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Osho

Bewusstsein

Beobachte, ohne zu urteilen

Aus dem Englischen übersetzt
von Renate Schilling

Ullstein

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Allegria im Ullstein Taschenbuch
Herausgegeben von Michael Görden

Aus dem Englischen übersetzt von Renate Schilling
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
AWARENESS: THE KEY TO LIVING IN BALANCE
Erschienen bei St. Martin´s Griffin, New York, USA

Sämtliche Texte von Osho stammen aus spontan gehaltenen Vortägen, die überwiegend in Englisch, aber auch in Hindi gehalten, auf Tonband aufgezeichnet und in Schriftform übertragen wurden.

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigungen, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Ullstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
Neuausgabe
1. Auflage Dezember 2004
5. Auflage 2012
© der deutschsprachigen Ausgabe 2004 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
© der deutschsprachigen Ausgabe 2003 by
Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
© 2001 by Osho International Foundation, Switzerland, www.osho.com
All rights reserved
Umschlaggestaltung: FranklDesign, München
Titelabbildung: Art by Osha, Osha International Foundation
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-8437-0760-2

VORWORT

Eines der wichtigsten Dinge, die man über den Menschen wissen muss, ist, dass er schläft. Selbst wenn er denkt, dass er wach ist, ist er es nicht wirklich. Seine Wachheit ist äußerst kümmerlich; sie ist so unbedeutend, dass sie eigentlich vollkommen vernachlässigbar ist. Seine Wachheit ist nur ein schöner Name, doch im Grunde völlig bedeutungslos.

Ihr schlaft bei Nacht, und ihr schlaft bei Tag – von der Geburt bis zum Tod verändert sich immer nur euer Schlafmuster, doch ihr wacht niemals wirklich auf. Nur weil ihr die Augen offen habt, solltet ihr nicht denken, dass ihr wach seid. Solange die inneren Augen nicht offen sind – solange dein Inneres nicht voller Licht ist, solange du nicht sehen kannst, wer du bist –, denke nicht, dass du wach bist. Das ist die größte Illusion, in der der Mensch lebt. Und sobald man wach zu sein meint, kommt man gar nicht mehr auf die Idee, Anstrengungen zu unternehmen, um zu erwachen.

Das Erste, was ihr tief verinnerlichen müsst, ist also, dass ihr schlaft, dass ihr in tiefem Schlaf liegt. Ihr träumt, tagein, tagaus. Manchmal träumt ihr mit offenen Augen und manchmal mit geschlossenen, doch immer seid ihr am Träumen – ihr seid ein Traum. Ihr seid noch nicht wirklich Realität.

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Das Erste, was ihr tief verinnerlichen müsst, ist also, dass ihr schlaft, dass ihr in tiefem Schlaf liegt. Ihr träumt, tagein, tagaus. Manchmal träumt ihr mit offenen Augen und manchmal mit geschlossenen, doch immer seid ihr am Träumen – ihr seid ein Traum. Ihr seid noch nicht wirklich Realität.

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Natürlich ist alles, was man in einem Traum macht, bedeutungslos. Was man denkt, ist ohne Bedeutung, was man projiziert, ist Teil des Traums und erlaubt einem niemals, das zu sehen, was wirklich ist. Daher haben alle Buddhas immer nur diesen einen Punkt betont: Wacht auf! All ihre Lehren über die Jahrhunderte hinweg lassen sich in einer einzigen Aufforderung zusammenfassen: Seid wach. Und sie haben Methoden und Techniken dafür entwickelt; sie haben Zusammenhänge und Räume und Energiefelder geschaffen, in denen ihr so geschockt werden könnt, dass ihr aufwacht.

Denn wenn ihr nicht geschockt werdet, wenn ihr nicht bis auf den tiefsten Grund erschüttert werdet, wacht ihr nicht auf. Euer Schlaf dauert bereits so lange, dass er den Kern eures Wesens erreicht hat; ihr seid damit durchtränkt. Jede Zelle eures Körpers und jede Faser eures Verstandes ist inzwischen voller Schlaf. Es handelt sich dabei nicht um ein unbedeutendes Phänomen. Daher braucht es wirkliche Anstrengung, um wach zu sein, aufmerksam zu sein, wachsam zu sein, Zeuge zu sein.

Wenn all die Buddhas der Welt in einem Punkt übereinstimmen, dann ist es dieser – dass der Mensch so, wie er ist, schläft und dass er wach sein sollte. Wachheit ist das Ziel, Wachheit ist der Geschmack all ihrer Lehren. Zarathustra, Lao-tse, Jesus, Buddha, Bahauddin, Kabir, Nanak – all die Erwachten haben nur das Eine gelehrt... in unterschiedlichen Sprachen, mit unterschiedlichen Metaphern, doch ihr Lied ist immer das gleiche. So wie das Meer immer nach Salz schmeckt – ob man es nun vom Norden oder vom Osten oder vom Westen aus probiert, das Meer schmeckt immer salzig –, so ist der Geschmack der Buddhas Wachheit.

Doch ihr werdet keine Anstrengungen dazu unternehmen, wenn ihr glaubt, dass ihr bereits wach seid. Dann taucht die Frage nach irgendwelchen Anstrengungen überhaupt nicht auf – wozu auch?

Und aus euren Träumen heraus habt ihr Religionen erschaffen, Götter, Gebete und Rituale – doch eure Götter sind ebenso Teil eurer Träume wie alles andere. Eure Politik ist Teil eurer Träume, eure Religionen sind Teil eurer Träume, eure Poesie, eure Malerei, eure Kunst – was immer ihr tut, tut ihr im Schlaf, tut ihr eurem eigenen Geisteszustand entsprechend.

