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Hernán Cortés (1485-1547)

kam als Sohn armer spanischer Adeliger zur Welt. Schon früh war er fasziniert von den Entdeckungsreisen des Christoph Kolumbus. Nachdem er sein Studium in Salamanca abgebrochen hatte, arbeitete er kurzfristig als Jurist, bis er schließlich in den Kriegsdienst eintrat und seiner Berufung als Soldat und Eroberer folgte.

Hermann Homann

ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher aus dem Gebiet der Reiseliteratur. In der Edition Erdmann editierte er die Originaldokumente zum Fall der Meuterei auf der Bounty.

Zum Buch

Dass die Geschichte zuweilen einem Blutbad gleicht, kann man sich exemplarisch anhand der Aufzeichnungen des Konquistadoren Hernán Cortés vor Augen führen. Zweifellos ein fähiger Feldherr, war ihm und seinem Gefolge bei der Eroberung des aztekischen Großreiches mehr als nur ein Quäntchen Glück beschieden: Die Prophezeiung des einheimischen Kalenders gibt den Spanier als Nachfolger der ,Weißen Gottheit’ aus und veranlasst den Aztekenkönig Moctezuma ihm ohne große Gegenwehr den Einzug in die Reichshauptstadt Tenochtitlán zu gewähren. Hier genießen die Eroberer die aztekische Gastfreundschaft, doch dauert es nicht lange, bis die Lage eskaliert: Die Spanier setzen Moctezuma gefangen und lassen ihn als Marionette weiterregieren. Als die stolzen Eingeborenen schließlich aufbegehren und ihr König im Handgemenge den Tod findet, entfesseln sie die spanische Kriegsmaschinerie und es dauert zwei qualvolle Jahre, bis die Hauptstadt endgültig fällt.

Wie auch immer die Nachwelt über die Taten von Hernán Cortés urteilen mag, seine beeindruckende Tapferkeit und seine machiavellistische Intelligenz machen den Spanier ohne Zweifel zu einem der größten Eroberer der Weltgeschichte. Cortés‘ Berichte von den Eroberungsfeldzügen in Mexiko bemänteln seine mitunter äußerst brutalen Unterjochungsmanöver nicht ohne Grund, der Wahrheitsgehalt einiger Passagen wurde durch die Forschung mittlerweile stark in Frage gestellt, und so kommen in dieser Ausgabe auch andere Augenzeugen zu Wort – etwa in den Gegendarstellungen des legendären spanischen Chronisten Bernal Díaz del Castillo, der ein Weggefährte von Cortés war.

Trotz ihrer beschönigenden Einseitigkeit gehören die Schilderungen des vielleicht bedeutendsten Konquistadors der spanischen Krone wegen der unmittelbaren und detaillierten Beschreibung des Aztekenreiches zu den faszinierendsten Werken der Entdeckungsliteratur.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Hernán Cortés (Nach einem Gemälde im Hospital der Unbefleckten Empfängnis in Mexiko)

Hernán Cortés

Die Eroberung

Mexikos

Eigenhändige Berichte an Kaiser Karl V.

1520 – 1524

Neu herausgegeben und bearbeitet

von Hermann Homann

Mit 26 zeitgenössischen

Darstellungen und einer Karte

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013

Der Text basiert auf der Ausgabe Edition Erdmann, Wiesbaden 2012

Lektorat: Stefanie Evita Schaefer, marixverlag GmbH

Korrekturen: David Zettler, marixverlag GmbH

Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH

nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München

Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin

eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0284-0

www.marixverlag.de

INHALT

Vorbemerkung zur Edition

Hernán Cortés – Entdecker und Eroberer Mexikos

Jugendjahre in einer bewegten Zeit – Konquistadoren ohne Glück – Ein großes Unternehmen unter Hernán Cortés – Landung auf Cozumel und Yucatán – An den Grenzen des großen Reiches

Bericht vom 30. Oktober 1520

Erstes Kapitel

Hinweis auf den ersten Bericht – Lob des neuentdeckten Landes – Entschuldigung etwaiger Unvollständigkeit des Berichtes

Zweites Kapitel

Aufbruch nach Cempoala – Meuterei des Juan Escudero und seiner Genossen – Zerstörung der Schiffe

Drittes Kapitel

Gefangennahme einiger Leute von der Expedition des Francisco de Garay – Erste Nachrichten vom Fluss Pánuco

Viertes Kapitel

Abmarsch von Cempoala – Überschreitung des ersten und zweiten Cordillerenpasses – Missglückter Bekehrungsversuch

Fünftes Kapitel

Einmarsch in die Republik Tlaxcala – Harte Kämpfe mit den Tlaxcalteken – Mutlosigkeit der Spanier – Schlussendlicher Sieg

Sechstes Kapitel

Einzug in die Stadt Tlaxcala – Gesandtschaft Moctezumas – Cortés nutzt die Feindschaft zwischen Mexiko und Tlaxcala

Siebtes Kapitel

Marsch nach Cholollan – Pomphafter Empfang und Hinterlist – Niederwerfung und Versöhnung – Beschreibung der Stadt

Achtes Kapitel

Verhandlungen mit Gesandten Moctezumas – Besteigung des Popocatépetl – Erster Blick ins Tal von Tenochtitlán

Neuntes Kapitel

Moctezumas Gesandte fordern zur Umkehr auf – Weitermarsch und Einzug in Iztapalapa – Aufbruch in die Hauptstadt von Mexiko

Zehntes Kapitel

Moctezuma empfängt Hernán Cortés – Einzug in die Quartiere – Moctezumas Willkommensrede und Antwort

Elftes Kapitel

Ermordung einiger Spanier in Veracruz – Quauhpopocas Verhaftung und Hinrichtung – Fesselung Moctezumas

Zwölftes Kapitel

Spanier auf der Goldsuche – Erkundung des Flusses Grijalva in Coatzacoalcos – Unterwerfung des Kaziken Tuchintecla – Erste Ansiedlung

