Cover

Über dieses Buch:

Für Dr. Thomas Sandmann führt die Karriereleiter steil nach oben: Als Neffe eines angesehenen plastischen Chirurgen kann er direkt in dessen Privatklinik am malerischen Chiemsee einsteigen. Auch seine Beziehung zur schönen, abenteuerlustigen Kerstin entwickelt sich vielversprechend – wäre da nicht Thomas’ Wunsch, wirklich kranke Menschen zu heilen anstatt Schönheitskorrekturen durchzuführen. Als ihn eines Tages der Hilferuf einer Freundin erreicht, ahnt er noch nicht, dass dieser Moment sein Leben verändern wird. Denn plötzlich gibt es Patienten, die ihn wirklich brauchen. Die Gelegenheit für Thomas, zu zeigen, was in ihm steckt!

Über die Autorin:

Nora Darius hat lange als Lektorin in verschiedenen Verlagen gearbeitet. Heute lebt sie als freie Autorin im Rheinland und geht mit Begeisterung ihrem Hobby nach, dem Reisen. Bisher schrieb sie über 700 Kurzgeschichten, zahlreiche Drehbücher, Taschenbücher und Kurzromane und erreichte eine Gesamtauflage von über einer Million. Bisher schrieb sie über 700 Kurzgeschichten, zahlreiche Drehbücher, Taschenbücher und Kurzromane und erreichte eine Gesamtauflage von über einer Million.

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Überarbeitete Neuausgabe Oktober 2015

Copyright © der einzelnen Geschichten 2014 Nora Darius

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Ältere Ausgaben der Texte erschienen zwischen 2003 und 2006 in verschiedenen Zeitschriften.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Agentur Mitte, Berlin 

Titelbildabbildung: LiliGraphie - Thinkstock

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-387-3

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Nora Darius

Das Glück kommt manchmal unverhofft

Roman

dotbooks.

Als Dr. Thomas Sandmann sein Coupé auf den für ihn reservierten Parkplatz lenkte, seufzte er unterdrückt auf. Wieder ein Tag voller langweiliger Routine! Mit einem raschen Blick umfasste er das hellgelbe Klinikgebäude, das an einen Hang gebaut war und einen wundervollen Blick auf den Chiemsee freigab.

Der gesamte Eingangsbereich, der zum größten Teil verglast war, war mit Blumenkübeln geschmückt, in denen jetzt, im Frühjahr, Narzissen und Primeln leuchteten. Auch die beiden großen Beete rechts und links der Auffahrt wurden, stets der Jahreszeit angepasst, von zwei Gärtnern sorgfältig bepflanzt. Jetzt blühten hier ebenfalls Narzissen, aber auch frühe Tulpen und vorn, gleich am Wegesrand, eine Unzahl weißer Primeln.

Die Sandmann-Klinik gehörte Thomas’ Onkel Gunter. Der plastische Chirurg hatte diese exklusive Privatklinik vor etwas mehr als zwanzig Jahren gegründet und Thomas als seinen Nachfolger auserkoren.

Plastische Chirurgie ... der gut aussehende Arzt verzog geringschätzig den Mund, als er die elegant möblierte Eingangshalle durchquerte. Sie erinnerte mehr an ein Luxushotel als an eine Klinik – und das war sehr bezeichnend. Wer sich in der Sandmann-Klinik behandeln ließ, war nur selten wirklich krank. Busenstraffungen, Fettabsaugen, Lidkorrekturen, Nasenverkleinerungen oder -vergrößerungen waren das tägliche Operationsprogramm.

»Guten Morgen, Thomas!« Professor Sandmann winkte seinem Neffen lächelnd zu. »Gut, dass du schon da bist. Frau Fahrenbeck hat schon nach dir gefragt. Es gibt angeblich Probleme mit dem Brustimplantat.«

Thomas verzog leicht das Gesicht. »Die Dame hat Probleme mit ihren Hormonen«, gab er ironisch zurück. »Seit zwei Wochen versucht sie, auf ziemlich peinliche Weise mit mir zu flirten. Es ist ätzend. Glaub mir, ich kann das nicht länger ertragen.«

Professor Sandmann legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Sei ein bisschen charmanter«, riet er. »Das gehört einfach zu unserem Geschäft. Und Frau Fahrenbeck kommt regelmäßig. Sie ist eine meiner treuesten Patientinnen, da muss man ihre Launen schon mal ertragen. Wir leben nicht schlecht von ihr.«

»Geschäft ... ich bin nicht Arzt geworden, weil ich Geschäfte machen will, sondern weil ich kranken Menschen helfen will!«, begehrte Thomas auf.

