Cover

Über dieses Buch:
Eigentlich wollte Irina nur drei Dinge in ihrem Leben: einen Mann, einen erfüllenden Job, einen Stall voller Kinder. Doch die bittere Wahrheit ist: Keiner ihrer Traummänner eignet sich zum Traumvater. Mittlerweile ist es zu spät für Kinder. Als ihr Kollege Oliver jedoch eine Aushilfsmama für seine vier Söhne sucht, schlägt Irinas Herz höher: Perfekt! Doch vier Jungs sind anstrengender als gedacht – und noch viel liebenswerter. Irina würde ihr Gastspiel zu gern verlängern, wäre da nicht die intrigante Viviane, die Olivers Herz in Beschlag nimmt …

Über die Autorin:
Annegrit Arens hat Psychologie, Männer und das Leben in all seiner Vielfalt studiert und wird deshalb von der Presse immer wieder zur Beziehungsexpertin gekürt. Seit 1993 schreibt die Kölner Bestsellerautorin Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher. Fünf ihrer Werke wurden für die ARD und das ZDF verfilmt.

Annegrit Arens veröffentlichte bei dotbooks bereits folgende Romane: »Der Therapeut auf meiner Couch«, »Die Macht der Küchenfee«, »Aus lauter Liebe zu dir«, »Die Schokoladenkönigin«, »Die helle Seite der Nacht«, »Wenn die Liebe Falten wirft«, »Bella Rosa«, »Weit weg ist ganz nah«, »Der etwas andere Himmel«, »Der geteilte Liebhaber«, »Wer hat Hänsel wachgeküsst«, »Venus trifft Mars«, »Süße Zitronen«, »Karrieregeflüster«, »Wer liebt schon seinen Ehemann?«, »Suche Hose, biete Rock«, »Kussecht muss er sein«, »Mittwochsküsse«, »Liebe im Doppelpack«, »Lea lernt fliegen«, »Lea küsst wie keine andere«, »Väter und andere Helden«, »Herz oder Knete«, »Verlieben für Anfänger«, »Liebesgöttin zum halben Preis«, »Schmusekatze auf Abwegen«, »Katzenjammer deluxe«, »Ein Pinguin zum Verlieben«, »Absoluter Affentanz«, »Rosarote Hundstage«, »Die Liebesformel: Ann-Sophie und der Schokoladenmann«, »Die Liebesformel: Anja und der Grüntee-Prinz«, »Die Liebesformel: Tamara und der Mann mit der Peitsche«, »Die Liebesformel: Susan und der Gentleman mit dem Veilchen«, »Die Liebesformel: Antonia und der Mode-Zar« und »Die Liebesformel: Ann-Sophie und il grande amore«.

Die Autorin im Internet: www.annegritarens.de

***

eBook-Neuausgabe September 2015

Copyright © der Originalausgabe 2007 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Julia Tim

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-318-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Ich liebe alle meine Männer« an: lesetipp@dotbooks.de (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Annegrit Arens

Ich liebe alle meine Männer

Roman

dotbooks.

Ich liebe alle meine Männer

Kapitel 1
Das Sonntagsloch

Ein Gewühl von Menschen und Einkaufstüten schob sich an Irina vorbei über den Wallrafplatz. Ein Heulsauger jagte durch den Haupteingang von Villeroy & Boch. Eine ältere Frau drückte einem Stadtstreicher ein in Silberpapier gewickeltes Butterbrot in die Hand. Ein Mann schleppte seine Protestwände vors Domforum. Zwei Nonnen kamen – Laptop unterm Arm – um die Ecke geschossen. Irina wich ihnen im letzten Moment aus und blieb an einer unbehandelten Holzstange des Protestlers hängen.

Fantastisch! Eine fette Laufmasche explodierte über ihrem linken Knie und verwandelte ihren Businesslook von jetzt auf gleich in eine Katastrophe. Sie sah auf die Uhr. Bis zu ihrem ersten Termin blieb ihr höchstens noch eine Dreiviertelstunde einschließlich Strumpfhosenwechsel.

Bis zu Kämpgen waren es nur ein paar Schritte, trotzdem hatte Irina das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Beim Gemüsehändler vor dem Weltstadthaus flog eine Ladung Bruchspargel haarscharf an ihr vorbei in eine Extrakiste. Sie durfte erst weitergehen, nachdem sie gut zwei Kilo 1a-Spargel als Entschuldigung angenommen hatte. Als Nächstes wollte der Blumenhändler vor der Antoniterkirche ihr unbedingt sechzig gelbe Rosen zum Sonderpreis von zehn Euro verkaufen. »Weil Sie es sind, und weil die Woche praktisch um ist!« Sie winkte ab und bekam eine Rose geschenkt.

Dann endlich hatte sie es geschafft.

Das Rauschen der Klimaanlage empfing sie, automatisch hielt sie ihren Rock fest. Keine zwei Meter trennten sie mehr von dem Drehständer mit ihrer Marke und ihrer Größe. Sie lag noch in der Zeit, alles wurde gut, hoffentlich. Sie klemmte sich Spargel und Rose unter den Arm und wollte gerade beim Farbton Champagner zugreifen, als ein Geräusch ertönte. Leise, beinahe unhörbar, überlagert von der üblichen Geräuschkulisse in solch einem Laden, wo Musik dudelte und Verkäufer auf potenzielle Kunden einredeten. Ein Kind, darauf hätte sie schwören können, ein Kind, das weinte, ein noch sehr kleines Kind. Irina ließ die Hand wieder sinken und drehte sich langsam um die eigene Achse. Kein Kind weit und breit und erst recht niemand, der es tröstete.

Pass nur ja gut auf, Irina Brandt! Jetzt hörst du schon Geister!

Nein, da war es schon wieder. Irrtum ausgeschlossen. Leise und dennoch durchdringend. Wie einem unsichtbaren Lockruf folgte Irina den Tönen und kam bei einem Wühltisch hinter der Treppe heraus. Zu sehen war noch immer nichts, dafür wurde das Weinen lauter.

»Hallo?«

Ein Schniefen antwortete ihr, dann bewegte sich etwas hinter den Söckchen und Füßlingen zum Sonderpreis.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Wo steckst du denn?«

Zwei fast waagerecht abstippende dünne Zöpfchen, die an Rasierpinsel in der Mauser erinnerten, tauchten auf. Die Haarklemmen waren poppig bunt, die weit aufgerissenen Augen rot vom Weinen, aus der Stupsnase lief ein Rinnsal direkt auf die Oberlippe zu.

»Meine Mama ist weg!« Eine winzige Zunge leckte über die Lippe. »Eben war sie noch da!«

Irina ging in die Hocke und durchforstete gleichzeitig ihre Tasche. Die Suche nach einem Taschentuch wurde von Spargel und Rose erschwert. »Dann bring ich dich zu ihr, okay?«

»Weißt du denn, wo meine Mama ist?«

»Wir finden sie schon.« Geschafft! Irina hielt dem Kind ein Taschentuch und die Rose hin.

