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MIRJAM MÜNTEFERING

Anders geht immer

Roman

ULRIKE HELMER VERLAG

Für Elena und Hedwig

1. LOTTA

Ich brech zusammen, ich muss tatsächlich zu Tante Charlotte ziehen!

Nur weil meine dämliche ältere Schwester sich nicht damit begnügen kann, ein Baby zu bekommen, so wie alle anderen auch. Nein, sie muss natürlich gleich Drillinge werfen. Dabei ist Kristin erst vierundzwanzig und schwört bei allem, was ihr heilig ist – und das ist jede Menge, fürchte ich –, dass sie »nichts mit Hormonen« gemacht hat. Jetzt ist sie so was wie ’ne gesalbte Kuh mit drei goldenen Kälbern … Alle Welt ist völlig fasziniert von ihr. Neulich war nach den etlichen Zeitungsfritzen sogar ein Fernsehsender bei ihr. Man könnte meinen, sie fängt demnächst an, übers Wasser zu laufen.

Aber bei aller Göttlichkeit schafft sie es leider nicht, ihre drei Bälger selbst zu versorgen. Mama muss unbedingt bei ihr bleiben, weil sie sonst Depressionen bekommt oder so. Also, Kristin, nicht Mama. Denn die ist mit ihrem Bemutterungsdrang natürlich grad voll in ihrem Element.

Dabei war es eigentlich so gedacht, dass sie nach der Geburt und der ersten Woche bei Kristin und Jens wieder nach Hause kommt.

Wir wollten dann später zusammen runter nach Regensburg fahren und die Heilige Familie für ein Wochenende besuchen. Damit auch ich die Goldenen Kälber bestaunen kann. Aber nein, Kristin muss es mal wieder anders haben! Sie sagt einfach, sie schafft das nicht allein, und natürlich springt Mama gleich drauf an. Und Papa, der als Ingenieur sowieso meistens unterwegs ist und irgendwo im Rest der Welt Brücken baut, ist auch gleich herbeigeeilt und hängt nun auch noch bei ihnen rum. Nur ich sitz hier oben in Bochum. Allein. Und das ist ihnen leider mit einem Mal auch aufgefallen.

Abgesehen davon, dass ich schon jetzt nicht mehr weiß, was ich mir zu essen machen soll (mal ehrlich, wie viele unterschiedliche Nudelsoßen gibt es? Nicht so viele, oder?), ist nämlich auch noch die Sache mit dem Verschlafen passiert. Dabei war es echt keine Absicht! Ich wollte gar nicht blaumachen – war ja nicht mal Mathe oder ’ne Doppelstunde Latein, was ich verpasst habe, sondern Bio. Das mag ich eigentlich ganz gern. Nur dumm, dass die olle Schubert gleich Alarm geschlagen hat, als ich nicht aufgekreuzt bin. Angeblich hat sie’s ja nur gut gemeint. Aber sagen die das nicht immer? Na, und als sich dann rausstellte, dass ich nicht von einem brutalen Massenmörder hingemeuchelt worden war, sondern einfach noch in den Federn lag, hatte ich offenbar die eine Chance auf ein süßes selbständiges Leben verwirkt.

Mama war plötzlich der Meinung, es gehe wirklich nicht, dass ich ein halbes Jahr lang hier ganz allein in unserem Haus wohne und mich selbst versorge. Oberstufe hin oder her, ich sei ja doch erst siebzehn.

Zuerst dachte ich: Hey, geil! Dann wohn ich doch bei einer meiner Freundinnen! Aber irgendwie hat es dann damit nicht geklappt. Ramona und Nadine hätten in ihren dicken Häusern zwar genug Platz, haben aber offenbar die Erlaubnis ihrer Eltern nicht bekommen, so wie ich sie verstanden habe. Und Annabells Zimmer in der Mietwohnung ist so winzig klein, dass da auch mit viel Geschiebe und Möbelrücken kein zweites Bett reinpassen würde. Das seh ich ja ein.

Deswegen ziehe ich morgen zu Tante Charlotte. Genau genommen ist sie ja meine Großtante: die zwei Jahre ältere Schwester meiner Oma Irmgard, die aber schon ’ne ganze Weile tot ist.

Und meine Patentante und Namensgeberin ist sie außerdem. Schönen Dank auch! Ich würde ausrasten, wenn mich jemand Charlotte nennt! Bin heilfroh, dass alle nur Lotta zu mir sagen.

Vor allem aber ist Tante Charlotte die einzige unserer weit verzweigten buckligen Verwandtschaft, die hier in der Nähe wohnt. Zwar schon in der Nachbarstadt, aber sehr weit draußen. In unsere Richtung – so günstig, dass ich von dort aus bequem meine Schule mit dem Bus erreichen kann. Das Haus ist nicht gerade riesig, aber es hat ein Gästezimmer. Ideal, weil ich sonst die Schule wechseln müsste und das wäre wirklich das Allerletzte. Vor allem im Moment, wo sich der Englischunterricht gerade so extrem interessant gestaltet … wegen dem neuen Referendar, der aussieht wie Orlando Bloom – voll krass!

Tante Charlotte ist also die einzige, die für eine vorübergehende Unterkunft infrage kommt. Das soll ich ihr aber bloß nicht sagen, hat Mama mir eingeschärft. Tante Charlotte soll lieber denken, dass Mama sie für diese wichtige, verantwortungsvolle Aufgabe aus etlichen Kandidaten extra ausgewählt hat. Na, meinetwegen. Wenn sie es happy macht, werd ich das genau so sagen.

Was ich Tante Charlotte aber sonst noch sagen könnte, ist mir schleierhaft. Ich meine, sie ist uralt, siebzig, um genau zu sein! Also quasi scheintot. Keinen blassen Schimmer, was ich mit der so reden soll!

Wenn wir uns mal sehen (immer zu Mamas Geburtstagskaffeetrinken und damals, als Oma gestorben war), spricht sie meistens mit Mama und Mamas Freundinnen. Das war schon immer so. Einmal war sie auch zu Weihnachten bei uns – aber das ist schon eine Ewigkeit her. Sie ist nicht so der Omatyp, der Kindern Geschichten vorliest oder mit ihnen zusammen Kekse backt. Hat halt selbst keine Familie, auch keinen Mann oder so. Meinetwegen. Geht mich ja nichts an. Aber was soll ich denn mit ihr quatschen, wenn wir zum Beispiel zusammen essen oder so?

Das einzige, was mir da einfällt, ist ihr Hund, der so lange Ohren hat, dass er sich beim Laufen manchmal drauf tritt, ganz im Ernst. Peggy. Nein, Maggie. Oder Holly?

Oh, Scheiße, das wird bestimmt hirnrissig verkrampft!

2. CHARLOTTE

Soll ich mich nun geschmeichelt fühlen oder empört sein?

Das Ganze sah wirklich ziemlich nach einer Absprache aus. Aber die Frage ist: Haben sie untereinander abgemacht, mich zur Vorsitzenden zu wählen, weil sie der Meinung sind, ich sei die Beste für diese Arbeit? Oder wollten sie einfach nur auf Nummer sicher gehen, dass diese unbequeme Position auf alle Fälle vergeben ist und sie somit nicht selbst ran müssen?