»Ich weiß. Und das ehrt dich auch. Aber mit dieser Einstellung allein kommt man heutzutage nicht weit.« Der Professor machte eine ausholende Geste, die das ganze Klinikgebäude umfassen sollte. »Das alles hab ich nicht umsonst geschaffen«, sagte er. »Auch ich will kranken und verzweifelten Menschen helfen. Das geht aber nur, wenn man die nötigen Mittel zur Verfügung hat. Erinnere dich doch an den Bauarbeiter, der von einem Bagger teilweise überfahren worden ist. Wie sah sein Gesicht aus ... eine reine Kraterlandschaft. Die Krankenkasse hätte nur die Hälfte der Operationen bezahlt. Wir aber haben ihm ein ganz neues, fast perfektes Gesicht zurückgegeben.«

Dem hatte Thomas nichts entgegenzusetzen. Oder doch ... er hätte sagen können, dass dieser eine wirklich kranke Mensch all die verwöhnten Damen nicht aufhob, die hierher kamen, um sich verschönern oder verjüngen zu lassen und die Thomas als Arzt einfach unterforderten. Aber es war müßig, mit Onkel Gunter zu diskutieren.

»Komm, Oberschwester Hanna wartet schon darauf, dass wir mit der Visite beginnen. Und dann geh noch mal extra zu Frau Fahrenbeck.«

»Ja, gut. Ich hole nur rasch meinen Kittel«, erklärte Thomas.

Im Arztzimmer traf er auf seine Kollegin Dr. Kerstin Paulert. Die rassige Assistenzärztin mit den dunklen Locken hatte schon alle Patientenberichte zurechtgelegt.

Als Thomas kam, zog ein Lächeln über ihr Gesicht.

»Na, noch müde?«, fragte sie und strich ihm kurz über den Jackenärmel.

Er schüttelte den Kopf. »Aber nein. So spät war es ja auch gar nicht gestern Abend.«

»Aber es war schön. Wir sollten viel häufiger zusammen etwas unternehmen.« Sie hielt ihm den blütenweißen Visitenmantel hin. »Jetzt bin ich schon vier Monate hier, aber von der Umgebung kenne ich noch kaum etwas. Ich würde gern am Wochenende an den Tegernsee fahren und in Bad Wiessee die Spielbank besuchen. Hast du nicht auch Lust?«

Er nickte nur. »Warum nicht? Wir haben beide keinen Dienst?«

»Nein, das hab ich schon abgecheckt.«

»Gut, dann können wir gern fahren. Aber jetzt los, die Visite steht an.«

Wenig später ging der ganze Stab durch die Klinikflure. Bei Jutta Strähler, einer etwa sechzigjährigen Manager-Gattin, hielten sich die Ärzte nur kurz auf. Vor sechs Tagen hatte sich Frau Strähler einer kompletten Gesichtsstraffung unterzogen. Es ging ihr gut, sie hörte die von ihr so geliebten Opernarien und war zufrieden, als Professor Sandmann ihr die Hand küsste und versicherte, alles verheile wir vorhergesagt.

»Dann werde ich also in zwei Monaten bei der großen Benefiz-Gala, die mein Mann organisieren lässt, dabei sein können?«

»Aber selbstverständlich, daran gibt es keinen Zweifel. Und ich kann Ihnen versichern, dass man Sie um Ihr Aussehen beneiden wird«, erklärte der Professor.

»Dann bin ich zufrieden.«

Noch ein freundliches Lächeln, dann ging es zur nächsten Patientin. Annette Blank war gerade mal siebzehn Jahre alt. Sie litt seit frühester Kindheit darunter, dass ihre linke Gesichtshälfte von einem Feuermal entstellt wurde.

Dies war ein Fall, den Thomas sehr ernst nahm, und er bemühte sich intensiv um das junge Mädchen, das am nächsten Tag der ersten Laser-Therapie unterzogen werden sollte.

»Ich bin so aufgeregt«, gestand Annette und biss sich auf die Lippen.

»Keine Sorge, alles wird so glatt verlaufen, wie wir es besprochen haben«, versicherte Dr. Sandmann.

»Und Sie werden mich selbst operieren?«

»Na klar.« Thomas lächelte ihr zu. »Wieso zweifelst du daran?« Annette hatte ihn schon bei der ersten Untersuchung gebeten, sie zu duzen, und er tat es gern, denn sie war ein sehr sympathischer Teenager, und er konnte gut nachvollziehen, wie sehr sie bisher unter der so deutlich sichtbaren Entstellung gelitten hatte.

»Na ja ...« Annette zögerte. »Wir ... ich bin doch nur Kassenpatientin, und da dachte ich, dass Sie als Oberarzt ...«

»Unsinn, natürlich werde ich dich behandeln. Das ist versprochen.«

Noch bevor das Mädchen etwas erwidern konnte, meldete sich der Piepser in Dr. Sandmanns Tasche.

»Entschuldigung«, murmelte er. »Ein Notruf aus der Ambulanz. Ich muss runter.«

»Geh nur«, meinte Professor Sandmann. »Wir machen die Visite allein zu Ende. Wenn du noch Unterstützung brauchen solltest, lass es mich wissen.«

Thomas Sandmann nickte nur, dann eilte er so schnell wie möglich hinunter zu den Ambulanzräumen, die im linken Flügel zu ebener Erde untergebracht waren.