Das Kind griff nach der Rose, schniefte noch einmal und kam zögernd aus seinem Versteck, es schob eine feuchte Kinderhand in ihre große Hand. Ein gutes, warmes Gefühl. Vielleicht wurde es ja doch ein guter Tag ...

Sie gingen nebeneinander her, um gemeinsam die Gänge abzusuchen. Irina hatte der Kleinen schon ihren Namen und die Beschreibung der Mutter entlockt, als Kim plötzlich stocksteif stehen blieb.

»Hast du auch ein Kind?«

»Nein, leider nicht.«

»Dann darf ich nicht mit dir mitgehen. Meine Mama sagt, ich darf, wenn ich mich mal verlaufe oder so, nur zu einer Mami gehen. Die anderen machen schlimme Sachen, die klauen sogar Kinder ...«

»Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben.« Wieder ging Irina in die Hocke, um auf Augenhöhe mit dem Mädchen zu sein und ihm besser erklären zu können, dass keineswegs alle kinderlosen Frauen böse Sachen anstellten. Was Kims Mutter möglicherweise falsch interpretierte. Auf einmal war sie da und riss ihre Tochter an sich. Ihre Augen funkelten wütend.

»Lassen Sie nur ja meine Tochter in Ruhe!«

»Aber ich wollte doch nur ...«

»Das sagen sie alle.«

***

Tuckerte der Glasaufzug schon immer derart langsam an der Backsteinfassade hoch? Irina bedauerte, nicht die Treppe genommen zu haben. Endlich gab es einen Ruck, und sie war am Ziel. Die eindrucksvolle Doppeltür aus Eiche ließ sich wie immer während der regulären Öffnungszeiten per Schnappmechanismus aufdrücken, der Türklopfer diente nur noch als Dekor. Am Empfang saß Anke, sie hob zuerst den Kopf und dann den Arm, an dem die Swatch-Uhr mit dem jeweils auf die Farbe der Fingernägel abgestimmten Band saß. Heute war Grün angesagt. Ein grasgrüner Nagel tippte auf das Zifferblatt.

»Du bist spät dran. Und du hast eine Laufmasche.«

»Danke, dass du mich dran erinnerst«, keuchte Irina. Trotz der Bummelfahrt im gläsernen Käfig war sie noch immer außer Atem. Sie war von Kämpgen bis zum Büro gerannt, und das keineswegs nur aus Zeitgründen. Wie ein Sittenstrolch auf der Flucht hatte sie sich gefühlt, dazu kam der Schock über ihr absolut unprofessionelles Verhalten. Sie als staatlich geprüfte Expertin für Fehlverhalten hatte ein wildfremdes Kind an die Hand genommen und getröstet, statt schnurstracks eine Lautsprecherdurchsage zu veranlassen: Die kleine Kim sucht ihre Mutter! Achtung, wir wiederholen ...! Die kleine Kim, protestierte es in Irina, war total verängstigt, und sie selbst war auch bloß eine Frau aus Fleisch und Blut. Allerdings keine Mutter.

Meine Mami sagt, ich darf wenn ich mich mal verlaufe, nur zu einer Mami gehen. Die anderen machen schlimme Sachen, die klauen sogar Kinder ...

über diesem Ausspruch aus Kindermund hatte Irina das Strumpfhosenproblem völlig vergessen. Bis jetzt.

»Hat dich etwa jemand in der Anlage belästigt? Diese kranken Typen werden immer dreister und quatschen dich unter den abartigsten Vorwänden an. Wenn du mich fragst, man sollte sie alle einsperren.«

»Ich hoffe, ihr besucht mich mal, wenn ich einsitze«, fiel Irina der Kollegin ins Wort, die stolz darauf war, als Einzige »in diesem Saftladen« weder studiert zu haben noch tagaus, tagein im Trüben nach verborgenen Stärken ihrer Mitmenschen fischen zu müssen. Anke herrschte über den Empfang, sämtliche Vorräte und die Liste mit jenen Telefonnummern, über die in kürzester Zeit alles von der Rostbratwurst bis zum Mehrgangdinner geordert werden konnte. Sie war durch nichts und niemanden aus der Fassung zu bringen, ihr Weltbild stand wie eine Eins, trotzdem wirkte sie jetzt einen Moment lang irritiert.

»Und was hast du verbrochen? Ich hoffe, du hast dich nicht schon wieder mit Oliver angelegt. Er kann schließlich nichts dafür, dass er nicht zum Säugen und Windelnwechseln geboren ist.«

»Damit haben wir wenigstens eine Gemeinsamkeit.«

»Das wäre eindeutig die falsche.«

»Ich denke, du bist so scharf drauf, dass ich mit dem armen Oliver leide, weil er sich schon ganze fünf Tage lang persönlich um die Frucht seiner Lenden kümmert? Nach Feierabend, versteht sich.«

»Aber im Gegensatz zu Oliver bist du eine Frau«, erinnerte Anke und malte Irinas Konturen grasgrün nach, zum Glück nur als Luftzeichnung. »Und mit deinen siebenunddreißig Jahren bist du sogar noch im gebärfähigen Alter.«

»Ob ein Richter das wohl als Entschuldigung gelten lassen würde?«

»Kommt drauf an, wofür.«

»Also, ich wollte mir eben nur rasch eine neue Strumpfhose kaufen ...«

»... das ist nicht nur erlaubt, sondern sogar ausgesprochen löblich«, fiel Anke ihr ins Wort.

»Kannst du mich vielleicht mal ausreden lassen? Es ist nämlich gar nicht erst so weit gekommen. Es war schrecklich. Sehe ich eigentlich wie eine aus, die kleine Kinder klaut?«

»Im Moment würde ich deine diebischen Gelüste jedenfalls bei Spargel ansiedeln.«

»Wo sie Recht hat, hat sie Recht.« Oliver Hengst besaß die unglaubliche Gabe, immer dann aufzutauchen, wenn er am wenigsten erwünscht war. »Du hast da übrigens eine ziemlich fette Laufmasche, Herzchen«, fuhr er fort. »Wenn ich du wäre, würde ich einen neuen Klienten so nicht empfangen.«

»Weißt du, wie aus 1a-Spargel Bruchspargel wird?« Irina hob das Bündel mit der geschenkten 1a-Ware hoch.

»Als 1a-Coach solltest du dich eigentlich etwas besser beherrschen können.« Ihr Kollege hob schützend beide Arme über den Kopf, gerade so als ob er auch nur eine Sekunde lang ernsthaft annähme, sie könnte ihre Drohung wahr machen. »Ach ja, der Chef will dich übrigens noch mal kurz sprechen.«

Dazu kam es jedoch nicht, weil Irinas neuer Klient zehn Minuten zu früh kam. Markus Stamm wirkte sehr unsicher, obwohl er, wie Irina wusste, in einem rasanten Tempo von ganz unten in eine Spitzenposition aufgestiegen war. Genau hier lag offenbar das Problem.

