Cover

Christoph Schulte-Richtering

Die Kunst der Weltklugheit

Über Taktik, den Umgang mit Menschen und wie man den Tücken des Lebens den schlimmen Finger zeigt. 100 Tipps, gegeben von einem spanischen Mönch vor 350 Jahren und in die heutige Zeit übertragen von Christoph Schulte-Richtering

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

Über Christoph Schulte-Richtering

Christoph Schulte-Richtering, geboren 1968, hat Germanistik, Anglistik, Mediävistik und Linguistik studiert und ist seit vielen Jahren als Autor für Fernsehproduktionen tätig. Er schrieb u.a. für Stefan Raab, Harald Schmidt und Frank Plasberg und ist seit 2008 Autor von Thomas Gottschalk. Schulte-Richtering lebt mit seiner Familie in Köln.

Über dieses Buch

Man möchte ja gern das Richtige tun, wenn man nur wüsste, was das Richtige ist. Und dann sind da auch noch Sachzwänge, die lieben Anderen und sonstige Widrigkeiten der Welt. Unzählige Ratgeber schneidern deshalb Tipps und Tricks für jede Lage zu – dabei reichen ein paar echte strategische Regeln der Lebensführung aus, um die Dinge zu meistern. Zum Beispiel: genau planen (aber mit Hintertürchen!); immer ein Ziel haben (aber auf dem Weg die Dinge ruhen lassen und dann noch mal ansehen); nie mit der Tür knallen (um notfalls wieder hineinschlüpfen zu können). Solche zeitlosen Maximen formulierte der Jesuit Baltasar Gracián vor 350 Jahren am spanischen Königshof in seinem Buch «Handorakel und Kunst der Weltklugheit». Christoph Schulte-Richtering hat die schlausten Maximen für unsere Zeit neu erklärt und angewandt: Er zeigt, wie man den miesepetrigen Kollegen aushält (nämlich mit Abstand, damit er nicht abfärbt), wann man mal auftrumpfen soll (selten, dann aber hallo!) und weshalb nachträgliche Dämlichkeit oft schlimmer als der Fehler selbst ist (Guttenberg).

 

Ein charmantes Brevier zwischen Knigge und Machiavelli, das endlich einmal ganz grundsätzlich klärt, wie wir handeln, reden, planen und umgehen sollten, mit Freunden und Feinden – vor allem aber mit uns selbst.

Impressum

Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2012

Copyright © 2012 by Rowohlt·Berlin Verlag GmbH, Berlin

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung Frank Ortmann, Potsdam

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Buchausgabe 978-3-87134-742-9 (1. Auflage 2012)

ISBN Digitalbuch 978-3-644-11131-8

www.rowohlt-digitalbuch.de

ISBN 978-3-644-11131-8

Vorwort

Glücks-, Karriere- und Erfolgsratgeber, wohin man schaut – brauchen wir wirklich noch einen mehr? Die Antwort lautet: ja! Beziehungsweise erst mal: na ja!

Einerseits haben Sie es in Ihrem Leben doch einigermaßen zu was gebracht. Wenn Sie wollten, könnten Sie sich jeden Tag zwei Scheiben Salami auf dem Butterbrot leisten und am Wochenende das Frühstücksei an der dicken Seite aufklopfen. Also: Pfeifen Sie auf den ganzen Ratgeberquatsch und machen Sie weiter so!

Andererseits: Läuft wirklich alles immer rund? Es gibt ja doch dauernd lästige Kleinigkeiten, Situationen, Szenen und Konstellationen, die gern wiederkehren und bei denen man sich, meist zu spät, sagt: Bah, hätte ich da mal anders reagiert! Hätte ich da bloß meine Klappe gehalten! Warum musste ich dem Chef die Wahrheit direkt vor die Füße knallen? Hätte ich diese E-Mail doch nie geschrieben und abgeschickt! Und warum schaffen es andere, stundenlang ruhig zu bleiben, während mir schon nach fünf Minuten die Hutschnur hochgeht? Ob im Privatleben oder im Beruf: Die meisten Zwickmühlen, Schwierigkeiten und Eskalationen ergeben sich aus Winzigkeiten, die sich hätten vermeiden lassen können, wenn man im entscheidenden Moment einen Schritt vorausgedacht hätte. Dieser Schritt voraus kann, je nach Situation, mal so und mal so und mal ganz anders aussehen.