Eure Götter können sich nicht von euch unterscheiden. Wer sollte sie erschaffen? Wer sollte ihnen Form und Farbe und Gestalt geben? Ihr erschafft sie, ihr gestaltet sie; sie haben Augen wie ihr, Nasen wie ihr – und einen Verstand wie ihr! Der Gott des Alten Testaments sagt: »Ich bin ein eifersüchtiger Gott!« Nun, wer hat wohl diesen eifersüchtigen Gott erschaffen? Gott kann nicht eifersüchtig sein. Doch wenn Gott tatsächlich eifersüchtig ist, was könnte dann falsch daran sein, eifersüchtig zu sein? Wenn sogar Gott eifersüchtig ist, warum sollte man dann glauben, dass man etwas falsch macht, wenn man eifersüchtig ist? Eifersucht ist göttlich!

Der Gott des Alten Testaments sagt: »Ich bin ein zorniger Gott! Wenn ihr meine Gebote nicht befolgt, werde ich euch vernichten. Ich werde euch auf ewig ins Feuer der Hölle werfen. Und weil ich eifersüchtig bin, dürft ihr keinen anderen verehren. Ich kann es nicht dulden.« Wer hat solch einen Gott erschaffen? Aus eurer eigenen Eifersucht, aus eurem eigenen Zorn heraus müsst ihr dieses Bild erschaffen haben. Es ist eure Projektion, es ist euer Schatten. Es spiegelt euch selbst und nichts anderes. Und das gilt auch für alle anderen Götter aller anderen Religionen.

Aus diesem Grund hat Buddha niemals über Gott gesprochen. Er sagte: »Wie kann man zu Menschen, die schlafen, über Gott sprechen? Sie werden schlafen, während sie zuhören. Sie werden träumen über das, was man ihnen sagt, und sie werden ihre eigenen Götter erschaffen – Götter, die vollkommen falsch, vollkommen machtlos, vollkommen bedeutungslos sind. Es ist besser, keine solchen Götter zu haben.«

Das ist der Grund, warum Buddha kein Interesse daran hatte, über Gott zu sprechen. Sein ganzes Interesse bestand darin, die Menschen aufzuwecken.

Es gibt eine Geschichte von einem erleuchteten buddhistischen Meister, der eines Abends am Flussufer saß und dem Klang des Wassers lauschte, dem Klang des Windes, der durch die Bäume strich ... Da kam ein Mann zu ihm und fragte ihn: »Kannst du mir in einem einzigen Wort die Essenz deiner Religion erklären?«

Der Meister blieb still sitzen, vollkommen still, als ob er die Frage nicht gehört hätte. Darauf meinte der Fragesteller: »Bist du vielleicht taub, oder was?«

Der Meister erwiderte: »Ich habe deine Frage gehört, und ich habe sie auch beantwortet! Stille ist die Antwort. Ich blieb still – diese Pause, dieses Intervall, das war meine Antwort.«

Der Mann meinte: »So eine mysteriöse Antwort verstehe ich nicht. Kannst du es nicht ein bisschen klarer ausdrücken?«

Also schrieb der Meister mit dem Finger in kleinen Buchstaben das Wort »Meditation« in den Sand. Darauf meinte der Mann: »Jetzt kann ich etwas lesen. Das ist ein bisschen besser als zuvor. Wenigstens habe ich jetzt ein Wort, über das ich nachdenken kann. Aber kannst du es nicht noch etwas deutlicher machen?«

Erneut schrieb der Meister »MEDITATION«, diesmal natürlich mit etwas größeren Buchstaben. Der Mann fühlte sich verlegen, verwirrt, beleidigt, ärgerlich. Er sagte: »Du schreibst noch einmal Meditation? Kannst du es mir nicht noch etwas deutlicher machen?«

Also schrieb der Meister mit riesigen Buchstaben »MEDITATION«.

Darauf erwiderte der Mann: »Du bist wohl verrückt!«

Der Meister antwortete: »Ich habe mich schon sehr weit herabgelassen. Die erste Antwort war die richtige, die zweite war schon nicht mehr so richtig, die dritte schon etwas falscher, die vierte absolut falsch« – denn wenn man MEDITATION in Großbuchstaben schreibt, hat man einen Gott daraus gemacht.

Das ist der Grund, warum im Englischen das Wort für Gott, God, mit einem Großbuchstaben beginnt, während man alles andere klein schreibt. Immer wenn man etwas besonders herausragend, besonders groß machen möchte, schreibt man es mit großem Anfangsbuchstaben. Der Meister sagte: »Ich habe damit bereits eine Sünde begangen.« Er wischte alle Wörter aus, die er geschrieben hatte, und sagte: »Bitte lausche auf meine erste Antwort. Nur sie ist richtig.«

Stille ist der Raum, in dem man erwacht, und der laute Verstand ist der Raum, in dem man im Schlaf verharrt. Wenn dein Verstand laufend plappert, schläfst du. Wenn du still sitzt, wenn der Verstand verschwindet und du nur das Zwitschern der Vögel hörst und keinen Verstand im Innern, sondern nur Stille ..., nur das Trillern und Zwitschern der Vögel und keinen Verstand, der sich in deinem Kopf dreht, vollkommene Stille ... dann bahnt sich Bewusstheit in dir ihren Weg. Sie kommt nicht von außen, sie entsteht in dir selbst, sie wächst in dir. Doch ansonsten schläfst du – merke dir das.

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Stille ist der Raum, in dem man erwacht, und der laute Verstand ist der Raum, in dem man im Schlaf verharrt. Wenn dein Verstand laufend plappert, schläfst du.

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DIE GRUNDLAGEN

Ich verwende niemals den Begriff Verzicht. Ich sage vielmehr: Freut euch des Lebens, der Liebe, der Meditation, der Schönheiten der Welt, der Ekstase des Lebens – erfreut euch an allem1. Verwandelt das Alltägliche in etwas Heiliges. Verwandelt das Diesseits in das jenseits, verwandelt die Erde in ein Paradies.

Und dann beginnt indirekt ein gewisser Verzicht. Doch es geschieht einfach, man macht es nicht. Es ist kein aktives Tun, es ist ein Geschehen. Man beginnt seine Narrheiten aufzugeben; man beginnt auf Schrott zu verzichten. Man gibt bedeutungslose Beziehungen auf. Man gibt Jobs auf, die das innere Wesen nicht befriedigen. Man gibt Orte auf, an denen kein Wachstum möglich ist. Doch ich nenne das nicht Verzicht, ich nenne es Bewusstheit, Verstehen.

