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Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig, 2012

© by Verlag Voland & Quist – Greinus und Wolter GbR

Umschlaggestaltung: HawaiiF3, Leipzig

Satz: Fred Uhde, Leipzig

ISBN: 978-3-86391-041-9

www.voland-quist.de

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Inhalt

Ich habe nie geweint

Ein Lesebühnentext

Solidarität jetzt!

Kein Tag wie jeder andere

Gar keine Frage

Vorfreude, schönste Freude

Seltsame Sachen

Zwiegespräche mit Gott – heute: Hier die, wir da

Der Kampf geht weiter

Crazy

Leben in der Bude

Im langsamen Jahr

Im Swimmingpool der guten Laune

Auf eine schlimme Art schön

Kann passieren

Statt einer Visitenkarte

Geschichte wird gemacht

Ab und zu, Müllers Kuh

Wie der 18. April mal vorgestern war

Ich bin drauf

Schwach

Das Positive am Negativen

Zwiegespräche mit Gott – heute: Gott staunt

Mir ist nichts peinlich

Ein bescheidener Mensch

Mit freundlichen Grüßen

Brücken baun

Glück

Freie Marktwirtschaft oder auch: Entscheide dir!

Impressionen

Neonlicht

Noch Fragen offen

Interdisziplinär

Im Schlaraffenland der Vergänglichkeit

Zwei Mädchen, ein Gesprächsstoff

Bernd und das Unglück

Runter kommt man immer

Wie ich einmal so vor mich hin ging

Antwort auf eine Frage

Gefühlte 92

Er macht in Immobilien (vermutlich)

Zwiegespräche mit Gott – heute: Die Freiheit hat gewonnen

Wie sich eine Vorahnung mal bestätigte

KMU

Das kleine Mädchen

Lästige Palästideen

Sie sind nicht ganz so mäkelig

Vorwärtsverteidigung

Zwiegespräche mit Gott – heute: Eins und zwei das macht drei

Nachrufschreiber aufgepasst!

Wie mal etwas überhaupt nichts zu bedeuten hatte

Hallo!

Zunächst einmal muss ich mich entschuldigen, dass dies nun wieder kein Roman geworden ist. Liegt an der Finanzkrise und der Globalisierung, wenn nicht gar an der Gentrifizierung. Ab und zu wird man ja auch in diesem Buch darauf angesprochen werden. Ich weiß, das nervt, aber wir leben eben nicht im luftleeren Raum, um diesen abgedroschenen Begriff hier auch mal zu benutzen. Wir sind Menschen. Wir sind schön. We are the world. Zum Titelbild: Die Zeichnung, jenes sich drehende Peace-Symbol auf dem Umschlag, wurde damals für meine Lesebühne Die Surfpoeten entwickelt, bei denen ich 2009 oder so ausgestiegen bin, weil ich zu alt geworden war und beim Tanzen ständig umknickte, mit meinen beiden Knickspreizsenkfüßen. Die Neuen von Die Surfpoeten sind besser, gut, und haben nicht solche Knickspreizsenkfüße wie ich, dafür aber Abitur, hoffe ich mal. Ich bin nun nur noch bei der Reformbühne Heim & Welt zu erleben, jeden Sonntag 20:15 Uhr mit neuen Geschichten im Kaffee Burger in Berlin. Außerdem natürlich ab und zu in Klein-Kleckersdorf, Graz oder auf dem Mond, je nachdem wo der Wind mich hin weht. Könnt ihr alles nachlesen auf meiner Webseite www.ahne-international.de. Bedanken möchte ich mich bei meiner Mutti, Karl Marx, meinen Kindern, meiner Freundin, den Lesebühnen, Schlüppi, denjenigen, die auf den Feldern Essen und Trinken anbauen, sowie allen Liedermachern, Ärzten und Politikern. Und denkt dran, wir haben dieses Geld nur von unseren Banken geliehen!

Ahne

Juli 2012



 

Süß, oder? Ick meine, ditta sich entschuldicht. Ach, zur Erklärung, Schlüppi mein Name, also für meene Freunde, für alle andan selbstvaständlich Herr Professor Stefan Passner. Ick bin der Freund von Ahne, wir waren ziemich lange und oft waren wir und sind die besten Freunde jeworden. Sie kennen mich vielleicht noch aus den Vorwort von Was war eigentlich morgen, einen ziemlichen Flop, wenn se mich fragen. Ick hatte ja einklich da echt janz andre Erwartungen jehabt, in dit Buch. Dachte, dit startet durch wie ’ne Rakete, von 0 uff 100 in 80 Sekunden oda so, weeßte, so dit man sich nie wieda Sorgen machen muss, finanziella Art. Also, ick meine, ick hab ja sowieso meene Schäfchen in’ Trockenen, Astrophysik, würd ja imma jebraucht, aba um ihn, ehrlich jesacht, machick mir schon ’n bisschen Sorgen. Ick meine, er hat ja nüscht jelernt, weeßte, also nüscht Vanünftiget. Also mit den Schreiben, klar, kamman machen, selbstvaständlich, und er hat ja ooch, durchaus, aba uff Daua? Ick mein, ick hab ja ooch ma mit den Jedanken jespielt, ehrlich jesacht, so’n Buch zu vaöffentlichen. Von mir. Würklich! Soja bei diesen Valag. Aba, binnick denn wieda von abjekommen. War mir einfach zu wenich Kohle jewesen, um dafür meene jesamte Seele zu vakoofen. Ick meine, dit issit doch letzten Endes. Machen wa uns doch nüscht vor. Man zieht sich aus vor die jesamten Welt, geistich jesehn. Man entblößt seine Jedanken. Und da hattick denn ürgendwie echt keene Böcke druff, ooch nich für 80.000 oda wie viel die mir jeboten ham, weil, denn stehste nachher da anne Koofhallenkasse, weeßte, und sagst ürgendwat zu dir selbst, sowat wie: »Solltick jetz einklich vier Pfund Mehl holn oda sieben Pfund?«, und schon dreht sich denn die janze Bagage, die vor mir und hinta mir inne Schlange steht, nach mir um, also natürlich nur die, die vor mir stehn, die andan brauchen sich ja nich umdrehn, is ja klah, weil die ham ja schon die perfekte Blickrichtung, und denn biste für die ja ein offenes Buch ohne sieben Siegel, wenn se dir akennen, also falls dit denn ein Bestseller jeworden is, wovon ick ma stark ausjejangen wär. Und denn kieken se und kieken und awarten ürgendwat, wat ick ihnen aba nich bieten will, weil, wer binnick denn, vastehste? Nee, da habick denn doch lieba hier, wat se mir von Abeitsamt anjeboten ham, von Jobcenta, die Stelle als Aushilfsprofessor in Altglienicke, is ja nur für vorübagehend, bis die Konjunktur wieda anspringt, denn binnick sowieso, stante pedes, glei wieda in Amerika, peng, bei die Space-Shuttles, aba so lange is dit schon janz jut, wemman die Miete bezahln kann und ’n Heiamann in Reserve hat, für ’n Taschenrutscha und ’n Toastbrot. Zijaretten wern ja ooch imma teura. Na, kiekt ma rin in dit Buch hier. Macht ihn ma die Freude, ja? Ick hab jetz, mussick sagen, nich allit jelesen, aba die Anfänge, doch, der Junge, wenna sich ’n bisschen mehr Mühe jeben würde …, aba mussa ja selba wissen, is ja schon groß.

Gehaben Sie es sich unterdessen wohl, kommen Sie gut über den bevorstehenden Weltuntergang und auf bald,

Ihr Prof. Stefan »Schlüppi« Passner (Freund von Ahne)

Juli 2012

Ich habe nie geweint



Wie ich mich freue! War das jetzt etwa die Wende? Schon wieder? Ein Auftritt ausgerechnet in Prenzlau, jener Stadt, in der damals alles begann. Jener Stadt, in der ich meine ersten Gedichte verfasste.