***

Jeder Coach im Team hatte seine eigene Philosophie und Arbeitsweise. Wenn man den Chef und Frank – der bis zur Fertigstellung seines zweiten Lebenshilfebuches nur noch periodisch einsprang – mitrechnete, waren sie sechs »Profi-Angler«, wie Anke das ausdrückte. Anke zählte ebenso wie Viviane, die sich um die laufende Buchhaltung und den Jahresabschluss kümmerte, extra. Die beiden hatten sich ein Büro gleich neben der Teeküche geteilt, bis Irina ihr altes Zimmer an Viviane abtrat und selbst in den schönsten und größten Raum von allen umzog, hier hatte zuvor der Chef residiert. Im Januar hatte Uwe Tené ihr den Wechsel überraschend angeboten, weil er selbst ohnehin die meiste Zeit außer Haus arbeitete. Er war der Spezialist für Gruppencoaching und besonders bei den Medienleuten stark gefragt.

Wie jedes Mal, wenn sie den Raum betrat, genoss Irina auch diesmal den Blick auf die Kirche St. Michael und die üppig begrünten Hinterhöfe ringsum. Sie konnte von ihrem Schreibtisch aus sogar die Domspitzen und bei klarer Sicht die Silhouette des Siebengebirges erkennen. Alles war nach ihren eigenen Wünschen hergerichtet worden. Die Vliestapete hatte die Struktur von Stoff und die Farbe von Vanilleeis. Es gab eine Palme, die bald die fast vier Meter hohe Stuckdecke erreicht hatte, eine Spiegelsäule mit Drehfuß und jeder Menge Technik im Bauch sowie insgesamt sechs Sitzgelegenheiten, von denen keine der anderen ähnelte. Der jeweilige Klient konnte und sollte sich aussuchen, von wo aus er am liebsten seinen Ballast abwarf und auf welchem Möbel er sich mit Irinas Hilfe auf seine Stärken besann. Viele fingen auf dem Klassiker aus schwarzem Leder an und endeten auf dem Hüpfball. Auch die Farbwahl verriet einiges.

Der größte Vorteil bei der Arbeit hier bestand jedoch darin, dass Irina eine Kamera mitlaufen lassen, hinterher alles in Ruhe analysieren und bei der nächsten Sitzung die besonders aufschlussreichen Sequenzen wiederholen konnte. Viele bekamen gar nicht so recht mit, wann etwas zum Problem wurde, dabei gab der eigene Körper in der Regel viele kleine Signale, sobald er anfing, sich unwohl zu fühlen.

Anders als die meisten ihrer männlichen Besucher – und es waren nun mal vor allem Männer, die sich bei ProFit coachen ließen – entschied sich ihr neuer Klient auf Anhieb für den Hüpfball, der das satte Orange und die Form eines Kürbisses nachahmte.

»Sie sind mutig«, meinte Irina und überlegte kurz, wie sie ihre Laufmasche am besten versteckte.

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Die meisten Ihrer Geschlechtsgenossen schrecken erst mal vor dem Hüpfball zurück. Der ist ihnen zu verspielt oder erinnert sie zu sehr an einen Besuch bei der Krankengymnastik.«

»Ich kriege erst Manschetten, wenn ich in eins von diesen Nobelrestaurants komme und keiner mich zur Kenntnis nimmt, höchstens wenn ich mit den Fingern schnipse oder pfeife, und das kommt bei unserer Kundschaft ausgesprochen schlecht an.«

»Und was sind das für Kunden?«

»Na ja, normalerweise fertigen wir für 1a-Bürohengste, wenn Sie wissen, was ich meine.«

Bei »1a« musste Irina automatisch an ihren Spargel denken, zu »Hengst« fiel ihr spontan ihr Kollege Oliver Hengst ein. Beides war in diesem Kontext wenig hilfreich.

»Und was fällt aus dieser Norm?«, hakte sie nach.

»Ich.« Dieses Wort kam wie aus der Pistole geschossen, gleichzeitig schoss der Hüpfball in die Höhe und titschte lautstark auf den Boden zurück. »Sorry, aber da sehen Sie es selbst. Ich komme aus der Produktion, ich habe bald fünfzehn Jahre lang nichts anderes getan, als mit meinen Kumpeln irgendwelche Kunstharze immer weicher und poppiger hinzukriegen. Für unsere Tastaturen, die man zerknuddeln und waschen kann, haben wir zig Designer-Preise kassiert, die Schickimickis rennen uns die Bude ein, und dann muss einer wie ich aus Langeweile oder Übermut noch eins draufsetzen.«

»Und was genau haben Sie draufgesetzt?«

»Versprechen Sie, nicht zu lachen?«

»Ich werde mir Mühe geben.«

»Ich habe eine Art Kondom für Klobrillen kreiert. Es passt locker in jede Damenhandtasche, ist im Nu sterilisiert und passend zu unseren Schutzhüllen für MP3-Formate oder iPods zu haben, so was machen wir nämlich auch.«

»Und das verkauft sich?«

»Die Japaner und Amis sind völlig verrückt darauf. Mittlerweile nicht nur die, diese Dinger liegen auf einmal voll im Trend.«

»Und Sie als der Erfinder ...«

»... ich darf beim Geldscheffeln helfen und im Übrigen die Suppe auslöffeln, die ich mir eingebrockt habe. Gegen einen warmen Geldsegen hab ich ja nichts ...«

»Okay! Dann erzählen Sie mir jetzt mal, ohne groß zu überlegen, wann und wo und wie Sie die Suppe auslöffeln, die Ihnen weniger gut bekommt. Versuchen Sie dabei bitte möglichst vor der Kamera zu bleiben.« Irina zeigte auf die Spiegelsäule mit der integrierten Kamera und lächelte aufmunternd. »Reden Sie einfach, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist!«

»Ich warne Sie.«

»Mich wirft so leicht nichts um.« Jedenfalls kein rüder Jargon, ergänzte Irina stumm und kontrollierte noch einmal die Videokamera. Alles bestens.

»Bin ich jetzt ein Star?« Der Hüpfball dribbelte nervös vor und zurück.

»Das sind Sie sowieso. Sie müssen es nur endlich selbst glauben, dann ziehen die anderen automatisch nach.«

»Ihr Wort in Gottes Ohr!« Und dann legte Markus Stamm los. In der Eile war der Spargel am Empfang liegen geblieben. Das hatte zur Folge, dass jeder, der vorbeikam, Anke darauf ansprach. Anke verwies der Wahrheit gemäß auf Irina, was den Effekt hatte, dass diese im Lauf des Tages immer wieder gefragt wurde, was sie denn wohl an diesem Freitagabend vorhatte. Die Witzeleien wollten nicht aufhören.

Jeder wusste, dass Kochen nicht ihr Ding war, mal ganz davon abgesehen, dass ihr die nötige Zeit fehlte. Feierabend war für sie fast ein Fremdwort. Sie kam ja nicht mal dazu, sich die neue amerikanische Serie über liebestolle Hausfrauen anzuschauen, über die plötzlich alle sprachen. Da gab es Klienten, die sich mit einem Abendessen bedanken wollten, und andere, die erst abends Zeit fanden, sich coachen zu lassen. Für Irina alles kein Problem – sie liebte ihre Arbeit, und ihre Arbeit liebte sie. Was an Zeit übrig blieb, gehörte ihrer Mutter, ihrer Schwester, ihren Freunden und einem Sonntagsloch, das eher größer als kleiner wurde. Der Sonntag war nun mal der klassische Familien- und Pärchentag.