Wenn jemand Steine in der Hand trägt und denkt, dass es sich um Diamanten handelt, werde ich nicht zu ihm sagen, er solle diese Steine aufgeben. Ich werde ihm einfach nur sagen: »Sei wachsam und schau noch mal genau hin!« Wenn du selbst erkennst, dass es sich nicht um Diamanten handelt, wirst du dann das Gefühl haben, dass du sie aufgeben musst? Sie werden von ganz allein aus deinen Händen gleiten. Tatsächlich würde es eine große Anstrengung für dich bedeuten, sie weiter mit dir herumzutragen, du müsstest große Willenskraft dafür aufwenden, sie weiter zu tragen. Doch selbst dann wirst du sie nicht lange tragen können; sobald du eingesehen hast, dass sie nutzlos sind, dass sie wertlos sind, wirst du sie einfach nur wegwerfen.

Und sobald deine Hände leer sind, kannst du nach den wahren Schätzen suchen. Und die wahren Schätze sind nicht in der Zukunft zu finden. Die wahren Schätze finden sich genau hier und jetzt.

Von Menschen und Ratten

Wachheit ist der Weg zum Leben.
Der Narr schläft, als wäre er bereits tot.
Doch der Meister ist wach und lebt ewig.
Er beobachtet. Er ist klar.
Wie glücklich er ist! Denn er sieht, dass Wachheit Leben ist.
Wie glücklich er ist, denn erfolgt dem Pfad der Erwachten.
Mit großer Beharrlichkeit meditiert er und sucht Freiheit und Glück.

AUS DEM DHAMMAPADA VON GAUTAMA BUDDHA

Wir achten im Leben selten auf das, was um uns herum geschieht. Wir sind sehr effizient geworden im Tun. Wir sind so effizient im Tun, dass wir bei dem, was wir tun, überhaupt keine Bewusstheit mehr brauchen. Es geht mechanisch, automatisch. Wir funktionieren wie Roboter. Wir sind noch keine Menschen; wir sind Maschinen.

Das ist es, was George Gurdjieff immer zu sagen pflegte: dass der Mensch so, wie er heute existiert, eine Maschine ist. Er hat damit viele Leute beleidigt, denn niemand hört es gern, wenn man ihn als Maschine bezeichnet. Maschinen hören es gern, wenn man sie Götter nennt; dann sind sie glücklich, dann können sie sich aufplustern. Gurdjieff pflegte die Menschen Maschinen zu nennen, und er hatte Recht. Wenn ihr euch selbst beobachtet, werdet ihr erkennen, wie mechanisch ihr euch verhaltet.

Der russische Physiologe Pawlow und der amerikanische Psychologe Skinner haben zu 99,9 Prozent Recht in dem, was sie über den Menschen sagen: dass der Mensch nur eine wunderbare Maschine ist und nichts weiter. Er besitzt keine Seele. Ich sage, zu 99,9 Prozent haben sie Recht, nur zu einem winzigen Teil haben sie Unrecht. In diesem winzigen Teil befinden sich die Buddhas, die Erwachten. Doch das muss man ihnen vergeben, denn Pawlow ist niemals einem Buddha begegnet – stattdessen begegnete er Millionen von Menschen wie euch.

Skinner hat Menschen und Ratten untersucht und keinen Unterschied festgestellt. Ratten sind einfache Wesen, das ist alles; der Mensch ist ein bisschen komplizierter. Der Mensch ist eine komplizierte Maschine, und Ratten sind einfache Maschinen. Es ist leichter, Ratten zu untersuchen; das ist der Grund, warum Psychologen ständig Ratten untersuchen. Sie untersuchen Ratten und schließen daraus auf den Menschen – und ihre Schlussfolgerungen sind fast immer richtig. Ich sage »fast«, achtet darauf, denn dieses Zehntel Prozent ist das Wichtigste, was jemals geschehen ist. Ein Buddha, ein Jesus, ein Mohammed – diese wenigen erwachten Menschen sind die wahren Menschen. Doch wo hätte B. F. Skinner einen Buddha finden sollen? Sicher nicht in Amerika ...

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Der Mensch ist eine komplizierte Maschine, und Ratten sind einfache Maschinen. Es ist leichter, Ratten zu untersuchen; das ist der Grund, warum Psychologen ständig Ratten untersuchen. Sie untersuchen Ratten und schließen daraus auf den Menschen – und ihre Schlussfolgerungen sind fast immer richtig.

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Ich habe gehört:

Ein Mann fragte einen Rabbi: »Warum hat sich Jesus nicht das Amerika des 20. Jahrhunderts ausgesucht, um auf die Erde zu kommen?«

Der Rabbi zuckte mit den Achseln und meinte: »Amerika? Das wäre unmöglich gewesen. Erstens, wo findet man hier eine Jungfrau? Und zweitens, wo findet man drei weise Männer?«

Wo sollte B. F. Skinner einen Buddha finden? Und selbst wenn er einen Buddha finden könnte, würden seine Vorurteile, seine vorgefassten Ideen ihm nicht erlauben, ihn zu erkennen. Er würde immer nur weiter seine Ratten sehen. Er versteht nichts von dem, was Ratten nicht können. Nun, Ratten meditieren nicht, Ratten werden nicht erleuchtet. Und er sieht den Menschen nur als eine größere Art von Ratte. Und doch sage ich, was die Mehrzahl der Menschen betrifft, hat er Recht; seine Schlussfolgerungen sind nicht falsch, und Buddhas würden mit ihm über die so genannte normale Menschheit übereinstimmen. Die normale Menschheit befindet sich in tiefem Schlaf. Selbst Tiere schlafen nicht so tief.

