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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Redaktion Barbara Hoffmeister

Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München

Umschlagfoto Beaton/Vogue; © Condé Nast

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Printausgabe 978-3-499-62801-6 (1. Auflage 2014)

ISBN E-Book 978-3-644-03451-8

www.rowohlt.de

 

Anmerkung: Die Seitenzahlen im Bildnachweis beziehen sich auf die Seitenzahlen der Printausgabe.

ISBN 978-3-644-03451-8

Anmerkungen

Am Anfang war das Schweigen

1

Albert Camus, Der erste Mensch, aus dem Französischen von Uli Aumüller, Reinbek 1995, S. 21. [DeM]

2

DeM, 359.

3

Albert Camus, Tagebuch 1935–1942, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1963, S. 12. [TA I]

4

Dieser berühmte Ausspruch fiel bei einer Befragung durch Studenten der Stockholmer Universität am 12. Dezember 1957 und wurde rapportiert von einem Korrespondenten von Le Monde. Es gibt keine verbürgte Fassung dieser Äußerung. Lottman zitiert sie so: «Ich glaube an die Gerechtigkeit, aber ich würde meine Mutter über jede Gerechtigkeit hinaus verteidigen»; in: Herbert R. Lottman, Camus, Das Bild eines Schriftstellers in seiner Epoche, Hamburg 1986. Todd gibt sie so wieder: «Ich glaube an die Gerechtigkeit, aber bevor ich die Gerechtigkeit verteidige, werde ich meine Mutter verteidigen»; in: Olivier Todd, Albert Camus. Ein Leben, aus dem Französischen von Doris Heinemann, Reinbek 1999, Tb. 2001, S. 754 [Todd]. Ich zitiere die Version, die Alain Finkielkraut schließlich als die wahre ausgibt, in Un cœur intelligent, Paris 2009, S. 119: «En ce moment on lance des bombes dans les tramways d’Alger. Ma mère peut se trouver dans un de ces tramways. Si c’est cela la justice, je préfère ma mère».

5

DeM, 246 (Üb. verändert).

6

«[…] en trente-cinq ans de vie il n’avait jamais pu confier à cette mère silencieuse, la seule pourtant à laquelle il eût pu parler», Notizen zum «Ersten Menschen» in: Œuvres complètes I; Bibliothèque de la Pléiade, Paris 2006, S. 950. [OC I]

Unterm Ochsenziemer – eine Kindheit im 20. Jahrhundert

1

DeM, 97.

2

DeM, 73.

3

Dies berichtet Stéphane Babey, Camus, une passion algérienne, Editions Koutoubia 2010, S. 31.

4

Dies ist zu sehen in dem Film «Albert Camus» von Jean Daniel und Joël Calmettes, Chiloé Productions 2009.

5

Aus dem 1958 nachträglich verfassten Vorwort zu seinem Erstling Licht und Schatten [LuS]; in: Kleine Prosa, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1961, S. 33.

6

Camus’ Tochter Catherine berichtet im Gespräch in Lourmarin im Mai 2013 von der fortgesetzten Sozialphobie ihres Vaters: «Es war nicht üblich, in der Familie über persönliche Angelegenheiten und Gefühle zu sprechen, und auch gegenüber uns Kindern und seiner Frau blieb Papa stets sehr schweigsam.»

7

Auf den Zusammenhang zwischen seelischen Krankheitsbildern und den Lebensbedingungen während der französischen Kolonisation in Algerien hat besonders Frantz Fanon hingewiesen. Er nennt zahlreiche Beispiele von «reaktiven Psychosen» sowohl der Algerier als auch der französischen Kolonisten; in: Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, mit einem Vorwort von Jean-Paul Sartre, aus dem Französischen von Traugott König, Frankfurt/M.1966, S. 211f.

8

Selbst das Schlüsselwort «fremd», das durch den Roman Der Fremde Weltkarriere machen wird, fällt zum ersten Mal mit Rücksicht auf das Mutter-Sohn-Verhältnis: «So verharrt er lange Minuten reglos und betrachtet sie. Indem er sich fremd fühlt, wird er sich seines Kummers bewusst», LuS, 49.

9

Albert Camus, Der Mythos des Sisyphos, aus dem Französischen von Vincent von Wroblewsky, Reinbek 1999. [DMdS]

Das Hohe Lied des französischen Schulsystems

1

DeM, 73.

2

DeM, 200.

3

DeM, 199.

4

DeM, 200.

«Voilà. Sie ist tot …»

1

OC I, 979.

2

Der Fremde, aus dem Französischen von Uli Aumüller, Reinbek 1994, S. 143. [DF]

3

Camus erzählt ausführlich von der befremdlichen Reaktion der Mutter auf seine Krankheit in dem nie beendeten autobiographischen Romanentwurf «Louis Raingeard» aus dem Jahr 1934. Darin erklärt der Erzähler die dunkle Liebe zwischen Mutter und Sohn mit dem Glauben an ein ewiges gemeinsames Leben: «Ihr selbst unbewusst, trug sie in sich die Idee einer gemeinsamen ewigen Dauer. Sie glaubte nicht, dass irgendetwas sie jemals trennen könnte. Und sie glaubte nicht nur nicht daran. Sie dachte darüber gar nicht nach.» OC I, 93.

Sonnenanbeter

1

DeM, 63.

2

LuS, 31.

3

TA I, 69.

Der Lungenkranke

1

OC I, 73.

Gides Früchte der Erde

1

André Gide, Die Früchte der Erde, aus dem Französischen von Hannes Hinterhäuser, Gesammelte Werke Band XI, Stuttgart 1999, S. 89. [FdE]

2

FdE, 78.

3

Hochzeit des Lichts, aus dem Französischen von Peter Gan und Monique Lang, Hamburg/Zürich 2010, S. 31. [HdL]

4

Rencontres avec André Gide, OC III, 881f. Die immer wieder treuherzig nacherzählte Legende von Camus’ Ablehnung Gides, die im Wesentlichen auf eine Lektürenotiz in seinem Nachlass und eine Fußnote in Camus’ erster großer lyrischen Essaysammlung Hochzeit des Lichts zurückgeht, sollte man nicht zu ernst nehmen. Die Lektürenotiz aus dem Nachlass lautet: «‹Früchte der Erde›: diese Apologie der Empfindung … ist nichts als eine Vergeistigung der Sinne. Es gibt nichts Verkopfteres als die ‹Früchte der Erde›». OC I, 959. Im Essay Hochzeit des Lichts heißt es in einer Fußnote: «Darf ich mich lächerlich machen und zugeben, dass ich Gides Art, den Leib anzuschwärmen, nicht mag? Er verlangt von ihm, seine Begierden zurückzuhalten, um seine Wollust noch zu steigern». HdL, 32. Vermutlich bezieht sich diese Kautel auf folgende Stelle in den Früchten der Erde von Gide: «Es liegt ein Gewinn in den Begierden, und Gewinn in der Stillung der Begierden – weil sie sich dadurch steigern. Denn in Wahrheit, ich sage dir, Nathanaël, jede Begierde hat mich mehr bereichert als der immer trügerische Besitz des Gegenstandes meiner Begierde», FdE, 70.

