Die Fälle 1 – 10

FALL-NR.: 001

Sie arbeiten als Kollege in einer Abteilung mit 15 Kollegen zusammen. Sie kennen sich alle seit Jahren und ihr Verhältnis ist überwiegend freundschaftlich. Ihr bisheriger Abteilungsleiter wird in 3 Monaten in den Ruhestand gehen. Ihr Bereichsleiter teilt Ihnen in einem inoffiziellen Gespräch mit, dass er Ihnen die künftige Leitung der Abteilung anvertrauen will.

Ihnen traut er zu, die Verwaltung auf SAP umzustellen (das wird jedoch mehr oder weniger offen von allen Betroffenen - auch Ihnen - als unzweckmäßig, weil überfrachtet, abgelehnt) und ein leistungsbezogenes Vergütungssystem einzuführen (welches einigen Mitarbeitern finanzielle Nachteile brächte).

Sie wissen, dass Ihr Kollege Müller (ist 8 Jahre länger in der Abteilung und hat Sie in Ihren Job eingearbeitet) vom scheidenden Abteilungsleiter bereits unter der Hand als dessen Nachfolger angekündigt wurde und unter den anderen Kollegen hohes Ansehen und Rückhalt genießt. Ihr Kollege Müller hat im Vorfeld bereits verkündet, welche Änderungen und Neuerungen er nach dem Führungswechsel einführen wird.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

 

Auswertung:

Man könnte die geschilderte Situation als „Klassiker“ im Führungsgeschehen bezeichnen: Gestern Kollege – Heute Vorgesetzter. Selbst bei günstigen Vorzeichen entbehrt eine solche Situation nicht einer gewissen Brisanz; gilt es doch, den Wechsel von einer Rolle in die andere möglichst reibungslos zu vollziehen.

Seien Sie sich bewusst, dass häufig der eine oder andere Kollege meint, für die Führungsaufgabe ebenso qualifiziert zu sein, wie Sie. Auch müssen Sie damit rechnen, von heute auf morgen in den Augen der Kollegen zu „denen da Oben“ gezählt und argwöhnisch beobachtet zu werden. Die vorliegende Situation enthält darüber hinaus Elemente mit hohem Konfliktpotenzial. Sie sollte daher sehr sorgfältig analysiert und bewertet werden.

Eine vorschnelle Entscheidung über die Bewerbung auf die Position könnte fatale Konsequenzen nach sich ziehen. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass alle Entscheidungen und Schritte, welche in dieser Angelegenheit weiter unternommen werden, sachlich begründet, allgemein nachvollziehbar und im Sinne des Ganzen getroffen werden. Es gilt zunächst, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Folgende Fragen können zielführend sein:

Was ist zwischen dem Bereichsleiter und dem scheidenden Abteilungsleiter besprochen worden? Wer hat wem welche definitiven Zusagen gemacht? Wie konkret waren die getroffenen Vereinbarungen?

Wollen Sie die vakante Position übernehmen? Können Sie fachlich diese Position ausfüllen?

Welche Voraussetzungen sollten darüber hinaus für Ihren optimalen Start in der neuen Position erfüllt sein?

Wie gehen Sie mit den künftigen Aufgaben um, denen Sie selbst kritisch gegenüberstehen

(SAP-Einführung, leistungsbezogenes Vergütungssystem)? Können Sie die Einführung des neuen Vergütungssystems überhaupt den Kollegen gegenüber vermitteln, ohne Glaubwürdigkeit einzubüßen?

Wer hat die Situation (Klärung der Besetzung der Abteilung) den Mitarbeitern / dem scheidenden Abteilungsleiter zu kommunizieren? Ist es nicht die Aufgabe des Bereichsleiters, im Vorfeld klärende Gespräche mit allen Beteiligten zu führen?

Welche Widerstände/Konflikte von/mit den Mitarbeitern sind zu erwarten?

Welchen Rückhalt haben Sie von Ihrem künftigen Vorgesetzten (Bereichsleiter) zu erwarten? Wie könnte eine sinnvolle Übernahme der Abteilungsverantwortung vonstatten gehen?

Womit müssen Sie rechnen, wenn Kollege Müller einen drastischen Gesichtsverlust erleidet?


FALL-NR.: 002

Sie sind Vorgesetzter von 20 Mitarbeitern; Sie legen in der Mitarbeiter-Führung Wert auf selbstverantwortliches Denken und Handeln. Sie streben ein gutes, partnerschaftliches Verhältnis zu den Ihnen unterstellten Mitarbeitern an.

Es ist 14.00 Uhr am Nachmittag. Sie kommen von einem Außentermin und betreten einen etwas abgelegenen Bereich ihres Bürogebäudes. Aus einem Büro hören Sie laute Stimmen und Gelächter.