Die Glücksratgeber der letzten Jahre kann man jeweils einer von nur zwei Familien zuordnen: entweder der Familie der «Schweine-Ratgeber» oder der Familie der «Schafs-Ratgeber». Die «Schweine-Ratgeber» propagieren: «Du musst ein Schwein sein in dieser Welt»; «Die Kunst, ein Egoist zu sein»; «Sag nein ohne Skrupel». Die «Schafs-Ratgeber» hingegen empfehlen: «Das Glück beginnt in dir», dann kommt das äußere Glück von ganz allein; «Die Kunst, kein Egoist zu sein» oder «Die Reise zum Glück». Allerdings: Benehmen Sie sich mal Ihrem Chef gegenüber wie ein Schwein – Sie sind Ihren Job schneller los, als Sie grunzen können. Oder sind Sie etwa selbst der Chef? Dann verhalten Sie sich Ihren Mitarbeitern gegenüber auch nur einmal wie ein Schaf – und die suchen sich schnell einen anderen Hütehund. Das Leben ist komplexer, als die Glücksratgeber uns weismachen wollen. Deshalb gilt in Wahrheit: Wer erfolgreich und glücklich sein will, darf weder Schwein noch Schaf sein. Wer in der Welt klarkommen will, muss mal Fuchs sein, mal Löwe, mal Wolf, mal Schlange und mal Taube – mal Fuchs, um die Schlinge zu wittern. Mal Löwe, um die Wölfe zu verscheuchen. Mal Wolf, um die Füchse zu reißen. Manchmal muss man sanft sein wie die Taube, manchmal listig wie die Schlange – und manchmal muss man sogar beide Naturen in sich vereinigen, aber nicht als Ungeheuer, sondern wie ein Wunder: als die Schlangentaube.

Das wusste bereits vor gut 350 Jahren der spanische Mönch Baltasar Gracián, der in seinem Buch «Handorakel und Kunst der Weltklugheit» Regeln für ein erfolgreiches Leben aufstellte – Spielregeln, an denen sich im Laufe der Jahrhunderte nichts geändert hat. Gracián seziert menschliche Verhaltensweisen und lässt so manche Illusion platzen. Er analysiert die Welt, wie sie ist – und nicht, wie er sie gerne hätte. Die Quelle, aus der Gracián seine Beobachtungen schöpft, ist der spanische Königshof mit seinen Hofschranzen, seinem Geschacher um Privilegien, seinen wilden Liebschaften und wüsten Intrigen. Also alles ganz wie bei Ihnen zu Hause und im Büro. Gracián selbst haben seine Ratschläge allerdings nicht viel genutzt: Er bekam Publikationsverbot, wurde strafversetzt, unter Hausarrest gestellt und verlor sein Lehramt.

1717 wurden Graciáns Spielregeln erstmals ins Deutsche übersetzt, ab 1830 wurden sie durch die Übertragung von Arthur Schopenhauer bald einem breiten Publikum bekannt. 1961 schenkte meine Großmutter meiner Mutter das «Handorakel» mit der Widmung «Für stille Stunden», und so verwahrte es meine Mutter, bis ich es 1986 in die Finger bekam. Irgendwas an diesen Regeln scheint also zeitlose Gültigkeit zu besitzen, wenngleich die Lebensumstände, unter denen der Text und später die deutsche Übersetzung entstanden, sich mittlerweile so verändert haben, dass sie dringend einer Aktualisierung bedürfen. Nun, im Jahr 2012 wird es höchste Eisenbahn, die wichtigsten Weisungen Graciáns in die heutige Zeit zu übertragen. Inhaltlich habe ich an den 350 Jahre alten Ideen nichts geändert – Wortwahl, Tonfall und Fallbeispiele sind natürlich die des 21. Jahrhunderts. Aber einmal soll doch Baltasar Gracián in seinem eigenen, unnachahmlichen Stil selbst zu Wort kommen:

«Möge der Leser aus diesen Weisungen, wie die emsige Biene, entweder den Honig des schmackhaften Vorteils oder das Wachs für das Kerzenlicht der Desillusion gewinnen!»

Vermeiden Sie es, wunschlos glücklich zu sein

Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, dass Sie wunschlos glücklich werden. Meistens geht im Leben ja doch das eine oder andere in die Hose, und sei es, dass man gerade wunschlos glücklich durch den Park spaziert, dann aber in einen Hundehaufen tritt und sich ganz schnell eine Rolle Zewa wisch & weg herbeiwünscht.