Habt ihr schon einmal ein Reh im Wald gesehen – wie wachsam es schaut, wie aufmerksam es sich bewegt? Habt ihr schon einmal einen Vogel gesehen, der auf einem Zweig sitzt – mit welcher Intelligenz er alles beobachtet, was um ihn herum vor sich geht? Du bewegst dich in Richtung des Vogels – es gibt einen gewissen Abstand, den er gerade noch zulässt. Geh näher, nur einen Schritt weiter, und er fliegt davon. Er besitzt eine gewisse Wachsamkeit für sein Territorium. Wenn jemand dieses Territorium betritt, wittert er Gefahr.

Wenn du dich umschaust, wirst du erstaunt feststellen: Der Mensch scheint dasjenige Tier auf Erden zu sein, das am tiefsten schläft.

Der Mensch befindet sich in einem gefallenen Zustand. Tatsächlich ist das die Bedeutung der christlichen Parabel vom Sündenfall Adams und seiner Vertreibung aus dem Paradies. Warum wurden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben? Sie wurden vertrieben, weil sie von der Frucht der Erkenntnis gegessen hatten. Sie wurden vertrieben, weil sie einen Verstand entwickelt hatten und weil sie ihr Bewusstsein verloren hatten. Wenn man sich mit dem Verstand identifiziert, verliert man das Bewusstsein – der Verstand bedeutet Schlaf, bedeutet Lärm, bedeutet Mechanik. Wenn man zum Verstand wird, verliert man das Bewusstsein.

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Warum wurden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben? Sie wurden vertrieben, weil sie von der Frucht der Erkenntnis gegessen hatten. Sie wurden vertrieben, weil sie einen Verstand entwickelt hatten und weil sie ihr Bewusstsein verloren hatten.

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Daher besteht die Aufgabe darin, wieder zu Bewusstsein zu kommen und den Verstand zu verlieren. Man muss alles aus seinem System entfernen, was man in Form von Wissen angesammelt hat. Es ist das Wissen, das einen schlafen lässt; daher befindet sich der Mensch umso tiefer im Schlaf, je mehr Wissen er hat.

Das war auch immer meine eigene Beobachtung. Unschuldige Dörfler sind sehr viel wacher und aufmerksamer als die Professoren an den Universitäten und die Gelehrten im Tempel. Die Gelehrten sind nichts als Papageien, und die Akademiker an den Universitäten sind voll heiliger Kuhscheiße, voll absolut bedeutungslosem Getöse – nur Verstand und kein Bewusstsein.

Menschen, die mit der Natur arbeiten – Bauern, Gärtner, Holzfäller, Schreiner, Maler –, sind weit wachsamer als die Menschen, die als Professoren und Dozenten und Dekane an den Universitäten arbeiten. Denn wenn man mit der Natur arbeitet, hat man ein wachsames Gegenüber. Bäume sind aufmerksam; ihre Form der Aufmerksamkeit ist natürlich anders, doch sie sind sehr wachsam.

Es gibt jetzt sogar wissenschaftliche Beweise für ihre Wachsamkeit. Wenn der Holzfäller mit einer Axt in der Hand auftaucht und mit dem bewussten Vorhaben, einen Baum zu fällen, dann zittern alle Bäume, die ihn kommen sehen. Es gibt jetzt wissenschaftliche Beweise dafür; ich erzähle hier keine Märchen, ich spreche von wissenschaftlichen Tatsachen, wenn ich das sage. Es gibt inzwischen Instrumente, die messen können, ob der Baum glücklich oder unglücklich, ängstlich oder angstfrei, traurig oder ekstatisch ist. Wenn der Holzfäller kommt, beginnen alle Bäume, die ihn sehen, zu zittern. Ihnen wird bewusst, dass der Tod naht. Und der Holzfäller hat noch gar keinen Baum gefällt – allein sein Kommen ...

Und da gibt es noch etwas, etwas noch Seltsameres – wenn der Holzfäller einfach nur vorbeigeht, ohne die Absicht, einen Baum zu fällen, dann bekommt keiner der Bäume Angst. Derselbe Holzfäller, mit derselben Axt. Es scheint so, als würde seine Absicht, einen Baum zu fällen, eine Wirkung auf die Bäume haben. Das bedeutet, dass sie seine Absicht verstehen; es bedeutet, dass diese Schwingung von den Bäumen entschlüsselt und verstanden wird.

Und noch eine signifikante Tatsache wurde wissenschaftlich beobachtet: Wenn man in den Wald geht und ein Tier tötet, wird dadurch nicht nur das Tierreich ringsum erschüttert, sondern auch die Bäume fühlen mit. Wenn man ein Reh tötet, fühlen alle Rehe ringsum die Schwingung dieses Mordes und werden traurig; ein großes Zittern erfasst sie. Plötzlich werden sie – aus keinem besonderen Grund – von Angst überwältigt. Sie haben möglicherweise den Tod des anderen Rehs gar nicht gesehen, doch irgendwie, auf eine subtile Art und Weise, werden sie davon berührt – instinktiv, intuitiv. Doch nicht nur die Rehe werden davon berührt – ebenso auch die Bäume, die Vögel, die Tiger, die Adler, die Gräser. Ein Mord ist geschehen, Zerstörung ist geschehen, Tod ist geschehen – alles rundherum wird davon berührt. Der Mensch scheint derjenige zu sein, der am tiefsten schläft...

Man muss tief über Buddhas Sutras meditieren, muss sie in sich aufnehmen, sie befolgen. Er sagt:

Wachheit ist der Weg zum Leben.