Dampfendes Gedröhne,
röchelnder Gestank,
Land, in dem ich stöhne,
Blut in deinem Tank.

Ja, wir hatten viel Zeit damals bei der Armee, und wo sollten wir auch hin mit unserem Hass? Manche quälten ihre Zimmergenossen, andere vögelten die Frauen der Offiziere, ich schrieb eben Gedichte.

Hack, hack, hack,
Beil macht dich kaputt,
pack dich auf den Haufen,
kannste nich weglaufen.

Die Zeitung Junge Welt, an die ich meine Verse schickte, wollte sie nicht abdrucken, weder auf der Titelseite noch sonst irgendwo. War eben DDR. Eine Diktatur der Arbeiterklasse. Da druckte man keine Intellektuellen, man unterdrückte sie. Ohne Begründung erhielt ich nur noch die Hälfte meiner kärglichen Mittagsration, statt zwei Kartoffeln eine und statt einer Kelle Soße zwei, ich mein’, natürlich umgekehrt. Was soll’s, lange her, die Scheiße.

Nach der Wende ging’s zum Glück aufwärts. Ich hängte meinen Job an den Nagel, wo er heute immer noch hängt, und stieg in eine Lesebühne ein. Die Reformbühne Heim & Welt. Allesamt krasse Typen. Hungrige Kerle. Finstre Gestalten. Manche waren im Knast gewesen, andere hatten jede Menge auf dem Kerbholz oder blieben der Polizei nicht lange unbekannt. Auch eine Frau gab es. Die war ständig in Prügeleien verstrickt, wegen was weiß ich. So ging es langsam voran. Die Presse kam: Spiegel, TAZ, Der Wachtturm, ähnliches Gesocks. Alle wollten sie was von uns. Konnten sie haben. Gerne. Aber nur draußen, vor der Tür.

Mit dem Erfolg kam das Geld. Das Geld und der Ruhm. Mann, wir kauften die allerschärfsten Schlitten, die es gab, damals. Sämtliche Fabrikate. War nur blöd, dass man sie so selten fahren konnte, im Winter, in Berlin. Drauf geschissen, ich hatte zeitweise fünf an jedem Finger, konnte es mir leisten, Geld wie Heu. Wenn wir die Bühne rockten, strömten die Kids in Scharen zu uns, wie die Lemminge. Die gaben ihr letztes Hemd, die klebten an unseren Lippen. Krasse Zeit. Ich schrieb einen Roman nach dem anderen. Die flossen mir förmlich aus der Feder. Der Fänger im Roggen, Der Meister und Margarita, Die Päpstin, Faust. Ich weiß nicht, ob sie wirklich so hießen, es ist so verdammt lange her. Das Feuilleton jedenfalls feierte. Eine Tour reihte sich an die nächste. Hildburghausen, Dippoldiswalde, Potsdam, ich war praktisch überall und sah doch kaum etwas von der Welt. Wenn man ständig unter Strom steht, fordert der Körper irgendwann Tribut. Fast alle sind ja tot. Das Koks, der Alkohol, die Weiber. Manch einer starb in meinen Armen, ich habe nie geweint.