Ihre eigenen Paarungsintermezzi hatten lediglich dazu geführt, dass ihr Freundeskreis kontinuierlich wuchs, weil bei ihr fast schon automatisch jeder Liebhaber früher oder später in die Abteilung Freundschaft überwechselte. Irgendwann würde sie ihren Geburtstag in einem Fußballstadion feiern müssen, denn sie lud ihre Exfreunde logischerweise nicht solo ein, sondern immer zusammen mit der jeweiligen neuen Partnerin und dem Nachwuchs, bei dem sie in zwei Fällen sogar als Patin fungierte. Als Tante Irina war sie ebenso gefragt wie beliebt.

»Nun gib's schon zu, du hast einen neuen Lover«, drängte Lazlo, der, obwohl er sieben Jahre jünger als Irina war, geraume Zeit versucht hatte, sie zu erobern. Viviane hatte sich seiner, wie gemunkelt wurde, aktiv erbarmt.

»Wenn sie einen neuen Lover hat und tatsächlich für ihn kocht, ist er die längste Zeit ihr Lover gewesen«, unkte Viviane aus den Untiefen des amerikanischen Kühlschranks, der in der warmen Jahreszeit von ihr selbst gemachtes Tomatensafteis am Stiel beherbergte. Daran vergriff sich garantiert sonst niemand.

»Habe ich was verpasst?« Oliver musste Ohren wie ein Luchs haben. Irina hatte ihn eben noch im Archiv herumwühlen sehen, nun stand er im Türrahmen der Teeküche und beäugte sie wie ein seltenes Tier im Zoo.

»Höchstens wenn du ein raffiniertes Spargelrezept für euer bestes Pferd im Stall auf Lager hast«, stichelte Viviane. Mit diesem »euer« dokumentierte sie, dass Irinas Durchmarsch ins ehemalige Chefzimmer ihrer eigenen Position nichts anhaben konnte, denn sie war kein Coach und hatte auch nicht vor, jemals etwas anderes als Zahlenteufel zu jagen. Wogegen Oliver bis zuletzt als Favorit gehandelt worden war.

»Und wer ist der Glückliche?«, erkundigte sich Oliver, langte unverschämt dicht an Irina vorbei nach dem Spargel, zog eine Stange heraus und bewegte sie eindeutig-zweideutig auf und ab.

»Glück ist in diesem Fall eine sehr relative Geschichte.« Wieder Viviane, natürlich lachte sie auch gebührend über Olivers selten dümmlichen Sketch. Es war ausgerechnet Vivianes amtierender Lover Lazlo, der sich schützend vor Irina stellte, indem er ihre Kochkunst verteidigte, ohne jemals mehr als einen Tee aus ihrer Hand gekostet zu haben. Die Geschichte wäre vielleicht noch weiter hochgeschaukelt worden, wenn nicht der Chef zusammen mit Alex Ortner, dem derzeit Ältesten im Team, von einem Auswärtstermin zurückgekommen wäre.

»Was haltet ihr von einem eiskalten Prosecco zum Start ins Wochenende?« Uwe Tené stemmte auf der Handinnenfläche eine Drei-Liter-Flasche in die Luft. »Unser neuer TV-Sender fühlte sich zu einer kleinen Aufmerksamkeit verpflichtet. Wer ist dabei?«

Eine überflüssige Frage. Der Korken zischte, Gläser wurden hektisch vorgehalten, es schäumte und spritzte, das Wochenende war offiziell eingeläutet. Irina war heilfroh über den Themenwechsel. Sie saßen noch etwa eine halbe Stunde zusammen, tranken und stimmten kurz ihre Termine für den kommenden Montag ab, dann packte jeder seine Siebensachen zusammen. Jeder außer Irina. Sobald die anderen fort waren, konnte sie sich in Ruhe ihren Auswertungen widmen.

***

Ein Großteil der fenster- und türlosen Stirnwand wurde nun von einer Leinwand bedeckt, die, wenn Irina sie nicht brauchte, wieder in der Decke verschwand. Heimkino vom Feinsten, das war ein weiterer Pluspunkt des ehemaligen Chefbüros. Dann begann auch der Beamer dezent zu summen. Irina betätigte den Mehrfunktionsschalter für die Außenjalousien, deren Lamellen schlossen sich. Es konnte losgehen. Der Hüpfball stand Irina im Weg, sie wäre im Halbdunkel beinahe darüber gestolpert. Kurzerhand setzte sie sich darauf, für eine straffe Pomuskulatur war das sowieso besser als ihr Schreibtischsessel. Aufschreiben musste sie nichts, weil sie ihre Anmerkungen grundsätzlich lieber erst mal diktierte, damit blieb sie dichter am Geschehen auf der Leinwand.

Ihr Klient rückte in Überlebensgröße auf sie zu, automatisch titschte sie mit ihrem Ball ein Stück zurück. Markus Stamm hatte etwas sehr Vitales, wirkte in seinem Anzug allerdings eigentümlich verkleidet. Es sah aus, als ob ihm jeden Moment eine Naht platzen oder ein Knopf abspringen würde. Ein starker Typ! Zumindest bis er begann, seine Niederlagen oder was er dafür hielt, zu schildern, dabei sah Irina ihn förmlich schrumpfen und hilflos werden. Genau dieses Bild dürfte dazu führen, dass er beispielsweise für einen Oberkellner so gut wie unsichtbar wurde. Vor ihren Augen schlüpfte Markus Stamm in die Rolle des überforderten, permanent an sich selbst zweifelnden Aufsteigers, dem angst und bange wurde, sobald der nächste Termin mit ihm in der Hauptrolle anstand. Den Schlüssel zu alldem hatte er gleich zu Anfang selbst geliefert. Das war, als, sie ihn fragte, was in seiner Firma aus der Norm fiel.

»Ich!« Irina wiederholte seine aus einem einzigen Wort bestehende Antwort laut. Mittlerweile lief die Aufzeichnung bereits zum zweiten Mal ab, diesmal ohne Ton. Auf diese Weise traten die nonverbalen Warnzeichen noch stärker zutage. Schulterpolster, die sich bei diesem »Ich!« trotzig aufzublähen schienen, synchron hüpfte der Ball in die Höhe. Einmal auf der Leinwand und noch einmal in der Spiegelsäule. Dort Markus Stamm auf einem therapeutischen Hüpfball von der Farbe eines Kürbisses, hier sie selbst auf haargenau demselben Ball mit dem identischen Wort.

