen habe, freue ich mich nun, wenn es wenigstens einen gibt, bei dem es sich lohnt. Ich habe in meinen mittlerweile sechsundvierzig Jahren Lebenszeit einfach zu viele Filme gesehen und bin dementsprechend schwer zu begeistern. Und der rasante Qualitätsanstieg bei Serien in den letzten Jahren ließ mich schnell feststellen, dass das Medium Film doch sehr viele Einschränkungen mit sich bringt.

In einem Film bleiben beispielsweise 90 bis 120 Minuten, um einen oder mehrere Charaktere zu entwickeln und eine Geschichte zu erzählen – eine Serie nimmt sich dafür oftmals mehrere Jahre lang Zeit, was dazu führt, dass einem die Figuren immer mehr ans Herz wachsen und man sich ihnen regelrecht verbunden fühlt. Wie oft und intensiv ich schon mit meinen Serienprotagonisten gelitten, gelacht und gezittert habe, passt auf keine Filmrolle. Was aber keinesfalls auf einen Realitätsverlust meinerseits zurückzuführen ist – ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es diese Menschen nicht wirklich gibt, und habe auch noch nie (was tatsächlich passiert!) beim WDR angerufen, wenn in der Lindenstraße eine Wohnung frei wurde, und gefragt, ob ich dort einziehen kann, und wie viel die Miete kostet. Wenn solche Leute exemplarisch für den hiesigen Fernsehzuschauer stehen, wundert es mich nicht, dass 90 Prozent der deutschen TV-Produktionen auf Hirnamputierte abzielen und genau diese auch erreichen.

Mir geht es bei Filmen, Serien und natürlich auch Büchern einzig und allein darum, eine Geschichte erzählt zu bekommen, und zwar möglichst eine, die mir nicht bereits tausendmal erzählt wurde. Je länger diese Geschichte ist, desto besser, und die längsten, außergewöhnlichsten und faszinierendsten Geschichten erzählen mir nun mal Serien. Deshalb liebe ich sie so sehr, dass ich sogar ein Buch darüber schreibe.

Ursprünglich sollte dieses Buch meine 50 liebsten Serien beinhalten, doch nach dem Schreiben der ersten zehn Kapitel stellte ich fest, dass ich zu jeder einzelnen Serie doch mehr zu sagen hatte als angenommen. Deshalb haben der Verlag und ich beschlossen, die 50 Serien auf zwei Bücher (respektive Staffeln) zu verteilen. Wobei ich anfangs zugegebenermaßen doch leichte Zweifel hatte, ob die aus einer Laune heraus beschlossene Anzahl von 50 Serien nicht eventuell zu ambitioniert sein könnte. Nach einer ersten spontanen Auflistung stellte ich allerdings fest, dass ich den einen oder anderen Liebling eher würde streichen als krampfhaft suchen müssen – einer dritten oder sogar vierten Staffel stünde also nichts im Weg, falls die Quoten stimmen.

Niemand (und schon gar kein Serienjunkie) benötigt heutzutage ein nüchtern aufzählendes, mit statistischen Fakten beladenes Nachschlagewerk über TV-Serien – derartige Informationen decken bereits etliche Webseiten fachkundig und akribisch ab. Deshalb habe ich einen anderen Ansatz für dieses Buch gewählt, einen subjektiven, eher erzählenden als dokumentierenden, gespickt mit vielen Anekdoten über mein persönliches Leben als Serienjunkie. Und da ich weiß, dass ich nicht allein da draußen im Serienland bin, hoffe ich, dass dieses Buch meinen Leidenschaftsgenossen und denen, die es vielleicht noch werden wollen, ebenso viel Vergnügen bereiten wird wie mir.

»If you tell the truth about how you’re feeling, it becomes funny.«
Larry David

Jochen Till, Juli 2012

Oz

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Genre: Crime Drama/Dark Comedy
Laufzeit: ca. 55 min.
Erstausstrahlung: 12. September 1997 bis 23. Februar 2003
Sender: HBO
Schöpfer: Tom Fontana
Titelmusik: David Darlington/Steven Rosen

»There’s something in the air. And it ain’t love.«
Diane Wittlesey

»It’s not TV. It’s HBO« – selten drückte der Slogan eines TV-Senders dessen Programmpolitik treffender aus.

HBO (Home Box Office) ist ein amerikanischer Pay-TV-Sender, der seit 1972 ein Programm ausstrahlt, das in seiner Grundstruktur mit dem vergleichbar ist, was Sky in Deutschland anbietet. Allerdings gibt es bei HBO neben den üblichen Kinofilmen und exklusiven Sportereignissen auch selbstproduzierte Filme, Dokumentationen und Serien zu sehen. Und besonders die Serien bestechen immer wieder durch außergewöhnliche Themen, erstklassige Besetzungen und überirdisch gute Drehbücher. Das hat tatsächlich mit dem, was man qualitativ vom Medium Fernsehen gewohnt war, nichts mehr gemein. HBO hat die Fernsehserie revolutioniert und in nicht für möglich gehaltene Höhen des Anspruchs katapultiert. Während die erste Riege an Hollywoodschauspielern früher mit Rücksicht auf ihr Image nicht einmal tot in Verbindung mit jedweder TV-Produktion gebracht werden wollte, prügeln sich heutzutage Stars wie Dustin Hoffman oder Steve Buscemi schier darum, in einer HBO-Serie mitspielen zu dürfen. Selbiges gilt für Regisseure wie Martin Scorsese, Jonathan Demme oder Michael Mann, die sich alles andere als zu schade sind, um den einen oder anderen HBO-Pilot zu inszenieren. Und das einem im Vorspann Namen wie Tom Hanks oder Steven Spielberg als Produzenten entgegenblinken, ist auch keine Seltenheit mehr.