Dreizehntes Kapitel

Rebellion des Fürsten Cacama von Texcoco – Gefangennahme und Absetzung Cacamas – Einsetzung des Nachfolgers

Vierzehntes Kapitel

Feierliche Unterwerfung Moctezumas und seiner Vasallen – Cortés verlangt kostbare Geschenke für seinen Kaiser

Fünfzehntes Kapitel

Beschreibung der Stadt Mexiko – Götzentempel und Menschenopfer – Beschlagnahmung des Haupttempels für den christlichen Gottesdienst

Sechzehntes Kapitel

Versorgung der Hauptstadt – Moctezumas Reichtum – Hofhaltung und Etikette im Palast des Herrschers

Siebzehntes Kapitel

Ankunft des Pánfilo de Narváez an der Ostküste – Cortés sucht Unterhandlungen anzuknüpfen – Sicherheitsmaßregeln

Achtzehntes Kapitel

Cortés marschiert zur Küste – Fruchtlose Unterhandlungen – Ein Anschlag des Narváez wird entdeckt

Neunzehntes Kapitel

Überrumpelung und Gefangennahme von Narváez – Die Mannschaft tritt zu Cortés über – Alarmierende Nachrichten aus Mexiko

Zwanzigstes Kapitel

Rückkehr nach Mexiko – Verlustreiche Kämpfe gegen eine Übermacht – Moctezuma wird tödlich getroffen – Brand des Haupttempels

Einundzwanzigstes Kapitel

Blutige Kämpfe – Eroberung einiger Brücken – Vorbereitung des Abzugs aus der Stadt – Die »Traurige Nacht«

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Mühseliger Rückzug – Hunger und Not – Schlacht und Sieg bei Otumba – Weitermarsch nach Tlaxcala – Furcht und Hoffnung

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Freundliche Aufnahme in Tlaxcala – Hiobspost aus dem ganzen Land – Gute Nachrichten aus Veracruz

Vierundzwanzigstes Kapitel

Cortés gibt nicht auf – Kriegszug nach Tepeaca – Gründung der Stadt Segura de la Frontera – Unterwerfung mehrerer Provinzen

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Gesandtschaft aus Oaxaca – Die Sachen stehen gut – Nachrichten aus Mexiko – Hilfe von Española – Cortés rüstet zum Kampf

Bericht vom 15. Mai 1522

Erstes Kapitel

Ein Schiff des Garay strandet – Mannschaftszuwachs – Abmarsch nach Cholollan – Bau von Brigantinen in Tlaxcala – Expedition übers Gebirge

Zweites Kapitel

Einnahme von Texcoco – Expedition nach Iztapalapa – Otumba unterwirft sich – Kämpfe um Chalco – Durchstechung eines Dammes

Drittes Kapitel

Transport der Brigantinen – Züchtigung eines Dorfes, in dem Spanier ermordet wurden – Ankunft der Brigantinen in Texcoco

Viertes Kapitel

Tacuha wird geplündert und in Brand gesteckt – Sandoval steht Chalco bei – Ankunft neuer Schiffe – Neue Pferde und Krieger

Fünftes Kapitel

Einnahme zweier Felsenhügel – Sturm auf ein Felsendorf – Kämpfe um Xochimilco – Cortés wird aus großer Gefahr errettet

Sechstes Kapitel

Siegreiche Gefechte – Gefangennahme und Opferung zweier Spanier – Cortés rächt die Spanier – Gute Nachrichten von Verschollenen

Siebtes Kapitel

Stapellauf der dreizehn Brigantinen – Cortés mustert seine Truppen und feuert sie an – Hilfsvölker aus Tlaxcala und Cholollan

Achtes Kapitel

Beginn der Belagerung – Unterbrechung der Wasserleitung – Sieg der Brigantinen – Vorrücken auf dem Damm – Eroberung zweier Türme

Neuntes Kapitel

Einschließung der Stadt – Cortés dringt bis zum Haupttempel vor – Rückzug und neuer Angriff – Harte Kämpfe – Verbissene Abwehr

Zehntes Kapitel

Sturm von drei Seiten – Niederlage der Spanier – Opferung von gefangen genommenen Spaniern

Elftes Kapitel

Kriegszüge in die Umgebung – Tapfere Tlaxcalteken – Hilfe für die Otomiten – Scheinkapitulation der Mexikaner

Zwölftes Kapitel

Nachschub aus Veracruz – Zerstörung der eroberten Stadtteile – Die Feinde geraten in einen Hinterhalt – Hungersnot in der Stadt

Dreizehntes Kapitel

Fortschreitung von Angriff und Zerstörung – Vergebliche Aufforderung zum Frieden – Entsetzliche Not der Belagerten – Letzter Angriff

Vierzehntes Kapitel

Gefangennahme des Aztekenherrschers – Cortés verlässt die verpestete Stadt – Teilung der Beute – Unterwerfung von Michoacán

Fünfzehntes Kapitel

Zwei Spanier dringen zum Stillen Ozean vor – Unterwerfung einiger Völker – Wiederaufbau von Mexiko – Machtausdehnung

Sechzehntes Kapitel

Ankunft und Abfertigung eines Bevollmächtigten – Villafañas Aufruhr – Abermalige Besteigung des Popocatépetl – Schluss

Bericht vom 15. Oktober 1524

Erstes Kapitel

Expedition zum Coatzacoalcos – Unterwerfung und Rebellion – Niederlage bei Colima – Kolonisation in Oaxaca – Mangelnde Ordnung

Zweites Kapitel

Ankunft eines Unruhestifters – Cortés‘ Kriegszug zum Pánuco – Gründung einer Kolonie – Häutefund von ermordeten Spaniern im Tempel

Drittes Kapitel

Streifzüge mit wechselndem Glück – Eine Amazoneninsel – Planung großer Expeditionen – Abermalige Ankunft des Francisco de Garay

Viertes Kapitel

Verhandlungen mit Garay – Zusammenkunft beider Befehlshaber – Zügellose Soldaten – Empörung am Pánuco – Tod des Garay

