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Die Ratschläge in diesem Buch sind von Autoren und Verlag sorgfältig geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Jegliche Haftung der Autoren bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Gesundheitsschäden sowie Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Inhalt

Einführung: Eigene Gefühle und die der anderen

Borderline: Eine schwere Erkrankung

»Grenzgänger«

Persönlichkeitsstörungen

Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ

Störung der Gefühlsregulation

Störung der Identität

Störung der sozialen Interaktion

Weitere Symptome

Selbstschädigendes Verhalten

Veränderte Wahrnehmung

Suizidalität

Zusammenfassung

Welche Ursachen hat Borderline?

Biologische Faktoren

Gibt es ein »Borderline-Gen«?

Auffälligkeiten im Gehirn?

Die Botenstoffe im Gehirn

Weitere biologische Einflussfaktoren

Psychosoziale Faktoren

Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Zusammenfassung

Der Weg zur Diagnose

Wer kann die Diagnose stellen?

In welchem Alter kann man die Krankheit feststellen?

Wie wird eine Diagnose gestellt?

Wann wird die Diagnose gestellt?

Wie sicher ist die Diagnose des Arztes?

Zusammenfassung

Borderline kommt selten allein

Depressionen

Ursachen der Depression

Therapie der Depression

Angststörungen

Agoraphobie

Panikstörung

Soziale Phobie

Spezifische Phobien

Generalisierte Angststörung

Therapie der Angststörungen

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Essstörungen

Anorexia nervosa

Bulimia nervosa

Binge-Eating-Störung

Suchterkrankungen

Zusammenfassung

Psychotherapie

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

Skillstraining in der Gruppe

Innere Achtsamkeit

Stresstoleranz

Umgang mit Gefühlen

Zwischenmenschliche Fertigkeiten

Selbstwertsteigerung

Einzeltherapie

Schemafokussierte Therapie (SFT)

Übertragungsfokussierte Therapie (TFP)

Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)

Zusammenfassung

Behandlung mit Medikamenten

Antidepressiva

Stimmungsstabilisatoren

Antipsychotika

Benzodiazepine

Zusammenfassung

Psychosoziale Behandlung

Ergotherapie

Sport- und Bewegungstherapie

Entspannungsverfahren

Kreativ-künstlerische Therapien

Einrichtungen des Betreuten Wohnens

Tagesstrukturierung

Sozialpsychiatrische Dienste

Zusammenfassung

Borderline-Patienten: Ihre Angehörigen und Freunde

Informationen und Ausgleich sind wichtig

Borderliner als Partner

Borderline-Patienten als Eltern

Zusammenfassung

Recht und Gesetz

Was tun bei Suiziddrohungen?

Vollmachten und Verfügungen des Betroffenen

Vorsorgevollmacht

Patientenverfügung

Gesetzliche Betreuung und Betreuungsverfügung

Schwerbehinderung

Frühberentung

Zusammenfassung

Service

Glossar

Sinnesbezogene Stresstoleranz-Skills zur Krisenbewältigung

Krisenplan

Liste angenehmer Aktivitäten

Verhaltensanalyse

Hilfreiche Adressen und Internetseiten

Hilfen im Notfall

Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur

Lesetipps

Einführung: Eigene Gefühle und die der anderen

Es gibt viele psychische Erkrankungen. Die Borderline-Erkrankung gehört sicherlich zu denjenigen, die den meisten Menschen besonders befremdlich erscheinen, die viele nicht verstehen. Sie wird den Persönlichkeitsstörungen zugeordnet, denn sie zeigt sich bereits im Jugendalter als eine alle Bereiche des Lebens und den gesamten Alltag beeinflussende Erkrankung. Sie ist meistens eine sehr schwere, manchmal sogar eine zum Tod führende Erkrankung.

Charakteristisch sind eine Störung der Gefühlsregulation, verbunden mit extremen Stimmungsschwankungen und Anspannungszuständen sowie eine starke Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen und im Selbstbild. Das wohl bekannteste nach außen sichtbare Merkmal der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist das selbstverletzende Verhalten, das aber nicht bei allen Betroffenen auftreten muss oder auch Ausdruck anderer Erkrankungen sein kann.

Sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei einzelnen Therapeuten ist die Borderline-Erkrankung immer noch mit einem Stigma behaftet. Borderliner gelten mitunter als besonders schwierig und manipulierend. Der vorliegende Ratgeber möchte daher umfassend über diese Erkrankung informieren, über ihre Symptome, die möglichen Ursachen, das diagnostische Vorgehen und natürlich die umfangreichen therapeutischen Einflussmöglichkeiten. Damit soll zu einer effektiven Aufklärung beigetragen werden. Denn die Borderline-Erkrankung muss und darf kein »Schreckgespenst« sein!