Aber davon mal ganz abgesehen: Das Wesen des Menschen besteht ja darin, zu streben und zu atmen. Und wer ausatmet, möchte wieder einatmen, wer aber einatmet, möchte wieder ausatmen etc. Gut so! Neugier, Hoffnung, Hunger treiben uns an. Denn was wäre, wenn Sie sich zum Beispiel alle Wünsche erfüllen könnten – und auch fest entschlossen wären, das zu tun? Wenn Sie auf dem Jahrmarkt erst mit einer Zehnerkarte die Bayernkurve nähmen, dann mit dem Autoscooter jedes andere Auto rammten, anschließend Zuckerwatte, Liebesapfel und Currywurst Pommes-Mayo äßen und sich dann noch ein großes Softeis «Grüne Mamba» reinpfiffen? Ihnen wäre schlecht. Sie wären alles andere als wunschlos. Sie würden sich nämlich wünschen, alles schnell wieder auskotzen zu können. Und anschließend wünschen Sie sich eine Packung Pfefferminzbonbons und saubere Schuhe. Es geht halt immer weiter mit dem Wünschen. Ich bin sicher, Sie wissen, was das in der Konsequenz bedeutet. Wünsche sind okay – man muss aber auch mal gut sein lassen können. Das befreit – und die gute Fee kann Sie mal kreuzweise.

Leisten Sie Vertrauensvorschuss

Was nützt es Ihnen, wenn Sie dem Zimmermädchen das Trinkgeld am letzten Urlaubstag hinlegen? Nichts! Geben Sie ihr das Trinkgeld am ersten Tag! Vertrauensvorschuss motiviert: Was nachher lediglich Entlohnung für geleistete Arbeit wäre, wird so zur Verpflichtung: Sie wird besonders sorgfältig putzen, Ihnen das Kissen besonders hübsch aufschütteln, den Bademantel im Schmetterlingsmuster auf dem Bett drapieren, und sie wird nicht (wie sie es sonst macht) mit Ihrer Zahnbürste das Klo schrubben und sich mit Ihrem teuren Rasiergel die Beine rasieren.

Klingt unmittelbar einleuchtend, wird aber nur selten praktiziert. Und wenn man ganz ehrlich ist, hat die Sache auch einen Haken, denn ein solches Vorgehen ist natürlich nur ein Deal unter Ehrenmännern und -frauen: Niedrige Gemüter hingegen werden das als Vorschuss geleistete Trinkgeld einsacken und sofort den Griffel fallen lassen – die Kohle ist ja bereits da. Es obliegt nun Ihrer Einschätzung der Welt im Allgemeinen und des Zimmermädchens im Besonderen, welche Reaktion Sie eher erwarten: besondere Stärkung oder völliges Erschlaffen der Motivation. Ich versteige mich jetzt einfach mal zu der These, dass man verschiedene weltanschauliche Systeme am aufgeschüttelten Kissen des Hotelbetts nach geleisteter Trinkgeldzahlung erkennen kann. In sozialistisch geprägten Systemen liegt abends nach wie vor lediglich ein Betthupferl auf dem Kissen – in marktwirtschaftlich orientierten Systemen aber zwei. Raubtierkapitalismus erkennt man daran auch: Ich hatte in St. Petersburg plötzlich abends mal den ganzen Aschenbecher voller Schokotäfelchen.

Vermeiden Sie offenen Konkurrenzkampf

Nirgendwo zeigt sich die hässliche Fratze der Rivalität deutlicher als im Fußballstadion, beim Kampf um die Meisterschale. Um die Vortrefflichkeit des eigenen Vereins herauszustreichen, kleidet man sich als, sagen wir mal, BVB-Fan natürlich in den entsprechenden Farben, mit Fanschal, schwarzgelber Kutte und Pulswärmern. Da der Fan aber instinktiv weiß, dass diese Ästhetik nicht unwidersprochen als state of the art akzeptiert werden wird, zieht man als weiteres Mittel des Distinktionsgewinns die Verunglimpfung des Gegners heran: Man singt «Was ist grün und stinkt nach Fisch? Werder Breeemen!» auf die Melodie des Gospelsongs «Hallelujah». Zurück kommt dann «Ihr seid nur ein Tigerentenclub!» auf die Melodie von «Yellow Submarine». Dieser Austausch von Stänkereien ist zwar beliebt, aber wenig produktiv. Gut aussehen tut dabei keiner.