Fünftes Kapitel

Furchtbares Strafgericht am Pánuco – Feuertod für vierhundert Indianer – Beginn der Expeditionen nach Honduras und Guatemala

Sechstes Kapitel

Unterjochung wilder Bergvölker – Bau von vier Schiffen im Hafen von Zacatula – Fortschritte beim Wiederaufbau Mexikos

Siebtes Kapitel

Cortés organisiert die Stückgießerei und Pulverfabrikation – Reise zur Ostküste – Suche nach der Durchfahrt zum Stillen Meer

Achtes Kapitel

Kostenerstattung – Gelder und Kostbarkeiten für Kaiser Karl V. – Neue Intrigen des Diego Velázquez

Neuntes Kapitel

Vorschläge für das Missionswesen – Ordnung der kirchlichen Hierarchie – Verwendung des Zehnten für das Kirchenwesen

Zehntes Kapitel

Aufhebung des Ausfuhrverbots von Kuba und Española – Einfuhr von Pflanzen und Sämereien – Treuegelöbnis – Ende des Berichts

Nachwort: Ein sinkender Stern

Gewagte Unternehmungen – Der Tod des letzten Aztekenherrschers – Intrigen in der Hauptstadt – Streit um die Statthalterschaft – Der Eroberer reist nach Spanien – Anarchie und Willkürherrschaft – Expeditionen in die Südsee – Die Reise ohne Wiederkehr

Quellennachweis

VORBEMERKUNG ZUR EDITION

Die drei Berichte des Eroberers Hernán Cortés, die den Hauptteil dieses Buches bilden, sind der ältesten deutschen Ausgabe entnommen: »Drei Berichte des General-Kapitäns von Neu-Spanien Don Fernando Cortés an Kaiser Karl V. Aus dem Spanischen übersetzt von Dr. Carl Wilhelm Koppe. Königl. Preuß. Geh. Regierungs-Rath. Berlin 1834. Verlag von Theodor Chr. Fr. Enslin.«

Die in den Text der Briefe eingefügten Ergänzungen und Gegendarstellungen stammen vorwiegend von dem »bis zum heutigen Tag als Spaniens größter Chronist« (Madariaga) geltenden Mitkämpfer Bernal Díaz, d. h. aus den »Denkwürdigkeiten des Hauptmanns Bernal Díaz del Castillo, oder wahrhafte Geschichte der Entdeckung und Eroberung von »Neu-Spanien«, von einem der Entdecker und Eroberer selbst geschrieben, aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzt von Ph. J. von Rehfues, Kurator der Bonner Universität. 4 Bände. Bonn, bei Adolph Marcus. 1838.«

Unter den neueren Werken sei hervorgehoben das ausgezeichnete historisch-biographische Werk »Cortés, Eroberer Mexikos« von Salvador de Madariaga (Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München-Zürich 1960), dem außer mancher Einzelheit insbesondere die einheitliche neuzeitliche Schreibung der mexikanischen und spanischen Namen angeglichen wurde, wie Hernán Cortés und Moctezuma.

Sämtliche kursiv gehaltenen oder mit eckigen Klammern versehenen Passagen sind zitierende oder erläuternde Anmerkungen des Herausgebers (Anm. d. Verl.).

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Aztekischer Kalenderstein (Fundort im Bezirk des Haupttempels von Tenochtitlán. Durchmesser 3,60 Meter, Gewicht 24 Tonnen.)

HERNÁN CORTÉS – ENTDECKER UND EROBERER MEXIKOS

Jugendjahre in einer bewegten Zeit – Konquistadoren ohne Glück – Ein großes Unternehmen unter Hernán Cortés – Landung auf Cozumel und Yucatán – An den Grenzen des großen Reiches

JUGENDJAHRE IN EINER BEWEGTEN ZEIT

Als Hernán Cortés zu seinem Eroberungszug nach Mexiko ausfuhr, war er dreiunddreißig Jahre alt, er stand also auf der Schwelle der Entwicklung vom draufgängerischen Heißsporn zum mutigen, überlegenen Führer, und die Geschichte seiner Taten zeigt denn auch, dass er ein wahrer Held und zugleich ein kluger, falls erforderlich sogar listenreicher Staatsmann war. In Medellín, einer Stadt in der spanischen Provinz Estremadura, der Heimat vieler Abenteurer und Konquistadoren, wurde er als Sohn eines Hidalgos, des Gutsbesitzers Martín Cortés de Monroy, geboren. Seine Mutter war Doña Catalina Pizarro Altamarino, deren Titel auf einen höheren Adelsrang hinweist. Hernán wuchs in recht kargen Verhältnissen auf, aber in einer Zeit, als Spanien sich nach siebenhundertjährigem wechselndem Geschick zur endgültigen Befreiung von der Herrschaft der Mauren anschickte, und der siebenjährige Knabe wird sicher mit heißem Herzen die Eroberung Granadas und damit das Ende des letzten Maurenreiches auf der iberischen Halbinsel mitverfolgt haben.

Noch mehr aber beeindruckten den Knaben wie die ganze spanische Jugend die im Jahr 1492 unternommene Reise des Christoph Kolumbus und die Entdeckung Amerikas. Als Kolumbus sich mit sechs Schiffen auf der dritten Reise befand, wurde der vierzehnjährige Hernán Cortés auf die berühmte Universität Salamanca geschickt, um Rechtswissenschaft zu studieren. Nach zwei Jahren brach er das Studium ab, ohne das Baccalauréat, den niedrigsten akademischen Grad, erreicht zu haben. Immerhin hatte aber seine zweifellos ungewöhnliche Begabung ihn dahin gebracht, dass er lateinischen Disputationen folgen und Reden halten konnte und sich später bei juristischen Fragen außerordentlich geschickt zeigte.