»Ich!« Irina verlor die Projektionsfläche an der Wand aus den Augen. Stattdessen rückte ihr eigenes Spiegelbild immer näher und verdrängte das Bild ihres neuen Klienten im edel knitternden, hellgrauen Leinenanzug zum gleichfarbigen Hemd mit zartrosa Streifen, um den es eigentlich ging oder gehen sollte. Sie selbst trug ein helles Kostüm, sehr schick, ohne indes aufdringlich zu wirken. Der klassische Businesslook, dem die Stoffblume am Revers eine modisch-peppige Note geben sollte. Die Blume war rosa und betonte ihre linke Brust, der Stoff darüber spannte gefährlich, was nicht weiter verwunderlich war, wenn seine Besitzerin morgens in der Eile vergaß, dass wieder mal ein Wechsel der Büstenhaltergröße anstand.

»Ich«, sagte sie laut und so nah an der Spiegelfläche, dass diese von ihrem Atem beschlug, »ich bin vermutlich die einzige Frau in dieser Stadt, die in einem einzigen Monat drei Körbchengrößen durchläuft. Vom A-Körbchen zum C-Körbchen und dann noch mal circa neun Tage Mittelmaß, bevor alles wieder komplett zusammenfällt und sich neun oder zehn Tage später wieder aufbläht und immer so fort. Das ist erst recht nicht normal, und dabei oder dagegen hilft mir auch der beste Coach der Welt nicht.« Die Stoffblume wippte vor und zurück, nach rechts und nach links, die auf Figur geschnittene Kostümjacke wurde zum aufgeregt zappelnden Fleck, und dann passierte, was passieren musste, die Schwerkraft siegte, ein einsamer Knopf zischte durch die Luft. Der einzige Knopf an ihrer Kostümjacke.

»Seid ihr jetzt zufrieden?« Es war verrückt, sich mit den eigenen Brüsten zu unterhalten, das war Irina durchaus klar. Oder vielmehr wäre es ihr klar gewesen, wenn der Anblick dieser beiden Kampfbomber sie nicht in einen Zustand katapultiert hätte, in dem ihr der Dialog mit ihrer aktuellen Körbchengröße C fast natürlich vorkam. Eine Einschätzung, die jedoch umgehend kippte, als ihr zwei fremde Finger im Pinzettengriff etwas Kleines, Rundes hinhielten.

»Verdammt, wie kommst du hier rein? Was willst du? Ein neues Fallbeispiel für dein zweites Sachbuch? Ich warne dich: Wenn du das hier bringst, bringe ich dich um.«

»Eigentlich wollte ich dich nur fragen, was mit dem Spargel in der Teeküche ist. Wenn er da noch länger offen herumliegt, macht er schlapp.« Frank drückte ihr den Knopf in die Hand und ließ die nun freie Hand bezeichnend abklappen.

»Ist das dein Problem? Wieso bist du überhaupt noch hier? Ich denke, ihr seid alle längst zu Hause und präpariert euch für die Piste.«

»Meine Piste ist mein Laptop mit mageren elf Seiten Text, dafür habe ich einen ganzen Monat gebraucht. Wenn ich in dem Tempo weitermache, ist mein Buch frühestens in drei Jahren fertig, und ich bin reif für die Klapsmühle oder den Hungerturm.« Frank zeigte auf den Hüpfball, auf dem sie noch immer saß und wie eine Ertrinkende die beiden Hörner umklammerte. »Vielleicht sollte ich mich auch mal in Schwingung bringen, was meinst du?« Sein krampfhaftes Lächeln hatte etwas ausgesprochen Verzweifeltes.

Irina bedauerte, ihn derart grob angefahren zu haben. Frank war ein total lieber Kerl.

»Versuch's halt! Immerhin könntest du ohne viel Ballast swingen und würdest auch nichts sprengen.« Sie hielt den Knopf, mit dem sie unfreiwillig auf ihn geschossen hatte, in die Luft.

»Ein Neutrum bin ich noch nicht«, protestierte Frank.

»So war's auch nicht gemeint, sorry. Ich bin heute schlicht und ergreifend etwas durch den Kamin. Danke für den Knopf, ich hoffe, er hat dich nicht getroffen. Und den Spargel kannst du gern geschenkt haben.«

»Und was soll ich allein mit zwei Kilo Spargel?«

»Du bist kein Neutrum, also hast du eine Freundin, soweit ich weiß, sogar eine ausgesprochen nette. Frag sie in drei Teufels Namen, ob sie dich bekocht.«

»Steffi bekommt höchstens ein Ei halbwegs hin, der Koch bei uns bin ich. Außerdem macht Steffi sich längst für die Piste fertig.«

»Wenn du dich beeilst, erwischst du sie bestimmt noch.«

»Ich habe eine bessere Idee.«

»Und die wäre?«

»Ich bekoche uns beide. Du hast bestimmt genau wie ich seit heute Morgen nichts Vernünftiges mehr gegessen. Hinterher fühlen wir uns beide besser und können, wenn wir mögen, immer noch weiterarbeiten.«

Irina wollte protestieren. Ich habe keinen Hunger, wollte sie gerade sagen, als ihr Magen laut und vernehmlich zu knurren begann. Sie musste lachen.

»Du hast ihn überzeugt«, sagte sie und kletterte von ihrem Ball.

»Du ihn auch.« Frank zwinkerte ihr zu. In diesem Moment sah er noch jünger aus, als er ohnehin war. Mit seinen zweiunddreißig Jahren war er der Zweitjüngste im Team, eine vage Ähnlichkeit mit Hugh Grant war ihm trotz mittelblonder Haare nicht abzusprechen – das lag vermutlich zum großen Teil an seiner Frisur und dem Ausdruck leiser Irritation in seinem Gesicht. Was immer Frank auch tat oder sagte, es konnte noch so überzeugend oder witzig sein, dieses Blinzeln und die zuckenden Mundwinkel signalisierten stets leises Befremden oder wenigstens Verwunderung.

Ob ihm bewusst war, wie zweideutig seine Antwort war? Du IHN auch. Für einen Mann gab es gewöhnlich nur einen einzigen ER oder IHN, gerade eben hatten sie zumindest verbal seine Gürtellinie unterschritten. Wehret den Anfängen! Sie sollte sich auf der Stelle klar machen, wo sie stand.

Und wo stand sie?

Wieder huschten ihre Augen zu der Spiegelsäule und saugten sich an dem lebenden Beweis dafür fest, dass sie sich gerade mal wieder in der extremen Aufbauphase befand. C-Brüste eingequetscht in B-Körbchen. Ihre Jacke stand nun offen, der einzige Knopf lag in ihrer zur Faust geballten Hand, automatisch verschränkte sie die Arme in Brusthöhe, ihr linkes Körbchen drückte gegen das rechte, darüber begann es jetzt erst recht zu quellen, sie spürte es genau.

»Okay«, sagte sie heiser, »warum eigentlich nicht?«

»Eben.« Gemeinsam sorgten sie dafür, dass Markus Stamm wieder von der Leinwand verschwand. Keine zehn Minuten später war Irinas Reich perfekt aufgeräumt. Sie waren gerade in die gläserne Aufzugkabine eingestiegen, als ihnen der Spargel einfiel. Sie hatten den Spargel vergessen.

