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Autorin: Wiebke Haas

Herausgeber: Ulrich Dorn

Programmleitung, Idee & Konzeption: Jörg Schulz

»Der wahre Grund der Freude, wie sie aus dem Umgang mit Pferden erwächst, ist, dass sie uns Anmut, Schönheit, Geist und Feuer näherbringen.« – Sharon Ralls Lemon

Vorwort

Es ist nicht einfach zu erklären, was genau die Faszination Pferd ausmacht. Pferdemenschen kennen alle diesen einen, prägenden Moment im Leben, an dem sie zum ersten Mal in Berührung mit einem dieser wunderbaren Tiere gekommen sind. Es ist nicht so, dass diese Leidenschaft aus dem Nichts entsteht – vielmehr war sie schon immer da. Und einmal ausgebrochen, ist sie nicht mehr zu stoppen. Von nun an gehören Pferde zum Leben eines Pferdemenschen dazu.

Diese Tiere scheinen etwas an sich zu haben, das geheimnisvoller und tiefer ist als der größte Ozean der Erde. Sie wecken Träume und Sehnsüchte nach Schönheit, Stärke, Anmut und Poesie. Sie sind Lehrmeister und Spiegelbilder unserer selbst. Sie hören zu und reden mit uns ohne Worte. Wenn Sie uns auf ihren Rücken tragen, vereinen Sie sich mit unserem Geist. Sie sind sanftmütig, geduldig und loyal, aber vor allem haben sie ihre Wildheit und ihre Freiheit nie verloren. Vorausgesetzt, man bricht ihre Herzen und Seelen nicht.

Unzählige Mythen und Geschichten ranken sich ums Pferd, denn wortwörtlich gesehen, trägt es einen großen Teil menschlicher Geschichte auf seinem Rücken. Es hat dem Menschen dazu verholfen, Kontinente zu überqueren, Ländereien zu erobern. Es ist der prächtigste Thron eines jeden Herrschers gewesen und gleichsam ein wertvoller Arbeiter und Partner für den einfachen Mann.

Viele, viele Jahre gilt die Reiterei auch als reine Form der Kunst. Das Pferd selbst ist voller Ästhetik, Schönheit sowie Grazie und damit Inspiration für Kunst schaffende Pferdemenschen.

Angefangen bei den Höhlenmalereien der Altsteinzeit über die Kunst in der Antike und des Mittelalters, der Renaissance und des Barocks, der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts bis zur heutigen Zeit hat das Pferd einen festen Platz in der Kunstgeschichte eingenommen – als Nahrungsquelle, glorifiziertes Streitross, Symbol von Macht und Freiheit, sagenumwobener Mythos, geschundener Ackergaul, missbrauchtes Sportgerät. Jede Zeit brachte und bringt bis heute die Themen und Anreize für Maler, Bildhauer und Poeten.

Ich selbst bin nur aus dem einzigen Grund Fotografin geworden, um die Pferde so zu zeigen, wie ich sie in meinem Geist sehe. Diese unbeschreibliche Passion, die Liebe zum Tier, möchte ich für andere Menschen sichtbar machen. Pferde sind der bedeutendste Teil meines Lebens und meiner Arbeit. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie geworden wäre.

Für wen ist dieses Buch geschrieben?

»Faszination Pferdefotografie« ist ein Buch für Fotografen, die mit dem Thema Pferdefotografie Tuchfühlung aufnehmen wollen, sowie für Pferdefotografen, die sich weiterentwickeln möchten. Auf allgemeine Kapitel zu fotografischen Basisthemen wie Verschlusszeit, Blende und ISO wird hier verzichtet. Diese sind in meinem Buch »Animal Soul« (siehe ISBN: 978-3-645-60339-3) ausführlich behandelt worden. Innerhalb der einzelnen Themen werden jedoch immer mal wieder ein paar Erinnerungen und Einschübe zu fotografischen Grundbausteinen wie zum Beispiel der Kameraausrüstung, den Einstellungen und der Bildgestaltung zu finden sein. Konkrete Fragen aus dem Leserkreis fließen in die einzelnen Kapitel mit ein.

Wie ist das Buch zu lesen?

Wer eine gezielte Frage hat, kann per Index nach dem entsprechenden Schlagwort suchen und so gleich zur richtigen Seite springen. Für alle anderen habe ich das Buch anhand meines eigenen Wegs in die Pferdefotografie strukturiert und aufgebaut – angefangen bei der korrekten Blickschulung für Pferde bis hin zu freien, kreativen und emotionalen Arbeiten.

Und wenn Sie Ihre Leidenschaft für die Pferdefotografie weiterentwickeln möchten, sehen wir uns vielleicht auf einem meiner Pferdefotoworkshops!

Ich wünsche Ihnen beim Lesen und Ausprobieren viel Spaß, gutes Gelingen und Leidenschaft.

In Kontakt treten:

Portfolio und Infos: www.wiebke-haas.de 

Immer aktuell: www.facebook.com/wiebkehaas.animalphotography 

www.instagram.com/SpanishVision 

www.500px.com/SpanishVision 

Mit ihnen fing alles an – v. l. n. r.: Spanish, Feliz, Mancha und Chepi. (Foto: Frank Reußner)

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1. Fotoauftrag beim Züchter

Der künstlerische Blick ist in der Pferdefotografie genauso wichtig wie in anderen Bereichen des kreativen Handwerks. Mindestens von gleicher Bedeutsamkeit ist es aber auch, einen Blick für die Models zu haben. Es ist nämlich nicht so einfach, vier Beine, einen langen Hals und wackelnde Ohrspitzen richtig zu sortieren.

Genauso wichtig wie der künstlerische Blick, ist der Blick für das Pferd selbst.

Canon 1Dx | 125 mm | 1/1250 s | f/2.8 | ISO 1600

Klassischer Einstieg

Als ich mit der Fotografie anfing, gab es für mich nur ein Motiv: Pferde. Ich muss keinem Leser dieses Buchs erst erklären, wie wunderschön und vollkommen diese Tiere für einen Pferdemenschen aussehen. Vor dem Reiten, während des Reitens und auch nach dem Reiten habe ich die Pferde mit einer kleinen digitalen Kompaktkamera fotografiert, mich ausprobiert und erste »rudimentär kreative« Bilder zustande gebracht. Ich platzte jedes Mal vor Stolz, wenn eines meiner Models im Galopp zu erkennen war (egal in welcher Phase) oder meine kleine Knipse beim Gegenlichtbild nicht komplett über- oder unterbelichtete.

Meine Lieblingsbilder teilte ich regelmäßig in sozialen Netzwerken mit gleichgesinnten Teenagern, die alle das Pferdefotografieren für sich entdeckt hatten. Es war eine lustige Zeit, als wir uns in der Community fast überschlugen beim Entdecken dieser neuen Welt und endlich eine Möglichkeit hatten, unsere Lieblinge (nach unserem damaligen Verständnis) eindrucksvoll in Szene zu setzen.

Ich durchforstete das Internet nach Pferdefotos und Pferdefotografen. Natürlich stolperte ich relativ schnell über die »verschwommenen« Hintergründe und messerscharfen Bilder von Pferden in Bewegung. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Kameratechniken und Optiken. Meine ersten eigenen »unscharfen« Hintergründe versuchte ich mit Gimp zu erstellen (Stichwort »Weichzeichnerwerkzeug«). Sie sahen grässlich aus. Aber eine andere erklärbare Lösung fiel mir nicht ein, bis eines Tages das Thema »digitale Spiegelreflexkamera« in unserer Pferdemädchen-Fotografen-Community aufkam. Da war er also, mein mühsam gesuchter Schlüssel, der mir eine Tür öffnete, die mein Leben grundlegend änderte und prägte. Okay, ganz so dramatisch war es nicht. Ich hatte aber einen Anfang gefunden, um meine Pferdebilder optisch hochwertiger zu gestalten.

Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Pferdefotografen am Anfang so ging.

Blickschulung Pferd

Mit neuem Fotowissen und neuer Kameratechnik ausgestattet (ich startete mit einer Canon 450D sowie einem Tamron 55-200 mm f/4-5.6), begab ich mich wieder zu meinen Pferdemodels. Die Züchterin meiner Fotopferde unterstützte mich von Anfang an in meinen Vorhaben, platzierte die Pferde für mich an Ort und Stelle und diskutierte die Auswahl der Bilder am Ende des Shootings. Recht schnell merkte ich, dass es nicht reicht, Kameratechnik zu beherrschen, wenn man ein Pferd fotografieren möchte.

Mir wurde anhand eines jeden meiner Fotos verdeutlicht, warum das Model auf dem einen Bild besser und auf dem anderen Bild unvorteilhafter aussieht. Mein Blick für ein harmonisches Pferd wurde dadurch stark geschult, gerade was rassetypische Merkmale der einzelnen Pferdearten anbelangte. Zudem studierte ich Rassebücher, um einen Eindruck von den optimalen Exterieurbeschreibungen zu bekommen und zu lernen, auf welches Merkmal unterschiedliche Rasseverbände Wert legen. Ich glaube, dass dies eines der wichtigsten Dinge ist, die man als Pferdefotograf sehen muss.

Bilder für die Exterieurbeurteilung

Im Netz finde ich immer wieder toll belichtete oder inszenierte Bilder von Pferden, auf denen das Pferd selbst aber völlig unvorteilhaft und unharmonisch aussieht: Die Beine stehen kreuz und quer, der Kopf wirkt zu groß, der Hals hingegen zu kurz, oder die Bewegungsphase passt gar nicht zum Tier. Für Züchter sind korrekte Bilder aber immens wichtig, um das Exterieur zu beurteilen bzw. die eigene Zucht entsprechend hochwertig zu präsentieren. Und auch wenn der Züchter selbst vielleicht kein fotografisches oder künstlerisches Auge hat, so hat er aber gewiss ein Auge für seine Tiere. Als professioneller Pferdefotograf muss man beides einbringen können.

In einem gewissen Rahmen gibt es sicherlich Positionierungen eines Pferdes, die subjektiv als schön oder als nicht schön bewertet werden können und eine reine Geschmacksfrage sind. Ein Westernpferd zum Beispiel kann ich im Stand klassisch von der Seite fotografieren oder aber auch schräg von vorne. Auf beiden Bildern sind Schulter- und Hinterhandbemuskelungen gut sichtbar.

Für die reine Exterieurbeurteilung eines Warmblüters würde ich persönlich aber immer die Seitenansicht bevorzugen, da es bei Warmblütern weniger um die Vor- und Hinterhandbemuskelung geht als eher um das Verhältnis von Hals, Rücken, Kruppe, Schulterwinkelung etc. (das natürlich bei Westernpferden auch eine Rolle spielt). Gleiches gilt für Biegung und Winkelung des Halses sowie für die Phasen im Galopp – einige Phasen sind ein No-go, mit anderen liegt man fast immer richtig, und wieder andere sind reine Geschmackssache und pferdeabhängig. Ich werde diese Themen an späterer Stelle wieder aufgreifen.

Die Allee sah schön urig aus und schützte mein Motiv vor ungünstigen Lichtflecken. Das Kopfsteinpflaster war jedoch ein sehr unebener Untergrund, sodass es dem spanischen Hengst schwerfiel, sich gleichmäßig hinzustellen. Hier gelingt es dann doch. Lediglich die Hinterbeine stehen etwas zu eng.

Canon 1Dx | 200 mm | 1/640 s | f/2.8 | ISO 1250

Klassische Standbilder

Zunächst möchte ich die sechs »Grundtypen« der Pferderassen anhand von klassischen Standbildern vorstellen und beschreiben. Es sei mir die Bemerkung erlaubt, dass eine hundertprozentige Aufteilung der einzelnen Pferderassen in »Grundtypen« nicht möglich ist. Es gibt Rassen, die aus diversen Ländern und Zuchten Einflüsse aufzeigen und erst gar nicht in die klassischen »Grundtypen« eingegliedert werden. Für uns Fotografen spielt die Eingliederung in Pferdetypen im Grunde auch keine alles entscheidende Rolle.

Viel mehr geht es darum, zu erkennen, ob das Pferd beispielsweise eher im Warmblut- oder Barocktyp steht, welche damit verbundenen Merkmale fotogen sind und was fotografisch eher ungeeignet ist. In jedem Rassebuch werden mitunter einzelne Rassen auch unterschiedlich kategorisiert. Eine feste Ordnung gibt es bei bestimmten Rassen also einfach nicht.

Ich werde mich zudem im Nachfolgenden zunächst auf das »Was?« konzentrieren, also auf die Punkte, die man bei den einzelnen Typen erkennen und beachten sollte, und im späteren Teil des Kapitels dann auf das »Wie?«, also die Umsetzung während des Shootings, eingehen.

Vollblüter, Krone der Schöpfung

Vollblüter gelten als die Krone der Schöpfung und als die reinsten aller Pferderassen. Fast jede andere Rasse der Welt hat Vollblutvorfahren als Veredler im Stammbaum. Man teilt das Vollblut in zwei oder drei Kategorien ein: das englische Vollblut sowie das arabische Vollblut, manchmal wird auch die Kreuzung aus beiden genannt, der Anglo-Araber. Die besonders edle Rasse des Achal-Tekkiners wird beispielsweise nicht als Vollblut anerkannt, ist optisch aber einem Vollblut zuzuordnen.

Das arabische Vollblut wird als wahrscheinlich älteste Rasse der Welt verehrt. Die Tiere wurden als Kriegs- und Transportpferde eingesetzt. Ein gutes Araberpferd, so hieß es, musste nicht nur den Reiter tragen, sondern auch seine Nahrung, Waffen, Teppiche und eine Fahne. Es musste einen ganzen Tag laufen können, ohne zu fressen und zu trinken. Zugleich galt das Pferd als Statussymbol und Inbegriff unvergleichlicher Schönheit. Es gibt unzählige Geschichten und Legenden über den Vollblutaraber aus arabischen Schriften.

Ich lasse mich gern von solchen Verehrungen und Lobpreisungen mitreißen, um die kulturelle Bedeutung einer Rasse zu verstehen und die Pferde dann auch ein wenig mit Ehrfurcht zu betrachten. Pferdelyrik ist für mich zudem eine Inspiration beim Abbilden der Tiere. Ein Zitat aus dem Koran beschreibt die arabische Stute wie folgt:

»Der Ausdruck ihrer Augen gleicht dem einer liebenden Frau. Ihr Gang dem eines schönen Weibes, ihre Brust ist wie die eines Löwen, ihre Flanke wie die der Gazelle. Sie ist die Trinkerin des Windes. Sie trottet wie ein Wolf und galoppiert wie ein Fuchs. Ihr Fell ist wie ein Spiegel, ihr Haar so dicht wie die Federn auf Adlers Schwingen und ihr Huf so hart wie Stein, von dem man Feuer schlagen kann, und gerade so weit, dass eine Maus darin ihr Nest bauen könnte. Sie ist sanft wie ein Lamm, aber wie ein Panther im Zorn, wenn sie geschlagen oder gereizt wird. Ihre Nüstern sind geöffnet wie Blütenblätter einer Rose. Ihre Schultern verwandeln sich in Flügel, wenn sie rennt. Ihre Beine sind stark wie die eines wilden Straußes und voller Muskeln wie jene des Kamels. Ihre Augenwimpern sind lang wie Gerstenähren, und die Ohren wie zwei Halbedelsteine eines Speerkopfes.«

ARABISCHES VOLLBLUT

Im Vergleich zu anderen Rassen besitzen Araber nur 17 Rippenpaare statt 18, 5 statt 6 Lendenwirbel und 16 statt 18 Schweifwirbel. Das Zuchtkürzel OX im Stammbaum des Pferdes kennzeichnet einen reinrassigen Araber. Das Kopfprofil ist konkav (Hechtkopf) oder gerade geformt, Augen und Nüstern sind groß. Die Ganaschen sind breit und weit. Der Hals ist gebogen und sitzt an einer schrägen Schulter. Die Kruppe ist leicht geneigt bis horizontal mit einem hohen Schweifansatz. Die Beine sind lang und trocken gebaut. Insgesamt ist der Araber ein kompaktes, athletisches Pferd mit langem Behang und seidigem Fell. Das Stockmaß liegt um 148 bis 155 cm.

Die hier gezeigte Stute entspricht eher dem ursprünglichen Typ. Es gibt völlig überzüchtete Araber mit übergroßen Augen und extremen Hechtköpfen an einem spindeldürren Körper. Die Hinterhand wird meist geschlossen positioniert und etwas nach hinten abgewinkelt. Das streckt den Körper. Schöner wäre es gewesen, wenn das linke Vorderbein parallel zum rechten Vorderbein gestanden hätte. Set-up-Bilder mit »normalen« Freizeitpferden sind jedoch immer eine Herausforderung.

Canon 1Dx | 135 mm | 1/1250 s | f/4.0 | ISO 500

Ein echtes englisches Vollblut muss in seinem Stammbaum auf wenige besondere Urahnen zurückgehen. Die Hengste Darley Arabian (der Araber gilt als Urvater des englischen Vollbluts), Godolphin Arabian und Byerley Turk gelten als Begründer der englischen Vollblutrasse. Von ihnen stammen fast alle Vollblüter in England ab. Darley Arabian ist der Ururgroßvater des legendären Rennpferdes Eclipse. Englische Vollblüter werden heutzutage jedoch strikt von arabischen Vollblütern getrennt. Das Zuchtkürzel XX im Stammbaum des Pferdes kennzeichnet einen reinrassigen englischen Vollblüter.

Dieses Zitat aus dem Film »Zaina – Königin der Pferde« beschreibt einen Vollblüter schon sehr gut:

»Bei den schönsten Pferden müssen drei Dinge breit sein: die Stirn, der Bug, die Nüstern. Drei Dinge müssen kurz sein: der Rücken, der obere Teil des Beines, die Ohren. Drei Dinge sollen lang sein: der Hals, die Schulter, der untere Teil des Beines. Und drei Dinge müssen rein sein: die Haut, die Hufe und die Augen.«

ENGLISCHES VOLLBLUT

Der Kopf eines englischen Vollbluts ist edel und elegant mit einem geraden Profil und lebhaften, großen Augen. Der Hals ist lang und schlank an einer tiefen Brust und schrägen Schulter mit markantem Widerrist. Die Kruppe ist gut bemuskelt und abfallend mit mittelhoch angesetztem Schweif. Der Rücken ist kräftig, kurz bis mittellang. Die Beine sind lang, schlank und sehr trocken gebaut mit harten Knochen. Das Stockmaß liegt um 160 bis 170 cm.

Mein Model Lady ist schon lange nicht mehr auf der Rennbahn aktiv und daher auch nicht mehr so stark bemuskelt. Dennoch erkennt man deutlich den trocken gebauten Körper. Das Showhalfter nehme ich übrigens gerne für Porträt- und Standbilder. Es passt auf fast jeden Pferdekopf und lässt sich bei Bedarf leicht retuschieren.

Canon 1Dx | 200 mm | 1/640 s | f/2.8 | ISO 1250

Vollblüter aus fotografischer Sicht

Vollblüter gelten im Allgemeinen als sehr feurig und temperamentvoll. Das spiegelt sich nicht nur im Verhalten wider, sondern auch im Körperbau der Pferde. Muskeln und Sehnen sind bei gesunden Pferden dieser Art deutlich sichtbar. Aus fotografischer Sicht sind trocken gebaute Pferde sehr gute Models. Ihr Körper strotzt vor Kraft und Spannung, sogar im Stand.

Bei Porträts hat man in der Regel wenige Probleme. Die Köpfe sind edel, zierlich und ausdrucksstark, und es bedarf meistens nicht viel Motivation, um auch die Aufmerksamkeit der Tiere in die gewünschte Richtung zu lenken. Bei sämtlichen Vollbluttypen würde ich kein Stallhalfter zum Fotografieren empfehlen. Diese wirken einfach viel zu grob auf den zarten Köpfen. Araber lassen sich mit typischen Showhalftern toll inszenieren, und englische Vollblüter sehen mit schicken Trensen oder einfachen Ledershowhalftern gut aus. In Bewegung zeigen sich Vollblüter in der Regel von ihrer temperamentvollsten und schönsten Seite: schnell, mit starken Tritten, aufmerksamen Blicken und geblähten Nüstern. Solche Pferde machen vor der Kamera besonders viel Spaß. Zudem eignen sich diese Pferde auch gut für Detailaufnahmen von Augen, Nüstern, Muskeln o. Ä.

Der »OX«-Brand an Marouns Hinterhand verrät seine Rasse: Der Schimmel ist ein Vollblutaraber. Das starke Streiflicht erhellt seine Konturen und das Langhaar. Durch das weiße Fell ist die schattige Körperseite dennoch gut zu erkennen.

Canon 1Dx | 200 mm | 1/1600 s | f/2.8 | ISO 125

Zur Geduldsprobe kann ein Shooting mit Vollblütern durchaus werden. Die sensiblen Tiere reagieren oftmals hektischer auf ihre Umwelt und verfallen schneller in Unruhe. Für Porträts ist das meistens noch gar nicht so schlimm, denn ein kurzes Verharren, um angespannt in eine Richtung zu lauschen, gehört oftmals zu den typischen Gesten eines nervösen Pferdes. Ein tänzelndes Model jedoch dazu zu überreden, sich für ein korrektes Standbild zu präsentieren, erfordert ein feines Händchen, Geduld und Erziehung. Bringt das Ihr Model nicht mit, bleibt Ihnen als Fotograf nur, Ruhe zu bewahren.

Für Standbilder ist es nicht ratsam, das Pferd erst in Bewegung zu fotografieren, da die schweißnassen Stellen im Fell nicht schön für Standbilder sind. Ein kurzes Aufwärmen an der Longe hingegen bringt die feinen Venen unter der Haut hervor, ohne dass das Pferd anfängt zu schwitzen. In der Regel kann man sich auf die Pferdehalter verlassen. Wer ein Standbild von seinem Tier anfertigen lassen möchte, tut dies meist aus züchterischer Motivation und weiß, wie er sein Pferd präsentieren muss.

Lässt sich das Pferd partout nicht zum Mitarbeiten überreden, muss man das Beste aus dem machen, was man fotografiert hat. Vielleicht lässt sich ein gelungenes Standbild dann aus mehreren Bildern zusammenretuschieren, oder man wählt statt des Standfotos ein Bild aus der Bewegungsreihe, auf dem das Pferd insgesamt besser getroffen wurde. Flexibilität ist beim Arbeiten mit Tieren ein wichtiger Faktor. Selbst wenn man eine konkrete Bildidee hat, entscheidet letztendlich die Arbeit mit dem Pferd selbst, ob und inwieweit man von seinem ursprünglichen Gedanken abweichen muss.

Kaltblüter, muskelbepackte Kraftpakete 

Der deutlichste Gegensatz zu den grazilen Vollblütern bildet wohl die Gruppe der Kaltblutpferde. Ihren ehemaligen Einsatz als Nutz- und Lastentier sieht man den oft alten und ursprünglichen Kaltblutrassen bis heute an. Sie stammen von einem robusten Urwildpferd aus dem Norden nahe der Gletscher- und Tundrenlandschaft ab.

»Die Puscheln an den Beinen fliegen, Behang am Kinn, wie bei den Ziegen. Sehr kräftig, liebevoll und rund, robust, bildschön und kerngesund. Beim Trab der Boden mächtig bebt, dann weiß man doch, wofür man lebt!«

So beginnt ein Gedicht von einem unbekannten Verfasser über die Tinker. Die Rasse selbst ist zwar nicht hundertprozentig als ein Vertreter des Kaltbluts einzuordnen, einige Tinker, so wie auch der im Zitat beschriebene, passen aber sehr gut in die Kaltblutkategorie.

KALTBLÜTER

Große Hufe an starken, stämmigen, teilweise kurzen Beinen tragen den schweren Rumpf. Schulter und Hinterhand sind stark bemuskelt, die Kruppe abfallend mit recht tief sitzendem Schweif. Der Hals ist meist kurz, kräftig und breit, und der Kopf hat oft ein gerades Profil mit breiter Stirn. Die Köpfe können edel, aber auch sehr grob geformt sein. Kaltblüter haben in der Regel einen langen, dichten Behang und teilweise auch einen Fesselbehang. Das Stockmaß ist stark rasseabhängig. Es gibt kleine Kaltblüter, wie z. B. das hier abgebildete Schwarzwälder Kaltblut mit einem Stockmaß ab ca. 148 cm und riesige Pferde wie das Shire Horse, das größte Pferd der Welt. Shire Horses können knapp 2 m groß werden.

Mein Model Modest habe ich mit der Vorderhand leicht von mir wegdrehen lassen. So erscheint das Pferd kompakter, und die starke Hinterhand wird mehr betont. Ich hätte mir gewünscht, dass er mit der Hinterhand auch geschlossen steht. Auf dem Bild ist das rechte Hinterbein etwas zu weit unter dem Körper. Dennoch ist Modest gut aufgestellt. Ein harmonisches Exterieur ist deutlich.

