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Originalausgabe April 2013

Charakter und Zeichnung: Nick © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Achim Mehnert

Copyright © 2016 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen

 

Lektorat: Edelgard Mank

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © Karelin Dimitriy – fotolia.com

E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die Autoren-Manufaktur

 

ISBN ePub 978-3-86305-189-1

 

www.verlag-peter-hopf.de

 

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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

 

 

Inhalt

 

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

 

 

 

ACHIM MEHNERT

Umsturz

 

Nick Band 2

 

 

 

EINS

 

Unter dem silbernen Raketenschiff zeichnete sich die Mondoberfläche ab. Das pockennarbige Gelände mit den unzähligen Kratern kam langsam näher. Der Raumfrachter setzte zur Landung an. Die Raumfahrer Bill und Steve, die die Besatzung bildeten, saßen gelassen vor den Instrumenten. Sie trafen planmäßig ein, um eine Erzladung aus den Mondbergwerken abzuholen und zur Erde zu bringen.

Steve warf einen Blick auf die Uhr. »Die Berechnungen waren richtig. Wir sind fast auf die Minute pünktlich.«

Bill aktivierte die Funkanlage und meldete die Ankunft des Frachters. »Achtung, Stützpunkt Luna IV! Wir sind im Anflug und erbitten Landeerlaubnis.«

Die beiden Männer lauschten auf eine Antwort, doch sie blieb aus. Steve kratzte sich nachdenklich an der Stirn.

»Sie melden sich nicht. Merkwürdig. Ob die Burschen schlafen?«

»Unsinn.« Bill schüttelte den Kopf. »Die Station ist ständig besetzt. Einen Funkspruch kann die Besatzung nicht überhören. Da stimmt etwas nicht.«

Er hatte recht, dachte Steve. Die Besatzung des Stützpunktes war als sehr aufmerksam bekannt. Außerdem freuten sich die Männer über jede Abwechslung, auch wenn es nur die in regelmäßigen Abständen eintreffenden Erzfrachter waren.

»Achtung, Achtung, Luna IV, meldet euch endlich! Wir landen«, unternahm Bill den weiteren Versuch einer Kontaktaufnahme.

Es erfolgte keine Reaktion. Die Männer in der engen Zentrale des Raumschiffs schauten sich verständnislos an. Durch das Bugfenster war inzwischen die Landebahn zu sehen. An ihrem Ende erhob sich Luna IV, einer von mehreren Stützpunkten auf dem Mond. Er bestand aus einer Reihe miteinander verbundener Gebäude, über die sich eine durchsichtige Energiekuppel spannte. Sie verhinderte, dass kostbare Atemluft entwich, und schützte die Station gleichzeitig vor einem Bombardement kosmischer Materie, die auf die Oberfläche des Erdtrabanten niederprasselte.

Dicht über dem Boden fing Steve den Frachter ab und brachte ihn in die Vertikale. Auf einem Feuerstrahl sank das Schiff tiefer.

»Hier Luna IV. Wir hören«, drang plötzlich eine tiefe Stimme aus dem Lautsprecher.

»Na endlich, das wurde auch Zeit«, gab Bill zurück. »Wo sollen wir landen? Wie immer auf Landefeld eins?«

»Negativ. Steigt wieder auf und landet im Krater 18 B!«, wies der Mann vom Bodenpersonal die Frachtpiloten an. »Dort verlasst das Schiff in euren Druckanzügen! Wir holen euch mit einem Fahrzeug ab.«

»Was hat das zu bedeuten?« Steve beobachtete das Landefeld, über dem die Rakete schwebte. »Kannst du dir das erklären? Soweit ich sehen kann, ist Feld eins in Ordnung. Es gibt keinen Grund, nicht dort unten zu landen.«

»Ich habe gleich gesagt, dass da etwas nicht stimmt.«

»Schalten Sie den Videoschirm ein!«, verlangte der Pilot von der Bodenkontrolle. »Ich möchte mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist. Sonst lande ich nicht im Krater 18 B, sondern auf einem anderen Stützpunkt.«

Sekunden später flammte der Bildschirm auf. Ein von blondem Haar umrahmtes, kantiges Gesicht war zu sehen, in dem ein Paar blaue Augen hektisch flackerten. Steve hatte den Mann schon bei einem früheren Besuch gesehen. An seinen Namen konnte er sich nicht erinnern.

»Zufrieden?«, fragte der Blondschopf. »Wir haben unsere Gründe, euch nicht hier landen zu lassen. Also fliegt hinüber zu 18 B! Ihr werdet bereits erwartet.«

»In Ordnung, ich bin beruhigt. Ende«, gab Steve nach.

Bill beendete die Verbindung, und der Schirm wurde matt. Steve griff auf die Schiffssteuerung zu. Er brach den Landeanflug ab und legte einen neuen Kurs an. Das Ziel, das man ihnen genannt hatte, war nicht weit weg. Allerdings gab es seines Wissens dort keine Station. Der Boden des Kraters war lediglich planiert worden und diente als Ausweichlandemöglichkeit.

»Ein bisschen seltsam kommt mir die Anweisung trotzdem vor«, grübelte Bill.

Steve winkte ab. »Zerbrechen wir uns nicht unnötig den Kopf. Du hast es ja gehört, sie haben ihre Gründe. Davon abgesehen, was sollte es hier auf dem Mond schon geben, das nicht mit rechten Dingen zugeht?«

»Auch wieder wahr.« Bill grinste. »Hier geht alles seinen gewohnt eintönigen Gang.«

Die beiden Frachtpiloten ahnten nicht, wie sehr sie sich irrten.

 

*

Hank Masterson starrte den erloschenen Schirm an. Er saß zusammengesunken in der mit Technik vollgestopften Funkeinrichtung von Luna IV. Zahlreiche Kontrolllampen blinkten. Vorsichtig zog er die Hände von den Bedienungselementen zurück.

Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil es ihm nicht gelungen war, eine Warnung abzusetzen. Aber ihm war nichts anderes übrig geblieben, als sich zu fügen und die Besatzung des Erzfrachters anzulügen. Er bedauerte, dass sie keinen Verdacht geschöpft hatten. Sie flogen geradewegs in eine Falle, doch das hatte er nicht verhindern können, ohne sein eigenes Leben zu riskieren.

Zwei grünhäutige Männer bedrohten ihn mit Strahlenpistolen. Sie hatten sich außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera postiert und zielten auf seinen Kopf. In den Abstrahlmündungen ihrer Waffen schimmerte es bedrohlich. Das ließ es Masterson geraten erscheinen, keine hektischen Bewegungen zu machen.

»Das werdet ihr noch büßen, ihr Teufel!«, fluchte er.

»Reg dich nicht auf, Erdenmensch!«, antwortete einer der Grünhäutigen, die nicht von Terra stammten. »Es könnte deiner Gesundheit schaden, und das wollen wir nicht. Denn wir hassen Blutvergießen.«

Um ein Haar hätte Masterson bitter aufgelacht, doch dazu war die Lage zu ernst. Es gab nichts, was er unternehmen konnte. Deshalb lehnte er sich auf seinem Stuhl vor der Funkanlage zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

*

Der Erzfrachter flog mit geringer Geschwindigkeit über die trostlose Mondlandschaft. Der Anblick, der sich den beiden Insassen bot, änderte sich nicht. Außer Felsen, Sand und Gestein war nichts zu sehen. Steve steuerte das Schiff mit souveräner Routine. Es dauerte nicht lange, bis ihr Ziel in Sicht kam.

»Da vorn ist Krater 18 B. Ich lande.«

Der Pilot leitete den Anflug ein. Ein Ringwall umgab den gut hundert Meter durchmessenden Krater. Von oben betrachtet, deutete nichts darauf hin, dass sich jemals Menschen an diesem Ort aufgehalten hatten. Es war ein eigenartiges Gefühl, fern der Erde ganz allein hier draußen zu sein. Steve drosselte die Geschwindigkeit weiter. Langsam senkte sich das Raketenschiff in die Kratermitte hinab.

