Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Epilog

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN - Die Serie

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Nr. 2681

 

Welt aus Hass

 

Das Ende einer langen Suche – und das Ende einer einzigartigen Wesenheit

 

Leo Lukas

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda, wo die negative Superintelligenz QIN SHI regiert. Nicht zuletzt durch die Aktivitäten des unsterblichen Terraners kann die Galaxis allerdings befreit werden. Doch QIN SHI ist längst ins Reich der Harmonie eingedrungen.

Alaska Saedelaere ist im Auftrag ebendieses Reiches unterwegs – und auf der sehr persönlichen Suche nach der Kosmokratenbeauftragten Samburi Yura, von der er nicht loskommt. Sein Weg führt ihn zu einer WELT AUS HASS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger scheint endlich an sein Ziel zu gelangen.

Eroin Blitzer – Der Zwergandroide verspürt endlich Gefühle.

Samburi Yura – Die verschollene Enthonin tritt endlich leibhaftig in Erscheinung.

Elicon – Ein verlassener Planet findet endlich seine Identität.

»Was für kranke, lächerliche Puppen wir doch sind, und auf welch ekliger, kleiner Bühne wir tanzen ... Unwissend, dass wir nichts sind; dass wir nicht sind, was wir sein sollten.«

John Does Tagebuch (im Film »7«)

 

»Ganz im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen glauben, war oder hatte niemand je ein Selbst ... Nach allem, was wir gegenwärtig wissen, gibt es kein Ding, keine einzelne unteilbare Entität, die wir selbst sind, weder im Gehirn noch in irgendeiner metaphysischen Sphäre jenseits dieser Welt. Wenn wir daher vom bewussten Erleben als einem subjektiven Phänomen sprechen, dann stellt sich die folgende Frage: Was ist eigentlich die Entität, die diese Erlebnisse hat?«

Thomas Metzinger, »Der Ego-Tunnel«

 

*

 

Prolog

Der Absturz

 

Ich falle.

Durch große Leere taumle ich dem Untergang entgegen. Schutzlos, hilflos, verwundet vom Dolchstoß, den eine Hand führte, die ich mir gewogen wähnte.

Obwohl ich mein Bestes gegeben, meine Rolle makellos – um nicht zu sagen: brillant – gespielt habe, ließ man mich fallen. Nein, das ist nicht korrekt. Man warf mich weg, stieß mich hinunter ins Trübe.

Narr, der ich war, glaubte ich bis zuletzt an meine Bestimmung. Daran, dass mein Beitrag erwünscht wäre; dass mein Wort gehört und bedacht würde.

Dass meine Handlungen einen Unterschied ausmachen könnten ...

Ich lache, lache mich selbst aus, ohne mein Lachen zu hören. In den Ohren rauscht der Wind: Schande, Falschheit, Schmach!

Während ich falle, versuche ich, mich für den Aufprall zu wappnen. Ich möchte ihn bewusst erleben, meinen letzten Moment, als finalen Genuss. Ultimater Schmerz, ultimate Lust.

Und dann: Vorhang.

Für immer.

Sofern man mir Abgangsapplaus spendet – falls ich überhaupt ein Publikum habe –, werde ich nichts mehr davon mitbekommen. Schade.

Aber dafür muss ich mich auch nicht mehr über die Kritiken ärgern.

Jetzt muss es dann bald so weit sein. Gefühlsmäßig stürze ich schon eine halbe Ewigkeit.

Leider sehe ich fast nichts. Meine Augen sind verklebt von Tränensekret. Es mischt sich mit dem Blut, das aus der Stichwunde in meiner Brust sprudelt. Oder ist es Schmieröl?

Bin ich etwa kein biologisches Wesen?

Unsinn! Ich sterbe doch soeben, ergo muss ich gelebt haben.

Meine Erinnerung trügt nicht. Zwar will mir gerade mein Name nicht einfallen, aber ich entsinne mich großer Gefühle: Freude, Triumph. Leidenschaftliche Liebe.

Jüngst kam die Qual des Verschmähten hinzu; und zum Schluss Hass auf die Verräter.

Den Hass spüre ich am deutlichsten. Ich schmecke ihn im Mund wie heißes, flüssiges Metall.

Mir scheint, ich mag diesen Geschmack. Während ich falle, blind und taub, schweißt er mein Ich zusammen zu einer harten Kugel, einem stählernen Geschoss.

