Inhaltsverzeichnis
Togo
Warum die Menschen sterben
Der Aussatz
Uwolowu und seine Frauen
Das Kind Uwolowus
Die Wehen
Uwolowus Sohn
Uwolowus Macht
Uwolowus Tochter
Uwolowu und die Larve
Die Tiere Uwolowus
Nabala und der Tod
Mkwule
Die zwei ersten Menschen
Die Unschuld
Die Sünde
Auferstehung
Das Kind der Weisheit
Dahome
Warum das Weib dem Manne untertan ist
Eine schlüpfrige Geschichte
Der Ursprung der Fische und der Finsternis
Abend und Morgen
Sagen der Fang
Sonne, Mond und Sterne
Die Erzählung von Ngurangurane, dem Krokodilmann
Der Tod des Krokodils
Die Verehrung des Krokodils
Der Tod Nguranguranens
Die drei Söhne Adas
Angonzing und Ndongmba
Akulenzame, der Mann mit dem Sack
Bingo
Bingo und die Spinne
Legenden der Ababua
Boloki
Libanza
Upoto
Libanza
Bena-Kanioka
Der Baum Gottes
Die Frau und der Vogel
Die Oger
Molowi
Die Tiere töten die Mütter
Bakubaiegenden
Der Reichsapfel der Häuptlinge von Bangala
Ursprung der Weihezeremonie (Bambala)
Ursprung der Reibtrommel
Der Ursprung der Masken
Ursprung der Maske Mashamboy (Bambala)
Der Ursprung des Eisens
Wie man das Feuer entzündete
Das Licht
Der Palmwein
Der Selbstmord
Succubus
Baluba
Erschaffung der Welt
Wandergeschichte
Ursprung der Gewalt der Häuptlinge von Urua
Vom Ursprung der Bruderschaften Buyangwe, Kabwala, Balumba
Entstehung des Mikisi Mihake
Legende
Vom mitleidigen Tod
Der Tanganika
Bahololo
Legende von Muamba und Kunga Nsungu
Warum wir sterben
Westliches Uruwa
Baholoholo
Östliches Uruwa
Der dem Grab Entstiegene erzählt:
Kamwepolo
Die Hyäne
Eine Schöpfungssage von Tanganika
Warundi (Urunda)
Gute und schlimme Zeit
Verwandlung
Gegen Verstorbene
Der Gaukler der Ebene
Ba Ronga
Motikatika
Sikulume
Nuahungukuri
Dukuli, der Hyänenmann
Literaturverzeichnis und Quellennachweis
Über den Autor
Impressum
Hinweise und Rechtliches
E-Books im Reese Verlag (Auswahl):
E-Books Edition Loreart:

 

 

Carl Einstein

 

Afrikanische Märchen und Legenden

 

Reese Verlag

 

 

Herausgegeben von Lothar Reese

 

Togo

 

 

 

Warum die Menschen sterben

I

Uwolowu sprach zu den Untergöttern: So ein Mensch stirbt, möge er auferstehen. Das Huhn sagte: „So ein Mensch stirbt und aufersteht, will auch ich auferstehen.“ Uwolowu weigerte sich dessen. Das Huhn sagte: „Wahrlich, Kokoliko, ich komme, es wird Tag. Ich komme und die Sonne ist aufgegangen. Wahrlich, Kokoliko.“ Deshalb sterben die Menschen und auferstehen nicht mehr.

 

II

Uwolowu und die Menschen waren. Die Menschen sandten den Hund zu Uwolowu, damit er ihnen sage, so die Menschen sterben, möchten sie auferstehen. Der Hund ging. Unterwegs hungerte ihn. Er kam in ein Haus, worin ein Mann zauberische Kräuter kochte. Der Hund setzte sich zu ihm und dachte, er koche Speise. Auch der Frosch ging zu Uwolowu, doch ungebeten, ihm zu sagen, so die Menschen stürben, möchten sie nicht mehr auferstehen. Der Frosch überholte den Hund, der dachte, so ich gegessen habe, hole ich den Frosch ein. Der Frosch traf ein und sprach zu Uwolowu: „Wenn die Menschen sterben, mögen sie nicht auferstehen.“ Nun kam auch der Hund und sagte dem Uwolowu: „Wenn die Menschen sterben, wollen sie auferstehen.“ Uwolowu sprach zum Hund: „Diese zwei Worte verstehe ich nicht. Da zuerst des Frosches Rede ich gehört habe, will ich tun, wie er gesagt, und ich will nicht tun, wie du gesprochen.“ Wann der Frosch stirbt, und es donnert, so aufersteht er.

Der Aussatz

 

Da Uwolowu die Krankheiten schuf, nahm er Feuer und Kälte. Das Feuer ist die Krankheit, die Kälte das Heilende. Uwolowu sprach zu Sropa, einem Manne: „So dich friert, gehe nicht an das Feuer.“ Doch der ging zum Feuer. Gott schrie laut auf sein Haupt, und Sropa sprach zu Uwolowu: „Ich wollte sterben, darum ging ich ans Feuer.“ Sropa gehorchte nicht Uwolowu. Uwolowu ließ den rostbraunen Ikono (Vogel) aus dem Feuer fahren, Ikono schlug Sropa mit den Flügeln; der Aussatz brach aus ihm hervor. Des Ikonos Flöten gemahnt an Sropas Starrsinn.