»Das ist eigenartig«, sagte Bill. »Der Grund sieht aus, als bestände er aus Metall.«

Steve sah es ebenfalls. Der Boden wirkte tatsächlich wie poliert. Der gesamte Kratergrund sah aus wie eine riesige Metallplatte, die man zwischen den Wänden des Gebirgswalls eingefügt hatte. Darauf waren die beiden Männer nicht vorbereitet.

»Wahrscheinlich eine neue Errungenschaft, von der wir noch nichts wissen.«

Die Rakete setzte auf dem Untergrund auf, und der Antrieb erlosch. Ein letztes Vibrieren ging durch den Schiffsleib, dann stand der Frachter regungslos da. Die Kontrollanzeigen für die Flugsteuerung verblassten. Sämtliche Hebel und Schalter standen in Aus-Stellung. Nur ein paar wenige Kontrollfenster zeigten Bereitschaft. Steve und Bill lösten ihre Gurte und erhoben sich. Durch die Sichtscheibe war die Schwärze des Universums mit seinen Myriaden funkelnder Sterne zu sehen.

Die Männer verließen die Zentrale und begaben sich in den Schleusenraum. Dort legten sie ihre Schutzanzüge mit den Sauerstofftanks an. Gewissenhaft schlossen sie die Helme. Anschließend öffnete Steve die Luke und fuhr die Leiter aus. Die Raumfahrer kletterten nach draußen und stiegen die Stufen hinunter. Was sie von oben beobachtet hatten, bestätigte sich. Der Boden unter ihren Füßen war wie glatt poliert.

Bill streckte einen Arm aus und deutete zum Ringwall hinüber. »Sieh mal da drüben! Was ist das?«

»Keine Ahnung.« Steve zuckte mit den Achseln. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.

In die Felswand war eine Maschine eingelassen. Die bizarre Metallkonstruktion war fremdartig. Ein gewölbter Spiegel bildete das Kernstück, aus dem eine Antenne ragte. Ihre Spitze war auf die Mitte des Kraters gerichtet.

»Hast du so etwas schon einmal gesehen?«

»Nein. Ich weiß nicht, welchem Zweck diese Maschine dient.«

Ratlos betrachteten die Raumfahrer das Aggregat. Das Aussehen gestattete keine Rückschlüsse auf seine Funktion. Steve merkte auf, als er am Kraterrand eine Bewegung registrierte.

»Da kommt der Geländewagen.«

Ein spinnenartiges Fahrzeug rollte über den Untergrund. Die eigentliche Fahrgastzelle mit Antriebsbereich prangte auf drei gelenkigen Beinpaaren meterweit über dem Boden. Die Ausleger endeten in Doppelrädern. Die Konstruktion konnte nicht nur fahren, sondern zudem über Unebenheiten und Hindernisse hinwegklettern. Das Bugfenster wirkte wie ein riesiges Auge, das matt glotzte. Wer sich im Inneren aufhielt, war nicht zu erkennen. Unmittelbar vor den Männern kam der geländetaugliche Wagen zum Stehen. Eine Luke öffnete sich, aus der eine Leiter glitt.

»Bitte einsteigen!«, ertönte eine Stimme.

»Dann wollen wir mal.« Steve machte eine einladende Handbewegung.

Bill stieg die Sprossen hinauf, Steve folgte ihm. Vor der offen stehenden Luke hielten sie inne. Sie sahen sich vergeblich nach einem Piloten um.

»Es ist keiner im Wagen. Was hat das zu bedeuten?«

»Dass es eine Fernsteuerung gibt, Bill.«

Nachdem sie eingestiegen waren, schloss sich die Tür automatisch hinter ihnen. Sie nahmen Platz und harrten der Dinge, die auf sie zukamen. Mit einem Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung. Er rollte über die Kraterebene bis zum Wall. Nun zeigte sich, was in dem Fahrzeug steckte. Es kletterte über das Gestein zum Kraterrand empor. Bill warf einen Blick zurück zum Erzfrachter. Was er sah, ließ ihn vor Schreck erstarren.

