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Nr. 2653

 

Arkonidische Intrigen

 

Er absolviert die ARK SUMMIA – und begegnet einer lebenden Legende

 

Hubert Haensel

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda. Dort wird ein bislang unbekanntes Programm in Gang gesetzt, das die BASIS Stück für Stück zerlegt und in zwei autarke flugfähige Kugeln umbaut.

In der Milchstraße tun sich derweil politisch bedeutsame Dinge: Tormanac da Hozarius, Vertrauter des Arkonidenherrschers, stößt auf eine Verschwörung und gerät in Gefangenschaft. Was er erlebt, sind ARKONIDISCHE INTRIGEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Tormanac da Hozarius – Ein junger Adliger erlebt eine große Enttäuschung.

Cregon – Ein alter Arkonide stellt sein Leben in das Zeichen der Loyalität.

Legatem da Hozarius – Ein Vater schmiedet Pläne für die Karriere seines Sohnes.

Prolog

 

Dies war der Augenblick seines größten Triumphs und zugleich seiner schrecklichsten Niederlage. Der Schmerz überfiel ihn mit ungeheurer Wucht.

Sengende Hitze fraß sich durch seine Gedanken und löschte aus, was ihm bis eben wichtig gewesen war. Lediglich für den Bruchteil eines Moments schien die Zeit stillzustehen, als gäbe es eine letzte Chance ...

Wo habe ich ... einen Fehler ... begangen?

Ein unerträglicher Kampf tobte unter seiner Schädeldecke. Er riss die Arme hoch, die Hände verkrampften sich um die Schläfen, und die Fingernägel kratzten seine Haut und das Fleisch auf.

Die Hitze drohte ihn von innen heraus zu verbrennen. Trotzdem drang kein Laut über seine Lippen.

Er fürchtete den Tod nicht ...

... nur den Zeitpunkt.

Denn um zu sterben, war er zu jung. Viel zu jung.

1.

Ein tiefer Fall

 

»... starke Störfelder unterbinden jeden Hilferuf, Sek'athor. Selbst eine Kontaktaufnahme mit den Angreifern ist unmöglich.«

»Wir müssen ...« Wieder erschütterten schwere Treffer das Flaggschiff, Tormanac da Hozarius verstummte mitten im Satz. Die letzten funktionsfähigen Holos in der Zentrale zeigten brodelnde Glutschleier. Unaufhaltsam stürzte die ZHYGOR bereits durch die Atmosphäre des Planeten.

Zwei Schiffe des Spähtrupps waren im konzentrierten Beschuss der Gegner explodiert, die anderen beiden blieben hinter dem Horizont verschwunden. Sie wurden ebenfalls von einer Meute der kleinen Vielflächner gejagt. Nicht einmal Beibootgröße erreichten die Schiffe der Angreifer, doch ihre Zahl ging in die Tausende. Außerdem waren sie schnell, extrem wendig und vor allem schlagkräftig.

Viele Hunde sind des Hasen Tod.

Ausgerechnet eine terranische Redewendung kam Tormanac in den Sinn. Erst vor wenigen Votanii, während seiner letzten Vorbereitung, hatte er sie gelernt. Zweieinhalb Votanii, entsann er sich, das waren neunzig Arkontage, auch wenn ihm die Zeit seitdem wie eine kleine Ewigkeit erschienen war.

»Wir müssen eine Warnung nach Gos'Ranton geben! Niemand außer uns ist über diese Angreifer informiert. Wir sind die Einzigen ...« Wieder unterbrach er sich; das Stakkato Dutzender unmittelbar aufeinanderfolgender schwerer Explosionen durchschlug alle Schallisolierungen.

Jemand brüllte eine Meldung. In dem akustischen Chaos waren nur Wortfetzen zu vernehmen, nichts, was einen Sinn verraten hätte.

Ein hastiger Blick zu den Holos. Die Vielflächner zogen sich von der ZHYGOR zurück. Wie Sumpfmücken, die ein verendendes Tier mit ihren Saugstacheln malträtierten, erschienen sie Tormanac. Dieser Gedanke war absonderlich, aber nicht von der Hand zu weisen. Die ZHYGOR versank in der dichten Atmosphäre wie ein unvorsichtiges Wild im zähen Schlamm ...

»Unsere Aufzeichnungen müssen die Kristallwelt erreichen!«

»Das ist unmöglich geworden«, widersprach der Offizier. »Je näher wir diesem Höllenplaneten ...«

»Wurden alle Daten an die Beiboote übertragen?«

Tormanacs unmittelbarer Untergebener verzog das Gesicht zur Grimasse. Mit zwei Fingern kratzte er über eine Augenbraue und schirmte das Auge mit der hohlen Hand ab.