Jedenfalls habe ich mich einfach überrumpeln lassen. Jetzt bin ich die Vorsitzende unseres Tierschutzvereins. Inklusive der Aufgaben, Pflegehunde und -katzen zu vermitteln sowie im Herbst die zu mageren Igel in Empfang zu nehmen und auf die verschiedenen Pflegestellen zu verteilen.

Na, egal aus welcher Motivation sie mich gewählt haben, ehrlich gesagt, freu ich mich auf diese Aufgaben. Ich fand sowieso schon seit längerem, dass Sigrid sich nicht mehr so engagiert, wie eine Vorsitzende es sollte. Gerade die Hunde, die abgegeben werden, weil sie irgendein unerwünschtes Verhalten zeigen, brauchen eine gute Pflegestelle, wo sie sich einer liebevollen, aber konsequenten Führung anzupassen lernen, damit sie wieder vermittelbar werden. Allerdings liegt es ja meist an den Menschen: Wie viele gibt es, die sich einen Hund anschaffen und nicht mehr über ihn wissen, als dass vorn die Schnauze ist und hinten der Schwanz!

Wenn ich mir vorstelle, was aus meiner Molly geworden wäre, wenn ich sie nicht ordentlich erzogen hätte! Wahrscheinlich ein vor Angst kläffendes und schnappendes Vieh, das keiner mit der Kneifzange hätte anfassen wollen.

Ja, wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, dass ich jetzt die Zügel in die Hand nehme. Ich hab auch schon die eine oder andere Idee, wie wir die Effektivität unserer Gruppe steigern könnten. Man könnte zu Vorträgen einladen und zum Beispiel über die Gefahren von Welpenimporten aus dem Osten reden oder ganz einfach mal ein wenig Hundesprache erklären … Vielleicht sollte ich gleich für kommende Woche eine außerordentliche Sitzung einberufen, um den anderen meine Vorstellungen zu erläutern? Nein, besser, ich warte erst mal ab, wie sich die Situation hier zu Hause entwickeln wird.

Ich will es nicht heraufbeschwören, aber es könnte ja sein, dass Lotta Heimweh bekommt. Zwar ist sie hier nicht weit entfernt von zu Hause, aber es ist eben nicht ihr vertrautes Umfeld. Teenager sind da ziemlich empfindlich, habe ich mal gelesen. So ähnlich wie junge Hunde. Und da wäre es nicht schön, sie gleich einen ganzen Abend allein zu lassen.

Natürlich könnte ich ihr auch anbieten, sie zur Versammlung mitzunehmen. Womöglich findet sie unsere Arbeit spannend und möchte sich selbst ein bisschen engagieren?

Das wäre grandios! Wir könnten Nachwuchs in der Regionalgruppe wirklich gut gebrauchen.

Junge Mädchen lieben doch Tiere. Lotta ganz sicher, dieses niedliche kleine Ding mit dem frechen Pferdeschwanz!

Hat sie nicht früher mal gesagt, dass sie Tierärztin werden will? Oder war das ihre ältere Schwester Kristin? Ich werde Petra danach fragen, wenn wir das nächste Mal telefonieren. Bestimmt ruft sie jeden Tag an, um zu erfahren, ob es ihrem Töchterchen bei mir auch gut geht. Ach, das wird sicher ganz lustig, mit so einem springlebendigen Mädchen unter einem Dach zu leben. Die haben ja noch so viele Ideen in dem Alter!

3. LOTTA

Gestern war’s dann soweit. Tante Charlotte hat mich mit dem Auto abgeholt. Weil Mama die beiden großen Koffer und die Reisetasche mit zu Kristin genommen hat, musste ich komplett improvisieren. Blöderweise hatte es morgens echt noch mal geschneit. (Hallo?! Wir haben Mitte Februar – also doch eigentlich Frühling, oder?!) Und da hab ich alles, was nicht nass werden darf, in Plastiktüten gesteckt. Die Wii-Konsole, die wichtigsten Spiele und die paar Musik-CDs, die ich nicht auf dem iPod hab, dann natürlich mein Tagebuch, ach ja und mein ganzes Schulgedöns, was Tonnen wiegt. Meine Klamotten – viele sind es ja leider, leider nicht – hab ich einfach in meine große pinke Kuscheldecke gewickelt und mit dem Gürtel vom Bademantel fest verschnürt. Unterwäsche und so kam natürlich in eine Tüte. Wäre ja oberpeinlich, wenn der Gürtel irgendwie aufgeht und Tante Charlotte plötzlich vor meinen BHs steht! Ich meine, nicht dass es da wahnsinnig viel zu sehen gäbe. Über die 75A bin ich immer noch nicht rausgekommen. Trotzdem. Wir kennen uns ja kaum.

Jedenfalls war ich top organisiert, als sie hier anrückte! Mama, die beim Packen für unsere Familienurlaube immer rumjammert, dass ich so chaotisch bin, wäre echt stolz auf mich gewesen. Aber wenn ich mal was richtig gut hinbekomme, sieht’s natürlich wieder kein Schwein! Na, vielleicht erzählt Tante Charlotte es ihr ja, wenn sie superwichtig miteinander telefonieren.

Gott sei Dank hat Tante Charlotte einen Kombi, sodass es keine Platznot gab. Der halbe Kofferraum ist nämlich schon belegt von der Hundebox. Und Molly war natürlich auch dabei, bellte mich erst ein bisschen an, aber dann hat sie mich wohl erkannt. Oder sie fand mich einfach so cool. Jedenfalls wedelte sie mit dem Schwanz und wuselte um mich rum.

»Hattet ihr eigentlich mal ein Haustier?«, fragte Tante Charlotte, während sie mir zusah, wie ich Molly die langen Ohren kraulte.

»Nö«, sagte ich. »Mama meint, die schleppen zu viel Dreck rein.«

Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, als Antwort kam eine Art Grunzen. Kann mich auch geirrt haben. Irgendwie passt es ja nicht zu einer Oma, so ein Geräusch von sich zu geben.

Andererseits ist Tante Charlotte auch sonst nicht so das, was man sich unter einem echten Großmütterchen vorstellen würde. Als sie sich ins Auto beugte, um einen meiner Plastikbeutel zu verstauen, hab ich das Etikett ihrer Jeans gesehen. Sie trägt allen Ernstes Levi’s! Hammer.

Das Haus selbst ist schon ganz niedlich, muss ich sagen. Es ist ein Fachwerkhaus, das sowieso schon witzig aussieht mit seinen dunklen Balken und den weißen Fächern dazwischen. Die Fenster haben grüne Holzläden. Von unseren Besuchen früher weiß ich noch, dass an denen zur Weihnachtszeit immer rot gefärbte, aus Weidenruten geflochtene Herzen hängen. Dann sieht es komplett aus wie ein Lebkuchenhaus.

Ich musste aber feststellen, dass ich offenbar schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen bin.

Auf dem Grundstück des Hofes, zu dem Tante Charlottes Haus mal gehört hat, stand nämlich früher noch eine ziemlich baufällige alte Scheune. Die ist nicht mehr da. Besser gesagt, sie ist komplett und total umgebaut und das Ganze sieht jetzt eher aus wie die Villa Kunterbunt.

Ich meine, wer streicht schon sein Haus helllila an und die Fensterrahmen dann quietschgelb? Und dann erst das Dach! Da obendrauf wächst allen Ernstes was! Tante Charlotte sagt, dass dort im Sommer einen Meter hoch Blumen und Gras stehen.

Das hat doch was! Ist längst nicht so spießig und ordentlich wie in unserer Siedlung. Ich glaube aber, das ist auch der Grund, wieso wir Tante Charlotte nicht so wahnsinnig oft besuchen. Mama und Papa würden sich neben so einem Ökohaus wahrscheinlich nicht besonders wohlfühlen. Ich schon. Ich hab ja Gott sei Dank ihr Spießer-Gen nicht geerbt – anders als Kristin. Die würde wahrscheinlich meinem Schwager Jens so lange Feuer unterm Hintern machen, bis er seinen superduper Rasenmäher da hochhievt, um der grünen Invasion Herr zu werden!

In dem Grasdachhaus wohnt eine Familie, mit der Tante Charlotte ganz gut klarzukommen scheint. Die Tochter ist wohl in meinem Alter, aber ich hab sie noch nicht gesehen. Hoffentlich keine Zicke! So wie es aussieht, nehmen wir nämlich den gleichen Schulbus.

Den Außentest hatte mein vorübergehendes Zuhause also bestanden. Auch die Tatsache, dass Charlotte WLAN hat und ich mit meinem Laptop darüber online gehen könnte, wann immer ich wollte, war echt beruhigend. Aber in meinem Zimmer dann der erste echte Schock: Ich habe keinen Fernseher! Was ist das denn für ein Gästezimmer?! Und wie bitte soll das gehen?!

Ich meine, abgesehen davon, dass ich sicher keinen Bock hab, mir mit Tante Charlotte zusammen unten im Wohnzimmer die Nachrichten oder irgendwelche Rosamunde-Pilcher-Schmachtfetzen anzusehen, bleibt ja noch die Frage: Was passiert mit meiner Wii? Ich kann mich doch nicht ins Wohnzimmer stellen und ’ne Runde Squash hämmern. Hallo?!

Ich hatte also recht. Es wird grauenvoll!

4. CHARLOTTE

Mag sein, dass die vielen Jahre allein mich ein bisschen empfindlich gemacht haben. Aber ehrlich gesagt, dachte ich wirklich, mich trifft der Schlag, als ich Lotta abholte.

Wir müssen uns länger nicht gesehen haben. Denn von dem niedlichen kleinen Ding mit dem frechen Pferdeschwanz und der Zahnlücke ist nicht mehr viel geblieben.

Als sich die Tür öffnete, stand vor mir eine junge Frau mit schulterlangem, eindeutig blondierten Strähnchenschopf und einem T-Shirt, das eine Handbreit über ihrem Jeansbund endete. Und das, wo es morgens noch mal geschneit hatte!

Die Diele war vollkommen zugestellt mit Tüten und Plastiktaschen. Wir haben eine geschlagene Viertelstunde gebraucht, um die Sachen alle ins Auto zu tragen. Und beim Verstauen ihres riesigen Kleiderhaufens, der in eine scheinbar dreißig Quadratmeter große Decke gewickelt war, geriet mein Auto fast an die Grenze seiner Kapazität.

Weil auch die Hundebox benötigt wurde, um all die Sachen im Wagen zu verstauen, mussten sich Lottas schicke schwarze Stiefelchen auf der Heimfahrt den Fußraum des Beifahrersitzes mit Molly teilen. Was weder Lotta noch Molly zu behagen schien. Molly ist es nicht gewohnt, dass jemand auf dem Beifahrersitz sitzt, sie sich an enge Lederstiefel quetschen muss und nicht legen kann, wie sie will. Und Lotta … na, was will man erwarten von einem Mädchen, dessen Mutter keine Tiere im Haus haben will, weil sie »Dreck reinschleppen«! Diese Aussage fand ich jedenfalls sehr interessant. Wie heißt es doch so schön: Kindermund tut Wahrheit kund. Mir gegenüber würde Petra so was nämlich nie sagen, weil sie genau weiß, dass ich ihr dazu ein paar Takte geigen würde.

Ihre Mutter, meine vor acht Jahren verstorbene Schwester, war auch so. Vielleicht wäre ich ebenso geworden, wenn ich von Geburt an einen Herzfehler gehabt hätte, wegen dem unsere Eltern sie von vorne bis hinten verhätschelt haben. Womöglich hätte ich dann meiner Tochter (die ich ja nicht habe) auch »vererbt«, dass Tiere in erster Linie Dreck machen?

Auf alle Fälle waren wir schwer beschäftigt mit diesem kleinen Auszug aus Ägypten. Und ich glaube, Lotta hat auch heute noch nicht alle ihre Tüten und Taschen ausgepackt, die wir ins Gästezimmer geschleppt haben. (Es waren auf alle Fälle über dreißig, dann habe ich mit dem Zählen aufgehört.)

Gut, dass Sonntag ist. So können wir uns erst mal in Ruhe beschnuppern und rausfinden, wie die andere tickt.

Dass sie freiwillig früh aufsteht, ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich. Und auch nicht weiter tragisch. Lotta ist schließlich noch nicht in den Wechseljahren, während ich mir wegen dieser ständigen Hitzewellen das Aufstehen um halb sieben angewöhnt habe.

Ich hab mein Sonntagsfrühstück also wie immer allein verbracht. Als ich um halb zehn mit Molly von der ersten Runde zurückkam, traf ich auf dem Hof Jill.

Soweit ich weiß, ist Jill auch siebzehn. Aber Jill ist es irgendwie … anders.

»Hi, Charlotte!«, rief sie mir zu und kam herüber, um Molly zu begrüßen und mit ihrem Wollhandschuh ein bisschen mit ihr zu zergeln. Molly liebt das.

»Was war denn das gestern für eine Aktion?«, wollte sie wissen. »Hab zufällig aus dem Fenster geguckt. Hast du irgendein Lager ausgeraubt?«

»Sah wohl so aus, wie?«, lachte ich. »Aber ich glaube, wenn ich damit auf den Schwarzmarkt ginge, würde ich nicht viel dran verdienen. Die Sachen gehören meiner Großnichte. Lotta. Sie wohnt eine Weile bei mir.«

»Oh …«, machte Jill und verzog den Mund zu einer schiefen Grimasse.

»Nein, nein, nichts Schlimmes«, sagte ich rasch. »Meine Nichte hilft nur ihrer älteren Tochter mit den Babys. Die hat nämlich Drillinge bekommen! Und Lottas Vater ist geschäftlich viel unterwegs. Deswegen braucht Lotta vorübergehend eine Bleibe.«

»Drillinge!«, staunte Jill. »Na, wie eine dreifache Tante sah … wie heißt sie? Lotta? … aber nicht aus.«

»Du hast sie auch gesehen?«

»Sie war schwer zu übersehen, würd ich mal sagen«, grinste Jill. Dann wandte sie sich um und lief vom Hof, ein fröhlicher Wirbelwind mit zerzausten braunen Haaren, die in alle Richtungen abstanden. Sie hat so etwas Natürliches an sich. Ich schaute ihr versonnen nach und ertappte mich bei dem Gedanken, wie schade ich es finde, dass Lotta nicht ein bisschen mehr so ist wie sie.