Und niemand ist der Borderline-Erkrankung hilflos ausgeliefert, weder die Patienten noch ihre Angehörigen. Es ist möglich, die Symptome durch eigene Verhaltens- und Erlebensweisen günstig zu beeinflussen und ein »normales« Leben zu führen.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche, speziell auf das Erkrankungsbild zugeschnittene Therapiekonzepte entwickelt, die sich in wissenschaftlichen Studien als effektiv erwiesen haben. Das wohl bekannteste und im deutschen Sprachraum am weitesten verbreitete Therapiekonzept ist sicherlich die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) der amerikanischen Psychologieprofessorin Marsha M. Linehan. Diese Therapiemethode wird im vorliegenden Ratgeber ausführlich vorgestellt, aber auch andere Therapiekonzepte werden beschrieben.

Dieser Ratgeber stellt natürlich keinen Ersatz für eine Therapie dar. Er soll jedoch alle Betroffenen dazu ermutigen, sich für einen neuen, einen konstruktiveren Weg zu entscheiden, und soll sie und auch ihre Angehörigen zu Experten in eigener Sache machen.

Da die Borderline-Erkrankung nicht selten auch mit anderen psychischen Erkrankungen einhergeht, werden zudem die wichtigsten dieser Erkrankungen thematisiert: dies sind Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie die posttraumatische Belastungsstörung.

Es sei angemerkt: Bei jedem Verdacht auf eine gravierende psychische Erkrankung – und Borderline gehört ganz sicher dazu – sollte umgehend ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie konsultiert werden. Denn je früher eine psychische Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto weniger stark wird sie zukünftig ausgeprägt sein und umso kürzer werden die Beschwerden anhalten.

Welches Wissen wird nun auf den folgenden Seiten vermittelt? Ich beschränke mich auf solches, welches in den einschlägigen wissenschaftlichen Leitlinien der Fachgesellschaften sowie in großen Übersichtsarbeiten (z. B. den »Cochrane Reviews«) publiziert und darüber hinaus ganz aktuell ist. »Evidenzbasierung« heißt hier das Schlüsselwort. Es bedeutet, dass diagnostische und therapeutische Verfahren in den medizinischen Bereichen nicht auf einfachen Einschätzungen, Vermutungen, traditionellen Ansichten oder gar »Aberglauben« beruhen dürfen, sondern durch wissenschaftliche Untersuchungen ganz sicher belegt sein müssen.

Um das theoretische Wissen möglichst anschaulich darzustellen, greife ich auf zahlreiche Fallbeispiele zurück. Die Beispiele von Patienten und ihren Angehörigen, die in diesem Buch dargestellt sind, wurden aber von mir anonymisiert. Ich bitte um Verständnis dafür, dass hier zum Schutz der Patienten und ihrer Familien fiktive Namen eingesetzt wurden. Die Geschichten selbst sind jedoch aus meiner alltäglichen klinischen Praxis.

Dieses Buch soll informieren und aufklären und dadurch zur Selbsthilfe von Betroffenen, aber auch von Angehörigen und Betreuern beitragen. Nur wer die Krankheit versteht, wer erkennt, warum Diagnostik und Therapie wichtig sind, welche Konsequenzen wann gezogen werden müssen, wie was rechtlich geregelt werden sollte, wird selbst zur Fachfrau bzw. zum Fachmann der eigenen Erkrankung.

Und es sei betont: Psychische Erkrankungen wie Borderline können jeden Menschen treffen. Es handelt sich dabei nicht um eigenes oder fremdes Fehlverhalten oder um persönliche Schwächen oder Versagen, sondern um Erkrankungen des Gehirns, die sich auf der Grundlage einer gewissen biologischen Verletzlichkeit im Zusammenwirken mit äußeren Belastungsfaktoren entwickeln. Weder sind Sie als Patient daran schuld, dass Sie krank geworden sind, noch irgendjemand anderes. Vielmehr beruht die Erkrankung auf einem Zusammenspiel mehrerer ungünstiger Faktoren. Man sagt, sie ist »multifaktoriell« bedingt.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Ihnen das vorliegende Buch weiterhilft. Niemand kann etwas für eine psychische Erkrankung, aber jeder mittelbar und unmittelbar Betroffene muss wissen, wo und wie geholfen werden kann und wie er selbst dazu beitragen kann, dass das Leben wieder lebenswerter erscheint.

Signatur_Schneider.tif

Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider