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Katastrophenalarm!

Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?

September 2014
4. verbesserte Auflage
(8 500–12 000)

Redaktionskollektiv REVOLUTIONÄRER WEG
unter Leitung von Stefan Engel
Schmalhorststr. 1b, 45899 Gelsenkirchen

Katastrophenalarm!
Was tun gegen die mutwillige Zerstörung
der Einheit von Mensch und Natur?

Zuerst erschienen in der Reihe
REVOLUTIONÄRER WEG, Nr. 35/2014

© Verlag Neuer Weg
Mediengruppe Neuer Weg GmbH
Alte Bottroper Straße 42, 45356 Essen
Telefon +49-(0)-201-25915
Fax +49-(0)-201-6144462
verlag@neuerweg.de
www.neuerweg.de

© Umschlagfoto: REUTERS/Fotograf: Enny Nuraheni
Gesamtherstellung: Mediengruppe Neuer Weg GmbH

ISBN 978-3-88021-405-7
eISBN 978-3-88021-413-2

gedruckt auf 100 Prozent Recycling-Papier,
ausgezeichnet mit dem Blauen Umweltengel

Stefan Engel

Katastrophenalarm!

Was tun gegen die
mutwillige Zerstörung der Einheit
von Mensch und Natur?

Der Klassenkampf
und der Kampf um die
Einheit von Mensch und Natur

Verlag Neuer Weg

Inhalt

Katastrophenalarm!

Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?

Vorwort zur 4. verbesserten Auflage

Vorwort

I. Über die grundlegende Einheit von Mensch und Natur

1. Dialektik der Natur

2. Die Biosphäre – Grundlage des menschlichen Lebens

3. Weltanschaulicher Kampf um die grundlegende Einheit von Mensch und Natur

4. Marx’ und Engels’ grundsätzliche Kritik am Gothaer Programm

5. Allgemeine Geringschätzung der Umweltfrage in der Arbeiterbewegung

II. Kapitalismus und Umweltzerstörung

1. Untergrabung der natürlichen Lebensgrundlagen und Ruinierung der Arbeitskraft

2. Die Umweltkrise als Begleiterscheinung des Imperialismus

3. Die Umweltkrise als gesetzmäßige Erscheinung

III. Die drohende globale Umweltkatastrophe

A. Hauptmerkmale des Umschlags in die globale Umweltkatastrophe

A.1. Zerstörung der Ozonschicht

A.2. Beschleunigte Vernichtung der Wälder

A.3. Die heraufziehende Weltklimakatastrophe

A.4. Deutliche Zunahme regionaler Umweltkatastrophen

B. Neue Phase im Umschlag der Umweltkrise in die globale Umweltkatastrophe

B.5. Die drohende Gefahr umkippender Weltmeere

B.6. Die Zerstörung regionaler Ökosysteme und das Artensterben

B.7. Der rücksichtslose Raubbau an den Naturstoffen

B.8. Vermüllung, Vergiftung und Verschmutzung

B.9. Die unverantwortliche Nutzung der Atomenergie

C. Weitere Faktoren, die den Umschlag zur globalen Umweltkatastrophe beschleunigen

C.10. Zerstörerische Abbaumethoden bei der Förderung von Rohstoffen

C.11. Der Mangel an sauberem Süßwasser

C.12. Überausbeutung der Arbeitskraft und Zerstörung der natürlichenLebensgrundlagen

IV. Klassenkampf und Kampf zur Rettung der natürlichen Umwelt

1. Imperialistischer Ökologismus und imperialistische Umweltpolitik

2. Kleinbürgerliche Umweltbewegung und kleinbürgerlicher Ökologismus

3. Internationaler, antiimperialistischer Charakter des Kampfs zur Rettung der natürlichen Umwelt

4. Eine neue Qualität der Umweltbewegung

5. Umweltpolitik im Sozialismus und Rückfall im bürokratischen Kapitalismus

6. Die Lösung der Umweltfrage im Sozialismus / Kommunismus

Anhang:

Literaturverzeichnis

Vorwort zur 4. verbesserten Auflage

Seit seiner Herausgabe im März 2014 fand dieses Buch in drei verkauften Auflagen bereits 8 500 Käufer. Das Redaktionskollektiv erhielt aus der Leserschaft eine Reihe wertvoller Hinweise und Anregungen. So wies ein Agrarexperte darauf hin, dass nicht »Jauche«, sondern »Gülle« für die Überdüngung aus der Massentierhaltung verantwortlich ist. Auch wurde deutlich, dass die Quelle über den angeblichen Einsatz von Uranmunition in Afghanistan durch die Sowjetunion unseriös ist. Die 4. Auflage erscheint nun mit einer Reihe von Verbesserungen und Korrekturen, die allerdings an dem wesentlichen Gehalt des Buches nichts ändern.

Stefan Engel, September 2014

Vorwort

Die Umweltfrage ist ohne Zweifel im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Weltweit wächst die Besorgnis über den Zustand der natürlichen Umwelt. Kein ernst zu nehmender Politiker, Medienschaffender, Unternehmer oder Gewerkschafter kann sich mehr erlauben, diese Frage zu ignorieren. Zu viele lokal und regional auftretende ökologische Katastrophen drangsalieren inzwischen die Menschheit.

In der öffentlichen Meinung wird der Eindruck erzeugt, die Umweltfrage sei bei den Herrschenden und ihren Regierungen in guten Händen. In Wirklichkeit aber waren sie seit dem Aufkommen der Umweltkrise Anfang der 1970er Jahre weder willens noch in der Lage, etwas Wirksames dagegen zu unternehmen. Stattdessen treibt die Menschheit ungebremst – ja sogar beschleunigt – auf eine globale Umweltkatastrophe zu. Diese hat das Potenzial, die Grundlagen jeglichen menschlichen Daseins zu vernichten. Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt in erster Linie bei den internationalen Übermonopolen, die heute die gesamte Weltproduktion, den Welthandel sowie Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in allen Ländern beherrschen.

Ein neues Umweltbewusstsein ist erwacht. Doch sein Niveau reicht bei Weitem nicht aus, die existenzielle Gefährdung der Menschheit in aller Konsequenz zu begreifen. In der öffentlichen Meinung werden einzelne Faktoren der Umweltkrise – etwa die drohende Klimakatastrophe – einseitig ins Blickfeld gerückt. Zugleich werden andere, nicht minder dramatische Probleme – wie das wachsende Ozonloch, die Zerstörung der Ökosysteme der Ozeane oder der Wälder – verdrängt oder verharmlost. Vor allem werden Zusammenhänge und Wechselwirkungen weitgehend ignoriert.

Ist es denn überhaupt denkbar, dass allein überzeugende Argumente die Verantwortlichen der kapitalistischen Profitwirtschaft dazu bringen können, diese Entwicklung zu stoppen? Ist es denkbar, dass die herrschenden internationalen Monopole plötzlich auf ihre Alleinherrschaft oder auf ihre exorbitanten Profite verzichten, nur um die Umwelt zu retten?

Das wird nicht geschehen! Im vollen Bewusstsein der tödlichen Risiken führen sie die Erde an die Umweltkatastrophe heran! Die Verhältnisse der kapitalistischen Konkurrenz verlangen heute von den internationalen Monopolen, bei Strafe ihres Untergangs, die Überausbeutung von Mensch und Natur auf die Spitze zu treiben.

Die sogenannte Umweltfrage ist längst zu einer höchst politischen Frage geworden. Welche Existenzberechtigung hat eine Gesellschaftsordnung, deren ganzes Dasein auf einer Mensch und Natur bedrohenden Grundlage ruht?

Statt irgendetwas Substanzielles gegen diese Bedrohung zu unternehmen, errichteten die Herrschenden ein ganzes System des imperialistischen und kleinbürgerlichen Ökologismus, um die gesamte Menschheit zu manipulieren. Mit Beschwichtigungen, Lügen, Vertuschung und Scheinlösungen versuchen sie, dem aktiven Widerstand der Massen vorzubeugen oder ihn zu zersetzen.