Uwolowu und seine Frauen

 

Uwolowu heiratete zwei Frauen. Die eine war Frosch, die andere Eisvogel. Er liebte Frosch mehr als Eisvogel. Alle schönen Dinge gab er jener. Eines Tages gedachte Uwolowu beide zu prüfen; gab einer jeden von ihnen sieben Töpfe und verstellte sich tot. Sie sollten in die Töpfe weinen. Frosch weinte zuerst. Krofia tiwe Krowui kro.

Da ihre Tränen niederfielen, leckte die Ameise sie auf. Auch Eisvogel weinte, und ihre Tränen füllten sieben Töpfe. Frosch weinte wieder, doch die Ameise leckte wieder alle Tränen auf; Uwolowu erstand wieder und sprach: „Die ich nicht liebte, sie weinte sieben Töpfe voller Tränen; die ich liebte, hat nicht viel geweint.“ Drum sandte er den Vogel in die Luft, damit er sich immer freue; Frosch gab er einen Tritt und verwies ihn in schlammiges Flußufer.

Das Kind Uwolowus

 

Uwolowu war, nahm ein Weib und zeugte ihr ein Kind. Das Kind war sehr schön. Da geschah es eines Tages, als das Kind in seines Vaters Armen lag, daß es plötzlich verschwand. Das Kind zog in eine andere Stadt und zauberte. Nun es groß war, bekriegte es die Bewohner dieser Stadt zum Unerträglichen. Endlich kehrte es in seine Stadt, Krieg zu machen; denn es wußte nicht mehr, daß es seines Vaters Stadt sei. Es tötete dort viele Menschen. Darnach wollte es auch Uwolowu töten, es hatte schon den Hahn des Gewehrs abgedrückt, doch das Gewehr versagte. Nun stand Uwolowu auf, faßte den Arm und schlug ihm mit der Hand den Rücken. Da wurde es in ein Kind zurückverwandelt. Uwolowu fragte: „Da ich dich gezeugt, kommst du jetzt und willst mich töten?“ So kam der Krieg in die Welt.

 

Die Wehen

 

Da Uwolowu den Menschen erschaffen wollte, sandte er von oben eine Kette nieder zur Erde. Er begann ein Weib zu erschaffen und setzte ihr ein Gebot, sie möge nicht Salz essen. Als das Weib geboren hatte, noch gab es nicht einen Mann, schnitt ihr der Bauch, und sie aß Salz. Uwolowu fragte das Weib: „Was tatest du nicht nach dem Gesetz, das ich gesetzt, und aßest Salz?“ Daher kommt es, wenn ein Weib gebären will, schmerzt es.

Uwolowus Sohn

 

Uwolowu nahm ein Weib, zeugte einen Sohn, und der Sohn schien klüger als er. Was auch Uwolowu sagte, der Sohn wußte es besser. Eines Tages versuchte er den Sohn. Er gab ihm Geld, Sonne und Mond zu kaufen. Dies aber sagte er nicht; bei sich dachte er den Sohn zu prüfen, ob er seine Gedanken wisse.

Unterwegs dachte der Sohn, was er wohl kaufen solle, da der Vater darüber nichts gesagt hatte. Da nahm er allen Vögeln und Tieren Haare und Federn, bedeckte sich damit und verbarg sich hinter dem Kehrichthaufen; doch kaufte er nichts. Die Großmutter, die das Zimmer gekehrt hatte, wollte den Kehricht ausleeren, sah ihn, schrie, lief weg und sagte es den Leuten. Die Leute kamen, sahen ihn und fürchteten sich. Da sprach ein Kind zu seiner Mutter, der Sohn des Uwolowu weiß alles, ruft ihn, er wird uns sagen, was das ist. Sie gingen zu Uwolowu und sagten es ihm. Er aber sagte, er habe sein Kind geschickt, Sonne und Mond zu kaufen. Dies hörte der Sohn hinter dem Kehrichthaufen. Uwolowu wußte, es sei der Sohn, aber er wollte nicht, daß die Leute sein Kind verlachten. Der Sohn des Uwolowu ging nun, Sonne und Mond zu kaufen, und brachte sie diesem. Uwolowu sagte den Leuten: „Wahr, das Kind ist weise.“ Das sagte er aber nur so; denn jetzt wußte er, daß der Sohn an Weisheit ihn nicht übertreffe, und drum wollte er nicht mit ihm streiten. Seit dieser Zeit sind Sonne und Mond in der Welt.

 

 

Uwolowus Macht

 

Uwolowu sagte seinen Kindern, sie sollten den Untergott verehren, um viel Wild zu erlegen. Sie taten so, töteten viel Wild und kochten es. Dann sprach Uwolowu: „So das Fleisch gar ist, sollt ihr es nicht essen.“ So sprach er; denn er wollte, daß es so sei. Er sagte: „Tragt es unter den hohen Baum.“ So sprach er, damit die Leute wüßten, er habe den Untergott geschaffen.

Da sie das Fleisch unter den Baum geschüttet hatten, kam eine Larve und sagte: „Ich kann an dem Fleisch nicht vorübergehen, ich muß davon essen.“ Wenn sie nun davon aß, sank der Baum in den Boden; wenn sie damit aufhörte, ragte der Baum hoch in die Höhe. Da sie wieder davon aß, kehrten sich die Wurzeln oberwärts und rissen Larve und Fleisch zur Höhe. Als nun die Tiere vorübergingen, bat die Larve, man möge den Baum fällen, damit sie auf die Erde zurückkehren könne. Da kam die Zwergantilope, und die Larve sagte ihr: „Fälle mir den Baum.“ Die Zwergantilope erwiderte: „Ich kann es nicht, mein Leben steht bei Uwolowu.“

Es kam das Chamäleon, und die Larve sagte zu ihm: „Klettere zu mir herauf und hole mich hinunter.“ Das Chamäleon kletterte hinauf. Als die Larve den scharfen Rückenkamm des Chamäleons sah, spottete sie, fürchtete sich und sagte: „Laß davon ab, heraufzuklettern, dein Rücken möchte mich verwunden.“ Das Chamäleon sagte: „Steige nur auf meinen Rücken; ich werde dich nicht schneiden.“ Da sie unten ankamen, schüttete die Larve heißes Wasser über das Chamäleon.

Seitdem wechselt das Chamäleon die Farbe, wenn es ein ander Ding sieht.

 

 

Uwolowus Tochter

 

Einst gebar Uwolowu ein Mädchen, er wünschte nicht, daß einer es heiratete. Drum kaufte er zehn Männer und einen Hund, das Mädchen zu bewachen. Zwei von den Männern gingen aus, Gummi zu machen. Das Mädchen wollte Brennholz holen, deshalb begleiteten es die anderen Männer. Da kam ein Mann und sagte: „Heirate mich.“ Doch das Mädchen weigerte sich und sagte: „Mein Vater verbot mir, zu heiraten.“ Der Mann frug ein zweites Mal, da willfahrte das Mädchen und der Mann führte sie mit den acht Männern und dem Hund weg. Auf dem Weg fraß der Bräutigam fünf der Sklaven; als sie nach Hause gekommen waren, verschlang er noch die drei anderen. Danach nahm er den Kopf ab, wie es dort Sitte. Er verbarg den Kopf und wollte nun das Mädchen verschlingen. Wenn jemand kam, das Mädchen zu sehen, den verjagte der Hund. In der Nacht verschlang er auch den Hund. Vor Tagesanbruch floh das Mädchen auf einen Baum. Da begannen der Bräutigam und seine Leute den Baum zu fällen. Das Mädchen weinte hierob, und die Leute unter dem Baum leckten die Tränen auf und sagten: „Wenn die Tränen so süß schmecken, wie lecker muß das Mädchen munden.“ Da das Mädchen weinte, so hörte es einer der zwei Männer und sagte es dem anderen; der aber glaubte es nicht. Da sie zum zweitenmal weinte, hörte es auch der andere. Sie luden die Gewehre und gingen, woher das Weinen schrie. Als sie dahin gekommen, sagten sie dem Mädchen, es möge hinabsteigen. Da sie zur Erde gestiegen war, streckten die Feinde die Hände aus, das Mädchen zu greifen und zu fressen. Da töteten die Sklaven zwei der Verfolger, die übrigen erschlugen sie mit dem Schwert und führten das Mädchen, wo sie Gummi machten; sie erlegten ein Wild, gaben dem Mädchen zu essen und brachten es des Abends nach Hause. Uwolowu fragte die zwei, ob sie das Mädchen im Busch gefunden hätten; denn er wußte nicht, daß es sein Kind war. Die zwei Männer sprachen: „Erst essen, dann reden.“ Da sie gespeist, sagten sie Uwolowu, es sei sein Kind, das er ihnen zu hüten gegeben. Es sei in den Busch gegangen und dort von Leuten gegriffen worden, die es hätten töten wollen. Am anderen Morgen gab er das Mädchen dem zur Frau, det einen Kropf hatte.

Uwolowu und die Larve

 

Uwolowu und die Larve waren. Die Larve sprach zu Uwolowu: „Was soll an die Wolken gesetzt werden, daß sie licht seien?“ Uwolowu sagte zur Larve, sie solle zum Schmied gehen und das Ding, das er in die Wolken setzen wolle, holen. Die Larve ging und bedachte, was sie tun solle, da sie das Ding, das sie holen sollte, nicht kannte. Die Larve erbat sich von den Vögeln je eine Feder, flog zu Uwolowu zurück und fragte ihn, wo die Larve sei. Er sagte, er habe sie gesandt. Und Uwolowu sprach: da am Firmament nichts sei, habe er sie gesandt, das Ding zu holen, das er in das Firmament setzen wolle. Die Larve frug wieder: „Was soll die Larve holen?“ Uwolowu antwortete, er habe sie zum Schmied gesandt, daß er Sonne und Mond schmiede, und wenn sie glühten und Funken sprühten, solle sie diese Dinge in ihren Bastsack stecken und ihm bringen. Als die Larve dies gehört hatte, flog sie wieder davon, gab die Federn den Vögeln zurück und richtete den Auftrag beim Schmied aus. Der Schmied gab sie ihr, und die Larve trug sie zu Uwolowu. Uwolowu fragte sie: „Wer hat dich das gelehrt?“ Sie sagte: „Das erdachte ich.“ Uwolowu sagte nun der Larve, sie möge die Sonne an ihren Platz setzen. Die Larve tat so. Am Abend sagte Uwolowu zur Larve, sie solle auch Mond und Sterne an ihren Platz bringen. Die Larve tat so; der Mond und die Sterne leuchteten.

Die Tiere Uwolowus

 

Die Tiere waren. Die Tiere bebauten das Feld. Der Feldweg war verwuchert, Uwolowu gab das Gesetz zu roden. Alle schickten sich an zu gehen, doch vorerst aßen sie. Beim Essen sagten sie es dem Hundsaffen. Der Affe sagte, er müsse zuerst aufs Feld gehen und Yams holen. Als sie gegessen hatten, forderten sie den Affen auf mitzugehen; doch der Affe sagte, sein Essen stehe auf dem Feuer und müsse gar kochen. Sie gingen und schickten dem Affen Boten, er möge nun kommen. Der sagte, er wasche, und blieb zu Hause. Als sie den Weg ausgehauen hatten, machten sie einen großen Erdhügel. Jetzt kam auch der Affe und setzte sich auf den Hügel. Da kam die Zwergantilope und frug: „Wer sitzt da auf dem Hügel?“ Der Affe sagte: „Ich.“ Der Affe rang mit der Zwergantilope und warf sie nieder. Es kam die Kuhantilope; der Affe rang mit ihr und warf sie nieder. Es kam der Büffel und sprach: „Wer sitzt auf dem Erdhügel?“ Der Affe sagte: „Ich“, rang mit ihm und warf ihn nieder. Da kam der Elefant, rang mit ihm und wurde niedergeworfen. Jetzt kam die Schildkröte und fragte: „Wer sitzt auf dem Hügel?“ Der Affe sagte: „Ich“, und rang mit ihr; die Schildkröte warf den Affen nieder. Der Affe sagte, er sei ausgeglitten, man solle ein Loch graben. Sie taten so. Sie rangen wieder; auch dieses Mal warf die Schildkröte den Affen nieder. Da wurde der Affe zornig, nahm Baumrinde und bedeckte damit die Schildkröte. Die Schildkröte nahm einen Dolch und steckte ihn ins Feuer. Als er rot glühte, stach sie ihn dem Affen ins Gesäß.

Nabala und der Tod

 

Der Tod stand am Marktweg. Kam ein Mensch, griff er und tötete ihn. Ein Jüngling und eine Jungfrau kamen; er griff diese, sie zu töten. Nabala sprach zum Tod: er möge sie vorerst lassen, damit sie ihm Brennholz suchten. Da sie dies herbeigeschafft hatten, sagte Nabala ihnen: „Wenn der Tod auch sagt, legt das Brennholz nieder, dann verweigert es und sagt dem Tod, er solle euch helfen, das Brennholz niederzusetzen. Wenn er euch das Brennholz vom Kopfe abhebt, so nehmt ein Schwert und schlagt ihn.“ Nabala gab ein Schwert, den Tod zu zerschneiden. Da sie nun den Tod geschlagen hatten, zerschnitten sie ihn in der Mitte; die Beine gingen nach oben; Kopf und Arme sanken in die Erde.

Mkwule

 

 

 

Die zwei ersten Menschen

 

Oben bei Gott waren viele Menschen. Gott sprach: „Auch auf Erden sollen viele Menschen sein“, und schleuderte zwei reife Menschen herab. Einer war Mann, der Gefährte Weib. Er warf sie herab mit geringem Samen jeglicher Art und einem Körnlein zur Nahrung. Gott sprach zu ihnen: „Mahlt ein Körnlein Getreide, verdeckt es mit der Schwinge.“ Als sie diese abhuben, fanden sie viel Getreide, sich zwei Tage zu sättigen. Zuspeise war ihnen Spinat, Kürbis und Bohnen. Gott gab ihnen auch zwei Fische. Sie setzten diese in das Wasser, worin die Fische ihnen zur Nahrung sich vermehrten.

Die Unschuld

 

Im Beginn wußten sie nichts vom Zeugen. Eines Tages sprach die Frau zum Manne: „Eine Wunde trage ich im Leib, siede Wasser sie zu waschen.“ Er sott, wusch, wusch. Die heilte nicht. Er sprach: „Was ist dies, die Wunde schließt sich nicht.“ Gott sah die Menschen, was sie taten’ und sprach: „Einfältig sind sie, auf daß ich ihnen den Sohn der Weisheit sende, sie zu lehren.“ So schwoll das Knie des Weibes, schwoll, schwoll. Eines Tages kam ein Kind hervor. Der Weise, der Kennende. Da er auf Erden fiel, begann er zu sprechen: „Was du wäschst, ist nicht Wunde. Erkenne das Weib, daß es einen Menschen gebäre.“ Der Mann ging, erkannte sein Weib, das ein Mädchen gebar.