Eine Böe erfasst mich. Nein, eher ein Sog, der meine Flugbahn verändert. Etwas zieht mich an, wie magnetisch.

Oder bin ich der Magnet?

Die Schleier lichten sich. Ich kann den Boden der Schlucht erkennen; rasch kommt er näher.

Alles voller Schrott. Die ganze Schlucht ist eine einzige rostbraune Schrotthalde, schrundig und verrottet, totes Metall, in beiden Richtungen so weit das Auge reicht.

Das wird tüchtig scheppern, denke ich noch.

Ich gebe zu, es gibt gelungenere letzte Worte.

1.

Irritationen

3AB-020-5000 Adoc-Lian

 

Ein Mensch, ein gnomenhaftes Kunstgeschöpf und zwei Leichname verließen den Planeten Nahroin.

Zurück blieb ein lebloser, humanoider Roboter, zur Statue erstarrt in kniender Haltung, die Arme erhoben, als flehe er demütig um Vergebung. In dieser Hülle hatte für kurze Zeit Sholoubwa gesteckt, der geniale kosmische Konstrukteur, Schöpfer unter anderem des BOTNETZES.

Auch das Weltenschiff, mit dem der Terraner und sein kleinwüchsiger Begleiter flogen, hatte Sholoubwa gebaut. Allerdings hielten sich Alaska Saedelaere und Eroin Blitzer nicht in der Zentrale des gigantischen Kugelraumers auf, sondern in jener der SCHRAUBE-B, die in einen Hangar des Weltenschiffs eingeschleust hatte.

»Du bist wirklich sicher, dass du den Koloss von hier aus kommandieren kannst?«, fragte Saedelaere leise, ohne den Kopf zu heben. Er saß auf einem schlichten, quaderförmigen Hocker und hatte eine Entspannungs- und Meditationshaltung eingenommen, die nach einem antiken Fahrzeuglenker Droschkenkutschersitz genannt wurde.

»Absolut«, antwortete Eroin Blitzer. »Dieses Schiff benötigt keinen Steuermann. Die Zielkoordinaten einzugeben genügt vollkommen.«

»Wie lange werden wir unterwegs sein?«

»Etwa achtundzwanzig Stunden.«

»Die Entfernung ...?«

»Beträgt knapp 320.000 Lichtjahre.«

»Das entspricht einem Überlichtfaktor von, warte mal ... hundert Millionen!«

»In der Tat«, bestätigte der Androide. Dabei klang er nachgerade stolz.

Alaska schüttelte langsam den Kopf. Das Weltenschiff war weit leistungsfähiger als die Raumer sämtlicher Völker, denen sie bisher auf ihrer Odyssee durch Escalian begegnet waren. Seines Wissens besaß niemand im gesamten Reich der Harmonie ein Gefährt, das es mit Sholoubwas sphärischer, drei Kilometer durchmessender Konstruktion hätte aufnehmen können.

Ihm missfiel der Gedanke, sich blindlings einem fremden, derart mächtigen Schiff anzuvertrauen. Aber er war zu müde, um die Initiative an sich zu reißen: einerseits ermattet und ausgepumpt, andererseits immer noch aufgewühlt von den Ereignissen auf Nahroin, die erst wenige Stunden zurücklagen.

Blitzer wusste, was er tat. Er hatte Sholoubwas Weltenschiff problemlos aus dem Versteck im Leerraum außerhalb der Zwerggalaxis Dranat geholt und nach Nahroin gebracht.

Viele Systeme des 3000-Meter-Kugelraumers basierten auf Kosmokratentechnologie. Damit war der Commo'Dyr der LEUCHTKRAFT bestens vertraut.

»Achtundzwanzig Stunden«, wiederholte Saedelaere.

»Mußezeit, die wir zur Regeneration nutzen sollten.«

»Ja.« Die Anstrengung der letzten Tage steckte auch ein Zellaktivatorträger nicht einfach so im Handumdrehen weg. Alaska war geistig wie körperlich mehr als einmal an seine Grenzen gegangen.

Sein androidischer Begleiter wiederum war schwer verletzt worden. Derselbe primitive Speer, der Nikomus Neuntau durchbohrt und getötet hatte, hatte Blitzers Schulter gestreift und ihm eine Wunde zugefügt, die sich bald darauf entzündet hatte. Erst in der SCHRAUBE-B hatte sie erfolgreich behandelt werden können.

Das brachte Alaska auf eine Idee. »Die Medostation dieses Beiboots – gleicht sie jener der ROTOR-G?«

»Im Prinzip ja. Allerdings hat Sholoubwa sie modifiziert, wie viele andere Bereiche auch.« Eroin Blitzer schwenkte das spindeldürre Ärmchen.

Die Geste umfasste die enge Kammer, in der sie saßen: bräunlich glänzende Wände, in denen sich eine Unzahl schmaler Schlitze vom Boden bis zur Decke zogen. Sie reichten etwa einen Zentimeter tief. Ein mattes Leuchten ging von ihnen aus.

»Hast du derlei schon einmal an Bord einer kobaltblauen Walze oder eines der Beiboote gesehen?«, fragte Alaska.

»Nein. Das Design stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von Sholoubwa. Ursprünglich hat, davon bin ich überzeugt, die SCHRAUBE-B dem üblichen Modell entsprochen – bis sie in Sholoubwas Besitz gelangte. Dass jemand wie er Veränderungen an der Bordausstattung vorgenommen hat, verwundert nicht. Ob es sich um rein architektonische Umbauten handelt oder ihnen auch ein tieferer Zweck zugrunde liegt, hat sich mir bislang nicht erschlossen.«

»Ich denke, ich werde mich untersuchen lassen«, sagte Saedelaere. »Bevor ich mich hinlege.«

»Fühlst du dich nicht wohl, Alraska?«

Was für eine Frage. Beinahe hätte er aufgelacht. Wann hatte er sich zum letzten Mal wohlgefühlt?

Ein Sprichwort fiel ihm ein, das irgendeiner seiner ebenfalls unsterblichen, jahrtausendealten Kameraden irgendwann einmal zitiert hatte: Es kommt nicht darauf an, was man hat – Hauptsache, es fehlt einem nichts.

Das hörte sich nach Homer G. Adams an. Auch zu Reginald Bull würde es passen ...

Wo die beiden gerade steckten? Und wie erging es Perry Rhodan, Gucky und den anderen?

»Alraska? Bist du in Ordnung?«, fragte Eroin Blitzer. Sein runzliges Puppengesicht schnitt eine besorgte Grimasse.

»Ja, ja.« Unwillkürlich fuhr Saedelaere sich mit der flachen Hand über die Maske, wie um Staub abzuwischen. »Ich habe keine konkreten Beschwerden. Eine reine Sicherheitsmaßnahme, für alle Fälle.«

Blitzer beschrieb ihm den Weg.

 

*

 

Die Medostation bildete sofort nach Alaskas Eintritt eine Diagnosemulde aus, die seinen Proportionen entgegenkam.

Er stellte sich hinein. Pulsierend schwollen die fleischfarbenen Wände der Nische an, bis sie ihn so dicht umschlossen wie ein Futteral, wie das gepolsterte Innere eines Geigenkastens eine wertvolle Violine. Dabei übten sie nur einen leichten, nicht unangenehmen Druck aus.

Eine melodiös und doch seelenlos klingende Stimme sagte in der Sprache der Mächtigen: »Du gehörst einer Sauerstoff atmenden Lebensform an, wie sie in Variationen an zahlreichen Orten des Multiversums auftritt. Gemessen an den vorliegenden Vergleichsdaten könnte man dich als relativ durchschnittliches Exemplar dieser Gattung bezeichnen, trügest du nicht gleich drei exotische Fremdkörper an oder in dir.«

»Das ist mir bekannt.«

»Willst du trotzdem nähere Details hören?«

»Ja.«

»Unterhalb deines linken Schlüsselbeins sitzt ein Implantat, ein Vitalenergiespender in Form eines Chips, ein Gerät von großer Seltenheit und entsprechendem Wert. Wesen deiner Entwicklungsstufe können derlei weder selbst herstellen noch käuflich erwerben. Handelt es sich um das Geschenk einer Höheren Wesenheit?«

Alaska bejahte abermals.

»Der Chip aktiviert deine Zellschwingungen«, fuhr die Stimme der Medostation emotionslos fort, »und verleiht dir somit biologische Unsterblichkeit. Außerdem immunisiert er gegen die meisten Gifte und bewirkt, dass du weniger und kürzere Schlaf- und Erholungsphasen benötigst.«

»Das ist richtig. In jüngster Zeit jedoch ...« Saedelaere zögerte. Er scheute davor zurück, sich anderen zu öffnen, selbst wenn es sich nur um eine Maschine handelte.

Aber schließlich war er gekommen, um mehr über seinen aktuellen Zustand zu erfahren. »Zuletzt schien mir einige Male, als regeneriere ich nicht mehr ganz so schnell wie früher. Ein Phänomen, das Normalsterbliche im Allgemeinen mit dem Älterwerden verbinden.«

»Du aber alterst nicht.«

»Seit Jahrtausenden nicht mehr.«

»Hast du dich für längere Zeit an Bord eines Einsatzschiffes der Kosmokraten aufgehalten?«

»Ja. In der LEUCHTKRAFT, einer kobaltblauen Walze. Meines Wissens wurde sie in den Werften von Evolux, der Weißen Welt, hergestellt.«

»Solche Schiffe verfügen über Einrichtungen, die ebenfalls eine lebensverlängernde beziehungsweise konservierende Wirkung entfalten. Möglicherweise führt dies zu Interferenzen und infolge dessen zu Irritationen deines Vitalgeräts.«

»Besteht Grund zur Beunruhigung?«

»Derzeit nicht.«

»Falls ich auf die LEUCHTKRAFT zurückkehre ...«

»Solltest du dort präventiv eine medizinische Instanz konsultieren.«

»Ich verstehe. Präventiv.«

»Auch deine zweite Gabe verhält sich irritiert. Ich beziehe mich auf den von einer Maske bedeckten Gewebeklumpen an der Vorderseite deines Schädels.«

Das Cappinfragment?

 

*

 

Eroin Blitzer grübelte.

Unvermittelt war ihm große Verantwortung aufgebürdet worden, die auch sein Verhältnis zu Alraska belastete. Dabei hatte dieser ihm erst kürzlich gestanden, dass zwischen ihnen etwas entstanden war, was über ein kollegiales Zusammengehörigkeitsgefühl hinausging.

Freundschaft.

Ein Wort mit besonderem Klang. Schon gar bei dem eigentümlichen Maskenträger, der sich schwer damit tat, persönliche Nähe zuzulassen.

Kosmokratische Androiden waren eigentlich ebenfalls davor gefeit, von Emotionen übermannt und abgelenkt zu werden. »Niedrige« Instinkte wurden als störend und kontraproduktiv empfunden. Daher waren sie nicht Bestandteil von Eroins Charakterstruktur. Bei seiner Erschaffung hatte man ihm derlei Gefühlskram jedenfalls nicht mitgegeben.

»Aber du bist mehr als das, was du einst warst«, hatte Alraska auf dieses Argument erwidert. »Du hast dich weiterentwickelt, bist nicht mehr nur ein Zwergandroide wie alle anderen.«

Eroin hatte sich und den Gefährten gefragt, ob er dies überhaupt positiv bewerten sollte. Hatte er etwas Erstrebenswertes gelernt?

Oder beschritt er einen Weg, den seine Herrin, die Frau Samburi Yura, beanstanden, ja verurteilen würde – weil dieser Weg ihn aus der Ordnung heraus und mitten ins Chaos führte?

Der Maskenmann hatte verneint. »Du bist auf dem Weg«, hatte er in seiner bedächtigen, fast holprigen Art gesagt, »mehr zu werden als das, was deine Schöpfer dir zugestehen wollten. Ich kann daran nichts Schlechtes finden.«

Schon auf dem langen Marsch durch das hügelige Grasland Nahroins zu Sholoubwas Energiekuppel hatte Eroin inständig gehofft, nie in einen Loyalitätskonflikt zu geraten. Er wollte sich nicht zwischen der Freundschaft zu Alraska und seiner Verpflichtung gegenüber Samburi Yura und den Kosmokraten entscheiden müssen.

Aber genau dieser Fall drohte einzutreten.

Grund dafür war das Weltenschiff, das sie de facto von Sholoubwa geerbt hatten. Der geniale Konstrukteur hatte die Pläne dafür von Evolux gestohlen, jedenfalls zum größten Teil.