Normalerweise wurden keine Unfallopfer in die Sandmann-Klinik eingeliefert. Wenn es doch der Fall war, konnte man davon ausgehen, dass es sich um einen absoluten Notfall handelte, der ins Fachgebiet der plastischen Chirurgen fiel.

Schwester Renate, dreißig Jahre alt und schon sehr erfahren in ihrem Beruf, sah Thomas ernst entgegen. »Das sieht bös aus«, flüsterte sie ihm zu und wies auf die Untersuchungsliege.

Dorthin hatten die beiden Sanitäter einen kleinen, etwa sieben Jahre alten Jungen gelegt, von dessen Gesicht man kaum noch etwas erkennen konnte.

Seine Mutter saß blass und weinend auf einem Stuhl in der Ecke, sie wirkte kaum ansprechbar.

»Der Kleine ist von einem Hund gebissen worden. Die linke Gesichtshälfte ist stark mitgenommen, das Auge ...« Der ältere der beiden Sanitäter zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob’s noch zu retten ist«, sagte er so leise, dass die Mutter des Kindes ihn nicht verstehen konnte.

»Was ist mit der Frau?«, erkundigte sich Thomas Sandmann leise.

»Der Notarzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gespritzt. Ich soll Ihnen sagen, dass er dem Kind nur was gegen den Schock gegeben hat. Und wir haben die Wunden steril abgedeckt.«

»Wo ist denn der Kollege?«, wollte Thomas wissen.

»Der musste gleich weiter. Ein Unfall auf der Autobahn. Wir müssen auch gleich wieder los.«

»Ist in Ordnung, ich komme schon klar.« Thomas beugte sich über den kleinen Jungen, der ganz still lag und nur leise vor sich hin wimmerte.

»Keine Angst, das wird alles wieder gut«, sagte der Arzt und drückte die Hand des Kindes. »Ich werde dich jetzt untersuchen, ja?«

»Hmmm.«

»Bist ein tapferer Kerl. Ganz still halten jetzt.« Thomas winkte Schwester Renate näher, die ihm assistieren sollte.

Was er sah, ließ den erfahrenen Arzt doch leicht zusammenzucken. Thomas hatte in den über zehn Jahren, die er jetzt schon als Chirurg arbeitete, einiges gesehen, doch das Kind vor ihm war wirklich sehr übel zugerichtet. Das Nasenbein war vom Stirnbein abgerissen, auf der Wange klaffte eine zweite große Wunde, da musste der Hund offensichtlich mit dem Unterkiefer zugeschnappt haben. Das Auge war völlig zugeschwollen.

»Ist der Anästhesist verständigt?« Fragend sah Thomas Sandmann eine junge Lernschwester an, die fest die Zähne zusammenbiss, denn der Anblick ging ihr durch und durch. Sie musste ein paar Mal schlucken, ehe sie antworten konnte:

»Ja, Herr Dr. Ahrensburg wird so schnell wie möglich hier sein.«

Thomas atmete auf. Oliver Ahrensburg war ein exzellenter Narkosearzt, und in diesem Fall kam es darauf an, den kindlichen Organismus nicht allzu sehr zu belasten. Andererseits stand fest, dass sie wohl mehrere Stunden lang operieren mussten.

Der Chirurg arbeitete mit höchster Konzentration, und er war dankbar, als sein Onkel nach einer knappen Stunde auch in den OP kam und ihm half.

Sie berieten sich nur kurz, dann ließen sie einen Augenarzt hinzuziehen, der auch rasch erschien und zum Glück feststellte, dass das Auge wohl unversehrt war.

»Zwei Millimeter mehr, und der Tränenkanal wäre zerfetzt worden. Und vier Millimeter mehr nach rechts, dann ...« Der Augenarzt zuckte mit den Schultern. »Aber der kleine Kerl hat Glück gehabt. Weiß man, was es für ein Hund war?«

»Ein Schäferhund. Allerdings war das Tier krank, der Hundehalter hat es dennoch ausgeführt ... unverantwortlich! Und als der Junge dem Tier auf der Straße zu nahe kam, als er es an der kranken Schulter berührte, ist das Unglück passiert. So jedenfalls hat es uns die Polizei durchgegeben.«

»Das arme Kerlchen. Es wird eine Weile dauern, bis er wieder gesund ist. Und ob er jemals den Schock überwindet, weiß man noch nicht.«

Thomas fühlte seinen schmerzenden Rücken kaum noch, als er vier Stunden später den OP-Bereich verließ. Das Kind war versorgt und würde für ein paar Stunden auf die Intensivstation kommen. Jetzt hatte der Arzt nur noch die Aufgabe, die besorgte Mutter zu beruhigen.

Sie saß allein im Wartebereich und sah dem Arzt voller Angst entgegen. »Wie geht es Christian?«

Dr. Sandmann lächelte ihr beruhigend zu. »Es geht ihm schon wieder gut. Und ich kann Ihnen versichern, dass er außer ein paar unbedeutenden Narben nichts zurückbehalten wird. Das Augenlicht ist ihm erhalten geblieben, Komplikationen sind meiner Erfahrung nach auch nicht zu befürchten.«