Sie alle haben erkannt, dass eine HBO-Serie ihnen jede Menge Freiheiten gewährt, die im engen Korsett eines Kinofilms so nicht gegeben sind. Die Freiheit, Charaktere und ihre Geschichten über einen längeren Zeitraum als die kinoüblichen 90 bis 120 Minuten zu entwickeln. Die Freiheit, dabei das Erzähltempo selbst zu bestimmen und mehr Wert auf Atmosphäre und Dialoge legen zu dürfen. Die Freiheit, nicht ständig das Damoklesschwert der wöchentlich drohenden Einschaltquoten im Nacken zu spüren. Da HBO ein Bezahlsender und somit nicht auf Werbegelder angewiesen ist, besitzen die Einschaltquoten dort (im Gegensatz zur Praxis in öffentlichen Sendern) wesentlich weniger Macht, über Leben und Tod einer Serie zu entscheiden. Beim Pay-TV-Konzept geht es um die Anzahl der Abonnenten (HBO hat aktuell über 28 Millionen davon), nicht darum, wie viele von ihnen tatsächlich einschalten. Das ist quasi wie bei mir mit dem Fitness-Studio. Denen ist es auch egal, ob ich nun siebenmal (noch nie passiert), einmal (ich versuche es zumindest) oder keinmal (kann schon mal vorkommen) pro Woche dort auftauche, solang ich meine monatliche Gebühr überweise. Eines steht fest: Als HBO-Abonnent würde meine Kosten/Nutzen-Rechnung wesentlich ausgeglichener ausfallen.

Die Tatsache, dass man als Pay-TV-Abonnent mindestens achtzehn Jahre alt sein muss, führt zu einer weiteren, von den Kreativen sehr gern und häufig genutzten Freiheit in Verbindung mit einer HBO-Serie: die Freiheit, oft und laut und in allen möglichen Variationen fuck zu sagen, ohne dass irgendein amerikanischer Sittenwächter seinen moralischen Zeigefinger in Richtung des in den USA viel zu locker sitzenden Piep-Knopfes ausstrecken darf. Oder cunt. Oder twat. Oder cocksucking-asslicking-motherfu… Piiiiiep! … Hey! Was soll das denn jetzt? Ich glaub, es hackt! Du verschiss… Piiiiiep! … Arschl… Piiiiep! … Verfluchte Schei… Piiiiep! … Okay, okay! Ich hör ja schon auf!

Mann, Mann, Mann! Es wird doch wohl noch erlaubt sein, in seinem eigenen Buch rein aus Anschauungsgründen ein ganz kleines bisschen zu fluchen. Wie bitte? Ist es nicht? Weil ich normalerweise Jugendbücher schreibe und somit die Gefahr besteht, dass jemand unter achtzehn es lesen und seelischen Schaden nehmen könnte? Zu schade, dass Sie auf die Hörbuchveröffentlichung warten müssen, um wirklich nachvollziehen zu können, wie laut und herzhaft ich gerade lachen musste. Sollten Sie Kinder haben und meinen, diese unbedingt vor unflätigen Schimpfwörtern beschützen zu müssen, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sie unverzüglich von der Schule zu nehmen. Ansonsten könnte es Ihnen ergehen wie der Oberstufenschülerin, die sich während ihres freiwilligen Dienstes in der Schulbibliothek eines Morgens einem Viertklässler gegenüber fand, der ein Buch zurückgeben wollte und dieses Ansinnen folgendermaßen kommentierte: »Ey, du Hure, hier ist das verfickte Buch.«

Nein, das ist kein Witz, ich hatte an dieser Schule an jenem Tag eine Lesung. Nein, dieser Junge war weder achtmal sitzengeblieben noch Hauptschüler, sondern ein zehnjähriger Gymnasiast. Und ja, dieser Vorfall gab mir sehr zu denken – bei dem Buch, das er zurückbrachte, handelte es sich nämlich unerklärlicherweise nicht um einen meiner Titel, was mich mindestens ebenso fassungslos und beleidigt zurückließ wie die Oberstufenschülerin. Aber glauben Sie mir, selbst sie hatte die zugegebenermaßen alles andere als salonfähigen Ausdrücke dieser halben Portion nicht zum ersten Mal gehört. Jedes Kind kennt sie und benutzt sie auch hin und wieder. Was es nicht unbedingt besser macht, aber ich bin ja schließlich nicht hier, um die Welt zu verbessern, sondern um meine Kraftausdrücke zu rechtfertigen und Ihnen die Angst zu nehmen, Ihr Sprössling könnte beim Lesen dieses Buches irreparable psychische Schäden davontragen, die ihn auf die schiefe Bahn und letztendlich als zu Recht verurteilten Schwerverbrecher für eine sehr lange Zeit hinter schwedische Gardinen bringen.

Womit wir auch endlich beim eigentlichen Thema wären – einem Haufen übelst fluchender Männer in einem Hochsicherheitsgefängnis (Oswald State Correctional Facility), das von seinen Insassen in Anlehnung an den Filmklassiker The Wizard of Oz nicht ohne Sarkasmus Oz genannt wird. Das berühmteste Zitat des Films lautet: »There’s no place like home.« Für den Schauplatz dieser ersten von HBO ab 1997 selbstproduzierten Serie wurde es in »It’s no place like home« umgewandelt.

Und genau das ist es, das absolute Gegenteil von dem, was man für gewöhnlich als Zuhause bezeichnet. OzOz