»Gütiger Himmel!«, stieß er aus. »Das Schiff – es glüht!«

»Was?« Steve drehte sich um.

Der Frachter glühte in dunklem Rot. Es schien in der Dunkelheit zu pulsieren. Aus aufgerissenen Augen verfolgten die Männer das unheimliche Schauspiel. Es ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Die Landestützen verloren ihren Halt. Sie wurden weich und gaben nach. Der Vorgang war gespenstisch.

»Das ist doch nicht möglich!«, keuchte Bill.

Steve stimmte ihm zu. Doch das erschreckende Geschehen setzte sich fort. Das Schiff verlor seine Form. Wie eine Kerze, die starker Hitze ausgesetzt war, sank es in sich zusammen. Es schmolz geradezu. Steve riss sich von dem Anblick los und schaute zu der Antenne hinüber. War sie für die Zerstörung verantwortlich? Er fand keine andere Erklärung. Doch wer steckte dahinter, und wieso wurde das Schiff auf diese Weise angegriffen?

»Stell dir vor, wir wären nicht ausgestiegen«, krächzte Bill. »Wir wären ebenso geschmolzen wie der Frachter.«

»Ja, wir wären bereits tot.«

Als Steve seinen Blick wieder auf die Kratermitte richtete, war das Raumschiff nicht mehr zu erkennen. Die ehemalige Rakete hatte sich in eine dickflüssige Metallmasse verwandelt, die sich gleichmäßig über den Boden des Kraters verteilte. Sie kühlte ab und erstarrte im Vakuum des Raums.

Die Männer drohten in Panik zu geraten. Steve sprang von seinem Platz auf. Er fürchtete, das unbekannte Phänomen würde auch den Geländewagen erfassen. Da die Rakete der unsichtbaren Kraft hilflos ausgeliefert gewesen war, würde das kleine Fahrzeug noch viel schneller vernichtet werden. Steve griff nach dem Mechanismus für die manuelle Öffnung der Luke.

Auch Bill hielt es nicht auf seinem Sitz. »Ich will hier raus!«

»Das ist unmöglich, meine Herren«, ertönte wieder die Stimme. »Der Eingang ist automatisch blockiert.«

Es stimmte. Erfolglos versuchte Steve, die Luke zu öffnen. Sie reagierte nicht auf seine Bemühungen, sosehr er sich auch anstrengte. Wer immer hinter alldem steckte, hatte ganze Arbeit geleistet. Über die Hintergründe konnte er nur spekulieren. Die Mannschaft des Stützpunktes hatte keinen Grund für die Zerstörung des Frachters. Zudem, was war das für eine Waffe, die dabei zum Einsatz gekommen war? Er erinnerte sich nicht, schon einmal von einem solchen Instrument gehört zu haben.

Als der Kraterrand den Männern die Sicht nahm, begann Steve sich zu beruhigen. Die Männer nahmen wieder Platz. Etwas anderes konnten sie ohnehin nicht tun. Anscheinend drohte ihnen keine unmittelbare Gefahr. Man wollte sie nicht umbringen. Das hätte man ja auch schon machen können, als sie sich noch in der Rakete aufgehalten hatten.

Schweigend schauten sie durch das Bugfenster. Der Geländewagen trug sie über die Mondoberfläche ferngesteuert dem Ziel entgegen.

 

 

ZWEI

 

Während er seinen Raumanzug anlegte, dachte Nick unwillkürlich an ihr gemeinsames Abenteuer auf der Venus zurück. Sein Freund, der Biologe Tom Brucks, der Wissenschaftler Professor Raskin und der Astronom Bentley waren bei ihm. Auch sie schlüpften in ihre Druckanzüge und schlossen die Helme. Sie konnten wirklich von Glück reden, dass sie die Ereignisse unbeschadet überstanden hatten und auf dem Mond gelandet waren. Die geringe Schwerkraft des Erdtrabanten hatte eine erfolgreiche Landung trotz der beschädigten Stabilisierungsraketen des Raumschiffs ermöglicht. Hier gab es Mittel und Wege, um eine rasche Reparatur in die Wege zu leiten.