5. LOTTA

Der erste Tag ist geschafft.

Der erste Tag von wie vielen? Bis zu den Sommerferien sind es noch sooo viele Tage! Und viel zu viele davon sind Sonntage! Für die muss ich mir einen Plan zurechtlegen. Ja, ich werde die Sonntage sorgfältig planen.

Samstage gehen ja noch. Da kann ich mit dem Bus in die Stadt fahren und in den Geschäften rumlaufen. Oder mich mit Ramona und den anderen treffen. Zum Beispiel, um ins Kino zu gehen oder einfach nur im ›Konkret‹ abzuhängen.

Aber Sonntage? Au Mann!

Okay, mein Plan sieht so aus: Ich werde einfach bis um zwölf oder besser noch bis um eins schlafen und dann in meinem Zimmer möglichst lange frühstücken. Dann muss Tante Charlotte auch kein Mittagessen für mich kochen. Denn das scheint ja irgendwie ein Problem zu sein. Ich meine, wenn sie mich schon fragt, was ich gern esse, gehe ich doch mal davon aus, dass sie vorhat, das eine oder andere dann auch mal zu kochen!

Wird sie aber nicht. Jedenfalls nicht so, wie Mama es macht. Hey! Was bitte ist an Lasagne, Spaghetti Bolognese oder Hühnerfrikassee denn so unzumutbar?

»Das Tier«, sagte sie mit so komisch verkniffenem Mund, als ich es wagte, da mal ganz vorsichtig nachzuhaken.

Tier? Hallo?! Ich will doch nicht, dass sie wegen mir eins von ihren Hühnern schlachtet. Wenn sie runter ins Hammertal zum Supermarkt fährt, bekommt sie da doch alles ganz bequem im Regal.

Na, das kann ja echt heiter werden.

Obwohl es auch Vorteile haben könnte. Nadine hat neulich schon so komisch geguckt, als sie gesehen hat, dass mein neuer gelber Pulli in M ist.

»Hast du nicht früher immer S getragen?«, fragte sie und glotzte mich von oben bis unten an.

»Das kommt drauf an, wie die Klamotten ausfallen«, antwortete ich und fand selbst, dass es wie eine obermiese Ausrede klang. Klar hab ich früher nur S getragen! Aber wenn ich in dem gelben S-Pulli einfach megascheiße aussehe – wie die Wurst in der Pelle, Tatsache! –, dann wäre es verdammt noch mal doch nicht schlau, ihn in S zu kaufen, oder?

Wenn ich erst mal ein paar Wochen hier bei Tante Charlotte wohne, erledigt sich das vielleicht ganz von allein. Dann kann ich den Pulli Nadine geben: »Schau doch mal, ob er dir passt. An mir schlockert der jetzt so rum.«

Ja, genau so werd ich das machen! Annabell und Ramona werden sich wahrscheinlich bepissen vor Lachen. Die müssen sich ja auch manchmal was anhören von Miss Magersucht-Nadine.

6. CHARLOTTE

Ich bin ehrlich schockiert.

Meine Nichte hat ihre Tochter zu einer fleischfressenden Pflanze erzogen, die sich kein ordentliches Gericht ohne ein Stück Mitgeschöpf darin vorstellen kann.

Und das ausgerechnet mir! Seit vierzig Jahren vegetarisch und nun plötzlich ein kleiner Burger-Freak im Haus …

Aber gut. Wir werden schon eine Lösung finden. Der Salat mit den gerösteten Pinienkernen und der mit Honig überbackene Bio-Ziegenkäse zum Abendbrot scheinen ihr auf jeden Fall geschmeckt zu haben. Sie hat alles aufgegessen.

Ich stelle fest, dass es mich ein wenig unruhig macht, mir mit einem Mal über Dinge wie den Einkauf von Lebensmitteln und das Planen von Mahlzeiten Gedanken machen zu müssen. Das läuft sonst komplett nebenher. Aber jetzt muss ich nach allem Möglichen fragen. Allergien, Vorlieben, Abneigungen.

Heute Morgen hat sie beim Frühstück allen Ernstes nach Light-Butter gefragt, obwohl die Biomargarine mit Omega-3-Fettsäuren direkt vor ihrer Nase stand.

Erinnert mich ein bisschen an die Zeit mit Helga. Natürlich nur ganz entfernt. Aber ein bisschen hat es Ähnlichkeit damit. Helga mochte auch keine grünen Bohnen oder Brokkoli, liebte aber dafür Sellerie und Fenchel. Und während ich es gar nicht leiden kann, im Bett zu frühstücken, schon allein wegen all der Krümel, fand sie das wunderbar. Eine große Tasse Milchkaffee, zwei halbe Brötchen, eines mit herzhaftem Käse, das andere mit selbstgemachter Pflaumenmarmelade, und dazu ein Glas frisch gepresster Saft …

Oh mein Gott. Dass ich all das immer noch weiß! Irgendwo in meinem alten Hirn scheine ich eine spezielle Ecke zu haben, wo ich all diese Sachen abgelegt habe – jederzeit verfügbar. Als würde Helga – nach den zehn Jahren, die wir uns jetzt nicht gesehen haben – plötzlich hier zur Tür hereinmarschiert kommen, sich aufs Sofa fallen lassen und seufzen: »Kochst du mir was Schönes, meine Schöne?«

Das Schlimmste daran ist, dass ich es wahrscheinlich auch noch tun würde. Ich belüge mich doch selbst, wenn ich mir vormachen will, dass ich in den letzten Jahren nicht immer mal wieder daran gedacht habe.

Was wäre, wenn?

Was wäre, wenn ihr Mann trotz ihrer sicherlich aufopfernden Pflege doch stirbt? Wenn sie also mit einem Male frei und ungebunden wäre?

Würde sie zurückkommen?

Ich bin mir nicht sicher. Schließlich ist sie diejenige gewesen, die alles beendet hat. Natürlich mit der Begründung, dass er sie jetzt hundertprozentig braucht. Nach so einem heftigen Schlaganfall ist eine Betreuung rund um die Uhr notwendig. Sie musste ihre Außendienststelle beim Weingroßhändler aufgeben. Und welche Ausreden hätte sie da noch finden können für die Zeit, die wir uns zwölf Jahre lang füreinander gestohlen haben?

Das war verständlich. Aber dadurch nicht weniger schmerzhaft.

Als wir uns das letzte Mal trafen – meine Güte, das ist jetzt wirklich fast zehn Jahre her! –, hat sie gesehen, wie entsetzlich ich litt. Vielleicht würde sie also glauben, sie habe kein Recht dazu, wieder an meine Tür zu klopfen?

Herrje, ich glaub’s ja wohl nicht! Es kann doch nicht sein, dass ich hier sitze und wieder diese alte Geschichte durchkaue!

Dabei gibt es doch so viel anderes zu tun.

Sigrid hat ihr Votum gegen eine Pflegestelle für Hunde eingelegt. Angeblich handelt es sich bei den Leuten um Messies, die ihre Wohnung komplett vermüllen lassen.

Ausgerechnet jetzt! Wo wir bald drei Hunde aus der Tötungsstation in Rumänien bekommen. Einen von ihnen wollte ich eigentlich zu dieser Familie geben. Bisher konnten wir ihre Schützlinge immer prima weitervermitteln. Ein bisschen Unordnung ist doch nicht schlimm. Aber laut Sigrid haben sich die Umstände dramatisch verschlechtert. Da muss ich natürlich nachschauen. Und zwar, ohne den Leuten gleich auf die Füße zu steigen. Wir haben sowieso zu wenig Pflegestellen und können eigentlich auf keine bewährte verzichten. Nun muss ich mir also irgendetwas ausdenken, um nach dem Rechten zu sehen.

Hervorragend eingefädelt, Sigrid! Erst den verantwortungsvollen Posten auf mich abwälzen und dann mit solchen Kloppern ankommen!

7. LOTTA

Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Aber nach dem, was Tante Charlotte mir beim Abendessen so alles über die Nachbarstochter erzählt hat, dachte ich, die muss supercool sein. Ich meine, wenn eine schon als voll schlau gilt und dazu noch drei Musikinstrumente spielt und ihre Eltern eine eigene Band haben! Eine Band mit echten Auftritten vor Publikum und so! Mama kann nicht mal einen Song, den sie im Radio hört, richtig mitsingen. Ich war also voll nervös, weil ich sicher war, dass ich gegen die ja nur abloosen kann. Deswegen hab ich heut den neuen gelben Pulli (ich hab gestern Abend noch das M-Schild rausgetrennt) und meine Lieblingsjeans an.

Aber dann komm ich an die Bushaltestellte und denke als Erstes: ›Das kann sie doch nicht sein!‹ Ich meine, die hatte Cordhosen an! In braun!

Überhaupt war alles an ihr braun. Ihre Haare, ihre Augen, ihre Schuhe. Die macht wirklich überhaupt gar nichts aus sich. Dabei sieht sie eigentlich nicht schlecht aus. Naturlocken, voll krass. Die würd ich auf jeden Fall langwachsen lassen an ihrer Stelle. ’ne klasse Figur und auch ein hübsches Gesicht. Und für die Pfirsichhaut würd ich töten! Aber dann so ein unspektakulärer Auftritt, pfffff.

Ich hab mir natürlich nichts anmerken lassen. Wir haben »Hi« gesagt und ein bisschen gequatscht, über meine Schwester und die drei Goldenen Kälber und auch darüber, wie einsam der Hof hier liegt. Echt ein Schweineglück, dass direkt gegenüber die Bushaltestelle ist, sonst wär ich hier ganz schön am Arsch.

Jill hat erzählt, dass ihre Eltern die Scheune vor drei Jahren gekauft und umgebaut haben. Seit zwei Jahren wohnen sie hier.

Sie so: »Ich find es total schön hier! Das ist tausendmal besser als die Wohnung in der Stadt, in der wir vorher gewohnt haben.«

»Ja, versteh ich«, hab ich da gesagt. »Wir haben auch ein Haus. Aber meine Eltern haben es leider in eine totale Spießersiedlung gesetzt – wo im Sommer immer ein Riesenkrach ist, weil alle Nachbarn mit allen nur denkbaren motorbetriebenen Gartengeräten unterwegs sind.«

Sie sah mich einen Moment lang verdutzt an. Doch dann lachte sie plötzlich los. Und zwar so sehr, dass sie sich am Haltestellenschild festhalten musste. Sooo witzig war das doch jetzt auch nicht, oder? Na, fein, wenn sich wenigstens eine von uns so richtig gut unterhalten hat …

Das ist bei mir nämlich schon ’ne Weile her. Ich fass es nicht, dass ich mich jetzt wahrscheinlich jeden Tag richtig auf die Schule freuen werde. Weil es zu Hause so öde ist!

Oder sogar ein bisschen gruselig. Da liegen doch allen Ernstes Spritzen in der einen Küchenschublade. Ich dachte im ersten Augenblick: Ach du Scheiße! Ist Tante Charlotte ein Junkie, oder was? Aber dann hat sie mir erklärt, dass sie Diabetes hat. So genau kenn ich mich da nicht aus, hat irgendwas mit Zucker im Blut zu tun. Jedenfalls find ich es echt spooky, dass sie sich jeden Morgen so ’ne Nadel in den Bauch oder ins Bein oder so jagt. Könnte ich nie im Leben!

Gott sei Dank konnte ich auch abwenden, dass ich morgen Abend mit zu der Versammlung von Tante Charlottes Tierschutzgruppe gehen muss. Als ich sie fragte, ob da auch Leute in meinem Alter sind, sagte sie nämlich echt: »Noch nicht. Aber wir würden uns über Nachwuchs sehr freuen. Natur- und Tierschutz geht uns schließlich alle an. Und ihr Jungen werdet ja schließlich noch länger etwas von der Artenvielfalt haben als wir.« Wahrscheinlich hockt da also ein Haufen Omis und Opis, die nichts anderes zu tun haben, als sich über eine entlaufene Katze und die Vögel in ihrem Garten zu unterhalten. Nö, danke!

Außerdem brauche ich ein bisschen Zeit für mich. Ich muss in Ruhe darüber nachdenken, wie ich es hinkriegen kann, dass dieser affenscharfe Englisch-Referendar mit mir rummacht.

Torben Meier. Tätätätä!

Genau das ist nämlich jetzt mein Ding.

Wieso krieg ich immer diese unlösbaren Aufgaben?

Als ich dran war, mir eine für Nadine auszudenken, war ich voll human. Das Ganze war echt nicht schwer! Schließlich hat Ramona ihr sogar geholfen, indem sie oben neben dem Kunstraum den Feueralarm ausgelöst hat. Während alle rausrannten, war es ein Leichtes, ins Lehrerzimmer zu huschen und aus den Jacken und Taschen die ganzen Autoschlüssel einzusammeln. Na gut: Pech, dass der Hausmeister bei der anschließenden Suchaktion schon ziemlich bald auf die Idee kam, im Mädchenklo den Abfall auszuleeren. Aber dieses hektische Herumgerenne und Gesuche war die Sache auf jeden Fall wert. Wir haben uns echt gekringelt vor Lachen.

Aber wie soll ich das mit Torben Meier hinkriegen?

Ich meine, klar würd ich gern mal mit ihm rummachen. Welches Mädchen würde das nicht? Aber er ist nun mal kein Typ aus unserer Stufe, sondern ein Referendar. Was nicht das Gleiche ist wie ein Lehrer, hat Ramona gesagt. Trotzdem ist es scheißemäßig verboten. Schließlich bin ich noch nicht volljährig. Und er ist … na ja, keine Ahnung, wie alt er ist. Auf alle Fälle aber schon ein richtiger Mann. Auch wenn er ziemlich locker zu sein scheint. Schon allein wie er sich anzieht und so. Und dann hat er ja auch gleich zu Beginn angeboten, dass wir ihn duzen können. Die anderen Lehrer sagen »Sie« zu uns. Aber er meinte, dass der Altersunterschied zwischen ihm und uns Oberstufenschülern ja gar nicht so gravierend sei und dass er uns gern mit Vornamen und »Du« anreden würde, wenn wir das bei ihm auch machen. Er findet also selbst, dass wir gar nicht sooo weit auseinanderliegen.