Dieses Buch lässt keinen Zweifel daran, dass die Menschheit die Umweltfrage nicht dem herrschenden Gesellschaftssystem überlassen darf. Sie wird sonst untergehen in der kapitalistischen Barbarei!

Auf der Basis einer Vielfalt konkreter Untersuchungen kommt das Buch zu der Erkenntnis, dass sich die Menschheit inzwischen mitten im fortschreitenden Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe befindet. Die Lösung der Umweltfrage erfordert heute einen gesellschaftsverändernden Kampf. Nur eine internationale sozialistische Revolution kann die soziale und die ökologische Frage lösen. Erst in einer sozialistischen Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bilden Mensch und Natur eine fruchtbringende Einheit. Erst in einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft wird die »Humanisierung der Natur« und die »Naturalisierung des Menschen« ihren relativen Abschluss finden, wie es Karl Marx formulierte.

Um dieses große Ziel zu erreichen, muss sich die Umweltbewegung ebenso wie die Arbeiterbewegung verändern. Auch die Revolutionäre in aller Welt müssen sich ändern, sie müssen ihre politische Strategie und Taktik erweitern und entsprechend den neuen Tatsachen höherentwickeln.

Das geht nicht ohne ernsthafte Diskussionen, ohne kritisch-selbstkritische Auswertungen und ohne Erkenntnisfortschritte in der Sache. Dieses Buch soll dazu eine Hilfe sein, ein Diskussionsbeitrag. Es ist ausdrücklich eine Streitschrift, die sich in die Strategiedebatte um die Lösung der Umweltfrage einmischt und entschieden Position bezieht. Ein Buch, das desillusionieren, aber vor allem mobilisieren und schöpferisch die Vision einer künftigen Gesellschaft zeichnen soll, in der die Umweltfrage tatsächlich gelöst werden kann.

Das Buch verficht einen hohen wissenschaftlichen Anspruch. Es stützt sich auf gründliche Recherchen, auf Fakten der bürgerlichen Wissenschaft, um ihnen kritisch die wesentlichen Erkenntnisse abzuringen und die dialektischen Zusammenhänge aufzudecken, die in der allseitigen Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur existieren.

Leitlinie dieses Buchs ist die dialektisch-materialistische Methode und die Theorie der grundlegenden Einheit von Mensch und Natur, die Karl Marx und Friedrich Engels bereits vor 170 Jahren entwickelt haben. Mit dem Aufkommen des Reformismus in der Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese Grundlagen verworfen, missachtet, ja systematisch verdrängt. Das wirkt sich bis heute negativ auf die Arbeiter- und Volksbewegung aus.

Neben der Würdigung der großartigen Erkenntnisse von Marx und Engels über die Dialektik von Mensch und Natur ist die streitbare Auseinandersetzung mit dem modernen Antikommunismus in der Umweltfrage ein Markenzeichen dieses Buchs. Auch verschiedenste Formen der Resignation, Verharmlosung, Vereinfachung oder Panik, die in der Umweltbewegung zu finden sind, werden weltanschaulich kritisiert.

Das Redaktionskollektiv dankt den über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sachkundig zu diesem Buch beigetragen haben. Dazu gehören Klaus Arnecke, Architekt; Dr. med. Günther Bittel, Facharzt für Anästhesiologie und Allgemeinmedizin; Herbert Buchta, Diplombiologe und praktischer Tierarzt; Werner Engelhardt, Politologe; Adelheid Erbslöh, Diplombiologin; Oskar Finkbohner, Mitarbeiter der Gesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Studien zur Arbeiterbewegung e.V.; Monika Gärtner-Engel, Diplompädagogin; Rainer Jäger, Lektor; Prof. Dr. Christian Jooß, Physiker; Dr. Hans-Ulrich Jüttner, Physiker; Christoph Klug, Diplompsychologe und Wissenschaftsjournalist; Prof. Dr. Josef Lutz, Physiker; Dr. med. Willi Mast, Facharzt für Allgemeinmedizin; Roland Meister, Rechtsanwalt; Dr. med. Dieter Stein, Facharzt für Allgemeinmedizin; Peter Weispfenning, Rechtsanwalt; Gerd Zitzner, Diplom-Agraringenieur.

Nicht zuletzt ist das Buch ein Ergebnis der kritisch-selbstkritischen Diskussion und Zusammenarbeit mit Aktivisten der Umweltbewegung und mit Revolutionären aus der ganzen Welt.

Der Titel der Buchausgabe – »Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?« – soll den Ernst der Probleme ebenso bewusst machen wie die Dringlichkeit ihrer Lösung.

Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands befasst sich in diesem Buch nicht zum ersten Mal mit der Umweltfrage. Es setzt die Reihe REVOLUTIONÄRER WEG fort, die sich schon seit 1984 grundsätzlich und systematisch vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus aus mit der Umweltkrise beschäftigt. Es hebt aber die Erkenntnisse entsprechend den inzwischen eingetretenen Entwicklungen auf eine neue Stufe. Das Buch soll vor allem helfen, der Umweltfrage wieder einen festen Platz in der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung zu erobern.

Stefan Engel, März 2014

I. Über die grundlegende Einheit von Mensch und Natur

1.Dialektik der Natur

Wissenschaftlicher Naturbegriff

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff »Natur« meist auf einzelne Erscheinungen in der menschlichen Umgebung eingeschränkt: die Landschaft, die Tier- und Pflanzenwelt oder auch das Wetter. Der Naturbegriff im dialektisch-materialistischen Verständnis umfasst jedoch die gesamte universelle Wirklichkeit.

Die Natur besteht aus unendlich vielen Formen materieller Bewegung und sich permanent bewegender und verändernder stofflicher Zustände der Materie. Die bekanntesten Bewegungsformen sind Ortsveränderung, Reibung, Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, radioaktive Strahlung, chemische Reaktionen, biochemischer Stoffwechsel, Fotosynthese … Bei den stofflichen Zuständen lässt sich zwischen Gasen, Feststoffen und Flüssigkeiten oder zwischen organischen und anorganischen Stoffen unterscheiden. Diese Naturelemente bedingen einander und befinden sich zugleich in ständigem Widerstreit.

All die verschiedenen Daseinsformen der Materie sind nichts als unterschiedliche Naturprozesse. Sie reichen nach heutigem Wissen von kontinuierlicher Materie über winzige, subatomare Teilchen im Mikrokosmos bis hin zu gigantischen Galaxienhaufen und noch größeren Superstrukturen im Makrokosmos.

Mit Hilfe der Spektralanalyse konnte nachgewiesen werden, dass Galaxien und kosmische Nebel, Sterne und Planeten wie unsere Erde aus identischen Bausteinen bestehen: aus den Atomen der chemischen Elemente und den subatomaren Teilchen. Alle Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen der Materie bilden ein System des universellen Werdens und Vergehens.

Der dialektische Materialismus geht davon aus, dass die gesamte Natur materiell ist – also objektiv, unabhängig vom Bewusstsein und Willen der Menschen existiert. Die Bewegungen der Materie verlaufen nach dialektischen Bewegungsgesetzen. Unter Dialektik der Natur ist eine Zusammenfassung der materiellen Bewegung in ihrer allgemeinsten Form zu verstehen.

Auf jeder Entwicklungsstufe der Materie treten qualitativ neue Formen und auch neue Bewegungsgesetze auf, die die Menschen erforschen, erkennen und nutzen können. Der Erkenntnisfortschritt der Menschheit zeigt sich im Grad ihrer Erkenntnis der Dialektik der Natur sowie in ihrer Fähigkeit, die dialektische Methode bewusst auf Natur, Gesellschaft und menschliches Denken, Fühlen und Handeln anzuwenden.