»Fahr schon runter, ich hol dich sowieso ein!« Frank zwängte sich in den Spalt der Aufzugtür, die brav wieder aufglitt, dann lief er los. Vier Stockwerke, den Weg zurück in die Teeküche und das Auf- und wieder Abschließen – trotzdem kamen sie gleichzeitig unten an.

»Du bist verflixt schnell und noch nicht mal außer Puste«, gratulierte Irina.

»Das ändert sich, wenn ich dich lang genug angucke.« Das übliche Zwinkern in den Augen, der linke Mundwinkel zuckte exzessiv, darüber wippte die Haartolle à la Hugh Grant im Takt. Nichts als ein nettes Kompliment! Nichts als ein Abendessen unter Kollegen. Irina gab sich Mühe, leise und gleichmäßig zu atmen. Sie überlegte, was Franks Freundin wohl angesichts der Spargel-Invasion sagen würde, falls sie doch noch nicht »auf der Piste« war.

Frank war mit dem Fahrrad gekommen, sie selbst zu Fuß. Für ihn war es die normalste Sache der Welt, sie auf dem Gepäckträger zu platzieren. Irina konnte sich nicht erinnern, wann zuletzt sie so gefahren war, die Arme Halt suchend um eine männliche Taille geschlungen. Er fühlte sich gut an, jung und fest und ein wenig schlaksig, seine glatten Haare wehten im Wind, überall waren schon Menschen unterwegs, das Wochenende hatte eindeutig begonnen. Irina hatte geglaubt, dass Frank wie die meisten im Team mitten in der City wohnte, doch das war offenkundig nicht der Fall. Sie waren inzwischen am Rhein angelangt und fuhren am Ufer entlang, die Bebauung wurde immer spärlicher, dann ging es noch ein Stück quer durchs Feld. Der Weg war holprig und extrem schmal, rechts und links raschelten Blätter, erkennen konnte Irina kaum noch etwas. Mittlerweile war es draußen stockfinster geworden, es gab auch keine Straßenbeleuchtung mehr, nur in dem Haus, auf das sie geradewegs zufuhren, brannte Licht.

»Hier wohnst du?«, fragte Irina und überlegte, wem all die Fahrräder vor der Tür gehörten.

»Hier wohnt meine Familie«, verbesserte Frank.

»Du lebst noch bei deiner Familie? Ich denke, du und Steffi ...«

»Wenn schon wohne ich wieder bei meiner Familie. Sagen wir mal solange, bis ich dieses Manuskript im Griff habe und in der Lage bin, wieder halbwegs klar zu denken. Hier, halt mal bitte gerade den Spargel, damit ich aufschließen kann.«

»Warum klingelst du nicht einfach? Oder ist keiner zu Hause?«

»Bei einer Großfamilie wie unserer ist praktisch immer einer da, was allerdings nicht heißt, dass dir einer aufmacht, wenn gerade Doppelkopf oder Skat gespielt wird. Der Freitag ist Spielhöllentag, da sitzen sie alle im Gartenhaus und zocken, was das Zeug hält.«

»Ist der Einsatz hoch?«

»Bei uns wird um herrenlose Knöpfe gespielt, das hat ebenfalls Tradition. Wir sammeln sie in einem Marmeladenglas, und wer die meisten ergattert, darf bestimmen, welchen Kuchen meine Mutter fürs Wochenende backt. Wenn du mir deinen Knopf von vorhin schenkst, kann ich mithalten.«

»Mit einem einzigen Knopf?«

»Es ist der schönste, also zählt er doppelt und dreifach.«

»Du bist echt ein Spinner.«

»Das sagt Steffi auch immer.«

»Du bist ein netter Spinner.«

»Das sagt sie nicht mehr, wenigstens im Augenblick nicht. So, und jetzt nichts wie rein in die gute Stube! Die Küche gehört um diese Zeit mit etwas Glück allein uns.«

Genauso war es, zumindest vorläufig. Frank zeigte Irina, wie man den Spargel beim Schneiden richtig hielt, außerdem durfte sie noch Kartoffeln schälen, während Frank den Spargel aufsetzte und ein Stück Schweinefilet in einer schweren Pfanne scharf anbriet, mit Madeira ablöschte und eine Mehl-Butter-Kugel zum Binden zugab.

»Das braucht jetzt nur noch kurz durchzuziehen. Wenn du magst, kannst du ab und zu umrühren, dann gibt es keine Haut obenauf.«

Irina nickte und wunderte sich über sich selbst, weil sie offenbar kein Problem damit hatte, plötzlich diejenige zu sein, die nur noch Handlangerdienste ausführte und dabei ihren Kollegen in einer völlig neuen Rolle bestaunte: Frank als Chefkoch. Er wirkte sehr professionell, wie er da in der riesigen Wohnküche am Herd stand und als Letztes die Sauce hollandaise im Wasserbad aufschlug, neben sich ein Glas Weißwein, mit dem er ihr ab und zu Bescheid tat. Es war ein guter Wein, ein deutscher Wein, dabei trank Irina sonst fast nur italienischen.

»Ich hätte nicht gedacht, dass es in Franken so gute Weine gibt.«

»Wir kommen aus Franken.«

»Na dann! Prost!«

Die erste Flasche war fast leer, der Tisch gedeckt, es duftete verführerisch und schmeckte nicht weniger gut.

»Auf einem Bein steht sich's schlecht, prost!« Der ersten Flasche war eine zweite gefolgt. Wieder hob Frank sein Glas, erneut war da dieses leicht irritierte Lächeln, was wiederum für eine seltsame Unruhe bei ihr selbst sorgte. Trotzdem fühlte sie sich wohl. Man merkte, dass hier eine große Familie lebte, auch wenn momentan alle drüben im Gartenhaus waren und Doppelkopf spielten. Laut Frank wurde am Freitagabend oft bis in den frühen Morgen gezockt, schließlich waren mittlerweile alle Familienmitglieder so gut wie erwachsen, sein jüngster Bruder hatte neulich seinen vierzehnten Geburtstag gefeiert.

»Adrian ist unser Nachzügler. Meine Mutter hatte gerade alle Babysachen verschenkt, da meldete er sich an. So das übliche, du weißt schon, die Periode blieb aus, anfangs haben wir alle gedacht, unsere Mutter kommt nur etwas früher in die Wechseljahre. Keine Periode mehr, dafür jeden Tag eine Riesenportion Erdbeereis, das hätte uns misstrauisch machen müssen. Wenn wir sie oder Adrian ärgern wollen, brauchen wir nur zu fragen, wann es wieder selbst gemachtes Erdbeereis gibt.«

»Redest du zufällig von mir?« Sie waren nicht mehr allein, die jugendliche Ausgabe von Frank war auf Socken durch die angelehnte Tür zum Garten hin hereingekommen. Die Schuhe waren wohl mit Rücksicht auf den blitzblanken Fußboden draußen stehen geblieben.