Aber trotzdem. Echt, ich hab null Plan, wie ich das anstellen soll. Mein Hirn ist komplett blockiert. Ich meine, der Typ sieht echt aus wie ein Elfenprinz. Nur ohne die spitzen Ohren natürlich.

Ich wette, Nadine würde es zu gern selbst versuchen!

8. CHARLOTTE

Wie unschuldig Lotta doch noch ist … Dieses Noch-beinahe-Kind-Sein strömt ihr aus allen Poren. Kein Wunder. Sie ist ja erst siebzehn.

Als sie heute Morgen in der Schule war, bin ich in ihr Zimmer gegangen und habe ihr Bett gemacht. Sonst habe ich nichts angefasst! Schließlich ist Privatsphäre mir selbst heilig. Aber wie ich mich so umsah, wurde mir klar, wie eingeschränkt ihr Horizont noch ist. Es lagen ein paar Bücher herum, in denen es um Erste Liebe und romantische Verstrickungen geht. In den Zeitschriften neben dem Bett geht es in etwa um das Gleiche, nur dass da Prominente die maßgebliche Rolle spielen. Nirgends ein Hinweis darauf, dass sie sich für das Weltgeschehen, für Politik im weitesten Sinne oder für den Umweltschutz interessiert.

Gestern Abend hat sie mich doch allen Ernstes gefragt, wie es kommt, dass die Eier im Kühlschrank keinen Stempel tragen! Dabei hat sie schon ein paar Mal Bemerkungen über meine hübschen Hühner gemacht, die im Hof herumgackern. Somit wäre doch wohl geklärt, woher unsere Eier stammen! Und sie wird doch wohl nicht annehmen, dass die Hühner sie üblicherweise selbst stempeln?

War ich auch so, als ich siebzehn war?

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kann ich mich in erster Linie an den Rummel erinnern, den alle um Irmgards Herzerkrankung gemacht haben. Sobald sie ein Hüsteln vernehmen ließ, sprang Mutter auf und Vater schaute besorgt.

Wie oft durfte ich nicht mit anderen Kindern draußen herumstreunen, weil meine kleine Schwester im Haus bleiben musste und Gesellschaft brauchte! Da hatten es die Nachbarsjungen doch viel besser. Denen hat niemand was verboten. Sie durften Fußball spielen und im Obsthof Baumhäuser bauen. Wahrscheinlich hätte unsere Mutter mir das auch dann nicht gestattet, wenn ich nicht auf Irmgard hätte aufpassen müssen. Schließlich waren das keine Spiele für kleine Mädchen – egal wie wild und unbändig sie auch sein mochten.

Aber vielleicht war Mutter zwischendurch schon klar, wie sehr die Krankheit meiner jüngeren Schwester mein eigenes junges Leben eingeschränkte. Wahrscheinlich durfte ich deswegen die beiden Kaninchen behalten, die eigentlich als Braten fürs Osterfest angeschafft worden waren: Max und Moritz. Wobei Max sich dann als Maximiliane herausstellte. Wie sonst hätte das mit den Kaninchenbabies erklärt werden können? Die konnte ich allerdings leider nicht vor dem ihnen zugedachten Schicksal bewahren, als sie entsprechend groß geworden waren. Deswegen habe ich nie in meinem Leben Kaninchen gegessen!

Meine Güte, ja, da muss ich schon etwa in dem Alter gewesen sein, in dem Lotta jetzt ist. Ebenfalls noch voller Unschuld.

Ich weiß noch, dass ich komplett verblüfft war, als ich mitbekam, dass Irmgard mit Fritz von nebenan flirtete. Meine kleine Schwester, zwei Jahre jünger als ich, herzkrank, aber in dieser Hinsicht schon sehr rege …

Verwundert stellte ich damals fest, dass ich selbst keine solchen Ambitionen hegte. Ich dachte, die Liebe sei für mich einfach nicht gedacht.

Bis ich an der Fachhochschule Renate traf.

Meine Güte! Ich muss schmunzeln, wenn ich daran denke, wie verwirrt ich war.

Die ganze Welt schien Kopf zu stehen. Und ich mit ihr.

Wie wir umeinander herumgeschlichen sind, monatelang! Und dann. Wie süß und verheißungsvoll. Wir trafen uns meist in meinem kleinen Zimmer, vorgeblich um zu lernen und gemeinsam Referate zu erarbeiten. Meine Vermieterin war sehr angetan von diesen beiden strebsamen Mädchen. Wenn sie gewusst hätte!

Ich weiß noch, wie beseelt ich von meiner neu gewonnenen Freiheit und dem Gefühl der Ungebundenheit war. Wie ein gasgefüllter Luftballon auf der Kirmes, der sich von der Kinderhand losreißt und in wildem Taumel gen Himmel schießt, um immer höher und höher zu steigen.

Ich fühlte mich, als wäre ich zum ersten Mal im Leben wirklich glücklich.

9. LOTTA

Schwein muss der Mensch haben!

Heute Mittag stand ich mutterseelenallein an der Bushaltestelle und wartete auf meinen Bus. Na ja, am Anfang war ich mutterseelenallein. Dann kam irgendwann auch Jill dazu und wir haben gemeinsam gewartet. Was aber nicht kam, war der Bus.

Jill stöhnte schon und meinte, das passiere manchmal, wenn ein bestimmter Busfahrer Dienst habe. »Ich glaube, der vergisst einfach, dass er von Montag bis Freitag den Schlenker übers Schulzentrum fahren muss. Bin ja schließlich nur ich, die hier einsteigt … und neuerdings auch du«, sagte sie und sah mich mit einem schiefen Grinsen an.

Ziemlich blöd nur, dass der nächste Bus dann erst wieder in einer Stunde kommt.

So standen wir also da und sahen zu, wie alle anderen nach und nach in ihren Bussen verschwanden und nach Hause fuhren. Na, super …

Wenn es wenigstens eine meiner Freundinnen gewesen wäre, mit der ich da in der Kälte hätte warten müssen. Aber Jill ist ja nun nicht meine Freundin. Und außerdem ist sie irgendwie ein bisschen komisch. Man merkt ihr an, dass sie auf die andere Seite vom Gymi geht. Musische Ausrichtung. Harr, harr! Singen. Tanzen. Steppen. Die lernt steppen! Allen Ernstes! Ich meine, wozu soll man das denn später mal brauchen? Will sie etwa bei einem Vorstellungsgespräch bei irgendeiner Firma aufstehen und denen eine Runde vorsteppen? Voll die Lachnummer. Und dann dieses ständige Herumgefuckel mit Pinseln und Ton und Speckstein. Wär nix für mich.

Aber was schwafel ich hier über Jill! Die ist doch total nebensächlich. Denn als wir so dastanden und ich schon kaum noch wusste, was ich noch sagen soll, hielt plötzlich vor uns ein roter Sportwagen.

Ich glaub jedenfalls, dass es ein Sportwagen ist. Weil der Motor ziemlich laut war und die Reifen sehr breit mit so weißen Streifen. Ich glaub, so was haben nur Sportwagen.

Drinnen saß jedenfalls … Torben Meier! … Torben.

Er ließ das Fenster runter und grinste mich an. Ich dachte, ich krieg einen Herzinfarkt oder so was.

»Na, Lotta, was stehst du denn noch hier rum?«, fragte er.