Nachdem die Luft aus der Schleusenkammer gepumpt war, öffnete Nick die Luke, und die Gefährten stiegen aus. Die geringe Schwerkraft des Mondes empfing sie. Nick hatte das Gefühl, körperlich so leicht zu sein wie ein Kind.

»Es kommt mir vor, als sei eine Ewigkeit vergangen, seit wir zur Venus aufbrachen«, sagte Tom.

»Kein Wunder. Was wir dort erlebt haben, reicht fast für ein Menschenleben«, antwortete Raskin.

Vor den Freunden erhob sich die Mondstation unter einem kuppelförmigen Kraftfeld. Sie hatten kaum ein paar Schritte getan, als bewaffnete Männer hinter einer Geländeerhebung hervorsprangen. Im Handumdrehen hatten sie Nicks Gruppe umstellt. Nick blieb keine Zeit, seinen Strahler zu ziehen. Einer der Fremden trat vor und ergriff das Wort.

»Wir haben Sie erwartet, Professor Raskin.«

Tom gab einen Ausruf des Erstaunens von sich. Die Gesichtshaut der Unbekannten war grün. Insgesamt waren es zehn Männer. Bis auf den Wortführer hielten sie ihre langläufigen Waffen erhoben. Nick betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. Bis auf die abweichende Gesichtsfarbe sah er aus wie ein Mensch. Ein dreieckiges Emblem zierte den Brustteil seines Anzugs.

»Wer sind Sie?«, wollte Raskin wissen. Seine Stimme bebte.

»Das erfahren Sie noch früh genug. Folgen Sie uns in die Station!«

Nick gab seinen Gefährten ein Zeichen, keinen Widerstand zu leisten. Gegen die bewaffnete Übermacht konnten sie nichts ausrichten. Die Hälfte der Fremden ging voraus, der Rest folgte Nicks Gruppe.

»Die Burschen sind ganz grün im Gesicht, Tom«, raunte der Weltraumfahrer seinem Freund zu.

»Ja, seltsam. Ich habe keine Erklärung dafür. Keine mir bekannte Rasse hat eine solche Hautfarbe.«

Nicks Überlegungen jagten sich. Wer waren die Fremden? Anscheinend handelte es sich um Menschen, aber das war unmöglich. Es gab keine grünen Menschen auf der Erde. Doch um wen handelte es sich sonst? Unwillkürlich musste er an die Geschichte von den kleinen grünen Männchen denken, die viele Leute erzählten, wenn es sich um den Mars drehte. Nick schob den Gedanken beiseite. Es gab dringlichere Probleme. Das Auftreten dieser Burschen zeigte, dass sie die Kontrolle über die Station an sich gebracht hatten. Hoffentlich hatten sie der Besatzung nichts angetan.

Sie brachten die Gefährten ins Innere der Station, ohne in ihrer Wachsamkeit nachzulassen. Unablässig waren Gewehre auf die vier Männer gerichtet. Die Räume, durch die man sie führte, waren verlassen. Überall herrschte Stille, und kein Mensch war zu sehen. Die Atmosphäre war bedrückend.

Schließlich gelangte die Gruppe in ein geräumiges Besprechungszimmer. Dort erlaubte man den Gefangenen, die Helme abzunehmen. Die Grünhäutigen taten es ihnen gleich. Sie ließen ihre Waffen sinken. Nick registrierte es mit Erleichterung. Dennoch wagte er nicht, seinen Strahler zu ziehen. Er schätzte seine Chance ab, mit den Fäusten etwas gegen die Fremden ausrichten zu können. Sie waren nicht besonders groß.

»Die Station ist wie ausgestorben«, sagte er. »Wo ist die Besatzung? Was haben Sie mit ihr gemacht?«

»Regen Sie sich nicht auf! Sie ist in sicherem Gewahrsam.«

Die vage Aussage konnte alles und nichts bedeuten. Deshalb gab Nick sich damit nicht zufrieden. »Was bedeutet das?«

»Dass sich die Station in unserer Hand befindet, Erdenmensch.«

»Das habe ich inzwischen begriffen.« Nick kniff die Augen zusammen. Der Fremde hatte den Begriff »Erdenmensch« verwendet. Das ließ keinen Zweifel zu. Die Grünhäutigen selbst stammten nicht von der Erde.