Kein Zweifel, der Orbton empfing Informationen über die Netzhautprojektion. Höchstwahrscheinlich überlagerten sich mehrere Datenströme. Tormanac da Hozarius kannte die daraus entstehende Verwirrung. Es war unglaublich schwer, in einer Überlagerung einzelne Sequenzen zu erkennen.

»Und?« Dass seine Stimme Ungeduld verriet, störte ihn keineswegs. »Die ZHYGOR wird auseinanderbrechen und die Oberfläche als glühender Trümmerregen erreichen ... Bis dahin müssen wir von Bord sein. Die letzten Schiffe der Angreifer ziehen sich zurück ...«

»Weil die Atmosphäre schon in den Höhenschichten sehr viel aggressiver ist als erwartet. Mir werden soeben die aktuellen Messergebnisse übermittelt. Uns bleibt kaum Zeit ...«

»Wie viele Beiboote?«

Verbissen schüttelte der Offizier den Kopf.

»In welchem Zustand?«, drängte Tormanac.

»Zhdopandel, wir verfügen nur mehr über ein einziges ...«

»Starten!«, befahl Tormanac. »Sofort! Das ist die letzte Möglichkeit, dem Imperator eine Warnung zu übermitteln.« Sein Blick durchbohrte den Orbton geradezu. »Worauf wartet die Hangarkontrolle?«

»Auf dich, Sek'athor ...«

»Unbedeutend. Gib den Startbefehl!«

»Aber deine Sicherheit? Du kannst nicht ...« Der Offizier wurde leichenblass, als Tormanac den Strahler zog und auf ihn zielte.

»Raus mit dem Beiboot!«

»Wir ... ich ...«

Die Projektormündung des Thermostrahlers glomm auf.

»Deine Sicherheit ist wichtig«, protestierte der Orbton. »Du musst mit dem Beiboot ...«

»Nicht meine, sondern Arkons Sicherheit.« Tormanacs Finger krümmte sich über dem Auslöser. Dass er nicht zögern würde, sein Gegenüber zu erschießen, war ihm anzusehen.

Gleichzeitig, wenn auch widerwillig, gab der Offizier den Befehl. Es fiel ihm schwer. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er auf eines der Holos, in dem das startende Beiboot zu sehen war.

Unbehelligt durchstieß das kleine Diskusschiff den flackernden Schutzschirm der ZHYGOR. Es verschwand in einem Meer aus Feuer. Rottöne in allen Nuancen beherrschten das Bild, und für die Dauer eines hastigen Atemzugs erwartete Tormanac da Hozarius, einen sich aufblähenden Glutball zu sehen, der das Beiboot verbrannte.

Wenigstens diese Befürchtung erfüllte sich nicht. Stattdessen tobten Energieschwaden durch den Hangar. Der Schutzschirm wurde durchlässig.

Tormanac wandte sich ab. Er wollte nicht sehen, wie sein Schiff zum Opfer der entfesselten Elemente wurde.

Stimmen folgten ihm. Sie verrieten die verzweifelten Bemühungen der Besatzung, den Hangar von innen her abzuschirmen.

Das ist nur Flickwerk, der Versuch, dem Tod wider besseres Wissen einige Augenblicke abzutrotzen.

Tormanac schloss die Augen, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen.

War das, was tief in ihm wühlte, Angst? Angst davor, in wenigen Millitontas nicht mehr zu existieren?

Er verwünschte diese Empfindung. Weit eher sollte er fürchten, dass die Warnung vor den Angreifern die Kristallwelt nicht erreichte.

Eine Hand umklammerte seinen Arm und zerrte ihn herum.

Ungläubig blickte Tormanac den Offizier an, der es wagte, ihn gegen jede Etikette so zu berühren.

»Es ist alles getan!«, herrschte er den alten Arkoniden an. »Was willst du von mir?«

»Das Beiboot, Sek'athor, war deine letzte Rettungsmöglichkeit. Es war deine Pflicht, an Bord zu gehen ...«

»Ich hätte den Hangar nicht mehr erreicht«, sagte Tormanac hart gegen sich selbst. »Und du übersiehst eines: Wichtig sind die Informationen für den Imperator, nicht unsere Leben. Wir können ersetzt werden, Tausende warten nur darauf, unsere Nachfolge ...«

Die letzten Holos schienen in einer grellen Lichteruption aufzuglühen, der Schutzschirm der ZHYGOR brach zusammen. Gedankenschnell kam der Tod. Einen Herzschlag lang hatte Tormanac da Hozarius das entsetzliche Gefühl, inmitten unerträglicher Helligkeit zu stehen. Er fühlte sich plötzlich leicht, von aller Last befreit.