Die bürgerliche Kosmologie bestreitet die Unendlichkeit der Materie. Sie betrachtet nur ihre konkreten Formen und verabsolutiert diese. Seit jeher sucht sie rastlos und vergeblich nach Anfang und Ende des Universums. Nach der aktuellen Lehre soll vor etwa 13 bis 20 Milliarden Jahren die »Ausdehnung« des Kosmos mit einem »Urknall« (»Big Bang«) aus dem »Nichts« begonnen haben. Marxisten-Leninisten haben diese »Schöpfungsgeschichte« der bürgerlichen Kosmologie von Anfang an kritisiert; inzwischen ist sie selbst unter bürgerlichen Wissenschaftlern höchst umstritten.

Die konkreten Naturerscheinungen sind endlich, die allgemeine Bewegung der Materie ist dagegen unendlich. In der Unendlichkeit der sich bewegenden Materie besteht ihre universelle Identität im Makro- und Mikrokosmos.

Eine Entstehung von Materie und Bewegung aus dem »Nichts« ist mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur unvereinbar. Bewegte Materie oder materielle Bewegung sind unerschaffbar und unzerstörbar. Dazu schrieb Friedrich Engels:

»Die ganze uns zugängliche Natur bildet ein System, einen Gesamtzusammenhang von Körpern, und zwar verstehn wir hier unter Körpern alle materiellen Existenzen vom Gestirn bis zum Atom, ja bis zum Ätherteilchen, soweit dessen Existenz zugegeben. Darin, daß diese Körper in einem Zusammenhang stehn, liegt schon einbegriffen, daß sie aufeinander einwirken, und diese ihre gegenseitige Einwirkung ist eben die Bewegung. Es zeigt sich hier schon, daß Materie undenkbar ist ohne Bewegung. Und wenn uns weiter die Materie gegenübersteht als etwas Gegebnes, ebensosehr Unerschaffbares wie Unzerstörbares, so folgt daraus, daß auch die Bewegung so unerschaffbar wie unzerstörbar ist.« (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 355)

Die qualitativen Veränderungen in der Natur verlaufen sprunghaft. »Wodurch unterscheidet sich der dialektische Übergang vom nichtdialektischen?«, fragt Lenin und antwortet: »Durch den Sprung. Durch den Widerspruch. Durch das Abbrechen der Allmählichkeit.« (»Konspekt zu Hegels ›Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie‹«, Lenin, Werke, Bd. 38, S. 272)

Es ist eine absurde Wunschvorstellung, wenn bürgerliche Naturwissenschaftler, Philosophen oder Politiker allmähliche, evolutionäre Prozesse in der Natur, in der Gesellschaft oder im menschlichen Denken, Fühlen und Handeln sprunghaften, revolutionären Prozessen vorziehen. Beide Formen der Bewegung, Evolution und Revolution, bedingen in der Natur einander, gehen auseinander hervor und verwandeln sich ineinander als unendlich fortlaufender Prozess. Die Allmählichkeit der Bewegung bereitet die offensichtliche Veränderung, den qualitativen Sprung vor und wird ihrerseits von diesem auf immer höherer Stufe wieder in Gang gesetzt.

Qualitative Sprünge können wie bei biologischen, chemischen und elektrischen Prozessen oder im menschlichen Denken, Fühlen und Handeln in Bruchteilen von Sekunden ablaufen. Sie können aber auch Milliarden von Jahren in Anspruch nehmen wie beim Entstehen und Vergehen von Sternen. Diese gewaltigen Unterschiede verleiten Vulgärmaterialisten oder Empiristen dazu, nur wahrnehmbare Veränderungen zu akzeptieren. Für sie besteht das Weltgeschehen aus vereinzelten Erscheinungen, aus sich ewig wiederholenden Kreisläufen oder aus Prozessen, die höchstens quantitative Veränderungen durchmachen.