»Übrigens sind auch die anderen Mondstationen von uns besetzt«, sagte der Grüne. »Hoffen Sie also nicht darauf, dass Hilfe kommt. Und jetzt geben Sie mir Ihre Waffe, bevor Sie auf dumme Gedanken kommen! Sie brauchen Sie nicht mehr.«

Nick dachte nicht daran, seinen Strahler auszuhändigen. Ein Grüner kam auf ihn zu und packte ihn. Bevor er sich versah, stieß Nick ihn von sich. Sofort setzte der Weltraumfahrer nach und verpasste ihm einen Kinnhaken.

»Nimm die Hände weg! So leicht mache ich es euch nicht.«

Mit einem dumpfen Laut sackte der Fremde in sich zusammen. Zwei weitere eilten ihm zu Hilfe. Mit einer schnellen Körpertäuschung wich Nick ihnen aus. Besonders erfahren schienen sie im Nahkampf nicht zu sein. Da hatte Nick ihnen einiges voraus. Dem einen donnerte er die Faust unters Kinn, den anderen fällte er mit einem Handkantenschlag in den Nacken. Sofort warfen sich deren Kameraden ins Kampfgetümmel.

»Zurück!« Nick tänzelte hin und her, damit sie ihn nicht zu fassen bekamen. Trotzdem blieb ihm nur eine Gnadenfrist, denn lange konnte er sich die Übermacht nicht vom Leib halten.

Nun griff Brucks ins Geschehen ein. Während der Professor und Bentley wie erstarrt das Geschehen verfolgten, stürzte Tom sich mit grimmiger Entschlossenheit in den Kampf und schickte einen Grünen zu Boden. Gemeinsam erwehrten die Freunde sich dem Ansturm der zahlenmäßig überlegenen Gegner. Ein gelber Blitz beendete den Kampf.

Nick spürte einen dumpfen Schlag und erstarrte zur Bewegungslosigkeit.

 

*

Entsetzt beobachtete Professor Raskin, was geschah. Ein Grünhäutiger löste seine Waffe aus. Der gelbe Strahl, der aus der Mündung fauchte, hüllte Nick und Tom ein. Sie erstarrten mitten in der Bewegung und rührten sich nicht mehr. Durchsichtige Panzer bedeckten ihre Körper.

»Was haben Sie mit Ihnen gemacht, Sie Mörder?« Vor Zorn bebend, ballte Raskin die Hände zu Fäusten. Er musste sich zurückhalten, sonst würde es ihm so ergehen wie seinen Freunden.

»Beruhigen Sie sich! Ich habe sie vereist, um ihnen die Lust an weiteren Kämpfen zu nehmen. Es handelt sich um ein unschädliches, aber wirksames Mittel gegen solche Hitzköpfe.«

»Sie leben also?«

»Ja, und sie werden durch die Vereisung keinen Schaden davontragen.« Der Grüne gab seinen Leuten einen Wink. »Bringt sie in eine Zelle und taut sie wieder auf! Aber passt auf, dass sie nicht gleich über euch herfallen! Ihr habt ja soeben erlebt, wozu sie fähig sind.«

Mehrere Männer packten die erstarrten Männer und schleppten sie davon. Raskin sah ihnen mit gemischten Gefühlen hinterher. Er verstand nicht, in was sie hineingeraten waren. Die Fremden gaben ihm Rätsel auf. Zweifellos waren sie feindlich gesinnt, sonst hätten sie die Station nicht übernommen. Es fragte sich nur, wie gefährlich sie wirklich waren.

 

Illu-01

 

»Wollen Sie uns nicht endlich verraten, wer Sie sind und was Sie von uns wollen?«

»Da die beiden Hitzköpfe Ruhe geben, können wir uns in der Tat in Ruhe unterhalten, Professor.«

»Ich bin froh, das zu hören.« Raskin machte eine auffordernde Handbewegung.

