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Heinz Gebhardt

Als die Oper mit Bier gelöscht wurde

Heinz Gebhardt

Als die Oper mit Bier gelöscht wurde

Münchner Bilder und Geschichten von 1158 bis heute

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Stiebner Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-8307-1061-5).

Motiv Cover:

»Vorstellung der Feuersbrunst des königlichen neuen Hoftheaters in München am 14ten Jänner 1823 Abends 1/2 8 Uhr«

Zeitgenössische colorierte Lithographie

(Siehe auch den Beitrag »Großbrand im Nationaltheater mit Hofbräu-Bier gelöscht«)

Bildquellen:

Bayerische Staatsgemäldesammlungen; Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv; Deutsches Museum; Diözesanmuseum Freising; Herzog August-Bibliothek; Monacensia Stadtbibliothek; Münchner Stadtmuseum; Stadtarchiv München; Stadtbauamt München; Städtische Galerie im Lenbachhaus; Valentin Musäum München; Wittelsbacher Ausgleichsfonds und Bildarchiv des Autors.

Herstellung und Layout (Printausgabe):

Verlagsservice Peter Schneider /

EDV-Fotosatz Huber, Germering

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

3., erweiterte Neuauflage 2016

© 2016 Stiebner Verlag GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Wiedergabe, auch auszugsweise,

nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags

www.stiebner.com

ISBN 978-3-8307-3012-5

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Münchner Madln sind die Schönsten!

Die ersten Münchner

1158Die Geburtsurkunde unserer Stadt

1158Wo lebten die ersten Münchner?

1550Isargold im Weinstadl

1568Der Mittlere Ring vor 450 Jahren

Kaiser, Kurfürsten und Hofnarren

1168München-Gründer Heinrich der Löwe, 39, heiratet 12-jährige Engländerin

1261Wurde Kaiser Ludwig von einem Affen entführt?

1615200 Frauen als Hexen lebendig verbrannt

1632Schwedenkönig wollte die Residenz nach Stockholm rollen

1789Vom Militärpark zum Englischen Garten

1797Warum der Karlsplatz Stachus heißt

1799Wer war denn dieser Graf Montgelas?

1800Münchens letzter Hofnarr Prangerl

»Die Münchner sind große Säufer«
München und sein Bier

1447Herzog Albrecht schrieb ab: Das »Reinheitsgebot« von 1487 erfanden die Münchner schon 40 Jahre früher!

1810232 Hektoliter Bier beim ersten Oktoberfest

1818Münchens erste Bierkönige

1823Großbrand im Nationaltheater mit Hofbräu-Bier gelöscht

1837Wie Äquator zum Starkbier wurde

1848Blutige Kämpfe um den Bierpreis

1879Erster Oktoberfest-Einzug war grober Unfug

1950»Ozapft is« auf der Nachkriegs-Wiesn

1950»Löööwenbräu!«

1984Das Waterloo des Wirte-Napoleons

Von der Sendlinger Bauernschlacht zum 2. Weltkrieg

17051100 Tote bei der Sendlinger Bauernschlacht

1805Napoleon am Stachus

1866Münchens ältester Baum erzählt

1871Die Preußen kommen!

1918Die »königlich-bayerische Revolution«

1933Der Weg in Münchens Untergang

1943Die »Weiße Rose«

1944»München brennt wie wild!«

1945Der Alte Peter sollte gesprengt werden

1947762.573 Münchner hungern: Zum Leben zu wenig – zum Sterben zuviel

»… würde München gewiß Ehre machen!«
München und seine Künstler

1480Geheimnisvolle Moriskentänzer

1733Die Asam-Brüder und der Münchner Barock-Himmel

1777Wolfgang Amadeus Mozart: »Ich würde München gewiß Ehre machen«

1786Geheimrat Goethe geheim in München

1839Wer war Spitzwegs »Armer Poet«?

1857Künstlerfasching – einfach königlich!

1897Streng geheim: Malerfürst Lenbach war auch Fotograf!

Königliche Haupt-und Residenzstadt

1806König Max ohne Krone

1825König Ludwig I. gibt München ein neues Gesicht

1834»Majestät: Wer ko, der ko!«

1834Rauchen verboten!

1838Der Zither-Maxl auf der Cheopspyramide

1840Die Pin-up-Girls Seiner Majestät

1841Königliches Vollbad im Hotel Bayerischer Hof

1846Lola und der Vesuv-Ausbruch des Königs

1848Cornelia war das Modell der Bavaria

1854Ein Palast des Unglücks – 3000 Cholera-Tote nach Glaspalast-Eröffnung!

1855Erste Gehsteige nach Überreiten von Fußgängern

1856König Max II. und die ungeliebten Nordlichter

1858Königsschmarrn auf der Blumseralm

1858Personenhebemaschine im Hotel Vier Jahreszeiten

1860Freihäuser und Lustdirnen

1861Folter und Hinrichtungen in München

1864War König Max II. der Vater des Märchenkönigs?

1864Hojotoho! Ludwig II. rettet Richard Wagner

1867Königshochzeit geplatzt: »Die Welt soll vergessen, daß eine bayrische Königsbraut gelebt!«

1871Himalaja am Odeonsplatz

1881Der »Kini« und die Frauen – Ein Goldfasan unter Haushühnern!

1884War Ludwig II. ein »crazy King«?

1886Die königlich-bayerische Viererbande

1886Mit Blitz und Donner zur ewigen Ruhe

1886Otto I. – Bayerns vergessener König

»Ein Dorf, in dem Paläste stehen«
München, die nördlichste Stadt Italiens

1488Frauenkirche mit Spitztürmen

1583Das »8. Weltwunder« in der Fußgängerzone

1837Klenze machte München zum »Isar-Athen«

1840»Ein Dorf, in dem Paläste stehen«

1845Die Erstbesteigung der Bavaria

1853Häme über die Hosentürl-Gotik der Maximilianstraße

1956Das ungebaute München: Die Bavaria trägt einen Minirock

Münchens Erfindergeist: Vom Suppenwürfel zur Fotografie

1792Alois Senefelder erfindet die Lithographie

1813Fraunhofer brachte uns die Sterne näher

1838Das erste Foto Deutschlands: Die Münchner Frauenkirche

1841»Der Münchner« dampfte mit 59 km/h nach Augsburg . .

1852Justus von Liebig, der Erfinder des Suppenwürfels

1854Max von Pettenkofer: Münchens Saubermann trank Cholera-Bakterien und blieb gesund

1854Münchens erste Nacktfotos in den »Geheimen Cabinetten mit Nuditäten«

1857Die höchste Eisenbahnbrücke der Welt und ihre traurige Geschichte

1882Wie der elektrische Strom nach München kam

1899Die tollkühnen Münchner in ihren ratternden Kisten

München leuchtete

1895Lenin in »Wahnmoching«

1900»München leuchtete« in der Prinzregentenzeit

1902Der Räuber Kneißl: In München habens ihn herg’richt, in Augsburg habens ihn hing’richt

1903Der legendäre »Alte Simpl«

1905Das Münchner Kindl und sein Modell

1905Vom Groschenwagen zur U-Bahn

1905Champignonzucht im U-Bahnschacht

1910Biergarten neben dem Rollfeld

1911München und »Der Blaue Reiter«

Deutschlands heimliche Hauptstadt

1945»A Ami, der a Radl flickt«

1949Rama dama – München räumt auf

1950»Gebildete Dame mit unzüchtigem Charakter«

1952Weltstars in Deutschlands heimlicher Hauptstadt

1954Triumphzug zum Marienplatz: Deutschland ist Fußballweltmeister

1954Die Stinkkarren vom Wimmer Damerl

1955Sensationelle Prozesse: Von »Old Schwurhand« zu Vera Brühne

1957Endlich Millionendorf!

1958Münchner Flugzeug-Katastrophen

1965Von der Staatlichen Turnanstalt zum FC Bayern

Die wilden 60er Jahre

1962Die Schwabinger Krawalle

1965Der Schah, de Gaulle und die Queen

1966Yeah! Yeah! Yeah! – Die Beatles sind da!

1968Die Gewalt eskaliert: Zwei Tote bei 68er-Demonstration

1969Deutschlands erste Herzverpflanzung

1969Demo für Minirock und gegen den BH

1969Zwei kleine Italiener

Wir sind Papst

1971Als Eckart Witzigmann die Münchner zu Feinschmeckern machen wollte …

1972Heitere Spiele und Olympia-Attentat

1979Nach dem Glockenspiel zu den Nackerten!

1985Celibidache in der Kulturvollzugsanstalt

1987Valentin-Orden für Papst Benedikt

1990Schickeria-Morde in Münchens Scheinwelt

1993Christian Ude: Vom Anzapf-Trauma zum Traum-Anzapfer

1996Später Dank an Richard Wagner

2002Sturm auf die Pinakothek der Moderne

2005Hochhäuser im Millionendorf

2009Die größte Kunstausstellung der Welt

Nachwort

»Denn ich bin in München verliebt!«

Liebeserklärungen ans Münchner Kindl

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Schöne Münchnerin im »Mathäser«, 1888

Einleitung

Die Münchner Madln sind die Schönsten!

Wenn etwas in München seit seiner Gründung unverändert Bestand hat, dann ist es die legendäre Schönheit der Münchner Madln! Dass die Amerikaner in den 1950er Jahren das »Deutsche Fräuleinwunder« in München entdeckten, ist ja kein Zufall. Lange bevor Ludwig I. seine Galerie mit schönen Münchnerinnen anlegte, schwärmte bereits 1782 Lorenz von Westenrieder in seinem Buch »Über den Charakter der Eingeborenen« von den Münchner Madln als den schönsten im Lande: »Das Frauenzimmer wird unter das schönste in Deutschland gezählt.« Und Westenrieder war wahrlich kein Frauenheld wie Ludwig I., sondern Jesuitenpater! Vor 268 Jahren in München geboren, war er Professor für Rhetorik und Poetik, Sekretär der Akademie der Wissenschaften und schrieb neben historischen Werken auch Romane und Theaterstücke. Er gilt als einer der bedeutendsten bayerischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts. Auf dem Promenadeplatz steht sein Denkmal und in der Ruhmeshalle seine Büste. Ihm verdanken wir die älteste und genaueste Beschreibung des Münchner Lebens, vor allem aber der Münchnerinnen und Münchner: »Der wahre eingeborne Münchner ist sehr leicht von einem andern wegzukennen. Er ist höflich und schämt sich, jemand eine Schmeicheley zu sagen, welche der andere nicht verdient oder woran sein Herz nicht denkt. Er spricht über seine Angelegenheit ohne allen Umweg, und setzt durch seine Kühnheit den Fremden in Erstaunen. Denn der Eingeborene heuchelt nicht und wo ihm etwas mißfällt und Unrecht deucht, sagt ers geradezu und beurtheilt öffentlich den Vornehmen wie den Niedern. Die Musik gehört zu den Lieblingsfreuden der Einwohner. Überhaupt sind sie sehr empfindsam und weinen herzliche Thränen bei einer tragischen Vorstellung.« Und über die sprichwörtliche Bescheidenheit der Münchner: »Es haben hier ununterbrochen berühmte Künstler und Gelehrte gelebt, und sie bemühten sich nicht im geringsten, wie sie bekannt werden möchten, und sind es bey dem Auslande immer mehr als zuhause gewesen.« Und noch etwas ist unverändert, wie wir dank den Beobachtungen Westenrieders jetzt wissen, nämlich der Immobilienstandort München: »Es ist hier gut seyn, und wer nur eine kleine Zeit zugegen ist, will hier seine Wohnung bauen.«