»Unser Busfahrer hat uns hängen lassen«, antwortete ich ziemlich lässig. Gute Antwort, find ich.

»Wo musst du denn hin?«, wollte er wissen.

Ich dachte nur so bei mir: Cool bleiben, Lotta! Wahrscheinlich fragt er einfach nur so nach. Das muss nicht das bedeuten, was du gleich denkst, dass es bedeuten könnte! Auch wenn er das ›uns‹ voll übergangen hat!

»Richtung Kemnade. Ich wohn da für ’ne Weile bei meiner Tante auf einem ziemlich einsamen Hof, auf der anderen Seite der Ruhr«, sagte ich.

»Na, dann spring mal rein. Das ist genau meine Richtung«, meinte er und winkte mit der Hand.

Ich hatte recht! Ich hatte recht! Er wollte mich echt nach Hause fahren! Voll krass! Aber da war ja auch noch Jill.

Die mich ansah, als fände sie diesen absolut göttlichen Typen ziemlich abtörnend.

Ich blickte zurück und dachte, dass es wohl ziemlich daneben wäre, sie jetzt allein hier stehen zu lassen. Aber da sagte Torben auch schon: »Deine Freundin kann natürlich auch mitfahren.« Echt der Hammer!

Ich sah Jill auffordernd an. Ehrlich, ich glaube, dass sie tatsächlich erst ablehnen wollte. Aber dann sah sie, dass ich schon meine Tasche über die Schulter schwang. Und da kam sie doch mit.

Ich setzte mich natürlich nach vorne. Schließlich hatten wir ja mir diese Gelegenheit zu verdanken. Jill stieg hinten ein.

»Hallo, Torben Meier. Ich bin Lottas Englischlehrer«, stellte er sich ihr vor, während er über die Schulter sah und checkte, ob sie sich auch anschnallte.

»Hallo«, sagte Jill einsilbig. Und dann sagte sie nichts mehr. Im Außenspiegel konnte ich sehen, dass sie die ganze Zeit nur aus dem Fenster schaute.

»Kommt doch hoffentlich nicht öfter vor, dass der Busfahrer euch hängen lässt, oder?«, fragte Torben.

»Offenbar schon«, sagte ich. »Aber das macht überhaupt nichts, wenn dann ein Privatchauffeur einspringt.«

Er lachte und ich lachte mit. Nur Jill saß stumm da hinten.

»Na, das mach ich doch gern«, sagte Torben und zwinkerte mir zu. Natürlich nur ganz kurz, so von der Seite, schließlich musste er ja nach vorn auf die Straße schauen. Aber ich bin ganz sicher, dass er gezwinkert hat. Und plötzlich wurde ich voll aufgeregt. Ich meine, eigentlich hab ich bisher geglaubt, dass ich diese Aufgabe, die Nadine sich da für mich ausgedacht hat, sowieso nicht hinkriegen kann. Schließlich bin ich keine Lolita, die einfach loszieht und sich den tollsten Typen der Schule angelt. Wäre ja auch okay. Dann hätte ich den anderen halt mal wieder einen Kinoabend ausgegeben. Wie wir es immer machen, wenn eine von uns eine Aufgabe nicht gepackt hat.

Aber als ich jetzt so neben ihm in seinem echt schicken Sportwagen saß und er mir zuzwinkerte, da dachte ich plötzlich: Vielleicht schaff ich es ja doch?

Au Mann. Was würden die anderen für Augen machen!

Leider ging es dann nicht ganz so toll weiter. Aber na ja, worüber soll man sich auch mit einem megageilen Typen, der aber leider der Englisch-Referendar ist, unterhalten, wenn jemand mithört? Also sprachen wir über den Text, den wir heute in der Stunde gelesen hatten, und darüber, wie man ihn interpretieren könnte.

Nur ganz zum Schluss, als Torben in unsere Hofeinfahrt eingebogen war und anhielt, um uns aussteigen zu lassen, meinte er noch: »Na, jetzt hab ich ja fast alles ausgeplaudert, was in eure Hausaufgabe gehört.«

Ich winkte ganz lässig ab und erwiderte: »Mach dir keine Sorgen. Ich kann schweigen wie ein Grab.«

Da sah er mich ganz intensiv an. Mit seiner Antwort wartete er tatsächlich, bis Jill ausgestiegen war. Und dann sagte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte: »Das klingt gut.«

Boah, Wahnsinn! Ich bin ja so was von gespannt, wie die anderen gucken werden, wenn ich ihnen das morgen erzähle!

Als wir über den Hof gingen, war ich total weggetreten und hab mir schon ausgemalt, wie ich es ihnen am besten sage, so mit richtig viel Effekt. Da meinte Jill doch echt zu mir: »Der Typ hat schlechte Vibes, wenn du mich fragst.«

Ich war echt … na ja, sprachlos! Ich wusste wirklich nicht, was ich antworten sollte. Aber dann habe ich gesagt: »Ach, ja? Ich frag dich aber nicht.«

Das war ja wohl die beste Antwort auf so einen voll blöden Spruch!

10. CHARLOTTE

Endlich ist der Schnee so weit weggetaut, dass wir wieder mit der Walkinggruppe unterwegs sein können. Ich freute mich sehr auf die Bewegung, von Molly mal ganz zu schweigen. Sie hat regelrecht getobt, als ich meine Stöcker rausholte.

Doch leider kam ich dann von unserem gemeinsamen Lauf mit recht gemischten Gefühlen wieder heim. Und das kam so: Die anderen waren gespannt wie die Flitzebögen, wie sich das Zusammenleben mit meiner Großnichte nun gestaltet.

»Isst sie denn auch alles?«, fragte Rosemarie. Offenbar ist sie von ihren Enkelkindern einiges gewohnt, was Nahrungsverweigerung angeht. »Ich meine, gesunde Sachen.«

Ich musste zugeben, dass Lotta dazu neigt, Lebensmittel zu bevorzugen, auf deren Verpackung alarmierenderweise die Kontrolle durch Lebensmittelchemiker versichert wird.

Elena und Hedwig, die ja beide keine Kinder haben, waren der Meinung, ich solle am besten Gemüse und Obst in kleine Häppchen schneiden und schön bunt anrichten. »Ich hab neulich noch gelesen, dass diese farbigen Reize Kinder dazu anregen, zuzugreifen«, erzählte Hedwig. »Deswegen funktionieren auch diese ganzen bunten Süßigkeiten so gut.«

Eine Weile sprachen wir darüber, wie ich Lotta davon überzeugen könnte, Burgerläden zu meiden und entschieden weniger zuckerhaltige Brausegetränke zu konsumieren.

Doch wie der Teufel es wollte, kamen wir dann an der unteren Bank auf dem schönen Höhenweg vorbei. Dort saß ein junges Pärchen, das sich ineinander verknotet zu haben schien. Auch als sich das Klackern unserer Walkingstöcke näherte, unterbrachen sie ihre Knutscharie nicht.

Das Mädchen war vielleicht sogar noch jünger als Lotta und saß bei dem Jungen auf dem Schoß, während sie sich so eng umschlungen hielten, als fürchteten sie, von einer Tsunamiwelle auseinandergerissen zu werden.

Molly knurrte ein bisschen, weil sie diesen Menschenklumpen wohl unheimlich fand. Armes Ding. Na, so was kriegt sie daheim nicht zu sehen.