Um die Jahrtausendwende herum wussten wir dann einfach, dass es nicht mehr weiter bergauf geht. Die Shows im Fernsehen ödeten uns an, mit den Literaturpreisen wischten wir uns nach durchzechten Nächten regelmäßig die Ärsche ab, die Bestsellerlisten las ohnehin keiner mehr, immer das Gleiche, man konnte sich einfach nicht mehr darüber freuen. Manchmal gelang uns noch ein richtiger Knaller, doch allzu oft versuchten wir nur noch gegen die Erwartungshaltung des Publikums anzuschreiben, ließen konsequent die Konsonanten weg, schrien herum auf der Bühne oder versuchten witzig zu sein. Die Treuesten der Treuen wandten sich als Erste ab. Vielleicht hätten wir auf sie hören sollen, vielleicht ihre Bedenken ernst nehmen: Wir würden langsam aus dem Leim gehen, zu oft »Äh« sagen, und man könne uns einfach nicht mehr abnehmen, dass wir von der Straße kämen, wenn es ständig nur um unsere Aktienpakete oder Affären mit diversen Models ginge. Vielleicht waren wir wirklich ein wenig weit weg von der Spur. Doch das sagt sich so leicht, im Rückblick. Da waren ja außerdem die vielen falschen Freunde noch. Die Schulterklopfer. Die Ja- oder besser die Yeah-Sager. Es lief ja auch noch eine ganze Weile. Durchaus. Bis man die ersten Kredite nicht mehr zurückzahlen konnte. Bis die Angebote weniger wurden, bis dahin dauerte es ja noch. Die Läden wurden kleiner, intimer, redete man sich die Sache schön. Immer öfter las man bloß noch Fragezeichen in den Gesichtern der Zuhörer. Die Hipster blieben als Nächste weg, dann die Freunde von den Hipstern und die Freunde von den Freunden der Hipster. In der Presse tauchten erste Verrisse auf. Plötzlich fehlte einigen Kritikern die Tiefe in unseren Texten, jemand bemerkte in der BILD: »Das ist ja gar nicht sozialkritisch«, und Marcel Reich-Ranicki bemängelte die Interpunktion, die ihm auch schon bei Der Fänger im Roggen unangenehm aufgefallen sei. Frauen warfen uns vor, dass wir keine Frauen seien. Männer meckerten, wir seien keine richtigen Männer.

Wir hatten nie gelernt, uns für etwas zu entschuldigen, wir schwammen ja immer nur auf der Welle des Erfolgs. Ich weiß nicht mehr, ab wann ich auf der Bühne zu stottern begann. Vor zwei Jahren jedenfalls musste ich meinen letzten Schlitten verkaufen. Ich zog zurück zu Mutti und begann nebenher Körbe zu flechten, um mir damit ein zweites Standbein aufzubauen. Im Fernsehen bin ich seither nie wieder aufgetreten, und das letzte Mal, als ich im Radio zu Gast war, machte sich ein gewisser Ken Jebsen über meine Stotterei lustig. Falls ich versuche, etwas ins Internet hochzuladen, erscheint immer dieser Spruch: »Sorry, aber das Internet ist voll.« Wen ich auch frage, alle sagen, das kann doch nicht sein, aber es ist so, ich denk mir das ja nicht aus.

In einem Hinterzimmer lesen wir noch vor, einem kleinen Hinterzimmer einer illegalen Kneipe, während da saubergemacht wird. Geld gibt es keines, aber es macht Spaß. Wieder. Und vorgestern nun flatterte mir diese Einladung ins Haus. Aus Prenzlau. Ein Veteranenverband der NVA. Kameradschaftsabend. Was zum Lachen solle ich lesen. Die Getränke wären frei.