Nach Hause zurückgekehrt, stand der junge Hidalgo nun am Scheideweg zwischen Jurisprudenz und Waffendienst, und er entschied sich für das Soldatenleben. Aber auch hier boten sich zwei Wege: der eine führte nach Italien, wo der berühmte Feldherr Gonzalo de Córdoba, »el gran capitán«, vor dem die Mauren 1492 in Granada kapituliert hatten, nun siegreich den spanischfranzösischen Feldzug um Neapel führte, der andere Weg wies in die Neue Welt, »deren Wunder, Gefahren und Schätze die Phantasie der spanischen Jugend damals mächtig erregten«, wie Bernal Díaz berichtet. Es traf sich gut, dass der gerade vom spanischen Hof ernannte Generalgouverneur Nicolás de Ovando mit einem Geschwader von dreißig Schiffen nach Española (Haiti) auslaufen wollte, und da Ovando ein Freund der Familie Cortés war, schien die Karriere des siebzehnjährigen Hernán unter solchem Protektorat gesichert. Aber der unglückliche Ausgang eines Liebesabenteuers machte dem jungen Hidalgo einen Strich durch die Rechnung. Als er auf dem nächtlichen Weg zu einer jungen Dame über eine brüchige Mauer stieg, brach diese zusammen und begrub den Galan unter sich. Der Eigentümer stürzte aus seinem Haus und würde in seiner Wut den Burschen erdolcht haben, wenn eine alte Frau ihn nicht daran gehindert hätte. Hernán konnte entweichen, musste aber wegen seiner Verletzungen und wegen der »Malaria quartana« das Bett hüten – und die große Flotte davonsegeln lassen.

Bis zur nächsten günstigen Gelegenheit, in die Neue Welt zu reisen, ließ Hernán Cortés nun zwei volle Jahre verstreichen, und seine Biographen schweigen darüber, was er in dieser Zeit getrieben haben mag.

Zu Beginn des Jahres 1504 begab sich endlich der nun neunzehnjährige Hernán Cortés in Sanlúcar auf eins der fünf Schiffe eines kleinen Geschwaders, das mit Waren für Española aus laufen sollte. Die Schiffe erreichten ungefährdet La Gomera auf Teneriffa, wo alle spanischen Geschwader befehlsgemäß Station machen und sich sammeln mussten, wenn sie durch Sturm oder andere Gefährdungen auseinandergeraten waren. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Proviant und Wasser eingenommen. Der Kapitän Alonso Quintero wollte nun mit seinem schnelleren Schiff, auf dem sich auch Hernán Cortés befand, den anderen davonsegeln, um als erster seine Waren mit größerem Gewinn absetzen zu können, er geriet aber in einen Sturm und musste mit gebrochenem Mast nach La Gomera zurückkehren. Die anderen Kapitäne warteten nun, bis die Havarien beseitigt waren, und fuhren dann gemeinsam aus.

Ein günstiger Wind verleitete Quintero, sich in der Nacht wieder auf und davon zu machen, diesmal versagte jedoch sein Steuermann Francisco Niño aus der angesehenen Familie in Palos, die zur ersten Reise des Kolumbus das Schiff »Niña« beigesteuert hatte. Seine Fähigkeiten scheinen nicht groß gewesen zu sein, denn er verlor so völlig die Orientierung, dass das Schiff wochenlang umherkreuzte, so dass Proviant und Wasser fast zur Neige gingen. Hinzu kam die Furcht, womöglich bei den Menschenfressern zu landen, aber in der höchsten Not erschien am Osterabend eine Taube und setzte sich auf den Mast, was für die gläubigen Spanier nichts anderes als ein Zeichen des Himmels war. Als die Taube weiterflog, folgte der Steuermann ihrer Richtung und sichtete nach wenigen Tagen Land. Er schwor, dass es das Kap Samaná auf Española sei, und soll gesagt haben: »Wenn es nicht stimmt, dann schlagt mir den Kopf ab und werft meinen Leib in den Kochkessel!« Nach wenigen Tagen lief das Schiff wirklich in den Hafen von Santo Domingo auf Española ein, aber groß war die Enttäuschung des Kapitäns Quintero, als er die vier anderen Schiffe sah, die bereits eingetroffen waren und ihre Waren auf den Markt geliefert hatten.

Enttäuscht war sicher auch Hernán Cortés, als er erfuhr, dass der Adelantado (Statthalter und Oberrichter) Ovando nach Santiago abgereist sei, aber der Gubernialsekretär Medina nahm ihn freundlich auf, nicht zuletzt wegen der mitgebrachten Empfehlungsschreiben, und als der Gouverneur zurückgekehrt war, übertrug er seinem Schützling das Amt eines Ratsschreibers in der neugegründeten Stadt Azua. Cortés erhielt nach den Gesetzen der Konquista Land und Sklaven zugeteilt und verwaltete nun Amt und Gut fast sechs Jahre lang.

KONQUISTADOREN OHNE GLÜCK

Hernán Cortés war ein tüchtiger und gewandter Notar, der unter den besitzhungrigen Siedlern und besitzlosen Abenteurern reichlich zu tun hatte, aber Bernal Díaz, sein späterer Mitstreiter und bester Chronist der Eroberung Mexikos, berichtet auch, dass er es »munter mit den Frauen getrieben habe und deshalb mehrmals mit streitbaren Männern in Händel geraten sei«. Als Cortés schließlich das beschauliche Leben auf der Insel satt hatte und eine Konquista in Richtung der Landenge von Panama mitmachen wollte, musste er zurückbleiben, da er, wie Cervantes de Salazar berichtet, an schmerzhaften Bubonen in den Beinen litt, womit »Indianerfrauen ihre Besucher noch häufiger anstecken als Spanierinnen«.