5

Vorwort von Albert Camus zu Jean Grenier, Die Inseln, aus dem Französischen von Olaf Ohlenburg unter Mitarbeit von Serge Belluzzo, Frankfurt/M. 1985, S. 7f.

Noces – die Hochzeit des Lichts

1

TA I, 111.

2

HdL, 13.

Unterm höchsten Sonnenstand

1

In Frankreich hat in den letzten Jahren eine Entdeckung des algerischen Camus eingesetzt, die das einseitige Bild des Pariser Intellektuellen Camus’, das bisher vorherrschte, um einige entscheidende Aspekte ergänzt. Zeugnisse dieser Entwicklung sind: Josè Lenzini, Camus et L’Algérie, Aix-en-Provence 2010; Stéphane Babey, Camus, une passion algérienne, Editions Koutouba 2010; Alain Vircondelet, Albert Camus fils d’Alger, Paris 2010.

2

DeM, 313.

3

DeM, 218f.

4

HdL, 41.

5

Pierre Bourdieu, Algerische Skizzen, herausgegeben und mit einer Einleitung von Tassadit Yacine, aus dem Französischen von Andreas Pfeuffer, Achim Russer und Bernd Schwibs, Frankfurt/M. 2010, S. 116.

3. Kapitel Der Schmerz

1

DeM, 168.

Man muss sich Sisyphos als Dandy vorstellen

1

Albert Camus – Jean Grenier, Correspondance 1932–1960, Paris 1981, S. 13. [Corr-Gre]

2

OC I, 955f.

3

OC I, 965.

4

OC I, 969

Ein Mann heiratet sich nach oben. Und wird Kommunist

1

Todd, 65.

2

Corr-Gre, 14ff.

3

TA I, 30.

4

Corr-Gre, 22.

5

TA I, 22.

6

Todd, 97.

Der glückliche Tod

1

Der glückliche Tod, aus dem Französischen von Eva Rechel-Mertens, Reinbek 1983, S. 20. [DgT]

2

DgT, 26.

3

DgT, 29.

4

TA I, 61.

5

1926 veröffentlichte der surrealistische Dichter Paul Éluard einen Gedichtband unter diesem Titel.

Hauptstadt der Schmerzen

1

Todd, 162.

2

Ebd.

3

TA I, 61.

4

TA I, 74.

5

DgT, 104.

6

DgT, 71.

7

Jean Grenier ist verschiedentlich nach Indien gereist, hat ein Buch über den «Esprit du Tao» verfasst und geißelt in seinen philosophischen Essays den westlichen Individualismus, der den Geist seiner Meinung nach «sterilisiert» habe (vgl. Essai sur L’Esprit d’orthodoxie, Paris 1938, S. 148).

8

TA I, 31.

9

TA I, 61.

10

TA I, 153, 61, 133.

11

Corr-Gre, 29.

4. Kapitel Das Meer

1

OC I, 976.

2

Paul Valéry, Inspirations méditerranéennes, Œuvres I, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 1957, S. 1092.

3

Jean Grenier, Inspirations méditerranéennes. 1940 wird das Buch in einer erweiterten Fassung erscheinen und 1961 bei Gallimard noch einmal aufgelegt.

Die Lehren des Meisters

1

Jean Grenier, Die Inseln, a.a.O., S. 12.

2

Vladimir Jankélévitch, Das Verzeihen, übersetzt von Claudia Brede-Konersmann, Frankfurt/M. 2003, S. 105.

3

Jean Grenier, Entretiens sur le bon usage de la liberté, Paris 1948, S. 138.

4

Jean Grenier, Albert Camus. Souvenirs, Paris 1968, S. 16.

5

Jean Grenier, La Sagesse de Lourmarin, Cahiers du Sud, Marseille 1936; später in: Terrasses de Lourmarin, 1939, S. 50.

Die neue Mittelmeerkultur

1

OC I, 567.

2

OC I, 568.

3

OC I, 569.

Die Mittelmeerphilosophen Plotin und Augustinus

1

OC IV, 645.

2

«Den Übergang vom Hellenismus zum Christentum untersuchen, diesen wahren und einzigen Wendepunkt der Geschichte», heißt es Anfang 1951 im Tagebuch: Tagebuch Januar 1942 – März 1951, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek, S. 289. [TA II]

3

Albert Camus, Christliche Metaphysik und Neoplatonismus, aus dem Französischen und mit einer Einleitung von Michael Lauble, Reinbek 1978, S. 29. [CMuN]

4

Henri Vaugeois: «La suprême sagesse du catholicisme, ce christianisme atténué, filtré par le génie généreux de la France»; in: Michel Winok, Le siècle des intellectuels, Paris 1997, S. 92.

5

Die besten Auskünfte zur Geschichte der Mittelmeeridee bietet Émile Temine in seinem Buch Un rêve méditerranéen; Des Saint-Simoniens aux intellectuels des années trente, Arles 2002.

6

Gabriel Audisio, Jeunesse de la Méditerranée, Paris 1935, S. 52.

7

Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, München 1972, S. 49.

8

TA I, 80.

9

HdL, 119.

10

Der Mensch in der Revolte, aus dem Französischen von Justus Streller, neu bearbeitet von François Bondy und Georges Schlocker, Reinbek 1969, S. 247. [DMidR]

11

TA I, 40.

12

OC III, 402.

Ein Abschied von sich selbst

1

TA I, 70.

2

TA I, 49.

3

Corr-Gren, 28f.

4

HdL, 150.

Lokalreporter

1

OC I, 735.

2

OC I, 606.

3

Corr-Gren, 33.

Eine Reise zu den Berbern

1

OC I, 653.

2

OC I, 655.

3

OC IV, 323.

Das Lob der Armut

1

TA I, 154.

2

Pierre Bourdieu, Algerische Skizzen, a.a.O., S. 142.

3

TA I, 11.

Das Lob der Armut

4

Ebd.

Der Soir républicain

1

TA I, 132f.

2

Brief von Pascal Pia an André Abbou, Dezember 1970, OC I, 866.

3

Diese Szene erinnert der Jugendfreund Emmanuel Roblès, der Camus häufig in der Druckerei des Soir républicain besucht hat. In: Hommage à Albert Camus, Paris 1967, S. 26.

4

OC I, 776.

5

Von Macha Séry, die von ihrer Forschungsarbeit in Le Monde vom 17. März 2012 berichtet hat.

6

OC I, 785.

Ein Fegefeuer der Vergangenheit

1

Albert Camus – Pascal Pia, Correspondance 1939–1947, herausgegeben und mit Anmerkungen von Yves Marc Ajchenbaum, Paris 2000, S. 15. [Corr-Pia]

2

Corr-Pia, 19.

3

TA I, 151.

4

HdL, 69.

5

Henri-Bernard Lévy verspottet die Prosasammlung L’Été, in der der Minotaurus-Text über Oran erst 1954 veröffentlicht wurde, in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch über Sartre, Le siècle de Sartre, und empfiehlt, dass man sich «mehr an Sartres Philosophie der Kontingenz halten muss als an die kosmischen Orgien und das weihevolle Gemurmel von L’Été.» Zit. n. Henri-Bernard Lévy, Sartre: Der Philosoph des 20. Jahrhunderts, aus dem Französischen von Petra Willim, München 2002, S. 406.