Vorwort zur erweiterten Neuauflage

Münchner Stadtgeschichte kann trocken und eintönig sein, Geschichten über die Münchnerinnen und Münchner sind das nie: Drum erscheint »Als die Oper mit Bier gelöscht wurde« jetzt schon in der dritten Auflage mit 20 weiteren unbekannten, aber nicht minder interessanten Ereignissen aus der 858jährigen Stadtgeschichte. Zum Beispiel welche unglückliche Liebe dem Bildhauer Ludwig von Schwanthaler Modell für die Bavaria, dem Bayerischen Nationaldenkmal gestanden hat: Sie war eine Schönheit vom Lande und hieß Cornelia. Oder wer hinter der bekanntesten Stimme des Oktoberfestes steckt, die seit 1950 ihr »Löööwenbräu!« über die Wiesn brüllt. Und wie uralt Rauchverbote in München sind, ja dass sogar einmal in der ganzen Stadt das Rauchen verboten war, nur daran gehalten hat sich halt niemand … Oder die Geschichte von Eckart Witzigmann, der als »Koch des Jahrhunderts« München mit dem Tantris und der Aubergine zum Mekka der Feinschmecker in ganz Europa machte. Aber wenn er in den 1970er Jahren auf dem Viktualienmarkt nach Ruccola, Estragon und Bärlauch Ausschau hielt, war bei den Marktfrauen Alarmstufe Rot: »Jetzt kommt wieder der G’spinnerte und will diese Giftpflanzen!« Ja so sind’s, die Münchnerinnen und Münchner, mehr darüber in diesem Buch!

Die ersten Münchner

1158
Die Geburtsurkunde unserer Stadt

Im Juni 1158 trafen sich in Augsburg drei Verwandte: Kaiser Friedrich I. Barbarossa, Bischof Otto von Freising und Herzog Heinrich der Löwe. Geregelt werden sollte »der Streit, der über den Markt zu Föhring und München hin- und hergeht«, wie es im Dokument vom 14. Juni 1158 heißt. Oder: Wer verdient am wichtigsten Ost-West-Handelsweg am meisten, der Bischof von Freising oder der Herzog in München.

Es wurde beschlossen, dass das Markt- und Münzrecht in München verbleibt. Der Bischof erhält ein Drittel des Münchner Marktzolls und der Münzeinkünfte. Umgekehrt bekommt München ein Drittel der Freisinger Münzeinkünfte. Von einer Vernichtung der Föhringer Brücke ist in der »Geburtsurkunde Münchens« keine Rede.

Erst in einer zweiten Urkunde, von 1180, wird eine Zerstörung der Brücke erwähnt, ohne dass ersichtlich ist, wann sie stattgefunden hat: Vor 1158 – um diese Regelung zu erzwingen – oder nach 1158, weil die Abmachungen nicht eingehalten wurden?

Die Lage hatte sich 1180 total verändert: In Freising war ein neuer Bischof im Amt und Heinrich der Löwe bei Barbarossa in Ungnade gefallen und nach England ins Exil geflüchtet. Kaiser Barbarossa widerrief seinen Schiedspruch von 1158 – doch das Rad der Geschichte, die vollendeten Tatsachen von 1158 konnte er nicht mehr zurückdrehen: München war schon zu stark geworden, um in die Unbedeutendheit eines Dorfes zurückzufallen.

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Der »Augsburger Schied« vom 14. Juni 1158, die Geburtsurkunde Münchens. Das Original liegt im Bayerischen Hauptstaatsarchiv

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Hervorgehobene Innenstadtbereiche kennzeichnen die »Keimzellen« Münchens. Altheimer Eck (links), Petersbergl (mitte), Alter Hof (rechts)

1158
Wo lebten die ersten Münchner?

»Die Erforschung der ältesten Münchner Stadtgeschichte ist längst zu einer wortklauberischen Ansichts- und Glaubenssache geworden«, schrieb schon vor 30 Jahren völlig entnervt Hans F. Nöhbauer in seiner Geschichte der Stadt und ihrer Bürger. Nicht anders heute: Die einzig erwiesene und neue Tatsache in den letzten 60 Jahren, nach der vieles umgeschrieben werden musste, ist die Erkenntnis nach dem Ausschlussverfahren, dass weder die Mönche vom Kloster Tegernsee noch die vom Kloster Schäftlarn die ersten waren, die heutigen Münchner Grund besiedelten.

Bei dem in der »Geburtsurkunde« von 1158 benützten Namen »Munichen« handelt es sich nicht mehr um eine Siedlung »bei den Mönchen«, sondern »bereits um eine zum Ortsnamen geronnene Bezeichnung«, wie es in der von Stadtarchivdirektor Richard Bauer herausgegebenen Geschichte Münchens heißt. Es kann also durchaus schon eine Besiedelung gegeben haben, bei der sich erst später Mönche niederließen, für diese Siedlung dann aber die Bezeichnung »apud monachos«, »bei den Mönchen«, geläufig wurde.

Da also nicht feststeht, ob es Mönche waren oder rein weltliche Personen, ist auch nicht bewiesen, ob das Petersbergl mit dem Alten Peter die älteste Besiedelung Münchens ist. Die Kirche selbst reicht sicher ins 11. Jahrhundert zurück, der wesentlich ältere sogenannte »Alte Raum« unter dem Kirchenschiff gibt aber viele Rätsel auf: Umstritten ist vor allem, ob es sich überhaupt um einen sakralen Raum handelt oder um einen weltlichen, auf den dann später die Kirche gebaut wurde.

Große Rätsel gibt auch das heutige »Altheimer Eck« auf. In den ältesten München-Dokumenten als eigener Steuerbezirk geführt, kommen »Altheim« – am ältesten Nord-Süd-Verkehrsweg gelegen, der zeitlich vor der Ost-West-Salzstraße vermutet wird – aber auch der heutige »Alte Hof«, ein »prä-urbaner Herrenhof«, immer noch als früheste Besiedelungen Münchens in Betracht. Nix g’wiss weiß man in seriösen Historikerkreisen also immer noch nicht und es darf weiter geforscht werden!

1550
Isargold im Weinstadl

Münchens ältestes Bürgerhaus ist 465 Jahre alt und steht in der Burgstraße 5. Der Magistrat der Stadt hatte 1550 das Grundstück erworben und darauf einen Neubau errichtet, der als Weinstadl dienen sollte. Das wichtigste an einem Weinstadl ist natürlich der Keller, in dem auch im Sommer die Fässer kühl gelagert werden können, und wer heute in das Gewölbe hinabsteigt, sieht auf den ersten Blick, dass ein so massiv gebautes Haus nix erschüttern kann. Die darüberliegenden Stockwerke bezog die Stadtschreiberei und die Verwaltung der Isargoldwäscherei. Auch wenn es sich anhört wie ein Märchen: Die Isar führte genauso wie der Inn reines Gold mit sich, natürlich in allerwinzigsten Mengen. Schon 1477 hatte Herzog Ludwig der Reiche von Landshut bis Plattling eigene Goldwäscher unter Vertrag und auch die Kurfürsten Maximilian I. und Maximilian III. hatten die Münchner ermuntert, in der Isar Gold zu waschen. Die Ausbeute war sehr gering, aber es wurden tatsächlich einige Golddukaten aus dem Isargold geprägt.

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Der Weinstadl, Münchens ältestes Bürgerhaus

Nachdem die Stadtschreiberei 1612 ausgezogen war, wurde Johann Ritter von Linprun (1714–1787) neuer Besitzer der Burgstraße 5. Er war Münz- und Bergrat und einer der bekanntesten Mineralogen und Physiker seiner Zeit. Eine historische Zusammenkunft gab es bei ihm im Weinstadl 1758, als »bei strengstem gewissenhaftem Stillschweigen« mehrere Wissenschaftler Kurfürst Max III. Joseph einen »gelehrten Zirkel« vorschlugen, der »alle Theile der Weltweisheit von unnützen Schulsachen und Vorurtheilen« reinigen sollte: Das war die Geburtsstunde der »Bayerischen Akademie der Wissenschaften«. Ein geschichtsträchtiger Ort also, die Burgstraße 5, aber auch wenn man auf die andere Straßenseite schaut: 1771 wohnte hier Wolfgang Amadeus Mozart und komponierte, während am Münchner Bier »er sich delectierte«, seine Oper »Idomeneo«.

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»EX AURO ISARAE« – Gold-Dukaten 1762 aus Isargold geprägt unter Kurfürst Max III. Joseph

1568
Der Mittlere Ring vor 450 Jahren

So putzig klein war München einmal (siehe Abb.) und bis auf Thalkirchen sind alle Orte rund um den heutigen Mittleren Ring weit älter als die Stadt mit der Frauenkirche. Schwabing, oder wie es damals hieß »Schwebing«, lag seinerzeit ganz weit draußen im Norden, und wurde schon 376 Jahre vor der Gründung Münchens in einer Urkunde des »Huasuni Suuapinga« anno 782 erwähnt. Noch ein bisschen älter auf der anderen Isarseite: »Pogenhausen«, anno 776 erstmals beurkundet.

Darunter ist beim »Gasta«, dem »gachen Steig«, zum Ufer hinauf schon ein Vorläuferbau des Gasteig-Kulturzentrums zu sehen und daneben weit vor den Toren Münchens das 350 Jahre ältere Haidhausen. Nur 152 Jahre älter ist Ramersdorf, das erst 1864 von München geschluckt wurde. Interessant ist auch Giesing, 368 Jahre älter, »Kyesinga« hieß es damals und war im Mittelalter Zufluchtsort für Tagelöhner, die in der Stadt unten an der Isar kein Wohnrecht bekamen.

Gleich alt wie München dagegen ist Harlaching, als Herrschaftsgut »Hadaleichingen« 1155 erstmals erwähnt und Thalkirchen auf der anderen Isarseite ist sogar 110 Jahre jünger als München.

Der älteste Fleck auf dieser Karte aber ist »Sentling«. In Sendling wurden 4000 Jahre alte menschliche Knochen aus der frühen Bronzezeit gefunden, die noch der Glockenbecherkultur angehörten. Auch in späteren Epochen war die Sendlinger Gegend besiedelt, so fand man bei Ausgrabungen Töpferwaren von keltischen Bauern. Der Name Sendling geht auf einen germanischen Sippenchef namens »Sendilo« zurück, der im 6. Jahrhundert nach Christus den Ort »Sentilinga« gründete.

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Apian-Karte aus dem Jahre 1568, Ausschnitt

Die Karte zeichnete Philipp Apian, Mathematiker an der Universität in Ingolstadt im Auftrag von Herzog Albrecht V. Acht Jahre lang fuhr er kreuz und quer durch Bayern und schuf eine 5x5 Meter große Bayernkarte im Maßstab 1:45.000, die 1782 bei einem Brand in der Residenz zerstört wurde. Erhalten blieben dagegen die nach dieser großen Karte gleichzeitig angefertigten Holzschnitte, eine Art Riesen-Navi, nach dem sich später auch Napoleon bei seinem Einmarsch in Bayern orientierte.

Kaiser, Kurfürsten und Hofnarren

1168
München-Gründer Heinrich der Löwe, 39, heiratet 12-jährige Engländerin

Man stelle sich vor: Ein 39-jähriger Spitzenpolitiker lässt sich scheiden, um ein 12-jähriges Mädchen zu heiraten. Für den München-Gründer Heinrich den Löwen war dies ganz normal: Zehn Jahre, nachdem der Welfenherzog München gegründet hatte, gab er seiner Clementia von Zähringen den Laufpass und ging mit der 12-jährigen Mathilde von England, Tochter des englischen Königs Heinrichs II., ins Bett. Im Dom zu Minden bekam er 1168 den kirchlichen Segen dazu.

Um 1129 wurde Heinrich am Bodensee als Welfenherzog geboren und schon als 13-jährigem wurde ihm 1142 Sachsen überschrieben, Bayern folgte 1156 und zur Zeit der München-Gründung war er neben dem Kaiser der mächtigste Mann im Deutschen Reich.

Auf Druck Kaiser Barbarossas trennte er sich von seiner Frau, um die 12-jährige Mathilde von England zu ehelichen: Damit verbanden sich die Welfen mit der Großmacht England. Machtpolitik durchs Ehebett war damals für die Männer ganz selbstverständlich und Barbarossa hielt durch diese Freundlichkeit lange Zeit seine schützende Hand über ihn und seine Eroberungspolitik, vor allem in Sachsen.

Erst als Heinrich 1176 dem Kaiser die Gefolgschaft in dessen Italienfeldzug versagte – aus Angst, in seiner Abwesenheit könnte man gegen ihn in Bayern putschen –, wurde über ihn die Reichsacht verhängt und ihm Sachsen und Bayern aberkannt. Jetzt war der Weg frei für die Wittelsbacher, denen Bayern zugesprochen wurde und die von nun an bis 1918 regierten. Heinrich der Löwe ging nach England ins Exil und kehrte erst 1194 nach Braunschweig zurück, wo er im Jahr darauf am 6. August 1195 starb und im dortigen Dom seine letzte Ruhestätte fand.

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Der 39-jährige Heinrich der Löwe heiratet im Dom zu Minden die 12-jährige Mathilde von England

1261
Wurde Kaiser Ludwig von einem Affen entführt?

Eine der drei Stellen, von denen aus München vermutlich zuerst besiedelt wurde, ist das Gelände des Alten Hofs. Ausgrabungen ergaben, dass sich hier schon im 12. Jahrhundert Burganlagen befunden haben, die nach 1255 von Herzog Ludwig II. zur »Alten Veste«, der ersten Residenz der Wittelsbacher, ausgebaut wurde. Sein Sohn Kaiser Ludwig erweiterte sie und machte den Alten Hof zur ersten Kaiserresidenz in Deutschland, in der auch die Reichskleinodien aufbewahrt wurden.

Mit Kaiser Ludwig und dem Alten Hof untrennbar verbunden ist eine der lustigsten Legenden aus dem alten München, die bei jeder Fremdenführung mit Begeisterung erzählt wird: Sein Vater Herzog Ludwig hielt sich einen zahmen Affen, der im ganzen Hofstaat beliebt war und seine Späße treiben durfte. Wie er hieß, ist leider nicht überliefert, mündlich überliefert ist allerdings, dass er eines Tages den etwa 3-jährigen Ludwig aus seinem Bettchen holte, mit ihm aus dem Fenster kletterte und von dort auf den gotischen Erker am Burgstock stieg, der heute frisch renoviert jedem entgegenleuchtet.

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Kaiser Ludwig, Kaisergrab in der Frauenkirche

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Alter Hof mit Erker am Burgstock

Der Hofstaat war natürlich in heller Aufregung und warf sämtliche Betten und Matratzen aus den Fenstern und baute unterm Erker ein Auffanglager für den Fall, dass der spätere Kaiser herunterplumpst. Der Affe war aber nicht so dumm ihn fallen zu lassen, sondern kletterte mit seinem Spielkameraden wieder ins Haus zurück und war von nun an der Star in der Burg, so wie vor wenigen Jahren unser »Knut« oder »Flocke«.

Diese herrliche Viecherei hat nur einen Haken: Sicher ist, dass der Affe mit dem Kind irgendeinen Scherz getrieben haben muss, aber dass er den Erker mit dem Kleinen auf dem Arm hinaufgeklettert sein soll ... da widerspricht leider die historische Realität: Der Erker wurde nämlich erst 120 Jahre nach dem Tod des kleinen Ludwig erbaut!

1615
200 Frauen als Hexen lebendig verbrannt

»Ich rufe auf Befehl Gottes und so laut ich kann: Lasset die Hexen nicht leben! Mit Feuer und Schwert ist diese schlimmste menschliche Pest zu vertilgen!«, predigte der Jesuit Drexel 1615 von der Kanzel der gerade eingeweihten Michaelskirche. Dass durch Hexenprozesse auch Unschuldige bestraft werden könnten, ließ er ebenso wenig gelten wie den Einwand, dass trotz Jahrzehnten der Hexenverfolgung sich die Anzahl der Hexen nicht verringert hätte. Vielmehr war für ihn die Tatsache, dass die Obrigkeit »so viel tausend dieses höllischen Pöbels« hatte verbrennen lassen Beweis genug, »dass Hexen und Unholde tatsächlich existierten«. Der erste große Hexenprozess in München lief schon ein paar Jahre vorher, anno 1590: Unter Vorsitz des Stadtoberrichters Christoph Riemhofer wurden »vier Weibspersonen wegen Hexerei zum Feuertod« verurteilt: Anna und Brigitta Anbacher, Regina Lutz und Regina Pollinger. Sie hatten Geschlechtsverkehr mit dem Teufel und fuhren nachts durch die Lüfte über die Felder vor München aus und verwüsteten sie. Alle vier wurden gleichzeitig lebendig verbrannt. Um Hexen in München ausfindig zu machen, wurde Jörg Abriel, ein Henker und Hexenspezialist aus Schongau, eigens nach München geholt. Hexen erkannte man an ihren »Hexenmalen«, Muttermale, Leberflecke oder Hautabschürfungen. Wenn sie beim Hineinstechen mit einer Nadel nicht bluteten, war dies ein sicheres Zeichen für eine Hexe. Münchens große Hinrichtungsstätte lag genau an der Stelle des heutigen Bus-Bahnhofes Hackerbrücke. In der Regel wurden die Frauen an einen senkrechten Baumstamm gebunden und bei lebendigem Leibe verbrannt. Waren sie gebrechlich oder schon in hohem Alter, verkürzte der Henker die Hinrichtung, indem er sie am Baumstamm mit einer Zwinge vorher erdrosselte. Jungen Mädchen wurde als Gnadenerweis manchmal ein Säckchen Schwarzpulver an den Hals gebunden, das beim Höhersteigen der Flammen explodierte und den Hals zerriss, bevor der Körper verbrannte. Die zum Feuertod verurteilten Frauen und Mädchen mussten die Kosten für ihre Verbrennung selbst bezahlen: Der Henker bekam 40 Gulden, die nötigen fünf Klafter Holz kosteten 7 Gulden 30 Kreuzer, zwei Schober Stroh 4 Gulden und die 15 Pechkränze zum Anzünden je 30 Kreuzer. Nur wenn die »Hexe« mittellos war und keine Verwandtschaft dafür aufkommen konnte, bezahlte den Scheiterhaufen die Stadtkasse. Das letzte Hexenfeuer brannte in München 1721 für die Hofstallknechtstochter Dellinger, die erst erdrosselt und dann verbrannt wurde.

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Nicht nur an die 200 Hexen wurden an der Münchner Hinrichtungsstätte lebendig verbrannt. Auf diesem Stich von 1670 wird ein Dieb verbrannt, der in einer Münchner Kirche einen Opferstock ausgeräumt hatte.

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Der Jesuit Jeremias Drexel fordert auf den Befehl Gottes von der Kanzel der Michaelskirche die gnadenlose Jagd und Verbrennung aller Hexen in München.

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Ankunft des Schwedenkönigs beim heutigen Gasteig

1632
Schwedenkönig wollte die Residenz nach Stockholm rollen

Seit seiner Ankunft in Deutschland am 6. Juli 1630 war der Schwedenkönig Gustav Adolf II. ungeschlagen auf dem Vormarsch: Am 15. April 1632 besiegte er das bayerische Heer bei Rain am Lech, wobei Graf Tilly tödlich verwundet wurde, einer der beiden Feldherren, nach denen die Feldherrnhalle am Odeonsplatz benannt ist und der als grimmiges Denkmal auf der Residenz-Seite steht. Am 16. Mai waren die ersten Truppen in München, am Tag darauf zog der Eroberer selbst durchs Isartor ein.

München fiel dem Schwedenkönig kampflos in die Hände, da schwedische Unterhändler schon in Freising einen Deal mit der Residenzstadt ausgehandelt hatten: München sollte sich für 300.000 Reichsthaler freikaufen, um dadurch von der Brandschatzung verschont zu werden. Ein Betrag, der so hoch war wie das Steueraufkommen Schwedens in einem halben Jahr.

In seiner Begleitung befand sich auch eine der schillerndsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges, der »Winterkönig« Friedrich V., der dem Schwedenkönig den Floh ins Ohr setzen wollte, die Residenz seines ungeliebten Verwandten Maximilian doch in die Luft zu jagen. Aber Gustaf Adolf war so begeistert von diesem Bau, dass er sie am liebsten »auf Rädern nach Stockholm gerollt« hätte, wie er sagte. Die Legende machte daraus den schönen aber falschen und unausrottbaren Spruch, der Schwedenkönig hätte am liebsten »ganz München nach Schweden gerollt, wenn die Stadt Räder gehabt hätte« – aber er meinte wirklich nur die Residenz, und zwar nicht die heutige Residenz neben dem Nationaltheater, sondern den »Alten Hof«, die erste Residenz der Wittelsbacher, die auf dem Bild rechts oben gut zu sehen ist.