So verpasste Hernán Cortés noch zwei weitere Expeditionen, einmal die des verwegenen Konquistadors Alonso de Hojeda, eines Kampfgefährten von Kolumbus auf dessen zweiter Reise. Hojeda segelte im Jahr 1509 mit dreihundert Mann und zwölf Pferden zur Bucht von Maracaibo. Andauernde Kämpfe mit den Indianern, dazu Hunger und Seuchen rieben die Mannschaft immer mehr auf, bis Hojeda beschloss, heimwärts zu segeln. Das Schiff strandete jedoch bei Kuba, und nach einem langen, strapazenreichen Marsch über Land wurde er mit dem Rest seiner Mannschaft von einer Karavelle aufgenommen, die Pánfilo de Narváez befehligte, derselbe, der später eine verhängnisvolle Rolle gegen Hernán Cortés spielen sollte. Alonso de Hojeda starb bald nach seiner Rückkehr auf Santo Domingo in völliger Armut, so dass nicht einmal sein Begräbnis bezahlt werden konnte.

Unterdessen war auch die andere Expedition, die Diego de Nicuesa mit siebenhundert Mann und sechs Pferden nach Darién unternommen hatte, völlig gescheitert. Cortés berichtet, dass der Kapitän eines Hilfsschiffes die letzten Überlebenden – vierzig Mann – »ausgetrocknet vom schlimmsten Hunger, schmutzig und scheußlich anzusehen« auffand. Nicuesa wurde mit seinen Schicksalsgenossen in eine Schaluppe gesetzt, die aber nie ihr Ziel erreichte. In diese Zeit fiel auch die Eroberung der Insel Puerto Rico, die Christoph Kolumbus bereits 1493 entdeckt hatte. Als dessen Sohn Don Diego Colón nach jahrelangen Bemühungen endlich seine Erbansprüche durchgesetzt und die Würde des Vizekönigs von Indien erhalten hatte, landete er im Juli 1509 mit einem großen Geschwader in Santo Domingo und brachte im Gefolge seiner Gemahlin auch einige junge Damen mit, die den Edlen der Inseln als Gattinnen zugedacht waren.

Der Vizekönig gab nun den Befehl zur völligen Eroberung der Insel, die noch im gleichen Jahr mit solcher Härte durchgeführt wurde, dass von der eingeborenen Bevölkerung nur ein Rest überlebte. Auch diesmal reizte es Hernán Cortés noch nicht zu kriegerischen Taten und vermutlich interessierten ihn wohl mehr die adligen Damen des Gefolges, von denen er auch wirklich eine, Catalina Xuárez, später zur Frau nahm.

Im Jahr 1511 beschloss der Vizekönig, die noch kaum besiedelte Insel Kuba völlig zu erobern, und er beauftragte mit dieser Aufgabe Diego Velázquez, einen der reichsten und angesehensten Männer aus seinem Gefolge. Als Velázquez mit dreihundert Mann nach Kuba übersetzte, war Hernán Cortés endlich dabei, jedoch nicht als Truppenführer, sondern als Sekretär und Berater des neuernannten Gouverneurs, wozu er sich zweifellos als Stadtsekretär und Notar von Azua qualifiziert hatte. An den kriegerischen Operationen nahm er nicht teil, aber er bewährte sich als Berater und Schatzmeister des Feldherrn. Bald traf von Jamaica zur Verstärkung eine Truppe von dreißig Bogenschützen unter Pánfilo de Narváez ein. In Begleitung Narváez’ befand sich Fray Bartolomé de Las Casas, der später als »Apostel der Indianer« einen leidenschaftlichen Kampf gegen die Sklaverei und Ausrottung der Eingeborenen führte.

Narváez übernahm als Feldhauptmann anstelle des fettleibig gewordenen Velázquez die nicht allzu schwierige Eroberung der Insel, während der sechsundzwanzigjährige Cortés sich die Gunst des Gouverneurs in dessen Gefolge errang, wo er sich »verschlagen und vorsichtig zeigte, doch noch nicht so weise und tüchtig wie später unter schwierigen Umständen«, wie Las Casas berichtet. So war es gewiss recht unklug, dass Hernán Cortés sich auf die Seite der Gegner des dicken Gouverneurs schlug, der je nach persönlicher Gunst und aktueller Laune die Ländereien und Sklaven verteilte.

Die heimlichen Feinde des Gouverneurs beschlossen, sich beim Obersten Gericht auf Española zu beschweren, und Cortés erbot sich, die Beschwerdeschrift dorthin zu bringen. Als er aber gerade im Begriff war, ein Boot zu besteigen, mit dem er die Meerenge zwischen Kuba und Haiti überqueren wollte, wurde er verhaftet und in Ketten gelegt. Nur der Fürbitte seiner Freunde hatte er es zu verdanken, dass der Gouverneur ihn nicht hängen ließ, wie es durchaus der Brauch war.

Der verwegene Cortés blieb aber nicht lange im Gefängnis eingesperrt, »er zerbrach die Fesseln, entriss dem Wärter Schwert und Schild, ließ sich durch das Fenster hinab und floh in eine Kirche«, wie der Chronist Gomara, sein späterer Hauskaplan, berichtet. Er hielt es aber nicht lange in der kirchlichen Freistatt aus, und als der Frauenheld sich vor der Kirche mit Catalina Xuárez traf, einer der edlen Damen aus dem Gefolge der Vizekönigin, wurde er von einem Trupp Soldaten unter Juan Escudero überwältigt und gefangen genommen. Derselbe Escudero nahm sieben Jahre später an dem Eroberungszug nach Mexiko teil, wurde aber in Veracruz wegen Meuterei zum Tod verurteilt und gehängt.