Ein Massenmörder auf dem Theater – Caligula

1

Albert Camus, Dramen, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1986, S. 21. [Dramen]

2

Dramen, 48.

3

Vorwort Dramen, 9.

Ein Algerier in Paris

1

TA I, 162.

2

TA I, 166.

3

Todd, 257.

4

Todd, 264.

5

Der ungarische Schriftsteller Imre Kertész, der nach dem Krieg so beharrlich wie verzweifelt nach dem richtigen Ton suchte, in dem er über seine Erlebnisse in Auschwitz und Buchenwald schreiben könnte, hat (wie er der Autorin in verschiedenen Gesprächen erzählte, vgl. Iris Radisch: Hiob von Ungarn, Die Zeit. 13/1997), nachdem ihm der Fremde in den fünfziger Jahren zufällig in die Hände fiel, den Ton dieses Buches wie eine Erleuchtung erfahren, die es ihm endlich ermöglichte, seinen später mit dem Literaturnobelpreis gekrönten Roman eines Schicksallosen zu schreiben.

Der Fremde

1

TA I, 49.

2

Sartre erkennt im Fremden den Stil Hemingways wieder: die kurzen Sätze, die sich nicht aufeinander beziehen und immer wieder neu anheben, als gehe ihnen nichts voraus. Er bezweifelt jedoch, dass Camus, dessen Stil er als einen «Zeremonienstil» bezeichnet, sich den Stil Hemingways wirklich zu eigen gemacht habe. Oberhalb dieses Hemingway-Tones hört Sartre durchaus noch den eigentlichen, weniger engen poetischen Stil Camus’ durch. Sartre glaubt aber, Camus habe den «amerikanischen» Ton aus dem Kalkül übernommen, die absurde Weltsicht seines Helden in dieser entliehenen Sprache besser ausdrücken zu können. Das heißt, er hält den Ton des Fremden nicht für Camus’ eigene Leistung, sondern streng genommen für eine Übernahme, zugespitzt gesagt, für eine bloße Nachahmung. Auch die philosophische Perspektive des Fremden meint er schon lange zu kennen: «Sie ist in etwa das, was Hume früher gemacht hat, als er behauptete, in der Erfahrung nichts als vereinzelte Eindrücke entdecken zu können. Und sie ist das, was heute die amerikanischen Neo-Realisten noch immer machen, wenn sie bestreiten, dass zwischen den einzelnen Phänomenen mehr als nur ein ganz äußerlicher Zusammenhang besteht» (Situations, I, Paris 1947, S. 142). Die Bösartigkeit dieser Lesart, die Camus beinahe jede Originalität abspricht, ist – zumal sie von klingenden Vergleichen Camus’ mit Voltaire und den französischen Moralisten verdeckt wurde – zunächst wenig bemerkt worden. Camus ist sie allerdings nicht entgangen. Am 9. März 1943 schreibt er an Jean Grenier: «Ich habe die Cahiers de Sud erhalten. Der Artikel von Sartre ist das Modell einer ‹Demontage›. […] an manchen Stellen erklärt er mir wirklich, was ich machen wollte. Ich weiß, dass er in vielem recht hat, aber warum dieser sauere Ton?» Corr-Gre, 88.

3

DF, 102.

4

Jean-Jacques Brochier, Camus, philosophe pour classes terminales, Paris 1974.

5

Maurice Blanchot, Der Umweg zur Einfachheit, aus dem Französischen von Ulrich Kunzelmann, in: Freundschaft, Berlin 2011, S. 244.

6

OC I, 216.

7

OC IV, 614.

Der Einmarsch

1

Todd, 263.

2

Jean-Paul Sartre, Der Pfahl im Fleische, Die Wege der Freiheit 3, aus dem Französischen von Uli Aumüller und Andrea Spingler, Reinbek 1988, S. 41.

3

André Gide, Gesammelte Werke, IV, aus dem Französischen von Maria Schäfer-Rümelin und Wilhelm Maria Lüsberg, München 1990, S. 56.

4

Simone de Beauvoir, Die Zeremonie des Abschieds, aus dem Französischen von Uli Aumüller und Eva Moldenhauer, Reinbek 1986, S. 498.

5

DMdS, 158.

6

Todd, 27.

7

TA I, 173.

Die Heirat

1

Dramen, 71.

2

DMdS, 93.

3

Tagebuch März 1951 bis Dezember 1959, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1991, S. 352f. [TA III]

4

TA I, 177.

Der absurde Mensch – Mythos des Sisyphos

1

vgl. OC II, 659: «Ich bin kein Philosoph. Ich glaube nicht genug an die Vernunft, um an ein System zu glauben. Was mich interessiert, ist, wie man leben soll. Und noch genauer: Wie man leben soll, wenn man weder an die Vernunft noch an ein System glaubt.»

2

Jean-Paul Sartre, Situations, I, a.a.O., S. 129.

Lebe tief und heftig

1

DMdS, 23.

2

DMdS, 25.

3

DMdS, 20.

4

Dieses Schulheft mit kleinen Karos enthält Notizen aus der Zeit vom 17. März 1938 bis Mitte August 1942. Camus hatte es bei seiner zweiten endgültigen Abreise nach Frankreich in Oran liegen lassen. Die Schwester von Francine hat es Camus’ Tochter erst 1988 übergeben, im Jahr 2006 wurde es in der Pléiade-Ausgabe in Paris unter dem Titel Sans lendemains veröffentlicht.

5

OC I, 1198.

6

TA I, 55.

7

OC I, 1198.

Sisyphos in Auschwitz

1

DMdS, 48.

2

Imre Kertész, Roman eines Schicksallosen, aus dem Ungarischen von Christa Viragh, Rowohlt Berlin 1996, S. 287.

7. Kapitel Die Ehre

1

Corr-Gre, 63; s.a. Jean Grenier, Albert Camus. Souvenirs, a.a.O., S. 61.

Die Polarnacht von Paris

1

Vgl. Pierre Assouline, Gaston Gallimard, Un demi-siècle d’édition française, Paris 2006.

Eine «Hölle» des Wartens in Oran

1

TA I, 177.

2

Todd, 286.

3

TA I, 180f.

4

TA I, 183.

5

TA I, 186f.

6

Corr-Gre, 57.

7

Corr-Pia, 58.

Ein Erfolg von deutschen Gnaden

1

DMidR, 145.

2

Ernst Jünger, Das erste Pariser Tagebuch, Stuttgart 1994, S. 129.

3

Gerhard Heller/Jean Grand, In einem besetzten Land, Leutnant Heller und die Zensur in Frankreich 1940–1944, aus dem Französischen von Annette Lallemand-Rietkötter, Köln 1982, S. 203.