Übersetzen Sie das Ganze ins echte Leben! Alle in der Firma haben sich in die neue Volontärin verliebt? Die Volontärin ist quasi die Meisterschale. Lassen Sie sich nicht auf den direkten Wettbewerb ein, der sich gerne auf der Weihnachtsfeier Bahn bricht. Wenn Schulz aus dem Controlling spitzkriegt, dass nicht nur er scharf auf die Kleine ist, wird er dem Mädchen erzählen, wie der Chef Sie kürzlich erst zusammengefaltet hat! Wenn Sie dann Ihrerseits erzählen, dass Schulz einen Playboy auf dem Herrenklo hat liegen lassen, machen sich beide vor dem jungen Ding zum Vollhorst und wirken wie die hässlichen Deppen aus der Südkurve. Das ist natürlich schon nicht sehr ehrenhaft – es geht aber auch richtig blöde.

Ich habe so etwas mal erlebt: Die Volontärin kam aus Tschechien, war bildhübsch und betrat ein Büro, in dem vier Autoren arbeiteten. Der erste rief begeistert: «Meine Großmutter ist Vierteltschechin!», um eine Art Gemeinsamkeit zwischen ihm und der hübschen Volontärin herzustellen. Und da sie lächelte, fühlten sich die anderen drei bemüßigt, dagegenzuhalten: «Ich habe mal tschechisches Bier getrunken!», krähte der zweite. «Ich bin ein Fan von Sparta Prag», log der dritte, und der vierte schoss den Vogel ab, weil er «auf der Klassenfahrt nach Prag mal in die Moldau gekotzt» hatte. Ich verrate Ihnen jetzt nicht, welcher von den vieren ich selbst war. Die Volontärin jedenfalls betrat das Büro so schnell nicht mehr wieder. Nebenbuhler führen selten auf ehrenwerte oder intelligente Art Krieg. Also: Nebenbuhlerschaft vermeiden!

Machen Sie andere von sich abhängig

Der Chiropraktiker ist eigentlich arm dran: Der Patient kommt angehumpelt, der Chiropraktiker macht «knacks», der Patient verlässt im aufrechten Gang die Praxis und kommt nie wieder. Wer den Schmerz los ist, verlässt den Ort der Heilung. Der Patient mag dem Arzt zwar für den Rest seines Lebens dankbar sein (wobei auch die Dankbarkeit vergänglich wie Morgennebel im Sommer ist), aber für die Dankbarkeit kann sich der Chiropraktiker keine Erdnussbutter aufs Brot schmieren. Um wie viel besser hat es der Zahnarzt! Unermüdlich nagt der Zucker, in stetigem Kauen werden die Zähne abgenutzt. Ohne irgendeine Hoffnung auf endgültige Erlösung fängt es schon früh an mit Plomben, später kommt die Brücke, dann der Zahnersatz. Je älter der Patient wird, desto höher wird die Abhängigkeit vom Zahnarzt, der schon längst in seinem Porsche zum Golfplatz fährt, während der Chiropraktiker noch mit dem Klapprad das Altglas zum Container bringt. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Zahnarzt: SO wird’s gemacht! Augen auf bei der Berufswahl! Und bei jeder ähnlichen Entscheidung.

Haben Sie Haare auf den Zähnen

Sie sollen ja nicht gleich mit der Faust auf den Tisch hauen, ein Fass aufmachen oder gar dem Chef auf den Schreibtisch pinkeln. Aber wenn auf Ihrem Grabstein später mal steht: «Er war immer der Netteste unter den Kollegen», können Sie froh sein, dass Sie tot sind, denn «nett» ist ja bekanntlich die kleine Schwester von «scheiße». Wenn Sie immer nett und gutmütig sind, werden Sie nach unten durchgereicht und müssen dann am Ende der Nahrungskette Ihren Platz behaupten, obwohl es Ihnen am Anfang viel mehr geholfen hätte! Die wenigsten Menschen werden ja betrogen, weil sie dumm sind, sondern weil sie zu gutmütig sind. Man könnte sogar behaupten, dass allzu viel Güte verbrecherisch ist: Sie stiften Ihre Umwelt ja geradezu an, Sie übers Ohr zu hauen! Wer immer redlich ist, der gibt anderen Gelegenheit, unredlich zu sein. Seien Sie also beizeiten auch mal widerborstig. Nicht umsonst hat Mutter Natur der Biene neben dem süßen Honig auch den Stachel gegeben!