Canon 1Dx | 200 mm | 1/1000 s | f/2.8 | ISO 400

Kaltblüter aus fotografischer Sicht

Nicht nur optisch, sondern auch charakterlich dürften Kaltblüter das genaue Gegenteil eines Vollbluts sein. Die »Dickhäuter«, wie sie von einigen Haltern liebevoll genannt werden, sind oft ruhig und unerschrocken, teilweise sogar stur. Ein Standbild ist meistens das geringste Problem beim Fotoshooting mit den sanften Riesen. Doch auch ein Shooting mit einem Kaltblut kann ein Geduldsspiel werden, nämlich spätestens wenn man versucht, die Aufmerksamkeit des tiefenentspannten Models in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Ein aufgeregtes, dramatisches Gesicht wie bei einem Vollblüter wird man wohl nur selten oder nie von einem Kaltblut geschenkt bekommen – Ausnahmen bestätigen die Regel –, spitze Ohren und ein umso freundlicheren Gesichtsausdruck dafür schon. Leckerlis, raschelnde Tüten, Pferdewiehern auf dem Handy, ein vorbeilaufendes Pferd – es gibt sicher einen Schlüssel zu jedem Model, mag es noch so phlegmatisch sein.

Optisch wirken die Pferde allein durch ihre enorme Masse imposant. Dafür müssen sie sich noch nicht einmal in Bewegung versetzen. Aber auch im Trab oder Galopp sind Kaltblüter schön anzusehen. Sie tänzeln und fliegen vielleicht nicht so über die Wiese wie andere Pferde, dafür scheint man beim Betrachten der Bilder eines laufenden Kaltbluts noch das Donnern der Hufe zu hören, während der Boden unter einem scheinbar zu vibrieren anfängt. Interessante Aufnahmen lassen sich auch von den Pferden bei der Arbeit machen. Ein prachtvoll verzierter Pferdewagen mit vier oder sechs Kaltblütern davor bietet einen beeindruckenden Anblick.

Jack ist ein typischer Vertreter der Tinker. Etwas schwerere Pferderassen fotografiere ich lieber in einer gestreckten Galoppphase. Dabei wird der Körper gestreckt und sieht nicht so »behäbig« aus.

Canon 1Dx | 200 mm | 1/1250 s | f/2.8 | ISO 1000

Warmblüter, veredelte Arbeitspferde

Im Grunde gelten alle Pferde, die keine Voll- oder Kaltblüter bzw. Ponys sind, als Warmblüter. Um jedoch eine klare Abgrenzung von Barock- und Westernpferden zu schaffen und auch dem modernen Warmblutstandard gerecht zu werden, unterteile ich die Kategorien noch einmal.

Warmblüter sind durch Vollblüter veredelte Arbeitspferde. Sie sollten Eleganz, Ausdauer, Schnelligkeit und Intelligenz von Vollblütern genauso vereinen wie die Robustheit und Stärke von Kaltblutpferden. Nach ihren ursprünglichen Aufgaben als Nutztier im Krieg, vor der Kutsche oder auf dem Feld werden sie heute vielmehr als moderne Sportpferde gezüchtet. Je nach Vollblutanteil entsprechen die Pferde eher dem leichten und temperamentvollen Typ oder aber dem stabileren, ruhigeren Kaltbluttyp.

Es gibt unterschiedliche Warmblutrassen, die in jedem Rassebuch auch einzeln gelistet sind. In der Praxis ist es aber so, dass man die Warmblutrasse vom reinen Exterieur des Pferdes nicht mehr erkennen kann. Vielmehr ist die Rasse eher ein Herkunftsindiz des Tieres. Hannoveraner, Oldenburger, Mecklenburger etc. verraten, wo sie geboren wurden. Genauso ist das Exterieur abhängig vom Zuchtziel des Pferdes (spring- oder dressurbetonte Abstammung) sowie vom Vollblutanteil.

Eine alte Volksweisheit rät:

»Wähl den Rappen, willst du Feuer,

Farben gut, sind nie zu teuer.

Schimmel oftmals träg geboren,

Füchse haben's hintern Ohren,

Braune, leuchten sie auch wenig,

sind verlässlich, drahtig, sehnig!«