Frank grinste. »Darf ich vorstellen? Mein Brüderchen Erdbeereis alias Adrian alias Nimmersatt.«

Das Brüderchen maß mindestens einen Meter achtzig und war losgeschickt worden, um frisches Bier für die anderen und Limonade für sich selbst zu holen. »Außerdem wollte ich mal nachgucken, ob der Wackelpudding endlich fest ist.« Der Test verlief offenbar zufrieden stellend, denn schon rannte Franks Bruder mit dem aufgefüllten Flaschenkorb laut nach seiner Mutter rufend wieder zurück in den Garten.

»Jetzt haben wir den Salat«, meinte Frank und stand auf. »Es sei denn, wir sind schneller als mein Clan. Jede Wette, dass sie gleich alle angestürmt kommen und Wackelpudding mit Vanillesoße haben wollen!«

»Warum hat dein Bruder die Schüssel denn nicht einfach mit rübergenommen?«

»Erstens weil der Pudding noch aus der Ernie-Form gestürzt werden muss – du weißt schon, der Ernie aus der Sesamstraße – und zweitens weil unsere Mutter darauf besteht, dass alle zusammen am Tisch essen, da kennt sie nichts. Ohne Fernseher, nicht mal das Radio darf laufen, wir sollen uns gefälligst miteinander unterhalten und die Früchte ihrer Arbeit gebührend würdigen, wenn sie schon – ich zitiere – blöd genug ist, sich noch immer stundenlang für erwachsene Menschen wie uns in die Küche zu stellen.«

»Ich glaube, da kommen sie schon.«

»Dann nichts wie weg hier!« Frank nahm sie an der Hand und zog sie mit ins dunkle Treppenhaus.

»Werden sie nicht sauer sein? Was soll deine Mutter von meinen Manieren halten? Wohin bringst du mich eigentlich?«

»Natürlich in mein altes Kinderzimmer.«

Frank war der Älteste und hatte bis zu seinem Auszug vor fünf Jahren ganz allein oben unterm Dach neben dem Trockenspeicher hausen dürfen. Der Platz, wo man aufrecht stehen konnte, war relativ spärlich bemessen. Es gab drei winzig kleine Fenster mit Blick auf das beleuchtete Gartenhaus, das einer heimeligen Insel in einem grünen Kokon ähnelte. Von dort kam nun einer nach dem anderen auf das Haus zu.

»Die Gier treibt sie«, meinte Frank, »die Fressgier und die Neugier.«

»Neugier auf mich?«

»Auf wen sonst? Du bist die Ausnahme von der Regel im Leben des seit fünf Tagen mit Seite elf kämpfenden Frank Olsen.«

»Und welche Regel ist das?«

»Keine Frauen, kein Alkohol und auch sonst nichts, was den Adrenalinspiegel hebt, solange ich dieses verdammte Manuskript nicht gebändigt bekomme.«

»Ich bin eine Frau, und getrunken hast du vorhin auch ganz ordentlich.«

»Eben, deshalb werden sie nachprüfen wollen, ob Erdbeereis nicht nur geflunkert hat. Momentan befindet er sich noch in einer ausgeprägten Flunkerphase.«

»Ob sie auch hier oben nachgucken kommen?«

»Hier oben ist seit meinem achtzehnten Geburtstag Freio.«

»Und hast du dein Freio ordentlich ausgenutzt? Damals, meine ich.«

»Leider nicht. Ich bin das, was man einen Spätzünder nennt. Aber besser spät als nie, was meinst du?«

Hatte sie ihm auf seine Frage geantwortet? Irina wusste es nicht. Alles ging rasend schnell. Gerade standen sie noch nebeneinander am Fenster und sahen auf die Prozession Richtung Haus hinab, und dann lagen sie einander auch schon in den Armen und küssten sich. Sogar dieser Kuss schmeckte wie früher, was auch an diesem Zimmer liegen mochte. Es war noch immer das Zimmer eines Jungen, der für Fußballhelden und Popstars und Rennfahrer schwärmte, davon zeugten die unzähligen Plakate an den schrägen Wänden. Dazwischen hingen Fotos, die Frank selbst geschossen hatte. Er mit einem Mädchen im Arm, mit zwei Mädchen, mit Freunden und einem Bierfässchen, mit seiner Familie und mit allen möglichen Tieren von der Rennmaus bis zum wie eine Kuh gescheckten Pferd. Alles in allem ein kunterbunter Reigen, dessen einzige Gemeinsamkeit darin bestand, dass alle Bilder dem Neigungswinkel des Mauerwerks entsprechend kopfüber hingen und direkt auf einen zuzukommen schienen, wenn man auf dem ausgeklappten Schlafsofa lag.

Wie sie dort gelandet waren, war Irina ebenfalls schleierhaft. Frank hatte seinen Arm unter ihren Nacken geschoben, ihr Kopf lag an seiner Brust, flüsternd nannte er die Namen, die zu den abgebildeten Tier- und Menschenköpfen gehörten.

»Das da war Speedy Gonzales, meine beste Rennmaus. Den Gaul haben wir nach der Kuh aus der Werbung Milka getauft. Und das ist Erdbeereis als Baby, frisch geschlüpft hat er seinem Spitznamen erst recht Ehre gemacht, guck dir nur diese unglaublich rote Birne an!« Das Köpfchen in der Armbeuge des blutjungen Mannes, der Frank auf diesem Foto noch war, war tatsächlich puterrot, sein eigener Gesichtsausdruck noch verwunderter als sonst.

»Plötzlich wollten die Mädels immerzu mit mir zusammen den Kinderwagen schieben. Ich hab sie nach besten Kräften zu mir umdirigiert, diese mütterlichen Gefühle.«

»Und?« Irinas Stimme hätte Zarah Leander zur Ehre gereicht.

»Es war geil.« Franks Hand hatte sich, während er erzählte, zu ihrer linken Brust verirrt, die nicht mehr zu halten war und sich ergab, noch ehe Irina ihr Okay geben konnte. Es wäre wohl kaum bei der linken Brust geblieben, wenn es nicht plötzlich geklopft hätte.

»Mama schickt mich hoch! Ich soll fragen, ob ihr auch 'ne Portion Wackelpudding wollt?«

Sie sahen sich an. Zwei ertappte Schulkinder auf Abwegen. Sie lachten verlegen und richteten ihre Kleidung.

»Sag Mama, wir kommen gleich!« Gegenseitig prüften sie noch einmal ihr Aussehen, dann gesellten sie sich zu den anderen. Eine große, laute Familie, die sich einvernehmlich um den Esstisch scharte und auf den Nachschlag wartete, den es erst gab, wenn Frank und Irina ihr Teil bekommen hatten. Bemerkenswert, dachte Irina.

»Wir haben gar kein Auto kommen hören«, meinte Franks Mutter und reichte ihr einen gut gefüllten Teller, den zweiten bekam Frank.

»Ich bin nicht mit dem Auto da.«

»Sie sind also auch passionierte Radfahrerin?«

»Wir sind beide auf meinem Rad gekommen«, warf Frank ein und schob sich den nächsten Löffel voll in den Mund. »Hm! Das ist oberköstlich und schreit nach mehr, lasst uns nur ja noch was übrig.«

»Und Sie sind also Kollegen?«, vergewisserte sich Franks Vater. Irina wollte gerade zustimmen, als der jüngste Spross des Hauses einen Hustenanfall bekam. Alle sahen ihn an.