Lassen Sie andere über Ihr Vorhaben im Ungewissen

Sie entdecken auf dem Flohmarkt ein originalverpacktes Yps-Heft von 1976, mit Gimmick Nr. 25 (Urzeitkrebse) und rufen freudestrahlend dem Händler zu: «Wahnsinn, ich werd verrückt, so eines ist ja kürzlich bei eBay für 250 Euro weggegangen! Das suche ich schon seit Jaaahren! Was soll das denn kosten?» Was, glauben Sie, erhalten Sie zur Antwort? Eben. Ganz anders hingegen, wenn Sie sich von dem Händler erst bei einer wertlosen Kermit-Puppe für fünf Euro breitschlagen lassen, obwohl Sie nur drei Euro zahlen wollten, aber nur (und ab jetzt betont lustlos sprechen), «wenn ich noch so ’n Comicheft, na, nehmen wir das abgeranzte hier, dazukriege …» Und dann gaaanz unauffällig wegschlendern, nicht umgucken, dumdidum … Auf dem Parkplatz dürfen Sie feiern. Aber nur kurz, denn zu Hause werden Sie nach ein paar Tagen feststellen, dass die Urzeitkrebse anfangen, bestialisch zu stinken.

Und so lernen Sie gleich eine zweite Lektion: dass man sich nicht alle Träume erfüllen sollte. Ich zum Beispiel war mit fast dreißigjähriger Verspätung auf einem Konzert der Lieblingsband meiner Jugend, dem Electric Light Orchestra. Als Kind durfte ich nicht, als Vierzigjähriger habe ich mir das gegönnt. Nun, was soll ich sagen. Das Electric Light Orchestra von heute ist quasi das Yps-Heft mit den Urzeitkrebsen unter den Musikgruppen. Es hat sogar gestunken.

Zeigen Sie der Konkurrenz nie den schlimmen Finger

Nein, es geht nicht um den Stinkefinger! Den lassen Sie sowieso mal hübsch eingefahren, denn anders als zum Beispiel ein «blöder Sack!» (450 Euro) oder ein «Wegelagerer!» (400 Euro) kann der Mittelfinger bis zu 4000 Euro kosten, wenn Sie ihn einem Polizisten entgegenstrecken. Interessanterweise kostet Mittelfinger plus «Bullenschwein!» lediglich 1000 Euro, was die Vermutung nahelegt, dass man bei «Bullenschwein» ohne Stinkefinger eigentlich noch 3000 Euro rausbekommen müsste.

Aber beim «schlimmen Finger» geht es um etwas ganz anderes: Wenn Sie sich am Finger verletzt haben – zeigen Sie es niemandem. Man wird mitleidig tun, sich aber hintenrum über Sie lustig machen und über Ihre Schwäche herfallen. Natürlich zielt der Gegner immer auf ebendiese Stelle, also verbergen Sie den schlimmen Finger! Nur dann bekommt er die zur Heilung nötige Ruhe. Der Finger steht hier natürlich sinnbildlich für jede Schwäche, die Sie eventuell haben. Ebenso wenig sollten Sie Ihre Stärken demonstrativ zur Schau stellen, denn sind sie einmal als Stärken erkannt, wird sich niemand mehr mit Ihnen auf Ihrem Spezialgebiet messen wollen. Und das macht Ihre Stärke nutzlos. Also: Man offenbare weder das, was einen besonders schmerzt, noch die Sache, in der man besonders glänzt: Damit das eine ende und einem das andere bleibe.

Machen Sie nicht aus einem dummen Streich zwei

Natürlich waren Sie gestern Abend betrunken, als Sie es auf der Betriebsfeier pudellustig fanden, kurz in den Kopierraum zu wanken, sich mit dem nackten Hintern auf den Kopierer zu setzen, hundert Abzüge zu machen und die Kopien anonym auf die Postfächer der Kollegen zu verteilen. Aber jetzt, am nächsten Morgen, nach der zweiten Tasse Kaffee und einem Leberwurstbrot, werden Sie so langsam wieder nüchtern – und es fällt Ihnen ein, dass es den IT-Mann nur einen Mausklick kostet, anhand Ihres Kopier-PIN-Codes nachzuvollziehen, wer sich gestern Nacht um 3 Uhr 24 hundert Kopien gemacht hat. Was tun? Jetzt könnte man natürlich beim IT-Mann einbrechen und die Listen mit den PIN-Codes vernichten. Dazu bräuchte man aber den Schlüssel zur IT-Abteilung – aber der hängt im rund um die Uhr besetzten Sekretariat. Klar, man könnte also eine Strumpfmaske kaufen, sich aus einem Stück Seife einen Revolver schnitzen und ihn mit schwarzer Schuhcreme einfärben, um das Sekretariat zu überfallen … Nein! Nicht tun! Lieber hoffen, dass die Nummer im Sande verläuft.

Von angeborener Herrschaft

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