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Ein Lesebühnentext



Da sitzen sie nun also vor mir und zucken schweigend mit den Schultern. Die 14-jährigen Mädchen wissen nicht, über was ich einen Text schreiben soll. Jedenfalls wollen sie es mir nicht sagen. Eigentlich wollen sie mir überhaupt nichts sagen. »Wie war’s denn gestern bei der Party?« »Gut.« »Was habt ihr denn gemacht?« »Nichts Besonderes.« »Wisst ihr schon, was ihr heute Abend machen wollt?« »Eigentlich nicht.« »Hast du Hobbys?« Die letzte Frage richte ich bewusst ausschließlich an die Freundin meiner Tochter, da ich von meiner Tochter selber ja weiß, was für Hobbys … oder, na ja, sie tanzt manchmal. Überraschenderweise antwortet ihre Freundin: »Nee.« Dann aber, nach einem kurzen Moment der Besinnung: »Ich müsste eigentlich Sport treiben, weil ich so unsportlich bin.« So so, sie müsste. Na, immerhin hat sie überhaupt was gesagt, darauf lässt sich aufbauen. Ob wohl ein Zuckerkranker das Insulinspritzen als sein Hobby angeben würde? Vielleicht ja ein sehr depressiver Zuckerkranker oder ein zuckerkranker Künstler, der seine Antworten als Teil seiner Kunst verstanden wissen will. Als schwarzen Humor. Black humour, wie die Engländer zu sagen pflegen. Hihi, ich weiß eigentlich gar nicht, ob die Engländer zu schwarzem Humor so sagen. Vielleicht gibt es dort auch gar keinen Begriff für schwarzen Humor. Vielleicht weil der englische Humor immer schwarz ist? Vielleicht heißt dort schwarzer Humor einfach nur humour und es gibt außerdem einen white humour, für vollkommen harmlos daherkommenden und bei niemandem aneckenden Humor. Beispiel gefällig? Kommt ein Buslenker zum Arzt und sagt: »Können Sie mal meinen Stuhlgang rundmachen, der Durchmesser muss gebrochen sein.« Daraufhin der Arzt: »Mein Kollege kommt gleich, ich bin hier lediglich die Prognose.«

Zugegeben, eben gerade selbst ausgedacht, aber total lustig, ultrakomisch, wenn nicht gar megawitzig, und doch wird hier auf niemandes Kosten gelacht, wenn »niemandes« überhaupt der Genitiv ist von »niemand«, und nein, ich habe das nicht gegugelt. Ich finde, wer zu allem und jedem irgendeine elektronische Suchmaschine befragt, der hat ein gutes Stück seiner Persönlichkeit bereits an der Garderobe abgegeben. Der ist zu, na, sagen wir ruhig, einem Zwölftel bereits ein Roboter geworden, was jetzt auch nicht weiter schlimm wäre, ich habe nichts gegen Roboter, Roboter machen schließlich unser Leben schöner, Roboter werden in Zukunft sämtliche Arbeit für uns verrichten, und das alles, ohne davon depressiv zu werden, aber ich könnte mich eben auch niemals in einen Roboter verlieben. Ja, is so! Deshalb für alle, die darauf warten, dass ich mich in sie verliebe – bitte keine elektronischen Suchmaschinen mehr benutzen, jedenfalls nicht so häufig. Gut, sagen wir immer. Außerdem muss ich natürlich betonen, dass ich bereits vergeben bin, das hat mir meine Freundin aufgetragen, dass ich das betonen soll. Meine Freundin, die im Übrigen ständig was an mir herumzunörgeln hat, mal stinke ich ihr zu sehr, dann wieder esse ich zu viel, oder ich liege immer nur da und sage kein Sterbenswörtchen. Mann-O-Meta! Den lieben, langen Tag nörgelt die an mir herum. Trotzdem, ich liebe sie. Sehr. Ich werde mein ganzes Leben mit ihr verbringen, vorerst, und die ewige Nörgelei aushalten und nach 70 Jahren dann zurückblicken können auf eine Zeit, in der es sicher auch schöne Momente gegeben hat. Darauf freue ich mich schon lange. Auf das Zurückblickenkönnen.

Ich will ja mal ins Heim. Ich will in so ein Altersheim, wo sie alles für einen machen. Wo man gewaschen wird, wo einem die Zähne geputzt werden, und man muss nichts dafür tun. Man kann einfach den lieben langen Tag auf dem Sofa liegen und kein Sterbenswörtchen sagen, trotzdem müssen die einen da waschen. Muss man natürlich dann auch so tun, als ob man gar nicht anders könnte, sicherlich, aber, da bin ich ganz optimistisch, das schaffe ich schon. Klar, dass das auch bezahlt werden muss, das ist sonnenklar. Selbstverständlich. Aber erstens hoffe ich mal, dass in näherer Zukunft die Menschen ganz schnell schlau werden, von ihrer hirnverbrannten »Arbeit-für-alle«-Mentalität wegkommen, die der Menschheit wie ein Klotz sisyphusischen Ausmaßes am Bein hängt, und zweitens habe ich ja Kinder, denen ich schon immer ein guter Vater gewesen bin (»Halt’s Maul, Gör, das hier ist ein Lesebühnentext!«) und denen es deshalb ein diebisches Vergnügen bereiten wird, meinem Wohlbefinden zur Ehre finanzielle Opfer zu erbringen.