Der Gouverneur ließ den Gefangenen auf ein Schiff bringen, um ihn nach Española zu schaffen und dort vor Gericht zu stellen. Aber wieder brachte Cortés es fertig, die Fesseln zu brechen, er gelangte unbemerkt auf das Schiffsdeck, stieg in ein Boot und ruderte an Land. Hier begab er sich zu Juan Xuárez und erklärte ihm, dass er seine Schwester Catalina heiraten wolle. Klugerweise begab er sich aber wieder in den Schutz einer Kirche und wartete dort, bis Xuárez zwischen Velázquez, der eine Schwester Catalinas heiraten wollte, und dem zukünftigen Schwager Hernán Cortés Freundschaft gestiftet hatte. Der dicke Gouverneur, offensichtlich nicht allzu nachtragend, ließ sich versöhnen und seine Gunst steigerte sich später sogar noch, als er Taufpate bei einer Tochter wurde, die Cortés geboren wurde, wozu Las Casas allerdings bemerkt: »Ich weiß nicht, ob von seiner Frau oder nicht.« Velázquez begünstigte die Wahl seines Schwagers Cortés zum Bürgermeister und Stadtrichter von Baracoa, das wenig später Santiago genannt wurde. In dieser mit Ländereien und Sklaven reich dotierten Stellung verblieb Hernán Cortés nun sechs Jahre.

Der Gouverneur von Kuba, Diego de Velázquez, suchte sich vom Vizekönig Don Diego Colón unabhängig zu machen. Er strebte danach, seine Stellung durch den spanischen Hof bestätigen zu lassen und damit unabsetzbar zu sein. Vorerst führte er auf Kuba den Hof eines mächtigen Fürsten und um Macht und Ansehen zu gewinnen versuchte er seine Herrschaft durch große Expeditionen in Richtung Festland zu erweitern und vor allem von den sagenhaften Schätzen jener Länder einen Großteil zu gewinnen.

Er schickte, allerdings mit wenig Glück, zwei Expeditionen aus. Am 8. Februar 1517 segelte eine Flotte von drei Schiffen unter dem Befehl von Francisco Hernández de Córdoba westwärts, geriet aber in einen fürchterlichen Sturm und sichtete erst nach drei Wochen die Küste von Yucatán. Als die Spanier an Land gingen, um Wasser zu holen, wurden sie von einer Übermacht von Indianern angegriffen, die immer wieder riefen: »Al Calachoni! Al Calachoni! – Schlagt den Hauptmann tot!« Mehr als fünfzig Spanier wurden getötet, die Übrigen retteten sich mit Mühe auf die Schiffe, mussten aber eins davon in Brand setzen, weil nicht mehr genügend Hände an Bord waren, um die Segel zu bedienen. Die Expedition wurde abgebrochen und als die Schiffe endlich in Havanna ankamen, begab sich der Hauptmann Córdoba sogleich auf sein Gut, wo er zehn Tage später an seinen Wunden starb.

Die Schiffe segelten weiter nach Santiago, wo der Statthalter Velázquez residierte, dessen Habgier durch ein mitgebrachtes Kästchen mit goldenen Götzen und anderen Figuren mächtig angeregt wurde. Als nun auch noch zwei aus Yucatán mitgebrachte Indianer, die auf die Namen Melchorillo und Juanillo getauft worden waren, entgegen der Wahrheit berichteten, dass es in Yucatán Goldbergwerke gebe, rüstete er eine neue Expedition von vier Schiffen unter dem Generalkapitän Juan de Grijalva und den Kapitänen Pedro de Alvarado, Francisco de Montejo und Alonso Dávila aus. Sie erreichte nach zwei Wochen die Insel Cozumel und eine Woche später die Küste von Champotón, wo die erste Expedition ihre große Niederlage erlitten hatte. Diesmal aber gingen die Spanier mit überlegenen Waffen an Land und brachten die Häuptlinge mit Hilfe der Dolmetscher Melchorillo und Juanillo dazu, sich dem Kaiser als Oberherrn zu unterwerfen. Zur größten Enttäuschung der Spanier hatten jedoch die Geschenke der Indianer nur einen geringen Goldwert, umso mehr Hoffnung weckte die Mitteilung, »gegen Sonnenuntergang gebe es ein Land, wo sich Gold in großer Menge finde, dabei wiederholten sie immer wieder die Worte Culúa und Mexiko«.

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Feindseliger Empfang der Spanier in Yucatán

(Nach einer zeitgenössischen Darstellung)

Grijalva segelte nun weiter, um das Goldland zu suchen. Als er in einer Bucht mit seiner ganzen Mannschaft an Land ging, traf er unter den Häuptlingen zum ersten Mal auf einen Statthalter Moctezumas, des Aztekenherrschers, der ihn mit Ehrerbietung empfing. Die Spanier tauschten, was ihnen die Hauptsache zu sein schien, Glasperlen und anderen Flitterkram gegen Gold und Goldwaren ein. Grijalva nahm das Land förmlich in Besitz, während der Statthalter alles Gesehene auf Sisaltücher malen ließ, die dem fernen Herrscher vorgelegt werden sollten. Da Grijalva nun eine Stadt gründen wollte, wozu ihm jedoch die Mittel fehlten, schickte er Pedro de Alvarado mit dem eingetauschten Gold nach Kuba zurück, wo er von dem bereits recht besorgten Gouverneur mit größter Freude empfangen wurde. Alvarado erzählte nachher, dass Velázquez ihn unaufhörlich umarmt und geküsst habe und dass die Freudenfeste und Ritterspiele acht Tage gedauert hätten. Der Generalkapitän Grijalva gelangte unterdessen bis Tampico, dann kehrte er um, jedoch nicht ohne häufiger zu landen und Tauschhandel zu treiben, der besonders am Fluss von Coatzacoalcos blühte, wo es den hochbeglückten Spaniern gelang, sechshundert goldglänzende Streitäxte einzutauschen. Als sie aber nach der Rückkehr in Santiago hervorgeholt wurden, zeigten sie sich gänzlich überlaufen, da sie aus Kupfer waren. Es fehlte nun nicht an Spott, aber auch nicht an Bewunderung, da die Expedition Grijalvas dem sagenhaften Goldland ohne Zweifel recht nahe gekommen war.