Derzeit war es Eroin Blitzer unmöglich, Kontakt zu den Hohen Mächten oder einem ihrer Abgesandten aufzunehmen. Allerdings benötigte er keine Rücksprache, keine weiteren Instruktionen, um zu wissen, dass das Weltenschiff aus deren Sicht einen Frevel darstellte.

Ein derart machtvolles Instrument, das reichlich Kosmokratentechnik enthielt und benutzte, jedoch nicht unter Kontrolle der Kosmokraten oder eines von diesen ausdrücklich mit der Schiffsführung Beauftragten stand – so etwas durfte nicht existieren, Punktum! Deshalb sollte Eroin das Weltenschiff am besten in die nächste Sonne steuern und sich sodann mit der SCHRAUBE-B auf die Suche nach der LEUCHTKRAFT begeben.

Ach, wenn es nur so einfach wäre!

Mit Alraska, dem Einzigen, den er um Rat fragen konnte, hatte er noch nicht darüber gesprochen. Dafür war keine Zeit gewesen.

Sie hatten mit den Mitteln der beiden Schiffe die Reste von Sholoubwas Positronikwald beseitigt und anschließend die Ordnung im Nahroin-System wiederhergestellt. Nachdem feststand, dass die Bedrohung des Planeten durch das Meteoriten-Bombardement abgewendet war und seine primitiven Bewohner wieder eine faire Überlebenschance hatten, waren sie hurtig aufgebrochen.

Gleichwohl: Eroin kannte den Maskenmann mittlerweile gut genug, um dessen Haltung zu dieser Sache auch ohne lange Fragerei einzuschätzen. Gewiss würde Alraska einer sofortigen Vernichtung des Weltenschiffs nicht zustimmen.

Ihre Interessen differierten. Simpler ausgedrückt: Sie waren sich uneins.

Ehe sie sich's versahen, konnten Freunde zu Gegnern werden. Schon bald würde Eroin Blitzer eine Entscheidung treffen, sich zu einer Seite bekennen und zur anderen illoyal verhalten müssen.

Ein Gefühl wallte in ihm auf, dessen fähig zu sein er noch vor Kurzem abgestritten hätte: Wut.

Am liebsten hätte er Sholoubwa verflucht, zusammen mit dem obszönen, verbotenen Kugelschiff, das der tragisch gescheiterte Roboter ihnen unabsichtlich angehängt hatte.

Aber Androiden fluchten nicht.

 

*

 

»Das fragmentarische, organische Relikt in deinem Gesicht«, sagte die wohlmodulierte kühle Stimme der Medostation, »ist auf zellulärer Ebene hochgradig erregt. Fühlst du es nicht?«

Gegen den sanften Widerstand der fleischfarbenen Nischenwand schüttelte Alaska Saedelaere den Kopf. »Es besteht keine neurologisch-sensorische oder mentale Verbindung. Normalerweise.«

»Wurde es kürzlich ungewöhnlichen hyperphysikalischen Umweltbedingungen ausgesetzt?«

Alaska musste nicht lange nachdenken. »Allerdings. Sholoubwa ist es gelungen, im Nahroin-System die Hyperimpedanz abzusenken, sodass kurzzeitig der alte, vor der Erhöhung gültige Wert wiederhergestellt wurde.«

»Hat dein Fragment darauf reagiert?«

»Und wie.« Das Cappinfragment hatte stärker denn je geflackert.

Er schilderte die Symptome: ein Brennen, als wolle es ihm das Fleisch vom Schädelknochen schmelzen. Hinter der Maske waren Blitze hervorgeschossen wie lodernde Flammen in allen Farben des Regenbogens.

»Ein mehrdimensionaler Reflex, der von der Veränderung der Naturkonstante hervorgerufen wurde und noch immer nachschwingt«, diagnostizierte die Medostation. »Nach außen hat sich das Fragment beruhigt. Innerlich befindet es sich nach wie vor in Aufruhr.«

»Grund zur Besorgnis?«

»Diese Frage kann ich nicht beantworten. Mir fehlen Vergleichswerte. Ein Fremdkörper, wie er dir appliziert wurde, taucht in den Datenspeichern der SCHRAUBE-B nicht auf.«

»Das dachte ich mir schon. Kannst du vielleicht herausfinden, welchen Ursprung das Cappinfragment hat?«

»Ich verstehe nicht. Wie meinst du das?«