Wie schnell das Leben vorbeigeht ist schon irgendwie der pure Wahnsinn. Eben kam man noch nicht mal an die Schublade ran, wo die Zigaretten drinliegen, und morgen schon pullert man wieder ins Bett. Eigentlich, da bleibt einem doch lediglich eine extrem kurze Frist nur dazwischen, wo man wirklich mal Zeit hat, sich Gedanken zu machen über pubertierende Mädchen, die nicht wissen, was sie einem antworten sollen.

Solidarität jetzt!



Die Pleite von Griechenland bewegt mich sehr, momentan. Ich kann schon fast gar nicht mehr schlafen, so sehr bewegt mich die Pleite von Griechenland, momentan. Ich meine, es muss doch auch eine andere Lösung noch geben, als dass sie in einem fort unser Geld kriegen. Ich meine, das ist ja auch unser Geld, irgendwie, und ich meine, wir haben uns das ja nicht nur durch Rumliegen erworben. Wir haben uns das ja verdient.

Immerhin, ich muss ja auch an später denken und an ein Gartengrundstück. Wir wollen doch ein Gartengrundstück. Wie Emil Pelle. Ein schönes Gartengrundstück. Es müssen gar keine 2.000 Quadratmeter sein, den Anspruch haben wir gar nicht. 1.000 würden schon genügen. Möglichst etwas weiter draußen, an einem See, aber gut erreichbar und mit netten Nachbarn, die man selten sieht. Kinderfreundlich, aber ohne Kinder und ohne Hunde oder Katzen oder so was, und ohne Nadelbäume. Gepflegt, aber nicht so künstlich. Natürlich gepflegt und mit einem kleinen Häuschen drauf. Es muss gar nicht groß sein, das kleine Häuschen. Zwei Schlafzimmer wären schon schön, sind aber keinesfalls Bedingung. Man kann schließlich auch im Wohnzimmer schlafen. Mal. Der Zustand ist wichtig. Es darf nicht stinken, das Häuschen. Alles sollte funktionstüchtig sein und auch mit Dusche und Küche und so. Wir dachten da an was Längerfristiges. Kaufen oder Pachtvertrag. Pachtvertrag über mindestens zehn Jahre. Wir sind ja nicht mehr so sprunghaft, und dieser Lärm in der Stadt, der ist ja auch ganz schön anstrengend. Da können sich die Griechen ja gar kein Bild von machen, also die Griechen in Griechenland, die andern Griechen natürlich schon. Die Griechen, die hier sind. Die Gemüsehändler und die Restaurantbesitzer. Aber die haben wahrscheinlich gar keine Zeit für einen Garten, weil sie ja immerzu nur arbeiten. Es sind ja gar nicht alle Griechen faul. Nein! Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Die Griechen zum Beispiel, die hier ihre Restaurants aufgemacht haben, »Akropolis«, »Delphi«, »Syrtaki«, es gibt ja sehr viele Restaurants mit wohlklingenden Namen, die arbeiten ja oftmals sieben Tage die Woche und machen nur einmal im Jahr Urlaub. Könnte man natürlich sagen, genau diese Griechen bräuchten die Griechen jetzt dort, in ihrer Heimat, damit sie mal mit Hand anpacken, so wie wir das nach dem Krieg ja auch gemacht haben. Ich meine, es war ja alles kaputt, nach dem Krieg, hier in Deutschland. Davon macht sich ja gar keiner mehr eine Vorstellung. Da hätten wir natürlich auch rumjammern können, und hier, Generalstreik oder so was, aber das liegt wohl nicht in unserer Art. Sind eben verschieden, die Menschen, wer wollte das leugnen. Die einen jammern rum, die anderen krempeln ihre Ärmel hoch. Wir haben damals eben in die Hände gespuckt, und dann, mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen, ging alles gleich viel besser. Den ganzen Schutt haben wir weggeräumt und diese fürchterlichen Hinterlassenschaften, die uns dieser Hitler beschert hat. »Hitler gegen Stalin«, so titelte ja der Spiegel, »Bruder Todfeind«. Es gibt immer wieder böse Menschen, daran wird sich auch leider nie etwas ändern.