»Zu Ihrer Orientierung – wir kommen von dem Planeten, den ihr Erdenmenschen Mars nennt.«

»Mars?«, echote der Professor. »Aber wie ist das möglich? Der Mars ist doch unbewohnt.«

»Was das angeht, irren die Menschen sich, und das ist gut so. Genau das sollen sie glauben. In Wahrheit betreiben wir die Raumfahrt jedoch schon seit vielen Jahrhunderten. So lange beobachten wir die Erde schon.«

Raskin brauchte ein paar Sekunden, um die Eröffnung zu verdauen. Was er soeben erfahren hatte, war beinahe unglaublich. Es gab also nicht nur auf der Venus humanoides Leben, sondern auch auf dem Mars. Dabei hatten die Menschen stets angenommen, allein in ihrem Sonnensystem zu sein.

»Wieso haben Sie sich nie bei uns gemeldet?«

»Weil uns nicht besonders gefällt, was wir gesehen haben.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Die Entwicklung, die wir über lange Zeit hinweg beobachtet haben, spricht von eurer Gewalttätigkeit. Das war immer so und wird sich niemals ändern. Die Menschen sind ein kriegerisches Volk, das nicht aus den Fehlern seiner Vergangenheit lernt. Aus diesem Grund haben wir vor hundert Jahren ein Gesetz beschlossen, das euch die Raumfahrt verbietet.«

»Das ist ungeheuerlich«, empörte sich der Professor. »Es ist anmaßend, über unsere Entwicklung bestimmen zu wollen.«

»Es ist notwendig, um uns vor eurer Aggressivität zu schützen.«

In Raskin kochte es. »Als ihr dieses Gesetz beschlossen habt, mag eure Einstellung uns gegenüber berechtigt gewesen sein, aber seit damals sind hundert Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich viel geändert. Wir sind längst nicht mehr das kriegerische Volk, das wir einst waren. Der Krieg als Machtmittel ist bei uns vollkommen unmöglich geworden.«

»Das ändert nichts«, bestimmte der Marsianer kategorisch. »Das Gesetz hat Bestand, und wir halten uns daran.«

»Aber bisher habt ihr uns in Ruhe gelassen«, machte Raskin auf einen Widerspruch aufmerksam. »Wieso auf einmal dieser Überfall?«

»Die lächerlichen Flüge zum Erdmond haben wir euch gestattet, weil ihr dort keinen Schaden anrichten konntet«, erklärte der Grünhäutige. »Nun hat sich die Situation geändert. Daran tragen Sie die Schuld, Professor. Denn Sie können der Menschheit die Reise zu den Sternen ermöglichen. Damit würde das Unheil seinen Lauf nehmen. Wir werden das verhindern.«

»Dazu haben Sie kein Recht. Ich lasse mir meine Arbeiten von Ihnen nicht verbieten.«

»Das haben wir gar nicht vor.«

»Was soll das nun wieder bedeuten?«

»Dass wir großen Respekt vor Ihrem Genie haben. Zwar ist Ihr Antriebssystem noch in der Entwicklung, aber Sie stehen an der Schwelle zur Überwindung des unendlichen Raums. Sie, Professor, werden auf dem Mars eine neue Heimat finden.«

Raskin glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Niemals!«, fauchte er. »Ich denke nicht daran, mich der Gewalt zu beugen. Meine Erkenntnisse gehören den Menschen meines Planeten.«

»Das haben Sie nicht zu bestimmen. Die Entscheidung wurde bereits getroffen. Sie ist unumstößlich.«

»Unser eigentliches Ziel nach der Rückkehr von der Venus war die Erde«, überging Raskin die Worte. »Es ist mir ein Rätsel, wie Sie wissen konnten, dass wir gezwungen sein würden, stattdessen auf dem Mond zu landen.«

»Erkläre es ihm, Bentley … oder besser Xutl«, wandte sich der Marsianer an den Astronomen.

»Bentley? Ich verstehe nicht. Was will er damit sagen?«