EIN GROSSES UNTERNEHMEN UNTER HERNÁN CORTÉS

Es ist nun eine schwer zu beantwortende Frage, warum Hernán Cortés diese beiden ebenso kühnen wie Erfolg versprechenden Expeditionen unbeteiligt ziehen ließ. Er war nicht einmal als Initiator oder auch nur als Nutznießer dabei, obwohl er ohne Zweifel die Vorbereitungen aus nächster Nähe erlebt hatte, da er zur Oberschicht der Insel gehörte und zum engsten Gefolge des Statthalters zählte. Nicht einmal die damals schon als rechte Haudegen und Abenteurer bekannten jungen Kapitäne hatten ihn zur Mitreise verlockt. Nun aber trat er auf den Plan – in das grelle und häufig auch unheilvoll flackernde Licht der Geschichte. Nun war – so kann man wohl ohne Übertreibung sagen – seine Stunde gekommen.

Diego Velázquez trug sich mit dem Plan, eine neue größere Expedition auszuschicken. Er war klug, wenn nicht sogar verschlagen genug, dass er sich aber zuerst um die Gunst am Hof bewarb, was durch einen seiner Kapläne, Benito Martínez, geschah, der ein gewandter Unterhändler war. Benito Martínez verhandelte so geschickt, dass er nicht nur die Erlaubnis zu weiteren Unternehmungen, sondern auch die für Diego Velázquez so wichtige Ernennung zum Adelantado von Kuba erwirkte. Diese Ernennungen kamen allerdings erst an, als die nächste Expedition längst unterwegs war.

Schwer zu verstehen ist nun, weshalb Velázquez gerade Hernán Cortés dazu auserwählte, das neue Unternehmen zu leiten. Gewiss hatte der Alkalde (Bürgermeister) von Santiago in seinem Amt und auch als enger Berater des Statthalters seine Verdienste errungen, sicher hatte er auch seine Entschlusskraft, staatsmännische Klugheit und eine edle männliche Haltung bewiesen, und nicht zuletzt fiel ins Gewicht, dass er ein Schwager des Gouverneurs war, wodurch Treue und Ehrlichkeit verbürgt zu sein schienen. Bernal Díaz weiß mehr darüber zu berichten, er zählte eine ganze Reihe von Bewerbern auf, »wir Soldaten wollten dagegen von keinem anderen wissen als von Juan de Grijalva, weil er ein tüchtiger Offizier und überhaupt ein Mann ohne Tadel war, der sich auf das Kommandieren wohl verstand. Während aber die Reden hin und her gingen, wurde die Sache in aller Stille zwischen zwei Vertrauten des Diego Velázquez, dem Sekretarius Andrés de Duero und dem königlichen Zahlmeister Amador de Lares, und Hernán Cortés abgemacht. Letzterer hatte ihnen versprechen müssen, allen Gewinn an Gold, Silber und Juwelen mit ihnen zu teilen, und dieser Gewinn konnte recht bedeutend werden. Duero und der Zahlmeister wandten nun all ihre Überzeugungskraft bei dem Statthalter an. Sie strichen Cortés bei jeder Gelegenheit heraus, rühmten seine Tapferkeit und erklärten ihn überhaupt zum tüchtigsten Mann für ein solches Kommando. Ihre Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg und Diego Velázquez ernannte Hernán Cortés zum Generalkapitän der Unternehmung. »Als diese Wahl bekannt wurde, gefiel sie dem einen, dem anderen aber nicht.« Die Gegner des Hernán Cortés wandten nun jedes Mittel an, ihn aus der Gunst des Gouverneurs zu verdrängen.

Hernán Cortés jedoch ging nach seiner Ernennung sogleich mit Tatkraft und Umsicht daran, die Schiffe auszurüsten, Waffen und Proviant zu beschaffen und Offiziere und Soldaten anzuwerben. Er verfuhr dabei recht umsichtig, aber auch großzügig, gab sein beträchtliches Vermögen dafür aus, belieh seine Besitzungen und veranlasste reiche Freunde, ihr Geld in das Unternehmen zu stecken. Dabei wich er dem Gouverneur kaum von der Seite und versicherte ihm immer wieder, dass er ihn reich und glücklich machen werde. Seine Feinde gewannen jedoch immer mehr Einfluss auf den misstrauischen Statthalter, besonders da Cortés nun begann, sich auch äußerlich den Anschein eines großen Herrn zu geben.

Als Hernán Cortés durch seine Freunde am Hof erfuhr, dass der Statthalter immer mehr dazu neigte, ihm das Kommando wieder zu nehmen, lief er aus dem Hafen Santiago aus, nachdem er sich in auffälliger Eile von dem überrumpelten Velázquez verabschiedet hatte. Wenige Tage später trafen die Schiffe im Hafen von Trinidad ein. Hernán Cortés ging an Land, stellte vor seinem Quartier die königliche Fahne auf, ließ Proviant und Waffen einkaufen und mit Pauken und Trommeln Offiziere und Soldaten anwerben. »In dieser Stadt schlossen sich noch sämtliche Alvarados an, nämlich der Hauptmann Pedro, seine Brüder Gonzago, Jorge, Gomez und ihr Bastardbruder Juan.« [Bernal Díaz] Dazu kamen noch viele Andere, »lauter Männer von Gewicht und Ansehen. Sie hatten alle in der Nähe der Stadt ihre Landgüter, wo sie Kassavebrot backen und Schweinefleisch einsalzen und mit anderem Proviant an Bord bringen ließen.« [Bernal Díaz] Es wurden Soldaten angeworben und Pferde eingekauft, und da der Reiter Puertocarrero nicht genug Geld für einen Grauschimmel besaß, gab Hernán Cortés die goldenen Borten seines Samtrocks dafür her.