Dieses Licht war überall, es gab nichts anderes mehr.

Es ist vorbei! Ein ewig währender Urknall ...

Sein letzter Gedanke verhallte.

 

*

 

Unruhe machte sich breit, dann waren Stimmen zu vernehmen. Mehrere Personen redeten, jedoch blieb unverständlich, was sie sagten.

Schatten huschten durch die Helligkeit. Wie lichterfüllte sphärische Schemen wirkten sie. Große Gestalten kamen näher, und es schien, als streckten sie sich und entfalteten monströse Schwingen.

Terminale Herolde!

Die Assoziation war plötzlich da. Wie ein Stein an einem steilen Abhang, der jäh in Bewegung geriet, abwärtssprang und dabei eine mächtige Gerölllawine auslöste, ebenso spontan breitete sich dieser eine Gedanke aus.

Terminale Herolde sind Gesandte TRAITORS und damit der Chaosmächte. Wesen, die einem Protochaotischen Universum entstammen. Knapp sechzig Standardjahre ist es her, seit Atlan einen Terminalen Herold beobachtet hat. Und nun sind ...

Die Stimmen wurden deutlicher, ihr besorgter Klang war nicht mehr zu überhören.

»... keine erkennbaren Anzeichen einer systemischen Erkrankung.«

»Er ist erschöpft. Die Anstrengungen der Prüfungen in rascher Folge haben einen extremen psychischen Druck aufgebaut ...«

Jemand lachte verhalten. Es war eine sonore Stimme, unverkennbar Zhdopanda Aktul ta Zhym, Prüfungsleiter und Hochedler. »Zugegeben, Tormanac da Hozarius wurde bewusst ausgewählt, als Erster die neue Simulation zu durchlaufen. Er ist in jeder Beziehung in der Lage, die mentale Beanspruchung durchzustehen, nach wie vor sehe ich darin keine gesundheitsgefährdende Bedrohung. Das Leben selbst ist alles andere als einfach.«

... es ist lebensgefährlich, wusste Tormanac. Vergeblich versuchte er, das auch auszusprechen, er hatte sich noch nicht wieder unter Kontrolle. Zudem blendete ihn eine grelle Lichtflut. Hastig schloss er die Lider und verstand zugleich, dass der Reflex provoziert worden war.

»Beste Reaktion auf die Photonenpumpe.«

Das war die Stimme eines Medoroboters. Sie mochte sehr gut moduliert sein, Tormanac erkannte den Unterschied zu einer normalen arkonidischen Stimme dennoch an winzigen Nuancen. Dass er recht hatte, sah er bereits, als er leicht unter den Lidern hindurchblinzelte.

»Tormanac da Hozarius ist wach und in jeder Hinsicht aufnahmefähig«, stellte die Medoeinheit fest. »Ich löse sämtliche Induktions- und Aufzeichnungssensoren.«

»Einverstanden«, bestätigte der Prüfungsleiter.

Für Tormanac war es, als falle eine unsichtbare Barriere, die ihn wie eine zweite, sehr enge Haut eingeschlossen hatte. Seine wiedererwachten Sinne registrierten jede Veränderung. Der Sessel schwenkte in die aufrechte Position.

»Wie fühlst du dich?«

Er blickte in die Runde. »Gut«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Mir geht es gut.«

»Nicht das geringste Anzeichen einer psychischen Verwirrung ist nachweisbar«, sagte der Roboter.

»Warum sollte ich verwirrt sein?« Tormanac war überrascht, wie leicht die Gegenfrage über seine Lippen kam. Eigentlich hatte er mehr Schwierigkeiten erwartet. Dass schon alles vorüber sein sollte, löste einen Hauch von Wehmut aus, ganz so, als sehne er sich nach weiteren Prüfungen.

Ich habe mich daran gewöhnt. Diese Feststellung hätte er vor wenigen Tagen bestimmt nicht getroffen, weil seine innere Anspannung beinahe unerträglich gewesen war. Da hatte ihm nicht einmal die Feststellung geholfen, dass er weder der erste Arkonide war, der die Prüfungen der ARK SUMMIA durchlief, noch der letzte.

Überrascht schaute er auf, als der Prüfungsleiter ihm die rechte Hand auf die Schulter legte.