 

Die Sünde

 

Das Mädchen wuchs auf und wurde geheiratet. Da gab ihr die Schwiegermutter ein Körnlein und sagte: „Mahle auf dem Stein dies eine Körnlein, decke das Mehl mit der Schwinge.“ Die Schwiegermutter ging ins Feld. Die Braut blieb zurück, sagte: „Wie sollen wir mit einem Körnlein satt werden, ich nehme viel Getreide, einen Korb voll.“ Sie tat so. Da die Schwiegermutter in das Dorf zurückkehrte, sah sie, was die Braut getan, weinte und sprach: „Oh, du verdarbst die Erde des Menschen, jetzt müssen wir arbeiten alle Tage; müssen Hungers sterben.“ Gott kam, sprach: „Ihr verdarbt die Erde, jetzt müßt ihr viel pflanzen, müßt Todes sterben.“

 

Auferstehung

 

I

Eines Tages sprachen die Menschen: „Wir wollen Schaf und Hund befragen.“ Sie gaben dem Schaf Fleisch, sie gaben dem Hund Knochen. Ein altes besessenes Weib sagte: „Ihr irrt euch. Gebt dem Hund Fleisch.“ Die Leute stimmten zu, vertauschten, gaben dem Hund das Fleisch, gaben dem Schaf, den Knochen und sprachen: „Wer verschlingt und spricht: dessen Worte sollen gelten.“ Der Hund sputete sich, schlang das Fleisch hinunter und bellte: „Huhu, wir sterben, wir vergehen.“ Das Schaf benagte schnell den Knochen, ohne ihn zu verschlingen, endlich sagte es: „Bee, wir sterben, wir kommen wieder.“ Die Menschen sagten: „Weh, der Hund ist zuvorgekommen.“ Sie schlugen, verjagten den Hund.

 

II

Da die Erde durch die Frau verdorben war, starb im Dorf ein Mensch. Sie begruben ihn, sprachen: „Verlassen wir das Dorf. Hier ist jetzt schlimm; verziehen wir, bauen wir anderswo.“ So taten sie. Unterwegs sagte ein altes Weib: „Ich vergaß Becher, Kochlöffel und Besen; ich muß zurück ins alte Dorf.“ Die anderen sträubten sich, sagten: „Nein, du darfst nicht zurückgehen.“ Die Alte achtete der Worte nicht, kehrte zurück. Die anderen sagten: „Sie hat ein Gespenst im Leib.“

Da die Menschen das Dorf verlassen hatten, sagte Gott zum Verstorbenen: „Die Leute flohen, hier ist jetzt schlimm. Das Gras wächst wirr, bleibe hier nicht allein. Stehe auf, gehe aus dem Grab hervor.“ Der Mensch rührte sich im Grab, begann zu erstehen und erhob sich bis zur Leibesmitte. Da das alte Weib - besessen war es - ins alte Dorf zurückkehrte, traf es den Menschen beim Auferstehen. Es sprach zu ihm: „Ich sagte so, wenn ihr sterbt, sollt ihr nicht wiederkehren; kehre zurück ins Grab, woraus du hervorgegangen.“ Er kehrte zurück ins Grab.

Das Kind der Weisheit

 

Der Mann war mit Körnern in den Haaren. Der Weise sprach zu ihm: „Ziehen wir aus, hacke Baumäste.“ Er hackte, verbrannte sie. Der Weise kratzte das Haar des Menschen, streute, wo die Baumäste verbrannt Waren, Samen auf die Erde. Der Mann kehrte zum Baum zurück, sah hin, sprach: „Wahrlich, das Gras sprosset aus dem Samen.“ Er kam wiederum, sah das Gras, wie oben Köpfe rötlich wurden. Er sprach zu den Seinen: „Erntet, daß wir sehen.“ Sie ernteten, reinigten im Mörser, breiteten aus unter der Sonne, mahlten auf dem Stein, sahen Mehl, es war weiß. Der Mann sagte: „Kocht es im Topf, daß wir sehen.“ Sie kochten, kosteten, freuten sich, sagten: „Es ist süß, wie sehr.“ Der Mensch kannte nun den Mehlbrei, seine Nahrung.

 

Dahome

 

 

 

Warum das Weib dem Manne untertan ist

 

Da Mahu Mann und Weib erschaffen hatte, setzte er sie fern voneinander; doch so, daß sie einander hören konnten, wann sie sprachen. Sie hatten Augen, sie sahen nicht. Sie hatten Beine, sie nutzten ihnen nicht. Sie rollten gleich Palmöltonnen.

Mahu gedachte, derart sie eine Weile zu belassen, um zu erkennen, was geschehe. Er wartete und beschaute sie einen jeden Tag.

Der Mann wäre gern dem Weibe genaht, doch fürchtete er, Mahu aufzustören, wenn er auf den toten Blättern rolle, die den Boden bedeckten. Einen Tag erwischte die Frau eine Kröte; sie steckte sie auf das Bratholz und knackte sie. Das Krötengift beschmutzte ihr Gesicht, sie rieb stark das Gesicht. Mit dieser Bewegung öffnete sie ihre Lider. Sie war verwundert, zu sehen.

Ihr erster Wunsch war, zum Manne zu gehen. Sie besprengte die Blätter aus Furcht, ihr Lärmen störe Mahu.