4

Goebbels sprach sich auf einer Ministerbesprechung im Juli 1940 deutlich gegen die frankophilen Interessen der nationalsozialistischen Romanisten aus. In einem Sitzungsbericht heißt es: «Der Minister wendet sich nochmals gegen sentimentale, verbrüderungsselige Aufsätze über Paris. Er macht sehr eindringlich klar, dass Deutschland für die nächsten 3–4000 Jahre die Bedeutung haben werde, die Frankreich in den letzten 150 Jahren gehabt hat. Unter diesen Umständen sei es völlig falsch, von uns aus den Ruf von Paris noch zu nähren. Denn natürlich soll nun auch Berlin an die Stelle von Paris treten.» (Kathrin Engel, Deutsche Kulturpolitik im besetzten Paris, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2003, S. 115). Der Konflikt zwischen frankophilen und frankophoben Nationalsozialisten blieb ungelöst. Als der Pariser Zensor Gerhard Heller ebenfalls im Sommer 1942 Antoine de Saint-Exupérys Buch Flug nach Arras nahezu ohne Veränderungen zur Veröffentlichung bei Gallimard freigegeben hat und das Werk in der kollaborierenden Presse im Herbst 1942 heftig kritisiert wird, erhält Heller von seinen Vorgesetzten bei der Propagandastaffel eine Rüge und einige Tage Stubenarrest. Im Januar 1943 wird das Buch nachträglich verboten.

5

TA II, 29ff.

6

Pierre Drieu La Rochelle, geboren 1893, war ein schillernder und widersprüchlicher Kopf, der zunächst mit der französischen Linken sympathisierte, dann aber erbittert gegen die Volksfrontregierung Blums polemisierte und sich 1936 der faschistischen Parti populaire français von Jacques Doriot anschloss. Sein posthum erschienenes Tagebuch aus der Okkupationszeit zeigt einen innerlich zerrissenen Menschen: «Die Verachtung, die ich für mich selber habe, ist unmöglich und führt mich in dunkle Abenteuer», Journal 1939–1945, Paris 1992, S. 316.

7

Laure Adler, Marguerite Duras, aus dem Französischen von Petra Willim, Frankfurt/M. 2000, S. 159.

Von der Gleichgültigkeit zur Revolte – der Mensch im Widerstand

1

OC I, 985.

2

OC I, 885.

3

Todd, 355. Ein Einzelband der Korrespondenz Albert Camus/Francis Ponge erscheint schließlich im Herbst 2013 bei Gallimard in Paris.

In der Pariser Bohème

1

Jean-Paul Sartre, Paris unter der Besatzung, aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Hanns Grössel, Reinbek 1980, S. 46.

2

Maria Casarès, Résidente privilégiée, Paris 1980, S. 342. [Rp]

3

Corr-Gre, 99.

4

Jean-Paul Sartre, Paris unter der Besatzung, a.a.O., S. 48.

5

OC I, 1409.

6

OC I, 913.

7

Corr-Gre, 96.

Briefe an einen deutschen Freund

1

Albert Camus, Fragen der Zeit, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1960, S. 32f. [FdZ]

Das Missverständnis

1

TA II, 83.

Die Befreiung

1

FdZ, 40.

8. Kapitel Die Menschen

1

TA II, 119.

2

Im Film von James Kent und Olivier Todd Albert Camus – Un combat contre l’absurde, 1996.

3

Casarès, Rp, 353.

4

TA II, 119.

5

Agnés Spiquel, die Herausgeberin des im Herbst 2013 bei Gallimard erscheinenden Bandes Albert Camus – Louis Guilloux, Correspondance, die ich hier zitiere, sei für ihre freundlichen Mitteilungen bedankt.

6

Albert Camus, Reisetagebücher, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1980, Tb. 1987 (NA), S. 43. [Reise-TA]

Bester Freund wider Willen – Pascal Pia

1

Roger Grenier, Pascal Pia ou le droit au néant, Paris 1989, S. 96.

2

Francine Camus, in: Corr-Pia, 153f.

Ein deutsches Zwischenspiel

1

OC II, 630.

2

DMidR, 150.

Sartre (I). Der freundliche Feind

1

OC I, 796.

2

Annie Cohen-Solal, Sartre 1905–1980, aus dem Französischen von Eva Groepler, Reinbek 1988, Tb. 1991, S. 367.

3

OC II, 656.

4

Roger Grenier, a.a.O., S. 40.

5

Jean-Paul Sartre, Situations, IV, Paris 1964, S. 91.

6

OC II, 780.

7

Die Pest, aus dem Französischen von Uli Aumüller, Reinbek 1997, Tb. 1998, S. 288f. [DP]

Eine amerikanische Liebschaft

1

Reise-TA, 26f, 33, 35.

2

Reise-TA, 34.

3

Reise-TA, 39.

4

Todd, 437

5

Todd, 451.

Die Pest

1

TA II, 52.

Die Pest

2

Am 5. Januar 1946. Zur Korrespondenz Camus/Guilloux s.o. Anm. 184.

3

DP, 350.

4

TA II, 176.

Ein neues Zeitalter

1

Todd, 464.

2

Magazine littéraire, September 1972.

3

OC II, 449.

Der Bruder – René Char

1

TA II, 155.

2

Albert Camus – René Char, Correspondance 1946–1959, Paris 2007, S. 25. [Corr-Char]

3

Corr-Char, 58.

4

OC IV, 618.

5

OC II, 764.

Der Mensch in der Revolte

1

Jean Grenier, Essai sur l’esprit d’orthodoxie, Paris 1938, S. 144.

2

TA I, 181.

3

Alexandre Kojève, Hegel, Kommentar zur Phänomenologie des Geistes, aus dem Französischen von Iring Fetscher und Gerhard Lehmbruch, Frankfurt/M. 1975, S. 149.

4

Maurice Merleau-Ponty, Humanismus und Terror I, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Frankfurt/M. 1966, S. 45.

5

DMidR, 111.

6

DMidR, 78.

7

DMidR, 139.

8

Dramen, 196.

9

Jean-Paul Sartre, Libération, 15. Juli 1954.

10

DMidR, 141.

Nemesis oder Gegen ein deutsches Europa

1

DMidR, 159.

2

OC III, 1099.

3

OC III, 1099.

4

DMidR, 247.

5

DMidR, 242.

6

Alexandre Kojève, Das lateinische Imperium; in: Tumult, Schriften zur Verkehrswissenschaft Nr. 15, Franzosen, Wien o.J., S. 92–122.

7

DMidR, 248.

Sartre (II). Eine öffentliche Hinrichtung

1

Catherine Camus im Gespräch in Lourmarin, Mai 2013.

2

Corr-Char, 90.

3

Corr-Gre, 179.

4

OC III, 394f.

5

OC III, 403.

6

OC III, 407.

7

OC III, 408.

8

Francis Jeanson, «Albert Camus ou l’âme révoltée», Les temps modernes, Mai 1952.

9

Jean-Paul Sartre, Situations, IV, a.a.O., S. 90.

10

Ebd., 101.

11

Ebd., 121.

12

Ebd., 104.

13

OC II, 287.

14

Bernard-Henry Lévy wiederholt die Anwürfe gegen Camus’ Naturauffassung im Jahr 2010 in Le Monde hors série, Albert Camus: «Aber leider, es gibt das Furchtbare. Oder genauer gesagt, es gibt diese metaphysische Seite [der Auseinandersetzung zwischen Sartre und Camus], wo Sartre im Vorteil ist und Camus sich verirrt.» Camus, so Lévy 2010, sei ein griechischer «Heiligsprecher», der an die «gute Natur» glaube, während Sartre immer gewusst habe, dass die Natur feindlich sei und beherrscht werden müsse. Lévy schafft sich einen Camus minus Metaphysik und minus Philosophie: «Man kann in der Gulag-Frage richtig liegen und doch nicht über die theoretischen Instrumente verfügen, die es einem gestatten, seine Sicht bis ins letzte zu begründen». Auf diese Formel haben sich die Sartrianer heute mehr oder weniger geeinigt: Camus – guter Moralist, schlechter Denker.

9. Kapitel Die Erde

1

Tagebuch März 1951 – Dezember 1959, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1991, S. 55. [TA III]

2

Im Film von James Kent und Olivier Todd, 1996.

3

Im selben Film.

4

Im Gespräch in Lourmarin im Mai 2013.

Heimkehr nach Tipasa

1

LuS, 31.

2

Corr-Char, 65.

3

Corr-Char, 136.

4

HdL, 139 (Übersetzung leicht verändert).

5

HdL, 148.

6

HdL, 135.

Die Traurigkeit, recht zu behalten

1

Jean Daniel, Avec Camus. Comment résister à l’air du temps, Paris 2006, S. 54.

2

OC IV, 585.

3

OC IV, 286.

Die algerische Tragödie

1

Edward W. Said, Das koloniale Unbewusste Albert Camus’, in: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht, Frankfurt/M. 1993. Said interpretiert Camus als einen für ein französisches Publikum schreibenden Kolonialautor, der sich, weil er die realen kolonialen Hintergründe seiner Romane nicht thematisiert, in die imperiale Kulturgeschichte Europas eingeschrieben habe: «Camus ist eine späte imperiale Gestalt, die nicht nur die Hochblüte des Imperiums überlebte, sondern auch heute noch als ‹universalistischer› Schriftsteller mit Wurzeln in einem heute vergessenen Imperialismus überlebt», S. 239. Albert Memmi nennt Camus einen «Kolonisateur des guten Willens», in: Nef, 12. 12. 1957, S. 95.

2

OC IV, 353.

3

Ebd.

4

Jean-Paul Sartre, in: Frantz Fanon, a.a.O., S. 11.

5

TA III, 242.

6

Corr-Gre, 213.

Himmel und Hölle

1

Albert Camus, Das Exil und das Reich, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1958, S. 84. [DEudR]

2

Jacques Derrida, Von der Gastfreundschaft, Wien 2001.

Der Fall

1

TA III, 152.

2

Der Fall, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Reinbek 1957, S. 72. [Fall]

3

Todd, 691.

4

Fall, 121.

5

Roger Grenier, a.a.O., 304.

Der Preis

1

Nachzuverfolgen in dem Band Albert Camus – Roger Martin du Gard, Correspondance, dem dritten Briefwechsel, den Camus’ Verlag Gallimard im Herbst 2013 herausgibt.

2

FdZ, 264f.

3

FdZ, 267.

4

FdZ, 278.

5

Maria Casarès schreibt in ihren Memoiren, Camus habe oft von «seinem Stern» gesprochen, Rp, 352.

6

TA III, 336.

10. Kapitel Die Wüste

1

TA III, 326.

2

TA III, 328.

3

Corr-Gre, 225.

4

Corr-Char, 173.

5

Todd, 804. Catherine Camus bezweifelt diese Äußerung im Gespräch im Mai 2013.

6

DeM, 350f.

Der Traum vom Buch der Einfachheit

1

Roland Barthes, Die Vorbereitung des Romans, aus dem Französischen von Horst Brühmann, Frankfurt/M. 2008, S. 447.

2

Nach dem Tod Francine Camus’ am 24. 12. 1979 verwalteten erst Catherine und Jean Camus das Werk ihres Vaters. Im Jahr 2000 wurde das «Centre d’Albert Camus» in Aix-en-Provence eröffnet. Der größte Teil der Manuskripte Camus’ liegt seither im «Fonds Albert Camus» in der Bibliothek Méjane in Aix-en-Provence. Das Manuskript der Pest liegt in der Bibliothèque Nationale in Paris. Der Briefwechsel zwischen Albert und Francine Camus ist im Besitz von Catherine und Jean Camus und wird zu deren Lebzeiten nicht freigegeben.

3

TA III, 348.

Die Ehebrecherin

1

HdL, 59.

2

DEudR, 19.

3

DEudR, 28.

Das nomadische Denken

1

OC III, 941.

2

HdL, 71.

3

Antoine de Saint-Exupérys letztes, 1948 posthum und unvollendet bei Gallimard erschienenes Buch Die Stadt in der Wüste ist angelegt als die Wüsten-Predigt eines Berber-Königs.

4

Edmond Jabès, Du Désert au Livre; entretiens avec Marcel Cohen, Paris 1980, S. 33.

5

Edmond Jabès, Le soupçon. Le désert, Paris 1978, S. 11.

6

DeM, 35.

Das letzte Jahr

1

TA III, 333.

2

TA III, 336.

Der erste Mensch

1

DeM, 93.

2

TA II, 155.

3

DeM, 220.

4

LuS, 31.

5

LuS, 39.

René Char und das Nachleben der Sonne

1

Anmerkung in Corr-Char, 184.

2

OC IV, 671.

René Char und das Nachleben der Sonne

3

LuS, 31.

Und Schluss

1

Emmanuel Roblès, Camus frère de soleil, Paris 1995, S. 101.

2

OC IV, 662.

«Antwort auf die Frage nach meinen zehn bevorzugten Wörtern: ‹Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.›»

Albert Camus im Sommer 1951

1. Kapitel Die Mutter

Ort und Zeit: Mondovi 1913. Rue de Lyon, Algier, 1914 bis 1931.

Am Anfang war das Schweigen

Ein klappriger Wagen fährt auf kaum befestigten Straßen durch die karge unermessliche Landschaft Algeriens. Die Finsternis scheint grenzenlos zu sein. Der Kutscher hat eine Laterne angezündet, das einzige Licht in der regnerischen Nacht.

Das Paar auf dem Pferdewagen hat es eilig, die Frau liegt in den Wehen. Sie halten bei einem Gut in einem winzigen Dorf. In einer Küche wird eine Matratze neben einer Feuerstelle auf den Boden gelegt. Ein Geruch von Verwahrlosung und Elend hängt in der Luft.

Das Kind kommt in dieser Nacht im Spätherbst 1913 mit Hilfe einer Araberin und der Kantinenwirtin des Gutes neben dem prasselnden Holzfeuer zur Welt. Sein erstes Lebenszeichen gleicht einem «unterirdischen Knirschen», «wie manche Zellen unter dem Mikroskop es machen»[1]. Es wird gewickelt und in einen Wäschekorb gelegt. Das Gesicht der Mutter beim Anblick des Sohnes ist «verklärt» – das wird der Sohn später behaupten.

Nicht viele Autoren haben gewagt, ihre Geburt zu beschreiben. Goethe tat es: «Am 28. August 1749 mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich». So beginnt seine Autobiographie Dichtung und Wahrheit.

Und Camus tat es in seinem letzten Werk, Der erste Mensch. In den Monaten vor seinem Unfalltod am 4. Januar 1960 hatte er wie besessen an seiner literarischen Autobiographie geschrieben. Sie wurde sein Vermächtnis. Er hatte das handschriftliche Manuskript bei sich, als das Auto, in dem er starb, an einer Platane zerschellte. Auf den ersten Seiten dieses Buches schreibt Camus, wie sein Leben begann. Es ist Dichtung und enthält doch die Wahrheit seines Lebens, so wie er sie erfunden hat.

Verklärt ist nicht nur das Gesicht der Mutter, sondern die ganze Geburtsszene, die hinter der Goethe’schen Schicksalsstunde nicht zurücksteht. Kosmische Kräfte und schlichtere Frankfurter Glockenschläge unterlegen die Geburt des deutschen Klassikers mit allen Vorzeichen des Triumphalen. Camus arrangiert seine Geburt in biblischer Ärmlichkeit und Einfachheit, ein schutzsuchendes Paar in dunkler Nacht, ein einsam dahineilendes Licht, das von einer Laterne in die tiefe Finsternis der Welt geworfen wird, eine bescheidene Herberge. Über dieser Geburtsszene wachen keine Engel, kein Stern zu Bethlehem leuchtet am Himmel. Nur der vom Westwind Tausende von Kilometern übers Meer getriebene Regen trommelt seine Sphärenmusik zu dem Ereignis, das sich in Wahrheit weit weniger erhaben zugetragen hat.

Camus’ Vater, Lucien Auguste Camus, arbeitet als Kellermeister seit dem Spätsommer 1913 auf einem Weingut in Saint-Paul im algerischen Mondovi, 420 Kilometer östlich der Hauptstadt gelegen, wo er seine Frau und seinen Sohn Lucien zurückgelassen hat. Er wohnt in einer Hütte mit einem Boden aus gestampftem Lehm. Im November 1913 besteigen seine Frau Catherine und der dreijährige Sohn Lucien in Algier einen Zug, der sie in einer achtzehnstündigen Fahrt nach Bône (heute Annaba) bringt. Dort holt der Vater sie ab. Die 25 Kilometer von Bône zum Weingut in Mondovi (heute Déan) legt die Familie auf einem Karren zurück. Mutter und Sohn erkranken am Sumpffieber, das die Mücken verbreiten.

In der Lehmhütte des Kellermeisters wird Albert Camus am 7. November 1913 um zwei Uhr nachts geboren. Sein ärmliches Geburtshaus, das er so genau beschreibt, hat er nie gesehen. Es wurde noch zu seinen Lebzeiten abgerissen.

Auch seinen Vater hat er nie gekannt. Den ersten Teil seines letzten Buches hat er «Suche nach dem Vater» genannt. Lucien Camus wurde 1914 Soldat. Wenige Monate nach der Geburt des Sohnes ist er in der Marne-Schlacht gefallen.

Ein Foto, ein paar Feldpostkarten und der wie eine Reliquie aufgebahrte Granatsplitter, der den Vater getötet hat und der Witwe nach Algier geschickt wurde: mehr blieb vom Vater nicht. Camus’ Recherchen nach der väterlichen Familiengeschichte – Lucien Camus war ein französisches Kolonistenkind in der zweiten Generation, Albert Camus’ Urgroßvater wanderte in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts von Bordeaux nach Algerien aus – blieben ergebnislos. Der abwesende Vater ist die erste große Leerstelle in seinem Leben. Camus füllt sie mit einer erfundenen Ursprungslegende. In deren Zentrum steht eine in Schweigen gehüllte Frau, die Mutter. Ihr ist das Buch gewidmet.

Catherine Camus, geborene Sintès, hört schlecht und spricht kaum einen Satz. Sie verfügt über 400 Wörter, ist apathisch und zeigt keine Gefühle. Sie hat ihren Sohn nie liebkost, nie umarmt, sie greift nicht ein, wenn ihre eigene Mutter ihn drakonisch bestraft. Ihr Leben verlief in wortloser Ergebenheit, in einem Zimmer ohne Strom, ohne Gas oder fließendes Wasser, mitten im Armenviertel von Algier. Camus hat sie wie eine Heilige verehrt.

Camus’ Mutter Catherine, geb. Sintès, in späteren Jahren

Die Mutter steht am Anfang und am Ende seines Weges. Er beschreibt sie als eine Frau mit sanftem, ebenmäßigem Gesicht, das Haar gewellt wie bei einer Spanierin, mit einer geraden kleinen Nase, warmherzigen Augen und verbrauchten, holzartigen Händen. Sie sei, schreibt er, «zerstreut», «geistesabwesend», «höflich», «unzugänglich», «eingeschlossen in ihr eigenes enges Universum» gewesen. «Die Mutter» sollte das Schlusskapitel heißen. Im Manuskript findet man den Satz: «Sie war meistens schweigsam und mit kaum einigen hundert Worten zu ihrer Verfügung, um sich auszudrücken; er unentwegt redend und unfähig, mit Tausenden von Wörtern zu finden, was sie mit einem einzigen Schweigen sagen konnte.»[2] Die Mutter ist der Maßstab, den Camus an die Welt anlegt. Über sie und ihre Rolle als Schutzpatronin und Portalfigur seines zukünftigen Werks schreibt der junge Autor im Tagebuch: «Das alles soll in den Gestalten von Mutter und Sohn Ausdruck finden»[3]. Auf dem Höhepunkt des Algerienkrieges und seines eigenen Ruhmes wird er 1957 bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm sagen: «Wenn ich zwischen meiner Mutter und der Gerechtigkeit wählen müsste, würde ich meine Mutter wählen»[4]. Mütter sind die einzig bedeutenden Frauenfiguren in seinem Werk.

Bis zum letzten Tag seines Lebens wird Camus seine Mutter, eine fast stumme, seelisch gestörte Analphabetin, als Urbild heiliger Einfalt verherrlichen. In ihr Schweigen hinein entwirft er sein Werk. Kurz vor seinem Tod notiert Camus: «Oh Mutter, oh Zarte, geliebtes Kind, das größer ist als meine Zeit, größer als die Geschichte, die dich unterwarf, wahrer als alles, das ich auf der Welt geliebt habe, oh Mutter, vergib deinem Sohn, dass er der Nacht deiner Wahrheit entfloh.»[5] Catherine Camus bleibt die wichtigste Frau seines an Frauen reichen Lebens – und sein größter Schmerz. Die Frau, mit der er nie sprechen konnte, war zugleich die «Einzige, mit der er hätte sprechen können».[6]

Unterm Ochsenziemer – eine Kindheit im 20. Jahrhundert

Im Sommer 1914 war Lucien Camus also nach Frankreich abgereist, um, kaum dort angekommen, zu sterben. Die Mutter zog mit den beiden Jungen zurück nach Algier, zu ihrer verwitweten Mutter und dem fast taubstummen Bruder Étienne. Die drei Generationen wohnen in der Rue de Lyon im Arbeiterviertel Belcourt. Als Catherine Camus dort die Nachricht erreicht, dass ihr Mann am 11. Oktober 1914 seinen Verletzungen in Nordfrankreich erlegen ist, steckt sie den Umschlag in ihre Kittelschürze und bleibt starr auf dem Bett sitzen, stundenlang. An diesem Tag beginnt Camus’ Kindheit zwischen zwei wortlosen Erwachsenen und einer groben alten Frau, seiner Großmutter.