Sie betreten das betreffende Büro und finden 6 Mitarbeiter vor, die es sich gemütlich gemacht haben: In einem kleinen, mitgebrachten Fernseher läuft die Übertragung eines Fußballländerspieles. Bierflaschen und Knabbergebäck machen die Runde und die Stimmung ist ausgelassen. Die Situation trifft Sie völlig unerwartet, da mit Ihnen nichts abgesprochen war.

Was unternehmen Sie?

 

Auswertung:

Es ist davon auszugehen, dass Sie mit dieser Situation unvorbereitet konfrontiert werden. Neben Ihrer Fassungslosigkeit schleicht sich womöglich Enttäuschung, gar Wut bei Ihnen ein.

Denn schließlich scheinen Ihre Erwartungen und Ihr Vertrauen missbraucht worden zu sein.

Behalten Sie dennoch „kühlen Kopf“ und lassen Sie sich nicht zu vorschnellen Äußerungen oder Handlungen hinreißen. Nehmen Sie sich trotz der Situation die Zeit, einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Treffen Sie die Ihrer Meinung nach notwendigen Entscheidungen überlegt und handeln Sie entsprechend entschlossen und konsequent. Lassen Sie nicht mit sich „feilschen“.

Vorschläge:

Sie lösen die Versammlung auf und machen deutlich, dass dieses Verhalten Sie persönlich enttäuscht hat und Sie nicht bereit sind, ein solches Verhalten zu akzeptieren.

Sie lassen die Mitarbeiter das Fußballspiel zu Ende schauen und bestellen sie anschließend zu sich.

Des Weiteren sind folgende Optionen abzuklären:

Können die Mitarbeiter zurück an ihre Arbeitsplätze geschickt werden (beachten Sie den Alkoholkonsum)?

Können die Mitarbeiter nach Hause geschickt werden (Fahrtauglichkeit wegen Alkoholkonsums)? Wer muss von dem Vorfall unterrichtet werden (nächster Vorgesetzter / Personalabteilung)? Für die Zukunft:

Welche Folgen leiten sich aus dem Vorfall für Ihr künftiges Führungsverhalten ab?

Kann der Vertrauensverlust wieder gut gemacht werden? Sollte sich etwas an Ihrem Führungsstil ändern? Wenn ja, was genau?

Streben Sie eine zeitnahe Aussprache mit Ihren Mitarbeitern an. Klären Sie Ihre Erwartungen an die zukünftige Zusammenarbeit und treffen Sie konkrete Vereinbarungen.


FALL-NR.: 003

Ihr bester und ältester Freund und Kollege bittet Sie um Hilfe: Sein ältester Sohn sucht einen Ausbildungsplatz und hat bisher nur eine Reihe von Absagen bekommen.

Sie selbst sind Ausbilder und für die Einstellung von Auszubildenden in Ihrem Betrieb mit verantwortlich; einige freie Ausbildungsplätze sind noch in Ihrem Verantwortungsbereich offen. Die Durchsicht der Bewerbungsunterlagen des betreffenden Jungen ergibt ein düsteres Bild von dessen schulischen Leistungen.

Sie laden Ihn zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch ein und bekommen den Eindruck, dass die Motivation und das Interesse des Bewerbers für eine Ausbildung nur unterdurchschnittlich ausgeprägt sind.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

 

Auswertung:

Die Einstellung eines offensichtlich wenig geeigneten und wenig motivierten Auszubildenden ist unserer Meinung nach durch nichts gerechtfertigt. Die Belange und Interessen Ihres Unternehmens sind persönlichen Interessen immer vorzuziehen. In dieser Situation werden möglicherweise eine Freundschaft und ein kollegiales Verhältnis auf eine harte Probe gestellt. Suchen Sie mit Ihrem Freund ein offenes Gespräch und teilen Sie ihm die vorliegenden Fakten mit. Dabei ist es ratsam, mit der in dieser Lage gebotenen Einfühlsamkeit vorzugehen. Es handelt sich hierbei auch für Ihren Freund um eine schwierige Situation: Als Vater will er das Beste für seinen Sohn, ahnt womöglich auch selbst, wie gering die Chancen sind, zu einer guten Lösung zu kommen. Führen Sie das Gespräch auf eine Weise, dass die Freundschaft und Ihr kollegiales Verhältnis keinen Schaden nimmt. Gehen Sie das Gespräch zunächst eher „indirekt“ mit Fragen an:

Wie beurteilt Ihr Freund die Situation?

Beziehen Sie sich in Ihren Äußerungen auf die Sache und vermeiden Sie kritische Äußerungen oder Mutmaßungen über den Sohn Ihres Arbeitskollegen.

Wie würde Ihr Freund an Ihrer Stelle entscheiden?

Bieten Sie - im Rahmen Ihrer Möglichkeiten - Hilfe und Unterstützung an:

Schulnoten sind nicht immer aussagekräftig; auch ein erster Eindruck im persönlichen Gespräch mit dem jungen Mann kann täuschen. Bieten Sie ihm ein Betriebspraktikum an. Hierbei können Sie einen besseren Eindruck gewinnen, auch der Bewerber kann für sich entscheiden, ob dieses Berufsbild für ihn das richtige ist.