Wir schwiegen, während wir vorbeiliefen. Aber natürlich sahen wir alle hin und uns dann gegenseitig an. Elena, die mit ihren zweiundsiebzig zwar die Älteste von uns ist, es aber trotzdem immer noch faustdick hinter den Ohren hat, kicherte: »Die Klammertechnik war nicht schlecht.«

»Hat Lotta denn auch einen Freund?«, wollte Rosemarie wissen.

»Oder eine Freundin?«, setzte Hedwig rasch und ziemlich laut hinzu.

Ich sah mich um, aber es war Gott sei Dank niemand in der Nähe. Und das junge Paar, vielleicht noch in Hörweite, war ganz offensichtlich vollkommen mit anderem beschäftigt.

»Oder eine Freundin«, wiederholte Rosemarie leiernd, als könne sie Hedwigs politische Korrektheiten nach all den Jahren der gemeinsamen sportlichen Aktivitäten langsam nicht mehr hören.

»Tu doch nicht so, als wäre das so egal, ob es ein Freund oder eine Freundin ist«, erwiderte Elena prompt, um ihrer lieben Hedwig beizuspringen. »Wie wir alle wissen, ist das ein großer Unterschied.«

»Der aber nicht in aller Öffentlichkeit diskutiert werden muss«, mischte ich mich schnell ein.

Rosemarie verdrehte die Augen und Elena und Hedwig warfen sich einen dieser Blicke zu, die ich regelmäßig zu ignorieren versuche.

»Hat sie denn nun oder hat sie nicht?«, hakte Rosemarie nach.

»Nein«, sagte ich und geriet gleichzeitig mit den Stöcken durcheinander. Ich musste ein paar Schritte ohne laufen, um wieder den richtigen Rhythmus zu finden. »Weder noch, soweit ich weiß.«

»Soweit du weißt? Meinst du denn, sie würde es dir sagen?«, fragte Hedwig spitz.

»Wieso denn nicht?«, grunzte ich.

»Einer alleinstehenden Großtante? Die ihr ganzes Leben lang weder geheiratet hat noch …«

»Danke! Ich weiß, was ich weder noch getan oder nicht getan habe«, unterbrach ich Hedwig rasch, bevor sie weitersprechen konnte. Fehlte mir noch, dass hier auf einem Waldweg mein Liebesleben ausgebreitet würde! Das seit zehn Jahren sowieso nicht mehr existiert.

»Hedwig hat aber schon recht«, klinkte sich Rosemarie noch mal ein. »Junge Leute brauchen immer einen Spiegel, um sich öffnen zu können. Und wenn Lotta davon ausgeht, dass du selbst nie ein erfülltes Liebesleben gehabt hast, wird sie dir von ihrem wahrscheinlich keinen Ton erzählen.« Seit sie pensioniert ist, kommt die Pädagogin in ihr noch stärker raus.

»Oder von ihrem Liebeskummer, den sie vielleicht hat«, warf Hedwig ein. »Eigentlich schade, dass sie nicht weiß, dass du dich gerade da ziemlich gut auskennst!«

»Lasst jetzt mal die Charlotte in Ruhe!«, rief Elena da mit ihrem typischen temperamentvollen Gehabe. »Wir haben schließlich gut lachen. Du hast deine Sofakartoffel Hanne zu Hause sitzen, Rosemarie, und wir haben uns.« Sie warf Hedwig einen ihrer glutvollen Blicke zu. »Ist nicht fein, jetzt auf Charlotte rumzuhacken, nur weil ihre Familie nicht Bescheid weiß.«

Seufz. Ich weiß ja, dass sie es nur gut meinen.

In der Zeit mit Helga haben sie eingesehen, dass es höchst unklug wäre, wenn ich irgendjemandem außer ihnen etwas davon erzählt hätte. Eine verheiratete Frau! Du lieber Himmel! Da wäre es auch egal gewesen, dass sie und ihr Mann nur noch eine freundschaftliche Beziehung führten.

Aber seit es vorbei ist, können sie es nicht lassen, mich immer mal wieder darauf hinzuweisen, wie unglaublich befreiend es ist, der ganzen Welt zu offenbaren, wen man liebt. (Oder eben leider nicht mehr lieben darf.)

Das mag für sie ja zutreffen. Aber ihr Standpunkt ist dabei halt auch ein ganz anderer: Elena und Hedwig sind schon fast seit dreißig Jahren zusammen und immer noch ganz selig miteinander. Von der Familie bis zu den Nachbarn wissen alle Bescheid und finden sie zusammen grandios. Und Rosemarie, die nach ihrer vor zwanzig Jahren gescheiterten Ehe ein paar Versuche mit Rechtsanwältinnen, Apothekerinnen und Zahnärztinnen unternahm, hatte vor drei Jahren das sagenhafte Glück, über eine Partnervermittlung im Internet ihre Hanne, ehemalige Kindergärtnerin und für Rosemarie genau die Richtige, kennenzulernen. So was ist in unserem Alter wie ein Lottogewinn. Sie sind sehr glücklich miteinander, auch wenn für Hanne Sport ein rotes Tuch ist. Ich glaube, Rosemarie ist ganz froh darüber, dass sie daher nach wie vor unsere Laufrunde dazu nutzen kann, um ab und zu auch mal über die Gattin daheim zu lästern.

Die kleinen Pieksereien gegen mich entspringen wohl einfach dem Wunsch der drei, ich möge ähnlich frei und lustig durchs Leben hüpfen wie sie.

Dabei übersehen sie vollkommen, dass jegliche Offenbarung über das Ziel meiner Liebe komplett sinnlos ist. Wo es solch ein Ziel doch gar nicht gibt!

11. LOTTA

Ich glaube, das ist irgendwie Schicksal oder so. Mama ist ganz weit vom Schuss und ich soll jetzt sozusagen mein erwachsenes Leben ausprobieren.

Umso ärgerlicher, dass Nadine mir nicht glauben wollte, dass ich mittlerweile auf dem besten Wege bin, diese Aufgabe, die sie mir gestellt hat, tatsächlich zu knacken.

Ich meine, wenn das Auflesen an der Bushaltestelle am Mittwoch eine einmalige Sache gewesen wäre, hätte ich daran wohl auch nicht geglaubt. Aber schon heute, nur zwei Tage später also, als ich nach der letzten Stunde dort stand, hielt wieder der rote Wagen neben mir!

Diesmal war ich allein, weil Jill noch Chorprobe hatte. Ich hatte doch tatsächlich gerade gedacht, dass es mit ihr zusammen auf alle Fälle netter ist, auf den Bus zu warten. Doch als dann das Auto hielt, war es einfach nur megageil, dass ich vollkommen allein war …

»Na, spring rein!«, sagte Torben nur und beugte sich sogar auf die andere Wagenseite, um die Beifahrertür von innen zu öffnen. Echt charming! Ich stieg ein. Nachdem ich mich angeschnallt hatte und wir losfuhren, versuchte ich, meine Beine so auszustrecken, dass sie lang und gertenschlank aussehen.

Torben grinste mich von der Seite an, sooo süß, und wir haben über alles Mögliche in der Schule gesprochen.

Es war total anders als neulich, als Jill dabei war.