Ihr seid nur in dem Maße lebendig, in dem ihr wach und bewusst seid. Bewusstheit ist der Unterschied zwischen Leben und Tod. Man ist nicht schon lebendig, nur weil man atmet, man ist nicht schon lebendig, nur weil das Herz schlägt. Physiologisch kann man im Krankenhaus ohne jedes Bewusstsein am Leben erhalten werden. Das Herz schlägt weiter, und man wird beatmet. Es gibt Maschinen, die einen über Jahre hinweg am Leben erhalten können – so, dass der Körper atmet, das Herz schlägt und das Blut zirkuliert. In den hoch zivilisierten Ländern der Welt gibt es inzwischen viele Menschen, die nur noch in den Krankenhäusern dahinvegetieren, weil der technologische Fortschritt es möglich gemacht hat, dass der Tod endlos hinausgeschoben wird – jahrelang kann man auf diese Weise am Leben erhalten werden. Wenn das Leben ist, dann kann man am Leben erhalten werden. Doch eigentlich ist das kein Leben. Nur dahinzuvegetieren ist kein Leben.

Buddhas haben eine andere Definition von Leben. Ihre Definition heißt Bewusstheit. Sie sagen nicht, dass man lebendig ist, weil man atmet, weil das Blut zirkuliert; sie sagen, dass man lebendig ist, wenn man wach ist. Bis auf die Erwachten ist also niemand wirklich lebendig. Dir seid eigentlich Tote – Tote, die gehen, die reden, die irgendwelche Dinge tun. Ihr seid Roboter.

Wachheit ist der Weg zum Leben, sagt Buddha. Werdet wacher, und ihr werdet lebendiger. Und Leben ist Gott – es gibt keinen anderen Gott. Daher spricht Buddha über Leben und Bewusstheit. Leben ist das Ziel, und Bewusstheit ist die Methode, die Technik, um es zu erreichen.

Der Narr schläft ...

Und alle schlafen, also sind alle Narren. Fühlt euch jetzt nicht beleidigt. Man muss die Tatsachen einfach beim Namen nennen. Ihr funktioniert im Schlaf; aus diesem Grund stolpert ihr ständig, aus diesem Grund tut ihr dauernd Dinge, die ihr gar nicht tun wollt. Ihr tut ständig Dinge, von denen ihr eigentlich beschlossen hattet, sie nicht zu tun. Ihr tut dauernd Dinge, von denen ihr wisst, dass sie nicht gut sind, und ihr tut nicht das, von dem ihr wisst, dass es gut wäre.

Wie ist das möglich? Warum könnt ihr eurem Weg nicht folgen? Warum geratet ihr immer wieder auf Umwege? Warum verirrt ihr euch ständig?

Das ist es, was euch dauernd passiert. Beobachtet nur mal euer Leben – alles, was ihr tut, ist so verwirrt und so verwirrend. Ihr habt keine Klarheit, ihr habt keine Wahrnehmungsfähigkeit. Ihr seid nicht wach. Ihr könnt nicht sehen, ihr könnt nicht hören – natürlich habt ihr Ohren, mit denen ihr hören könnt, doch es ist niemand im Innern da, der es vernehmen könnte. Natürlich habt ihr Augen, mit denen ihr sehen könnt, doch im Innern ist niemand präsent. Eure Augen sehen zwar, und eure Ohren hören, doch ihr versteht nichts. Bei jedem Schritt stolpert ihr, bei jedem Schritt macht ihr etwas falsch. Und dabei glaubt ihr die ganze Zeit, dass ihr wach seid.

Lasst diese Vorstellung vollkommen fallen. Sie fallen zu lassen ist ein großer Fortschritt, ein großer Sprung, denn sobald ihr die Vorstellung fallen gelassen habt, dass ihr wach seid, könnt ihr anfangen, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um wach zu werden. Das Erste, was tief in euch einsinken muss, ist also, dass ihr nicht wach seid, dass ihr tief und fest schlaft.

Die moderne Psychologie hat ein paar Dinge entdeckt, die von großer Bedeutung sind; auch wenn man sie bisher nur auf der intellektuellen Ebene erkannt hat, ist das doch ein guter Anfang. Wenn man sie erst einmal intellektuell verstanden hat, kann man sie früher oder später auch existenziell erfahren.

Freud war ein großer Pionier; natürlich war er kein Buddha, aber er war doch ein Mensch von großer Bedeutung, weil er der Erste war, der es geschafft hat, dass die Vorstellung vom Unbewussten von einem großen Teil der Menschheit akzeptiert wurde. Der bewusste Verstand macht nur ein Zehntel aus, und der unbewusste Teil des Verstandes ist neunmal größer als der bewusste.

Sein Schüler Jung ging dann sogar noch ein bisschen weiter, ein bisschen tiefer, und entdeckte das kollektive Unbewusste. Hinter dem individuellen Unbewussten liegt das kollektive Unbewusste. Jetzt braucht es noch jemanden, um das zu entdecken, was sich dahinter befindet, und ich hoffe, dass die psychologische Forschung es früher oder später entdecken wird – das kosmische Unbewusste. Die Buddhas haben davon gesprochen.

Wir können also vom bewussten Verstand sprechen – er ist sehr empfindlich, ein sehr kleiner Teil eures Wesens. Hinter dem bewussten Verstand liegt der unterbewusste Verstand – er ist sehr vage, sodass ihr sein Flüstern hören könnt, doch ohne ihn zu verstehen. Er ist immer da, hinter dem bewussten Verstand, und spinnt seine Fäden. Als Drittes kommt der unbewusste Verstand, auf den ihr nur in Träumen stoßt oder wenn ihr Drogen nehmt. Dann folgt das kollektive Unbewusste. Ihm begegnet ihr nur, wenn ihr euch auf eine tiefe Suche in eurem eigenen Unbewussten begebt; dann begegnet ihr dem kollektiven Unbewussten. Und wenn ihr noch weiter geht, noch tiefer, dann werdet ihr auf das kosmische Unbewusste stoßen. Das kosmische Unbewusste ist die Natur. Das kollektive Unbewusste ist die gesamte Menschheit, die bis jetzt gelebt hat; es ist ein Teil von euch. Das Unbewusste ist euer individuelles Unbewusstes, das die Gesellschaft in euch unterdrückt hat, das sich nicht ausdrücken durfte. Daher kommt es in der Nacht, in euren Träumen, zur Hintertür herein.