Sie kam zum Mann und erzählte, wie sie das Sehen errieben. Sie erzählte ihm noch ein ander Ding, so daß ihnen die Trennung zu rasch dünkte.

Dies Erzählen machte den Mann wünschen, das Licht zu sehen. Er ging, die Frau aufzusuchen und von ihr eine Kröte zu erbitten.

Zum Unglück netzte er nicht die trockenen Blätter. Mahu vernahm das Geräusch und lief hinzu.

„Ah“, sprach er, „die Frau erkannte den Mann. Ihr zur Strafe soll es nimmer so geschehen. Nun erwarte sie den Ruf des Mannes.“

Eine schlüpfrige Geschichte

 

Lange vor Dahomes Gründung lebte ein König mit Namen Dadase.

Eines Tages, da er den Markt besuchte, gewahrte er einen jungen Knaben, dessen Gesicht war schön und seine Glieder wohlgebildet, so daß er ihn für ein junges Mädchen hielt und sie vom Vater zur Ehe erbat. Dieser wollte dem König den Irrtum klären, doch die Furcht ihn zu erzürnen und der Gedanke an die große Ehre, womit solche Heirat ihn bestrahle, hinderten ihn, die Wahrheit zu gestehen. Er gab also seinen Knaben unter dem Namen Dausi zur Ehe, wobei er bedingte, daß Dadase jenem gestatte, abgetrennt zu baden, und ihn nicht als Gattin brauche, ehe ein Jahr vorüber.

Der König willigte ein, und da er in sein Schloß zurückgekehrt war, befahl er alsbald, Mauern zu errichten, damit die neue Gattin ihre Waschungen geschützt vor den Blicken der Gefährtinnen vornehmen könne. Diese verbargen, wenn sie badeten, nur Zäune aus Palmblättern.

Die Art, wie Dadase Dausi betreute, und die zahlreichen Geschenke, die er ihm gab, erregten bald die Eifersucht der anderen Frauen. Eine unter ihnen erzürnte sich vor allen. Das war Aluba, die Alte, der die Gefährtinnen Gehorsam schuldeten. Sie beschloß, den neuen Eindringling zu überwachen, um sie bei einem Fehler zu ertappen und beim König zu verklagen, wenn er eines Nachts ihre Matte teile. In dieser Absicht bohrte sie ein Loch in die Lehmmauer, wohinter Dausi ihre Bäder nahm; da sie ihr Auge an die Öffnung brachte und beobachtete, merkte sie, daß die Neuangekommene ein Knabe war. Sobald sie konnte, teilte Aluba dem König das Entdeckte mit. Da Dadase es nicht glauben wollte, sagte sie: „Wohlan, befiehl den Frauen für deine Fetische zur Quelle zu gehen.“

Wann die Frauen der Fetische wegen zur Quelle gehen, setzt sich der König vor das große Tor des Palastes, sie vorbeischreiten zu sehen. Alle öffnen, da sie bei ihm Vorbeigehen, den einzigen Schutz, womit sie bekleidet. Sie schmücken sich diesen Tag, salben den Körper mit Fett, bestäuben Hals und Arme mit Puder von Atike und tragen die schönsten Perlengürtel und all ihre Armbänder.

Die neue Gattin, da sie vernahm, welchen Brauch der König befohlen, klagte: „Dadase nimmt wahr, daß man ihn betrogen, und hart wird er mich züchtigen.“

Also beschloß sie, aus dem Palast zu entfliehen, aber sie mußte vierzig Tore durchschreiten, jegliches von einem Hund bewacht. Drum bereitete sie vierzig Kugeln aus gekochtem Maismehl, die sie in eine Kalebasse schüttete. Als die Nacht gekommen, ging sie. Jedesmal, wenn sie zu einer Türe kam, gab sie dem wachenden Hund eine Kugel, daß er nicht belle.

So gelang es ihr, den Busch zu gewinnen, ohne zu wecken.

Dort traf sie die Hyäne.

„Hyäne“, sprach sie, „ich bin sehr unglücklich, trage mich weg.“

Doch die Hyäne schlug ab.

Dann begegnete sie dem Panther.

„Panther, trage mich fort.“

Der Panther schlug ab.

Sie trifft den Tod.

„Tod, trage mich weg.“

Und der Tod sprach zu ihr:

„Ich kenne deinen Kummer. Warum klagen. Ich werde aus dir ein Mädchen wandeln.“

Sprach’s, und schnitt ihr mit trockenem Knirschen seines Messers ein Ding ab, das gewöhnlich nicht Gabe der Mädchen ist. Darüber blies er, wandelte es in Maniok und gab es Dausi zurück.

„Nimm es“, sprach er, „und vor allem hüte dich, davon zu essen, wenn du nicht wieder zum Manne werden willst.“ Dausi, ihres Kummers ledig, kehrte zum Palast zurück. Die Hunde, denen sie zu fressen gegeben, erkannten und ließen sie gehen; sie liebkosten die Schreitende.

Der Tag kam, heiter begann sie zu singen, und das Lied klang in Alubas Ohren. Gleich lief Aluba bei; sie fand Dausi beschäftigt, Maniok zu schälen.