Immer wieder kamen dem Generalkapitän glückliche Zufälle zu Hilfe, so als ein mit Brot und Salzfleisch für ein Bergwerk beladenes Schiff des Juan Sedeño eintraf, der sich von Cortés überreden ließ, ihm das Schiff samt Ladung zu verkaufen und die Unternehmung mitzumachen. Während all dieser Vorbereitungen platzte ein Schreiben des Gouverneurs Velázquez an den Alkalden Verdugo von Trinidad herein mit dem Befehl, Cortés zu verhaften und nach Santiago zu bringen. Ein anderes Schreiben ging an Diego de Ordás, den Velázquez zur Beobachtung des Generalkapitäns der Expedition zugeteilt hatte. Hernán Cortés aber zeigte nun sein diplomatisches Geschick, das fast an Verschlagenheit grenzte. Er besprach seine Pläne mit Diego de Ordás und gewann ihn dazu, den Alkalden Verdugo zu veranlassen, den Befehl des Gouverneurs nicht auszuführen und das Schreiben geheim zu halten. Ordás erklärte Verdugo, der ein Schwager des Velázquez war, dass Cortés dem Statthalter treu ergeben sei, außerdem habe er zu viele Soldaten auf seiner Seite, die für ihn kämpfen würden. Die ganze Stadt könne in den Streit verwickelt und sogar von den aufgebrachten Anhängern des Cortés geplündert werden. Der Alkalde Verdugo ließ sich überreden, während Pedro Laso, einer der Kuriere, sich sogar der Expedition anschloss. Der andere Kurier wurde mit einem Schreiben an Velázquez zurückgeschickt, in dem es hieß, dass Hernán Cortés nichts anderes im Sinn habe, »als Gott, Sr. Majestät und insbesondere dessen kaiserlichem und königlichem Namen ihm, dem Statthalter, zu dienen«.

Velázquez versuchte jedoch noch einmal, Hernán Cortés abzusetzen. Er schickte an Pedro Barba, seinen Stellvertreter an der Südküste Kubas, und an seine Verwandten und Anhänger in der Flotte dringende Schreiben, in denen er sie beschwor, die Schiffe nicht auslaufen zu lassen und Cortés gefangen zu nehmen und nach Santiago zu bringen. Der Kurier Garnica hatte aber auch das Schreiben eines Paters von den Barmherzigen Brüdern an dessen Ordensbruder Bartolomé de Olmedo, der zum Geschwader gehörte, mitgebracht, worin dieser von allem unterrichtet wurde und sein Wissen an Cortés weitergeben konnte. So erreichte der Gouverneur nur, dass sich die Anhänger des Generalkapitäns umso fester um ihn schlossen. Der Unterstatthalter Pedro Barba konnte denn auch nur an Velázquez berichten, dass er es nicht wagen dürfe, Cortés gefangen zu nehmen, weil er zu mächtig und zu beliebt bei seinen Offizieren und Soldaten sei. »Cortés schrieb auch selbst an Velázquez all die schönen Worte und Versprechungen, die er so wohl zu formulieren wusste. Er versicherte ihn seiner treuen Anhänglichkeit und meldete ihm, dass er am folgenden Tag die Segel setzen werde.«

LANDUNG AUF COZUMEL UND YUCATÁN

Der Generalkapitän hatte es nun recht eilig, auf die Reise zu gehen. In wenigen Tagen wurden die Waffen in Ordnung gebracht, wobei die Schmiede in der Stadt alle Hände voll zu tun hatten. Schließlich schlug Cortés den Schmieden vor, die Expedition zu begleiten, worauf sie bereitwillig eingingen. Er schickte ein Schiff zu einem Dorf, das dem Gouverneur gehörte und in dem Brot gebacken und Fleisch eingesalzen wurde. Das Kommando hierzu übergab Cortés dem Haushofmeister Diego de Ordás, der im Namen des Gouverneurs Verfügungen treffen konnte, außerdem schaffte der Generalkapitän ihn so bis zur Abreise aus seiner Nähe, da er ihm nicht recht trauen mochte.

Am 10. Februar 1519, nach einer feierlichen Messe, lief die Flotte mit neun Schiffen aus. Zwei Schiffe, die mit Ordás und Alvarado vorausgeschickt worden waren, sollten sich am Kap San Antonio wieder mit dem Gros vereinigen. Die elf Schiffe hatten eine Bemannung von fünfhundertacht Offizieren und Soldaten und hundert Seeleuten. Sechzehn Pferde waren auf die Schiffe verteilt worden, ebenso zehn Bronzekanonen und vier Feldschlangen. Zu den Soldaten zählten zweiunddreißig Armbrust- und dreizehn Büchsenschützen, die Übrigen kämpften nur mit Schwert und Tartsche. Um keine Zeit zu verlieren, beschloss Cortés, die Musterung seiner Streitkräfte auf Cozumel vorzunehmen.

Am Kap San Antonio stieß Diego de Ordás verabredungsgemäß zur Flotte, aber Alvarado fand sich nicht ein. Sein Schiff mit sechzig Mann, zu denen auch Bernal Díaz gehörte, war geradeswegs zur Insel Cozumel weitergesegelt. Als Alvarado dort mit seiner Truppe an Land ging, flohen die Indianer und er konnte nur vierzig Hühner und einige ziemlich wertlose Schmuckstücke erbeuten, außerdem zwei Indianer und eine Indianerin gefangen nehmen.

Als Cortés kurz darauf mit seiner Flotte eintraf, ließ er den Steuermann Comacho in Ketten legen, während er Alvarado als den eigentlich Verantwortlichen nur mit der Bemerkung zurechtwies, das sei nicht das rechte Mittel, die Länder friedlich zu gewinnen. Er mochte den Draufgänger, der ihm noch häufiger große Sorgen bereitete, wohl nicht verärgern. Cortés ließ den Gefangenen die geraubten Dinge zurückgeben und beschenkte sie für die bereits verzehrten Hühner mit spanischen Hemden. Dabei diente Melchorillo als Dolmetscher, Juanillo war bereits gestorben. Am nächsten Tag fand sich der Kazike mit vielen Indianern ein, »und sie gingen alle so zutraulich mit uns um, als wenn sie uns ihr ganzes Leben schon gekannt hätten. Cortés hatte aber auch den strengsten Befehl gegeben, ihnen nicht das geringste Leid zuzufügen. Überhaupt fing er auf dieser Insel sein Werk bereits kräftig an und der Herr gab auch seinen Segen dazu.«