Und der bewusste Verstand ... Ich werde ihn den so genannten bewussten Verstand nennen, denn man nennt ihn nur so, er ist nicht wirklich bewusst. Er ist winzig, nur ein kleines Flackern, doch auch wenn er nur ein Flackern ist, ist er von Bedeutung, weil er einen Samen in sich trägt; Samen sind immer klein. Er trägt ein großes Potenzial in sich. In ihm öffnet sich eine vollkommen neue Dimension. So wie Freud die Dimension unterhalb des Bewussten geöffnet hat, so hat Sri Aurobindo die Dimension über dem Bewussten geöffnet. Freud und Sri Aurobindo waren die zwei wichtigsten Menschen dieses Jahrhunderts. Beide waren Intellektuelle, keiner von beiden war ein Erwachter, doch beide haben der Menschheit einen großen Dienst erwiesen. Sie haben uns auf der intellektuellen Ebene gezeigt, dass wir nicht so klein sind, wie wir oberflächlich erscheinen, dass sich hinter der Oberfläche große Höhen und Tiefen verbergen.

Freud hat sich in die Tiefen begeben, und Sri Aurobindo versuchte in die Höhen vorzudringen. Über unserem so genannten bewussten Verstand befindet sich der wahre bewusste Verstand; dieser ist nur durch Meditation zu erreichen. Wenn der gewöhnliche bewusste Verstand sich mit Meditation verbindet, wenn der normale bewusste Verstand durch Meditation ergänzt wird, dann wird er zum wahren bewussten Verstand.

Jenseits des wahren bewussten Verstandes befindet sich der überbewusste Verstand. Wenn man meditiert, bekommt man nur erste flüchtige Einblicke in ihn. Meditation ist wie ein Tasten im Dunkeln. Ja, ein paar Fenster öffnen sich dabei, doch man fällt wieder und wieder zurück. Der überbewusste Verstand bedeutet Samadhi – nun hat man eine kristallklare Wahrnehmungsfähigkeit erreicht, einen integrierten Bewusstseinszustand. Jetzt kann man nicht mehr zurückfallen; er steht einem immer zur Verfügung. Selbst im Schlaf bleibt er einem erhalten.

Jenseits des Überbewussten befindet sich das kollektive Überbewusste; das kollektive Überbewusste ist das, was in den Religionen als »Gott« bezeichnet wird. Und jenseits davon befindet sich das kosmische Überbewusste, das selbst noch über das Göttliche hinausreicht. Buddha nennt es Nirvana, Mahavira nennt es Kaivälya, die hinduistischen Mystiker haben es als Moksha bezeichnet; man kann es auch die Wahrheit nennen.

Das sind die neun Zustände eures Wesens. Und ihr lebt nur in einer kleinen Ecke eures Wesens – dem winzigen bewussten Verstand. Es ist, als besäße jemand einen Palast, hätte ihn aber vollständig vergessen und würde nur auf der Veranda leben – und dabei annehmen, das sei alles, was ihm zur Verfügung steht.

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Ihr lebt nur in einer kleinen Ecke eures Wesens – dem winzigen bewussten Verstand. Es ist, als besäße jemand einen Palast, hätte ihn aber vollständig vergessen und würde nur auf der Veranda leben – und dabei annehmen, das sei alles, was ihm zur Verfügung steht.

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Freud und Sri Aurobindo waren intellektuelle Giganten, Pioniere, Philosophen, und dabei waren beide noch am Raten. Statt den jungen Leuten die Philosophie von Bertrand Russell, Alfred North Whitehead, Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre beizubringen, sollte man sie besser mehr über Sri Aurobindo lehren, denn er war der größte Philosoph unserer Zeit. Doch er wird vollkommen vernachlässigt und von der akademischen Welt ignoriert. Der Grund dafür liegt darin, dass man ein Gefühl für die eigene Unbewusstheit bekommt, wenn man Sri Aurobindo liest. Dabei ist er selbst noch kein Buddha, und doch bringt er einen in Verlegenheit. Wenn er Recht hat, was macht ihr dann eigentlich? Warum erforscht ihr nicht die Höhen eures Wesens?

Freud traf auf großen Widerstand, doch schließlich wurde er akzeptiert. Sri Aurobindo ist noch lange nicht akzeptiert. Es gibt noch nicht einmal Widerstand gegen ihn; er wird einfach ignoriert. Und der Grund dafür ist klar. Freud sprach über etwas unterhalb des Menschen – das ist nicht so peinlich; man kann sich gut dabei fühlen, wenn man weiß, dass man bewusst ist und dass sich unter dem Bewusstsein das Unterbewusste und das Unbewusste und das kollektive Unbewusste befinden. Doch diese Zustände liegen alle unterhalb von euch; ihr befindet euch an der Spitze, und ihr könnt euch gut dabei fühlen. Doch wenn ihr Sri Aurobindo lest, werdet ihr euch peinlich berührt fühlen, werdet ihr euch beleidigt fühlen, denn es gibt noch höhere Stufen über euch – und das menschliche Ego gibt einfach nicht gern zu, dass es etwas Höheres als es selbst geben könnte. Der Mensch möchte glauben, dass er der Gipfel ist, der Höhepunkt, der Gouri Shankar, der Everest – dass nichts höher ist als er selbst...

Und er fühlt sich gut dabei – obwohl er damit sein eigenes Königreich verleugnet, seine eigenen Höhen, fühlt er sich gut dabei. Schaut euch nur mal diese Dummheit an!

Buddha hat Recht. Er sagt: Der Narr schläft, als wäre er bereits tot, doch der Meister ist wach und lebt ewig.

Bewusstheit ist ewig, sie kennt keinen Tod. Nur Unbewusstheit stirbt. Wenn ihr also unbewusst bleibt, wenn ihr schlaft, werdet ihr wieder sterben. Wenn ihr euch von diesem ganzen Elend befreien wollt, wieder und wieder geboren zu werden und zu sterben, wenn ihr euch aus diesem Rad von Geburt und Tod befreien wollt, dann müsst ihr vollkommen wach werden. Dann müsst ihr in immer höhere Dimensionen des Bewusstseins vordringen.