»Ich hab mich nur verschluckt. Ehrlich.«

Alle sahen zu Irina hin, dann klapperten erneut die Dessertlöffel los, vielleicht einen Tick schneller als zuvor. Etwas später bot Franks Mutter Irina mit Blick auf die beiden leeren Weinflaschen das Gästezimmer an, als sie dankend ablehnte, wurde wie selbstverständlich bestimmt, wer sie heimfuhr. Natürlich derjenige, der so gut wie nichts getrunken hatte, das war Franks zweitjüngster Bruder. Irina hielt ihre Kostümjacke vor der Brust zusammen, während sie sich verabschiedete. Rein rechnerisch befand sie sich gerade erst am Anfang der allmonatlichen Aufbauphase, doch wie es sich anfühlte, begann der Abbau diesmal schon deutlich früher. Als ob jemand ihr die Luft herausgelassen hätte. Alle kamen mit nach draußen und winkten.

Frank sorgte dafür, dass der Wagen noch einmal anhalten musste. Sie hatte ihren Jackenknopf liegen gelassen. »Soll ich mitkommen?«, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. Der Knopf grub sich während der Fahrt in ihre Handfläche und hinterließ einen Abdruck, der noch am nächsten Morgen zu sehen war.

***

Irina brauchte keinen Wecker, um pünktlich wach zu werden. Ihre innere Uhr erledigte das für sie. Am Samstag schlug diese eine Stunde später an, dann stand sie wie an jedem anderen Tag auf, erledigte auf dem Weg zum Büro die wichtigsten Einkäufe, sortierte dort in aller Ruhe ihre Post und bewältigte möglichst viel von dem lästigen Kleinkram, der unter der Woche liegen geblieben war. Dabei behielt sie die Uhr im Auge, um nur ja pünktlich um eins am verabredeten Treffpunkt zu sein.

Jeden Samstagmittag lud ihre Mutter beide Töchter zum Essen ein. Mit einem kurzen Blick in ihren Terminkalender vergewisserte sich Irina, dass auch wirklich das Chez Chef angesagt war. Dabei blieben ihre Augen fast zwangsläufig an dem roten Blinken ihres Anrufbeantworters hängen. Sie hatte ihn noch immer nicht abgehört, obwohl das gewöhnlich zu ihren ersten Amtshandlungen zählte. Das hatte Zeit, wie sie fand, manches erledigte sich auf diese Weise ganz von selbst.

Sie war noch immer irritiert. Irritiert? Hoffentlich, dachte sie, habe ich mich nicht bei Frank angesteckt, ein weiblicher Hugh Grant wäre der Witz schlechthin. Sie fühlte sich auch so schon wie ein schlechter Witz. Was sollte Franks Familie bloß von ihr denken?

»Und Sie sind also Kollegen?«, hatte Franks Vater gefragt, daraufhin hatte Franks jüngster Bruder sich »nur verschluckt«, das nachgeschobene »Ehrlich!« hatte alles nur noch schlimmer gemacht. War das peinlich! Sie steuerte handfest auf die vierzig zu und benahm sich wie eine Pennälerin, der die Hormone durchknallten. Obendrein bei einem Kollegen, den sie seit Jahren kannte.

Automatisch senkte sie den Blick dorthin, wo ihre Hormone sich derzeit unübersehbar manifestierten, daran änderte auch das salopp fallende Twinset wenig. Über Nacht musste der da oben oder wer auch immer sie heimlich wieder aufgepumpt haben, und selbst wenn sie die Augen schloss, blieb dieses schmerzhafte Spannen. Irina wünschte sich, dass einer käme, »Simsalabim« sagte und sie wenigstens für diesen Monat oder besser gleich für immer von einem Spuk erlöste, den sie so nötig brauchte wie ein Loch in der Stirn.

»Simsalabim!« Es war nichts weiter als der Versuch, den unsichtbaren Erfüllungsgehilfen der Himmelstruppe das richtige Stichwort zu liefern.

»Ich wusste gar nicht, dass du an Märchen glaubst.«

Irina schoss auf ihrem drehbaren Schreibtischsessel herum. »Schon mal was von Anklopfen gehört?«

»Die Tür stand sperrangelweit offen, Prinzessin.«

Das stimmte sogar. Sie hatte die Tür selbst offen gelassen, weil der Samstagvormittag traditionell ihr allein gehörte. Heute nicht. Ausgerechnet Oliver Hengst musste sie so erwischen.

Er war der einzige Mensch, der es immer wieder schaffte, sie an sich selbst zweifeln zu lassen. Allein dafür verdiente er es, von ihr gehasst zu werden. Zumal Oliver alles andere als unfehlbar war, das gab sie ihm mit ihrer folgenden Frage ganz unverblümt zu verstehen. Eine Irina Brandt wickelte er nicht so leicht um den Finger.

»Und wieso bist du nicht bei deinen armen Kindern?«

»Vielleicht weil die Kinder auch noch eine Mutter haben?«, fragte der Mann zurück, der seit fünf Tagen etwas von einem zerzausten Teddybär hatte, was aber, wie Irina wusste, nichts als Kalkül war.

Man mische eine Prise Hilflosigkeit mit je einer Tonne Charme und Übertreibung vom Fließband, packe alles in einen hoch gewachsenen und kräftigen – nicht dicken, aber das konnte ja noch kommen – Männerkörper und warte darauf, dass die Weiblichkeit schwache Knie bekomme und den aufopfernden Fünf-Tage-am-Stück-Papi ebenso hofiere wie das megacoole Vorläufermodell.

»Irre ich mich oder bist nicht du derjenige, der seit Anfang der Woche die Mär vom aufopfernden Papi kursieren lässt und damit vermutlich mehr Hilfsangebote sammelt als jedes seriöse SOS-Kinderdorf?« Vor lauter Aufregung produzierte sie schon Spuckebläschen, was bestimmt alles andere als kleidsam war.

»Höre ich da zufällig Neid heraus? Ich nehme gern noch weitere Angebote an!«

»Da kannst du bei mir warten, bis du schwarz wirst.« Irina wandte den Kopf zur Seite und wischte sich möglichst unauffällig über die Lippen.

»Warum bist du nur auf einmal so extrem unfreundlich?«

»Lass mich nachdenken! Vielleicht weil mir deine arme Frau Leid tut, die nach ganzen fünf Tagen Selbstverwirklichung wieder in ihre alte Rolle zurückschlüpfen darf?«

»Ich wusste gar nicht, dass Jenny früher in einer ehemaligen Flugzeughalle gearbeitet hat.«

»Wie bitte?«

»Du hörst schon richtig. Heute Morgen hat Jenny überraschend beschlossen, unsere vier Jungs zu ihrem ersten Dreh in eben dieser obskuren Halle mitzunehmen.«

»Sie dreht einen Film?«