Das aber ist noch lange kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen. Gerade deshalb könntet ihr Griechen euch ein Beispiel nehmen. Wir waren ganz tief unten – und heute? Wo sind wir heute? Wir sind die »Lokomotive Europas«, wie neulich der Völkische Beobachter schrieb, oder war es die FAZ? Geschafft aus eigener Kraft. Alte deutsche Tugenden, liebe Hellenen, gepaart mit dem Zeitgeist der Moderne, so lautet die Zauberformel, die auch euch über den Berg helfen kann. Lasst das Streiken mal für ’ne Weile sein. Verzichtet einfach auf Löhne, Urlaub, Sozialversicherung und diese ganzen Fortschrittsbremsen, und außerdem nehmt euch ein Beispiel an den Sportvereinen. Es gibt unter Garantie doch genügend international agierende Unternehmen, die interessiert daran wären, sich, sagen wir mal, den Namen eurer Hauptstadt zu sichern. Man könnte Athen bestimmt für eine siebenstellige Summe die nächsten zwei, drei Jahre in VW umbenennen, Thessaloniki könnte Sony heißen und für die bekanntesten Inseln fände sich sicherlich auch ein Namenssponsor. Samsung-Tempel Akropolis? Warum nicht? Und erst eure Speisen. Adidas-Gyros mit Esso-Zaziki und einem Glaserl BASF-Retsina, da freut sich doch jeder wie Bolle auf den nächsten Urlaub in … ja, wer sagt denn überhaupt, dass Griechenland für alle Zeiten Griechenland heißen muss? Burkina Faso nannte sich schließlich auch mal Obervolta. Warum soll Griechenland sich dann nicht in … Facebook umbenennen dürfen? So lange die das bezahlen?

Fände ich eine Überlegung wert. Und falls ich euch jetzt in Verlegenheit gebracht haben sollte, spart euch den Dank. Wir Deutschen haben schließlich schon immer gerne geholfen. Überall auf der Welt.

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Kein Tag wie jeder andere



15 Uhr. Bin gerade aufgestanden. Habe noch so‘n Ohrwurm drin, von den Stones: »… nä, nä, nä, nä, nä, nä, fucking holy devil shit, nä, nä, nä, nä« oder so ähnlich. Na, vielleicht isses auch von Elvis oder den Beatles. Oder von Nena. Quatsch, die singt ja deutsch.

Muss mir erstmal ’n Kaffe machen. Schön stark. Zwei Zentner Rondo, ’n Eimer Zucker rauf, und ordentlich heiß Wasser rübergießen. Umrühren, fertig. Aaah. Das schmeckt. Schlüpper könnt ich auch mal wieder waschen. Ob die Nachbarin das sieht, da drüben, im Hinterhaus, dass der dreckig is? Die arme Frau. Den ganzen Tag steht sie am Fenster und guckt, ob’s was zu gucken gibt. Huhu! Wahrscheinlich, wenn ich auf die tolldreiste Idee käme und mir Gardinen vor die Fenster hinge, würde die sich schon morgen umbringen. »Kummer, ohohoho, Kummer«, aber keine Angst, meine Beste, ich steh nich auf unnötige Plackerei.