Und all das gilt es nicht einfach nur auf einer intellektuellen Ebene zu akzeptieren; man muss es unmittelbar erfahren, es muss existenziell werden. Es geht nicht darum, philosophisch überzeugt zu sein, denn philosophische Überzeugungen bringen nichts, sie liefern keine Ernte. Die wahre Ernte kann nur dann eingebracht werden, wenn ihr die Anstrengung unternehmt, euch selbst aufzuwecken.

Doch diese intellektuellen Landkarten können eine Sehnsucht, ein Verlangen in euch wecken; sie können euch das Potenzial, die Möglichkeiten bewusst machen; sie können euch bewusst machen, dass ihr nicht seid, was ihr zu sein scheint – dass ihr weit mehr seid.

Der Narr schläft, als wäre er bereits tot, doch der Meister ist wach und lebt ewig.

Er beobachtet. Er ist klar.

Einfache und schöne Aussagen. Die Wahrheit ist immer einfach und schön. Achtet nur einmal auf die Einfachheit dieser beiden Aussagen ... und wie viel sie doch enthalten. Welten über Welten, unendliche Welten. – Er beobachtet. Er ist klar.

Das Einzige, was es zu lernen gilt, ist Aufmerksamkeit. Beobachte! Beobachte alles, was du tust. Beobachte jeden Gedanken, der dir durch den Kopf geht. Beobachte jedes Verlangen, das von dir Besitz ergreift. Beobachte selbst die kleinsten Handlungen – wenn du gehst, redest, isst, ein Bad nimmst. Beobachte einfach alles. Lass alles zu einer Gelegenheit zum Beobachten werden.

Iss nicht mechanisch, stopfe dich nicht einfach nur voll – sei voller Aufmerksamkeit dabei. Kaue gut und aufmerksam ... und du wirst staunen, wie viel du bisher versäumt hast, denn jeder Bissen wird dir enorme Befriedigung schenken. Wenn du aufmerksam isst, wird das Essen schmackhafter. Selbst gewöhnliches Essen schmeckt wundervoll, wenn du aufmerksam bist; und wenn du nicht aufmerksam bist, kannst du das köstlichste Essen verzehren, doch es wird keinen Geschmack haben, weil niemand da ist, der ihn wahrnimmt. Dann stopfst du dich einfach nur voll. Iss langsam und aufmerksam; kaue jeden Bissen gründlich und nimm den Geschmack wahr.

Rieche, fühle, nimm die kühle Brise und die Sonnenstrahlen wahr. Schau dir den Mond an und werde ein stiller Teich der Aufmerksamkeit, und der Mond wird sich voller Schönheit in dir spiegeln.

Bewege dich immer voller Aufmerksamkeit durchs Leben. Wieder und wieder wirst du es vergessen. Lass dich davon nicht frustrieren; es ist normal. Millionen von Leben lang hast du niemals versucht, aufmerksam zu sein, deshalb ist es ganz einfach normal, dass du es wieder und wieder vergisst. Doch in dem Augenblick, in dem du dich daran erinnerst, sei wieder aufmerksam.

Denke immer daran: Wenn du dich daran erinnerst, dass du das Beobachten vergessen hast, dann sei nicht frustriert oder reuevoll; damit verschwendest du nur Zeit. Mach dir keine Vorwürfe, sag nicht: »Ich habe schon wieder versagt.« Gib dir nicht das Gefühl, dass du ein Sünder bist. Fang nicht an, dich zu verurteilen, denn das wäre reine Zeitverschwendung. Bereue niemals die Vergangenheit! Lebe immer in der Gegenwart! Du hast es vergessen, na und? Das ist ganz normal – es ist zu einer Gewohnheit geworden, und Gewohnheiten lassen sich nur schwer verändern. Und das ist keine Gewohnheit, die nur aus diesem Leben stammt; das ist eine Gewohnheit, die ihr schon Millionen von Leben in euch tragt. Wenn ihr also auch nur ein paar Augenblicke lang wachsam sein könnt, solltet ihr dankbar sein. Selbst diese wenigen Augenblicke sind mehr, als ihr erwarten könnt. Er beobachtet. Er ist klar.

Wenn du beobachtest, wird irgendwann Klarheit auftauchen. Warum entsteht Klarheit aus Wachsamkeit? Weil deine ganze Hektik sich immer mehr legt, je mehr du beobachtest. Du wirst anmutiger. Wenn du beobachtest, wird dein lauter Verstand immer weniger schnattern, weil die Energie, die bisher ins Schnattern ging, sich verwandelt und zu Wachsamkeit wird – es ist dieselbe Energie! Jetzt wird mehr und mehr Energie in Wachsamkeit verwandelt, und der Verstand bekommt nicht mehr seine übliche Nahrung. Die Gedanken werden weniger, sie verlieren an Gewicht. Langsam, ganz langsam beginnen sie sich aufzulösen. Und wenn die Gedanken sich aufzulösen beginnen, entsteht Klarheit. Nun wird der Verstand zu einem Spiegel.

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Je mehr du beobachtest, desto mehr wird sich deine ganze Hektik legen. Du wirst anmutiger. Wenn du beobachtest, wird dein lauter Verstand immer weniger schnattern, weil die Energie, die bisher ins Schnattern ging, sich verwandelt und zu Wachsamkeit wird – es ist dieselbe Energie!

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Wie glücklich er ist! Wenn man klar ist, ist man glücklich. Verwirrung ist der Hauptgrund für alles Elend; Klarheit ist die Grundlage für Seligkeit. Wie glücklich er ist! Denn er sieht, dass Wachheit Leben ist.

Jetzt weiß er, dass es keinen Tod gibt, denn Wachheit kann niemals zerstört werden. Wenn der Tod kommt, wird er auch ihn beobachten. Er wird sterben und es beobachten – und dieses Beobachten wird nicht sterben. Der Körper wird verschwinden, Staub zu Staub, doch die Wachheit wird bleiben; sie wird Teil des kosmischen Ganzen. Sie wird zu kosmischem Bewusstsein.