FALL-NR.: 004

Ein Kollege trägt Ihnen zu, dass einer Ihrer Mitarbeiter Druckerpatronen und Papier aus der Firma mit zu sich nach Hause nimmt. Sie wissen, dass es gelegentlich vorkommt, dass Kollegen bei hohem Arbeitsaufkommen auch nach Feierabend und am Wochenende Zuhause arbeiten.

Was unternehmen Sie?

 

Auswertung:

Es mag Ihnen zunächst so erscheinen, als mische sich Ihr Kollege in Angelegenheiten ein, die ihn nichts angehen; daher vermeiden Sie möglichst eine vorschnelle Reaktion. Grundsätzlich ist es ja auch erstrebenswert und für die Arbeitsgemeinschaft von Vorteil, wenn sich Kollegen/ Mitarbeiter für „das Ganze“ mit verantwortlich fühlen und entsprechend handeln.

Da Sie die angesprochene Situation jedoch nicht „aus erster Hand“ kennen: Kommentieren Sie vor dem Kollegen den Sachverhalt nicht; teilen Sie ihm lediglich mit, dass Sie sich des Vorganges annehmen und danken Sie ihm für seine Aufmerksamkeit.

Es gilt für vergleichbare Fälle zu prüfen, ob es eine offizielle Regelung für die Verwendung von firmeneigenen Materialien im Privatbereich gibt. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist eine solche Regelung zu treffen und den Mitarbeitern zu kommunizieren.

Existiert eine solche Regelung, ist zu prüfen, wer in welchem Umfang Material verbraucht hat und ob dieser Umfang Ihnen angemessen scheint.

Klären Sie für sich: Wie weit wollen Sie eine „Kultur des Vertrauens“ pflegen oder wie weit bringen Sie Ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegen und ab welchem Punkt führen Sie Kontrolle/ n ein?


FALL-NR.: 005

Als kaufmännischer Geschäftsführer führen Sie ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis zu Ihrer engagierten und bisher zuverlässigen Assistentin. Diese hat einen ausführlichen Einblick in Ihre Arbeit, Ihre Projekte und Ihre Arbeitsweise; sie ist darüber hinaus auch mit sensiblen Daten und Informationen des Unternehmens befasst. Sie erfahren, dass Ihre Assistentin seit einiger Zeit eine private Beziehung zu einem Kollegen unterhält; dieser Kollege ist in Ihren Augen ein Unruhestifter und Querulant, der die Entscheidungen der Unternehmensleitung immer wieder offen kritisiert.

Was unternehmen Sie?

 

Auswertung:

Zunächst einmal gilt es, die privaten Entscheidungen Ihrer Assistentin zu respektieren; auch wenn diese Ihnen schwer oder gar nicht nachvollziehbar sind.

Ihre Beunruhigung in Hinblick auf einen möglichen Vertrauensbruch ist durch die allgemeine Lebenswirklichkeit gerechtfertigt, zwingt Sie jedoch nicht zu unmittelbarem Handeln.

Schätzen Sie ab ob es sinnvoll wäre, ein Gespräch mit Ihrer Assistentin über den Sachverhalt zu führen und sie noch einmal deutlich auf die Vertraulichkeit ihres Arbeitsgebietes hin zu weisen.

Unter Umständen zerstört aber gerade eine solche Vorgehensweise das Vertrauen, das Sie mit Ihrer Assistentin suchen?

Wir meinen: Ohne konkreten Anlass besteht kein Grund, Ihrer Assistentin das Vertrauen zu entziehen. Dennoch ist es ratsam, die Situation diskret im Auge zu behalten.


FALL-NR.: 006

Einer Ihrer besten Mitarbeiter (zuverlässiger Leistungsträger) wird bei Ihnen vorstellig und verlangt mehr Gehalt. Die tariflichen Gehaltsanpassungen hat er bekommen, Ihr Budget ist für weitergehende Zuwendungen erschöpft; Sie haben außerdem keine Spielräume im Vergütungsgefüge. Der Mitarbeiter droht unterschwellig, das Unternehmen zu verlassen.

Wie gehen Sie vor?

 

Auswertung:

Als Vorgesetzter befinden Sie sich hier in einem Dilemma:

Möglicherweise haben sie Verständnis für die Situation Ihres Mitarbeiters – an seiner Stelle würden Sie vielleicht ebenso handeln. Die Leistungen Ihres Mitarbeiters sind darüber hinaus für Sie von hohem Wert und Sie würden ungern auf den Mitarbeiter verzichten.

Ihnen sind aber die Hände gebunden, Sie haben Ihrem Mitarbeiter finanziell nichts anzubieten.