»Ich spreche dir meinen Glückwunsch aus, Tormanac. Du hast jede Aufgabe mit Bravour absolviert. Das gilt ebenfalls für die neu gestaltete synthetische Realität. Die für das Erringen der ARK SUMMIA notwendigen zehntausend Punkte konntest du zum frühest möglichen Zeitpunkt vorweisen.«

Tormanac nickte stumm. Er versuchte zu lächeln, hatte dabei aber das Gefühl, als würden sich seine Muskeln nur verhärten.

»Die Aktivierung ...« Im Nachhinein versagte ihm die Stimme und wurde zu einem heiseren Flüstern. Er holte tief Luft und senkte den Kopf, um sich zur Ruhe zu zwingen.

»Der Aktivierung deines Logiksektors steht nichts entgegen«, sagte der Ta-moas. »Dabei gab es anfangs Zweifel.«

Ja, er wusste das. Er war am 27. Prago des Eyilon 21.491 da Ark geboren, das entsprach dem 17. März 1384 NGZ – er sah solche Umrechnungen zwischen arkonidischen und terranischen Einheiten als mentales Training. Es war Glück, dass er überhaupt zu diesem Jahrgang der ARK SUMMIA zugelassen worden war. Ein paar Tage später geboren, ein paar lächerliche Pragos, und seine Prüfung hätte erst im kommenden Jahr stattfinden dürfen. Verlorene Zeit und vergeudete Lebensenergie, konstatierte er. Es war genau richtig, wie es war.

»Iprasa ist die älteste ARK SUMMIA-Prüfungswelt.« Der Ta-moas nahm die Hand von Tormanacs Schulter und berührte mit den Fingerspitzen seine Stirn. »Ich bin sicher, Del-moas Tormanac da Hozarius, dass dein Name eines Tages einen Ehrenplatz in den Annalen von Iprasa erhalten wird.«

Was sollte er darauf antworten? Tormanac wusste es nicht, nur dass alle Umstehenden auf eine Antwort warteten.

»Ich werde alles daransetzen, mich der Ehre von Iprasa würdig zu erweisen«, sagte er.

Iprasa, ging es ihm dabei durch den Sinn, ist zwar die älteste Prüfungswelt, aber Largamenia die bedeutendste. Warum habe ich die ARK SUMMIA nicht auf Largamenia absolviert?

 

*

 

Über den Aktivierungsprozess des Extrasinns kursierten unter den Hertasonen, den Prüflingen, die absonderlichsten Vorstellungen. Gerade weil die Wissenden schwiegen und diesbezügliche Fragen nur mit einem milden Lächeln beantworteten. Tormanac hatte sich schon deshalb nicht an den Spekulationen beteiligt.

Eine unnötige Unruhe. Verschwendete Zeit und Kraft.

Nun, da er in der abgesicherten Parapsychischen Aktivierungsklinik unter der Aktivierungsglocke saß, wusste er, was geschehen würde. Sein Kopf war fixiert, breite Klammern hielten ihn unverrückbar fest, und über ihm schwebte die Metallhaube, die nichts anderes zu sein schien als eine Anlage zur Hypnoschulung. Auf den ersten Blick jedenfalls und für jeden, der es nicht gewohnt war, Unterschiede präzise zu erkennen.

Ein fünfdimensionaler Aufladungsprozess schloss den dritten Grad der ARK SUMMIA ab. Aktiviert wurde dabei jener spezielle arkonidische Gehirnbereich, der die spontane logische Auswertung von Dingen und Geschehnissen ermöglichte, die ansonsten nur schwer oder gar nicht beherrschbar waren. Damit einher ging die Ausbildung eines fotografisch exakten Gedächtnisses.

Tormanac freute sich darauf. Nie mehr etwas vergessen, die kleinste Gegebenheit jederzeit abrufbar. Gerade im persönlichen Bereich konnte das keine noch so perfekte Positronik leisten.

Aber vielleicht ... Manchmal war es sogar gut, nicht alles Wissen parat zu haben. Vor allem die unangenehmen Kleinigkeiten, die das Leben bereithielt.

Vergessen ist ein Geschenk der Götter.

Er kniff die Augen zusammen, der plötzliche grüblerische Gedanke ließ sich indes nicht verscheuchen. Wie gut war es manchmal, doch vergessen zu können. Die Dinge, die nicht zu ändern waren, die eigenen Unzulänglichkeiten ...

Das ist nur eine Frage der inneren Einstellung. Tormanac lachte lautlos. Spöttisch, erschien es ihm. Er hatte die Prüfungen problemlos absolviert, solche Zweifel standen ihm nun schlecht zu Gesicht.

Alles ist gut.

Was mit mir geschieht, ist nichts anderes, als es die Evolution vor langer Zeit ohnehin schon vorgesehen hat. Die Parawissenschaftler wissen, dass dieses Hirnfragment vormals selbstständig aktiv war. Die Perfektion ist nur verschüttet und muss neu geweckt werden.