Die Großmutter Catherine Marie Cordona Sintès wurde 1857 auf der spanischen Insel Menorca geboren und kam als Kind von Auswanderern nach Algerien. Schon sie war Analphabetin, lebte in großer Armut und arbeitete hart. Neun Kinder brachte sie zur Welt. Sie soll kalt und herzlos gewesen sein, Camus beschreibt sie als «unwissend und stur», eine nach altem Fleisch riechende Matrone mit eiskalten Augen und einem mächtigen «Altfrauenbauch», gekleidet in ein langes schwarzes «Prophetinnenkleid».[1] Zur Erziehung der Kinder und Enkel benutzt sie den Ochsenziemer, der in der Rue de Lyon an der Wand hängt.

Das Leben der beiden halbwaisen Brüder Lucien und Albert zwischen den drei seelisch und körperlich schwerbeschädigten Mitgliedern einer ursprünglich spanischen, inzwischen völlig französisierten bitterarmen Kolonistenfamilie – Camus sprach kaum Spanisch, war aber stolz auf seine spanische Herkunft – hatte regelrecht vorzivilisatorische Züge.

Albert mit seinem drei Jahre älteren Bruder Lucien

Die Wohnung der Familie ist eng und liegt im ersten Stock eines Mietshauses. Nur drei Zimmer, kahl und gekalkt, ohne jeden Komfort. In dem einen stehen ein Esstisch mit einer Wachstuchdecke und fünf Stühle, auf dem Boden liegt eine Matratze, auf welcher der stumme Onkel schläft, wenn es Nacht wird. Wenn Camus Mittagsschlaf halten muss, liegt er im hohen großen Bett im Zimmer der Großmutter. In der Küche gibt es keinen Herd und keinen Backofen, nur einen Spirituskocher. Die Kinder haben kein eigenes Bett und schlafen nachts neben der Mutter. Es gibt keine Toilette, nur einen Abtritt ohne Wasserspülung im Treppenhaus. Ein Fenster geht auf die Straße, zwei gehen zum Hof. Die Familie ist nicht religiös, besucht nie die Kirche. Wenn ein Nachbar gestorben ist, sagt die Großmutter: «Nun muss er nicht mehr furzen». Die Abendunterhaltung der Familie besteht im Winter darin, die Stühle ans Fenster zu rücken und hinauszuschauen. Im Sommer stellt man die Stühle auf die Straße und sieht den Passanten und den Straßenbahnen nach. Das 20. Jahrhundert hat in diesem Leben noch nicht Einzug gehalten – es gibt keine Elektrizität, kein Wasser, keine Zeitungen, keine Bücher, geschweige denn so etwas Seltenes wie einen Radioapparat, am Sonntag geht man gelegentlich ins Vorstadtkino. Die französische Zivilisation liegt in unerreichbarer Ferne – keiner von Camus’ noch lebenden Verwandten ist jemals in Frankreich gewesen oder hat auch nur eine Vorstellung von der französischen Kultur.

So schreibt Camus sein Werk für eine Kriegswitwe, die es nie lesen wird, die nichts weiß von der großen Geschichte, die nur eine sehr vage Idee von Frankreich und noch nie etwas von Österreich-Ungarn gehört hat, die weder «die vier Silben Sarajevo aussprechen kann» noch eine Ahnung davon besitzt, was ein Erzherzog sein könnte. Zeitlebens hält Catherine Camus den soliden Beruf ihres älteren Sohnes, der Versicherungsvertreter wird, für ehrbarer als die Literatur des berühmten Jüngsten. Niemals, so Camus, habe er seine Mutter lachen gehört. Und nie habe er mit ihr Erinnerungen austauschen können, da sie sich an ihr ereignisloses Leben nicht erinnern konnte – oder wollte. Einmal hat sie es gewagt, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen und sich die Haare kurz zu schneiden. Es ist die Zeit, als es einem maltesischen Fischhändler gefällt, der jungen Witwe den Hof zu machen. Doch ihr Bruder Joseph beschimpft sie als Hure, und sie zieht sich weinend in ihre gewohnte Lebensstarre zurück, einmal mehr bestätigt in der Gewissheit, «dass das ganze Leben aus Unglück bestand, gegen das man nichts tun und das man nur erdulden konnte».[2]

Camus’ Familie lebt – losgelöst von der religiösen und kulturellen Nabelschnur zum unbekannten europäischen Mutterland – ohne Kenntnis von der eigenen Geschichte und dem eigenen Herkommen in einem Niemandsland endloser Gegenwart, durch das hin und wieder lärmend eine Straßenbahn fährt.

 

Jean-Paul Sartre, der spätere Weggenosse und Gegenspieler Camus’, geboren 1905 und ebenfalls vaterlos aufgewachsen – bei Mutter, Großmutter und Großvater –, erzählt in seiner Autobiographie Die Wörter von einer ganz anderen, einer behüteten, emotional und intellektuell verwöhnten Kindheit. Das Schlafzimmer der Mutter, in welcher er bald eine ältere Schwester sieht, quillt über von Büchern, deren ständiger Zustrom aus dem örtlichen Lesekabinett nie versiegt. Der kleine, von allen bewunderte und verwöhnte Sartre sitzt zwischen Kunstbänden, Romanen und Reiseberichten und muss sich entscheiden, ob er zuerst die Erzählungen von Maupassant oder den Bildband über Rubens aufschlagen soll. Noch bevor er die Buchstaben entziffern kann, besteht er wie ein ausgewachsener Kulturbürger darauf, eine eigene Bibliothek zu besitzen, um in den Büchern schon einmal zu blättern und die Pose des Lesenden einzuüben.

Zwei Leben, wie sie unterschiedlicher nicht beginnen können. Über das eine regiert das eiserne Schweigen im Armenviertel einer französischen Kolonie. Das andere wird überrollt von den immer neuen Worten und Lektüren einer eilig voranpreschenden Gegenwart. Camus’ Leben beginnt im staubigen Stillstand einer monotonen Vormoderne, in der man viele Stunden am Tag hart arbeitet, um abends müde und erschöpft in den Himmel zu schauen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Sartres Leben steht von Anfang an unter dem Stern der rasanten Eroberung und Beherrschung der Welt durch immer mehr Wissen und immer größere Worte.

Sartre ist immer schon da, wo er hingehört. Camus wird von der Rue de Lyon in Algier bis zum Boulevard Saint-Germain in Paris knapp tausend Kilometer in der Luft und gut fünfhundert Jahre in der Menschheitsgeschichte zurücklegen.

 

Die Tage gleichen einander. Der Onkel arbeitet in einer Böttcherei und kommt spät nach Hause, isst, legt sich hin und schläft. Die Mutter sortiert in einer Rüstungsfabrik Patronen; später putzt sie bei reichen Kolonisten, in Villen mit herrschaftlichem Blick über das Mittelmeer. Camus wird einmal in einer dieser schönen Villen wohnen. Vorerst sitzt er noch an dem einzigen Tisch neben dem zur Seite geräumten Geschirr, wenn er am Abend seine Schularbeiten macht.

Das Haus in der Rue de Lyon 93 gibt es noch immer. Eine enge Steintreppe führt durch ein dunkles Treppenhaus in den ersten Stock. In der kleinen Mietswohnung lebt inzwischen ein Hafenarbeiter, der sich «Mohamed Camus» nennt.[3] In den drei engen, hohen Räumen sieht es aus wie zu Zeiten Camus’: kaum Möbel, schmales Bett, ein paar Stühle, der Tisch mit Wachstuchdecke.[4] Camus wird diese karge Art des Wohnens immer bevorzugen.