In solchen Augenblicken haben die Seher der Upanischaden erklärt: »Aham brahmasmi – ich bin das kosmische Bewusstsein.« Aus solchen inneren Räumen heraus hat Al-Hillaj Mansour erklärt: »Anal haql – ich bin die Wahrheit!« Dies sind die Dimensionen, auf die ihr von Geburt an ein Anrecht habt. Wenn ihr sie nicht erreicht, seid nur ihr selbst dafür verantwortlich und niemand sonst.

Wie glücklich er ist! Denn er sieht, dass Wachheit Leben ist.

Wie glücklich er ist, denn erfolgt dem Pfad der Erwachten.

Mit großer Beharrlichkeit meditiert er und sucht Freiheit und Glück.

Hört euch diese Worte gut an. Mit großer Beharrlichkeit... Wenn ihr nicht eure ganze Kraft dafür einsetzt, zum Erwachen zu gelangen, wird es euch nicht gelingen. Halbherzige Anstrengungen sind vergeblich. Man darf dabei nicht halbherzig sein, man darf nicht lauwarm sein. Das bringt einen nicht weiter. Lauwarmes Wasser verdunstet nicht, und lauwarme Anstrengungen, wachsam zu sein, sind zum Scheitern verurteilt.

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Man darf dabei nicht halbherzig sein, man darf nicht lauwarm sein. Das bringt einen nicht weiter. Lauwarmes Wasser verdunstet nicht, und lauwarme Anstrengungen, wachsam zu sein, sind zum Scheitern verurteilt.

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Eine Transformation geschieht nur, wenn ihr eure ganze Energie vollkommen auf dieses Ziel richtet. Wenn ihr mit 100 Grad Celsius kocht, dann werdet ihr verdampfen, dann kann die alchemistische Veränderung geschehen. Dann beginnt ihr nach oben zu steigen. Habt ihr es nicht schon beobachtet? – Wasser fließt nach unten, doch Dampf steigt nach oben. Genau dasselbe geschieht hier: Unbewusstheit fließt nach unten, Bewusstheit bewegt sich nach oben.

Und noch etwas: Oben entspricht innen, und unten entspricht außen. Bewusstheit bewegt sich nach innen, Unbewusstheit bewegt sich nach außen. Unbewusstheit sorgt dafür, dass ihr euch für anderes interessiert – andere Dinge, andere Menschen, immer nur das andere. Unbewusstheit sorgt dafür, dass ihr vollkommen im Dunkeln bleibt; eure Augen bleiben auf andere gerichtet. Sie erzeugt eine Außenorientierung, sie macht euch extrovertiert. Bewusstheit erzeugt Innenorientierung. Sie macht euch introvertiert; sie führt euch nach innen, tiefer und tiefer nach innen.

Und tiefer und tiefer bedeutet gleichzeitig höher und höher; beides wächst gleichzeitig, so wie ein Baum wächst. Man sieht ihn nur nach oben wachsen, man sieht nicht, wie die Wurzeln nach unten wachsen. Doch zuerst müssen die Wurzeln nach unten wachsen, nur dann kann der Baum nach oben wachsen. Wenn ein Baum bis in den Himmel wachsen möchte, muss er seine Wurzeln tief in den Boden versenken, muss er sich so tief wie möglich verwurzeln. Ein Baum wächst in beide Richtungen gleichzeitig. Auf genau dieselbe Art und Weise wächst das Bewusstsein einerseits nach oben ... und dringt andererseits mit seinen Wurzeln nach unten in dein Wesen vor.

Die Wurzeln des Leidens

Leid ist ein Zustand der Unbewusstheit. Wir sind unglücklich, weil wir uns dessen, was wir tun, was wir denken, was wir fühlen, nicht bewusst sind – daher widersprechen wir uns in jedem Augenblick selbst. Unser Handeln geht in die eine Richtung, unser Denken in eine andere, und das Gefühl befindet sich noch mal ganz woanders. Wir fallen immer mehr auseinander, wir fühlen uns immer stärker fragmentiert. Das ist es, was Leid bedeutet – wir verlieren unsere Integrität, wir verlieren unsere Ganzheit. Wir verlieren vollkommen das Zentrum und sind nur noch Peripherie. Und ein Leben, das nicht harmonisch ist, muss natürlich unglücklich sein, tragisch, eine Last, die irgendwie ertragen werden muss, ein Leiden. Man kann dieses Leiden dann höchstens ein bisschen weniger schmerzhaft machen. Und es gibt Tausende von Schmerzmitteln.

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Wir widersprechen uns in jedem Augenblick selbst. Unser Handeln geht in die eine Richtung, unser Denken in eine andere, und das Gefühl befindet sich noch mal ganz woanders. Wir fallen immer mehr auseinander, wir fühlen uns immer stärker fragmentiert. Das ist es, was Leid bedeutet – wir verlieren unsere Integrität, wir verlieren unsere Ganzheit.

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Es gibt nicht nur Drogen und Alkohol – auch die so genannte Religion dient als Opium. Sie betäubt die Menschen. Und natürlich sind alle Religionen gegen Drogen, denn schließlich handeln sie ja selbst auf demselben Markt; sie sind einfach nur gegen ihre Konkurrenten, gegen ihre Wettbewerber. Wenn die Menschen Opium nehmen, brauchen sie vielleicht keine Religion mehr, haben sie kein Bedürfnis mehr danach. Sie haben ihr Opium gefunden, warum sollten sie sich noch mit Religion abgeben? Und Opium ist einfacher, denn es verlangt weniger eigene Beteiligung. Wenn die Menschen Marihuana nehmen, LSD oder noch raffiniertere Drogen, werden sie natürlich nicht mehr religiös sein, denn Religion ist eine sehr primitive Droge. Daher sind alle Religionen gegen Drogen.