Die Aktivierungsglocke arbeitete bereits. Tormanac bemerkte es, als er die Lider leicht öffnete und einen fahlen Widerschein sah. Das konnte nur eine Reflexion des gebündelten Lichtstrahls sein, der präzise den Bereich markierte, in dem die Hyperstrahlung wirksam wurde.

Tormanac lauschte in sich hinein.

Nichts.

Er fragte sich, was er eigentlich erwartet hatte.

Die steife Körperhaltung bereitete ihm allmählich Unbehagen. Ein unangenehmes Prickeln machte sich im Nacken breit.

Wie lange schon?

Er schaffte es nicht, die Zeit abzuschätzen, die bereits verstrichen war. Im einen Moment war ihm, als habe er eben erst unter der Aktivierungsglocke Platz genommen, im nächsten fürchtete er, seit mehreren Tontas zur Reglosigkeit verdammt zu sein.

Offensichtlich gab es eine Fehlfunktion. Obwohl bei ihm ein Intelligenzwert von 69,78 Lerc nach der Epetran-Skala bestimmt worden war. Das war nicht gerade wenig. Atlan hatte vor drei Jahrtausenden den Wert von 50 überboten, der zur Ausschaltung des Robotregenten nötig gewesen war. Imperator Bostich I., das hatte er trotz strenger Geheimhaltung unter der Hand erfahren, erreichte einen Wert von 74,45 Lerc. Und Epetran selbst sollte mit 86,125 den höchsten jemals nach dieser Definition gemessenen Wert aufgewiesen haben.

Tormanac versuchte, sich nicht ablenken zu lassen. Vielleicht war es besser, an gar nichts zu denken.

Er hatte eine deutliche Reaktion erwartet, ein spontanes Aufbrechen ihm bislang unbekannter geistiger Kräfte. Vor allem ein plötzliches Wispern oder Raunen in seinen Gedanken, eine Stimme, die aus ihm selbst heraus zu ihm sprach. Ich bin dein Extrasinn, Tormanac, wir werden fortan unzertrennliche Freunde sein. So oder ähnlich erwartete er die erste Äußerung seines aktivierten Gehirnbereichs.

Stattdessen Stille, die ihn ängstigte.

»Eine Fehlfunktion!«, wollte er rufen, doch er kam nicht über die Absicht hinaus.

Endlich spürte er die Veränderung. Wärme breitete sich unter seiner Schädeldecke aus – zuerst angenehm ...

... nach einer Weile lästig.

Dann der unerträgliche Schmerz. Sengende Hitze fraß sich durch seine Gedanken und drohte ihn zu verbrennen.

Das Gefühl zu sterben ... Tormanac sträubte sich mit aller Kraft dagegen, und als ihm endlich eine gnädige Bewusstlosigkeit die Qual abnahm, gab er sich ihr dankbar hin.

2.

Jähes Erwachen

 

Er kehrte ins Bewusstsein zurück.

Das Nichts, das ihn umfangen hielt – ein vages Gefühl zeitloser Existenz, eingefroren im Bruchteil einer Millitonta – lockerte den lähmenden Griff. Tormanac da Hozarius seufzte gequält.

Nur zögerlich wurde er sich seiner Existenz bewusst.

Er hatte keine Schmerzen mehr, doch eine Träne rann aus seinem rechten Augenwinkel. Langsam kroch der klebrige Tropfen abwärts und ließ ihn frösteln.

Eine Hand legte sich auf seine Wange. Er empfand den schwachen Druck wie eine vorsichtige Annäherung, im nächsten Moment aber schon fordernd. Die Berührung zwang ihn, die Lider leicht zu heben.

Erkennen konnte er nichts, allerdings spürte er die Hand deutlicher. Zwei Finger strichen ihm über die Lippen.

»Wie geht es dir?«, hörte er leise.

Die Frage erinnerte ihn an das schmerzhafte Toben in seinem Schädel. Es hatte eine dumpfe Leere hinterlassen, nur wenige Erinnerungsfetzen waren noch da.

Die Aktivierung meines Extrasinns ist gescheitert! Ich bin unvollkommen und kaum mehr als ein Essoya. Zumindest hatte er diesen Eindruck. Das war entsetzlich genug.

Unruhig drehte er den Kopf von einer Seite auf die andere. Er wollte das nicht, trotzdem konnte er nicht anders. Sein Stöhnen ließ sich ebenso wenig unterdrücken, es quoll aus ihm wie ein verkrüppelter Aufschrei, eine Verwünschung.