«Ich liebe das kahle Haus der Araber oder der Spanier. Der Ort, an dem ich am liebsten lebe und arbeite (oder wo es mir im Gegensatz zu den meisten Menschen sogar gleich wäre, zu sterben), ist das Hotelzimmer. Der vielgelobten Häuslichkeit habe ich nie Geschmack abgewinnen können; das sogenannte bürgerliche Glück langweilt und erschrickt mich.»[5]

Der Ton in der Familie ist rüde und unsentimental. Die Tonlosigkeit, die man im Fremden als bahnbrechende Erneuerung der europäischen Literatur feiern wird, ist hier zu Hause. Sie war für Camus keine nur kühne literarische Pose, sie war seine Wirklichkeit, er hat sie nicht erfunden.

Besonders die Gleichgültigkeit der Mutter, die irgendwo im Abseits des Autismus ihr Leben verbracht hat, prägt sich dem Jungen tief ein. Camus und seine Figuren werden von einer ähnlichen Aura der Kälte umgeben sein und niemals die seelische Nähe anderer Menschen suchen.[6] Über die Gründe für die seelische Deformation der Mutter hat Camus nicht spekuliert.[7] Sie ist der erste Schmerz des Kindes, den der junge Schriftsteller später mit einigem literarischen Aufwand in das paradoxe Glück einer tragischen Existenzerfahrung umdeuten wird. Doch in einem seiner allerersten Texte, den er als Student in der Edition seines Freundes Edmond Charlot 1937 in Algier veröffentlicht, gesteht er offen, das Schweigen der Mutter «tut ihm so weh, dass er weinen möchte».[8]

Camus wird aus diesem Kälte-Trauma seine Philosophie entwickeln. In seinem Essay Der Mythos des Sisyphos wird er über die Erfahrung des Absurden nicht mehr schreiben, sie sei der «Zusammenprall eines kindlichen Rufes mit dem unbegreiflichen Schweigen der Mutter», sondern: «das Absurde ist der Zusammenprall des menschlichen Rufes mit dem unbegreiflichen Schweigen der Welt».[9] Aus der Psychopathologie einer in ärmsten Verhältnissen lebenden algerischen Analphabetin macht Camus die nicht aufzulösende Tragödie eines Menschen, der der Gleichgültigkeit des stummen und kalten Kosmos ausgesetzt ist.

Camus’ Philosophie des Absurden kann ihre Herkunft aus den seelischen und sozialen Verheerungen nicht verleugnen, die das Milieu der Ärmsten unter den Franzosen in Nordafrika prägen. Sie entsteht auf der Straße, im Angesicht der Menschen, die ihn umgeben. Zu Camus’ Geschichte gehören die «Seinen», die «Stummen» – ohne ihn wären sie vergessen. Camus hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es für ihn undenkbar war, die Literatur von den elementaren Erfahrungen der Menschen zu lösen, von dem großen Schmerz und dem großen Glück, die ein Leben bestimmen.

Das Hohe Lied des französischen Schulsystems

Im Sommer 1918 beginnt für das Analphabetenkind aus der Rue de Lyon ein neues Leben. Albert wird eingeschult, zunächst in die École maternelle, dann in die Grundschule von Belcourt. Das Räderwerk des Bildungssystems der Grande Nation erfasst den Jungen und wird ihm den Weg nach Paris ebnen. Seinem Lehrer Louis Germain bleibt Camus zeitlebens verbunden, ihm widmet er seine Nobelpreisrede: «Ohne Ihre Erziehung und Ihr Beispiel wäre nichts davon geschehen.» Dem staatlichen Schulsystem Frankreichs und seinen strengen Lehrern hat er seine Karriere als Schriftsteller zu verdanken. Die Schule ist sein Nadelöhr in das Himmelreich der Gebildeten, der Bücher und Zeitungen, der Dichter und Intellektuellen. Er wird das nie vergessen. «Die staatliche Schule preisen!» steht in seinem letzten Manuskript am Rand vermerkt.

Louis Germain – Franzose, Soldat, Kriegsteilnehmer, Lehrer und Klarinettist an der Oper von Algier – widmet sich dem vaterlosen Schüler mit besonderer Aufmerksamkeit. Dass er selbst das Inferno des Weltkrieges überlebt hat und in die Heimat zurückgekehrt ist, kommt ihm wie ein Wunder vor. Jetzt möchte er als Lehrer die Vaterstelle der gefallenen Kameraden einnehmen. Seine pädagogische Mission lautet, die Jungen zu anständigen Bürgern der Dritten Republik zu erziehen – auch mit Hilfe eines Lineals, das ihm als Schlagstock dient. Die Züchtigungen finden am Lehrerpult vor den Augen aller Schüler statt. Den Kopf zwischen den gespreizten Beinen des verehrten Lehrers, muss der Straffällige den Hintern herausstrecken, auf den dann die brennenden Schläge des Pädagogen niedergehen.

Für alle, «die sich für den interessieren, der einmal mein lieber kleiner Albert war», wird Louis Germain 1958 einige Erinnerungen zu Papier bringen. Man erfährt, dass Camus, als er 1920 in die Primarschule kam, schon ein paar Buchstaben lesen und schreiben konnte und sehr schnell einer der besten Schüler wurde. Er sei still, konzentriert, nachdenklich und gutherzig gewesen. Am Ende des ersten Schuljahres, so Germain, konnte sein Schüler fließend lesen und schreiben. Der Lehrer mag sich und seine strenge Erziehung hier selbst loben. Germain beschreibt einen ernsten, zurückhaltenden und unermüdlich fleißigen Camus von kleinem Wuchs, der wenig und langsam sprach und viel beobachtete. Auf einem Klassenfoto aus dem Jahr 1923 sieht man Germains Zöglinge stolz und aufrecht, Brust raus, Kopf hoch. Camus steht in der letzten Reihe.

In der Grundschule von Belcourt

Glaubt man Camus’ eigenen Erinnerungen in seinem hinterlassenen autobiographischen Roman, dann wurde er in der Primarschule zusammen mit arabischen Kindern unterrichtet, doch die Klassenlisten und das Klassenfoto sagen etwas anderes: Die überwältigende Mehrheit derer, die mit ihm in den Genuss der französischen Staatsschule kommen, sind Söhne von kleinen Kolonisten, den Pieds-noirs des Armenviertels Belcourt. Nur im Fußballverein von Montpensier, in dem er es zum Torwart bringt, spielt er mit arabischen Kindern.

Für den jüngsten Sohn der Putzfrau Catherine Camus, der bei seiner Einschulung kein korrektes Französisch sprach, bedeuteten diese Jahre eine Initiation in eine vollkommen fremde Welt. Sein lebenslanger, manchmal etwas steifnackiger Respekt vor der französischen Kultur und Sprache hat hier seinen Ursprung. Sein gesprochenes Französisch wird immer etwas rau, beiläufig und kurzatmig klingen. Die klangvollen, breit ausgesungenen, schier endlosen Satzkaskaden des französischen Kulturbürgertums wird er nicht imitieren können – ja, er wird es gar nicht wollen.

Von den Methoden des Lehrers, der die Schüler zwingt, sei