„Wer gab dir das?“ frug sie.

Erwiderte Dausi:

„Maniok, den mein Vater mir schickte, willst du davon?“

Die Alte ließ sich nicht bitten, doch wie sie zu essen begonnen hatte, spürte sie in der verstecktesten Stelle ihres Körpers ein Jucken. Sie kratzte, doch je mehr sie kratzte, um so stärker fühlte sie in dieser Gegend ein Glied sich bilden und wachsen, dessen sie bis dahin gänzlich entbehrte und das bald die übliche Größe erreichte und sie in allen Punkten einem äußerst wohlgebildeten Knaben gleichen ließ.

Da war es an ihr zu jammern. Es war Zeit, zur Quelle zu gehen, und alle Frauen, schon bereit, trafen Dausi, um vor dem König vorbeizuschreiten.

Dadase prüfte aufmerksamen Auges eine nach der anderen, und gewahrte, daß Aluba fehle. Mah. ging sich erkundigen; doch fand man sie nicht; der König begann unruhig zu werden und schickte mehrmals den Palast zu durchsuchen. Endlich fand man Aluba in eine Ecke gekauert, klagend und stöhnend, man brachte sie.

Da sie vor dem König war, zwang man sie, den Schurz zu Öffnen, den sie hartnäckig verschloß, und sie zeigte sich, wie sie war. Bei solchem Anblick waren Zorn und Wut des Königs furchtbar.

„Lügnerin, die du bist“, schrie der König. „Gemeine Verleumderin, die mich Dausi zu verjagen antrieb. Dich will ich jagen. Diesen Morgen fingen wir eine Hyäne; mit ihr geh.“

Er befahl, Aluba auf die Hyäne zu binden. Die trug sie weg in den Busch.

Der Ursprung der Fische und der Finsternis

 

Ehemals schien die Sonne, umgeben von ihren Kindern, ebenso wie heute der Mond mit den Seinen, den Sternen, leuchtet.

Die Hitze war tagsüber stark, so daß die Menschen aus den Hütten njcht heraustreten konnten und kaum zu essen fanden. Also haderten sie mit ihrem Geschick.

Der Mond dachte, dann ging er zur Sonne. „Unsere Kinder“, sprach er, „verursachen Kümmernis. Sie machen die Menschen murren. So du zustimmst, wird jeder von uns seine Kinder in einen Sack stecken und sie ins Wasser werfen.“

Da der Mond also gesprochen, sammelte er kleine weiße Kiesel. Er steckte sie in einen Sack, dann ging er zur Sonne, ob sie nach Übereinkunft tue.

Die Sonne war bereit. Sie folgte dem Mond zum Flußufer und warf nach ihm ihren Sack hinein.

Da die Nacht gekommen war, sah die Sonne alle Sterne um den Mond versammelt. Voll Zorn sprach sie: „Du hast mich betrogen. Morgen werde ich meine Kinder wieder nehmen.“

Das erste ihrer Kinder, das die Sonne aus dem Wasser zog, starb sogleich und also das zweite und das dritte, das sie nehmen wollte. Sie glänzten noch, doch vermochten sie nicht mehr den Vater zu schauen. Der ließ sie im Wasser, aus Furcht, sie alle verderben zu sehen.

Dies ist der Ursprung der Fische.

Seitdem haßt die Sonne den Mond. Sie verfolgt ihn immer und faßt ihn bisweilen.

Abend und Morgen

 

Abend und Morgen sind Brüder.

Ihr Vater, Mahu, behandelte sie nicht gleicherweise. Seinem Ältesten, dem Morgen, gab er unzählige Untertanen und alle Reichtümer. Dem Abend gab er nur eine Kalebasse mit zwei Arten Perlen gefüllt, den nana und azanmun. Dies waren die einzigen Dinge, womit er Morgen nicht begünstigte.

Morgen erkrankte. Der Zauberer wurde gerufen, ihn zu pflegen. Der verbürgte Genesung nur, wenn man ihm die Perlen nana und azanmun schaffe. Voller Unruhe gingen die Untertanen, die kostbaren Perlen zu suchen. So kamen einige zu dem Abend und sagten ihm den Kummer.

„So ich euch die Perlen schaffe, was gebt ihr zum Entgelt?“ frug Abend.

Erwiderten sie: „Zahllose Kauris.“

Der Abend nahm die Kalebasse, die ihm sein Vater gegeben hatte, öffnete sie, die Perlen fluteten in Menge über den Boden.

Allein geblieben, sann der Abend. Er ertappte sich, wie er dem Bruder viele Krankheiten an wünschte, und gedachte, bemerkt zu haben, daß die Blätter der Kalebasse bei der Wanderung des Morgen sich schlössen. Er ging zu einem Zauberer, den er beauftragte, Fa, das Geschick, zu befragen, um zu wissen, ob er Morgen nicht in Krankheit bringe, so er ihm die ganz geöffneten Blätter der Kalebasse unter die Füße lege. Der stimmte zu, und danach tat er. Er machte Morgen krank, wann ihm beliebte, und so tauschte er alle seine Perlen gegen die Kauris des Bruders.

Abend war viel reicher als Morgen geworden, da die Menschen erschaffen wurden, so konnte er ihnen viel mehr gewähren als sein Bruder. Also wählten sie ihn zum König. Sie gaben ihm zwölf kleine Knaben zu Begleitern; die sangen:

„Abend, zum Königtum bist du geehrt.

So Morgen König wäre, zerbräche das Land.

Königtum kann nicht währen

In den Stunden des glühenden Tages.“

Sagen der Fang

 

 

 

Sonne, Mond und Sterne

 

Im Anfang waren Sonne und Mond Mann und Frau. Sie lebten zusammen und hatten viele Kinder. Die Kinder von Sonne und Mond nennt man Sterne. Sonne, Mond und Sterne essen nicht die gleichen Speisen wie wir. Sie nähren sich vom Feuer, und darum glänzen sie. Im Anfänge waren Sonne und Mond Mann und Frau.

Sie lebten zusammen. Da kam eines Tages ein mächtiger Häuptling in ihr Dorf, dessen Name und Land weiß ich nicht. Er brachte viele Kisten voller Waren mit. So groß waren seine Schönheit und sein Reichtum, daß das Herz von Mond alsbald entflammte. Als der Häuptling wegging, gab Mond ihm ein Zeichen. An der Wegkrümmung wollten sie sich heimlich treffen, um rasch zu fliehen.

Sonne merkte bald, daß Mond nicht mehr an seiner Seite ist. „Wo ist sie“, schreit er seinen Kindern zu. Diese wissen nicht Antwort. „Wo ist sie, frage ich euch?“ Sein Gesicht funkelt in Zorn, daß alle Sterne sich fürchten.

„Ah“, schreit er, „ihr seid es, die eurer Mutter geholfen habt.“ Sofort jagte er sie. Jedesmal, wenn er einen Stern ergreifen kann, verschlingt er ihn, und niemand spricht mehr von dem Stern. Aber diese sind dermaßen zerstreut und so zahlreich, daß immer noch einige bleiben und sogar viele. Seit dieser Zeit läuft Sonne jeden Tag hinter Mond und den Sternen her. Sobald diese ihn am Himmelsrand aufgehen sieht, beeilt sie sich, in ihre Hütte zu verschwinden. Wenn er den ganzen Teil des Firmaments, so wie wir sehen, belaufen hat, eilt er zur anderen Seite, ermüdet nie und rastet keinen Tag. Kaum daß er verschwunden ist, seht ihr Mond aufscheinen, bald hier bald da; denn sie wechselt oft den Schlupfwinkel, um den Gatten von der Spur abzulocken. Mitunter überrascht er sie, und mit einem Biß seiner Zähne reißt er ein Stück aus. Manchmal, wenn Mond sich zu sehr inmitten ihrer Kinder verspätet, trifft er sie noch am Himmel und will sie verschlingen. Bis jetzt gelang es ihm nicht; denn Mond ist sehr flink. Sobald der Gatte sie erreicht, rettet sie sich rasch, und das Verfolgen beginnt von neuem. Bisweilen entdeckt Sonne den Schlupfwinkel seiner Frau. Er nähert sich leise, leise, und während langer Stunden birgt sich der Mond.

Doch wenn sie frei ist, läuft sie schnell in die Mitte ihrer Kinder, der Sterne; denn sie liebt diese sehr, und wie eine gute Mutter frißt sie sie nie. Sie geht von einer Hütte in die andere und besucht sie nacheinander. Mitunter feiert sie mit ihnen Hochzeit; sie wirft sich dann um den Kopf ein wunderbares Band, das sie am Tage der Vermählung mit Sonne trug. Sobald Sonne von der anderen Seite der Erde wieder aufscheint, flieht sie schnell mit all ihren Kindern. Nur eins läßt sie zurück, immer den gleichen Stern, damit er im Falle der Gefahr Nachricht bringt, und der wacht behutsam Morgen wie Abend.

Die Verfolgung dauert schon lange, lange Zeit. Aber ein Tag wird kommen, da sie endet; denn nach allem ist der Mensch Meister der Dinge, und er muß Recht behalten. Ohne ihn wären die Dinge schlimm. Diesen Tag wird Sonne seinen Mond in eine tiefe Grube verschließen in den Grund der Erde, und nimmer wird er sie aufsteigen lassen. Wenn die Mutter im Gefängnis sein wird, werden die Kinder rasch gefressen sein.

„Was geschieht dann mit uns Menschen?“

„Das weiß ich nicht, mein Bruder.“

Die Erzählung von Ngurangurane, dem Krokodilmann

 

Vor langer Zeit lebte ein großer Zauberer, Ngurangurane geheißen, der Krokodilmann. Hier wird erzählt, wie er geboren wurde; das ist die erste Sache. Was er tat und wie er starb, das ist die zweite Sache. All seine Taten zu erzählen, das ist unmöglich; und auch, wer könnte ihrer sich erinnern.

Damals wohnten die Fang am Ufer eines großen Flusses, so breit, daß man nicht das andere Ufer sehen konnte. Sie fischten am Ufer, sie gingen nicht auf den Fluß. Keiner hatte sie gelehrt, Boote auszuhöhlen. Ngurangurane hat sie das gelehrt.