Qualitative Sprünge deuten sich durch beschleunigte quantitative Veränderungen an und durch Verschärfung der inneren Widersprüche in den Dingen oder Prozessen. Aufgrund wissenschaftlicher Analysen der beschleunigten Erderwärmung, zunehmend extrem widersprüchlicher Wetterlagen, beschleunigten Artensterbens, auffälliger Versauerung der Weltmeere, Vernichtung der Wälder, Ausdünnung der Ozonschicht und Zunahme regional auftretender Umweltkatastrophen seit den 1990er Jahren kam die MLPD zu dem prägnanten Urteil: Im Prozess der globalen Umweltkrise wurde bereits ein qualitativer Sprung, das Umschlagen in eine globale Umweltkatastrophe, eingeleitet. Weitere wissenschaftliche Beobachtungen haben inzwischen bestätigt, dass sich dieser Prozess erweitert und beschleunigt hat. Allein die metaphysischen Methoden der bürgerlichen Weltanschauung verhindern, die Entwicklung der Einheit von Mensch und Natur realistisch zu prognostizieren.

Die unendlichen Bewegungsformen der Materie, die unendlichen Prozesse der Verwandlung einer Form der Materie in eine andere zu erforschen und zu verallgemeinern, der Natur die dabei wirkenden konkreten Bewegungsgesetze abzuringen und sie dann anzuwenden – darin besteht die weltanschauliche Grundlage des immer besseren Begreifens der Einheit von Mensch und Natur und der immer höheren Fähigkeit, sie zu gestalten. Letztlich kann erst eine Gesellschaftsordnung, die von einer solchen wissenschaftlichen proletarischen, sozialistischen und kommunistischen Denkweise geleitet wird, eine nachhaltige und sich weiterentwickelnde Einheit von Mensch und Natur garantieren.

Dialektik des Makrokosmos

Die menschliche Wahrnehmung im Makrokosmos reicht heute weit in die Tiefen des Alls, infolge der Entwicklung der Radioastronomie bis etwa 13,8 Milliarden Lichtjahre1. Das bleibt aber immer noch ein winziger Ausschnitt der unendlichen Weiten des Universums. Milliarden von Sternsystemen, Galaxien, können beobachtet werden. Sie bilden Haufen und Superhaufen, die wiederum bis zu einer Million Galaxien umfassen können. Wie bei allen Formen der Materie gibt es Kampf und Einheit, Wechselwirkungen und Zusammenstöße auch zwischen Galaxien. Sie durchlaufen verschiedene Entwicklungsstadien und können dabei in größeren Galaxien aufgehen, neue entstehen lassen oder sich in niedrigere Formen der Materie auflösen.

Unsere Galaxis, die Milchstraße, gehört zu einem Haufen von etwa 30 Galaxien. Sie umfasst 200 bis 300 Milliarden Sterne, die in Gestalt einer riesigen Spirale um ein Zentrum rotieren und zum Teil in Kugelhaufen zusammengeballt sind.

Unsere Sonne bewegt sich in einem Randbereich der Milchstraße, etwa 30 000 Lichtjahre vom Kern entfernt. Sie benötigt für einen Umlauf um das Zentrum etwa 220 Millionen Jahre.

Unser Sonnensystem besteht aus der Sonne, acht Planeten mit ihren Monden, aus Planetoiden2, Kometen und Meteoriten, Gas und Staub. Die Sonne vereint 99,87 Prozent der Masse des Sonnensystems in sich, weshalb sich die anderen Himmelskörper in ihrem Gravitationsfeld um sie herum bewegen.

Die Sonne ist ein Stern, eine selbst leuchtende Gaskugel großer Masse und hoher Temperaturen. Im Inneren der Sonne glüht bei einer Temperatur von über 15 Millionen Grad Celsius ein Plasma aus Wasserstoffatomkernen, Heliumatomkernen, freien Elektronen und zwei Prozent schwereren Elementen.

Die Energie der Sonne entsteht vor allem aus der Verschmelzung von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen. Bei dieser Kernfusion wird ein Teil der Masse der Atomkerne in Energie verwandelt und in Form von Strahlung frei.

Die Sonne ist umgeben von der Fotosphäre, einer Hülle, die nur 300 Kilometer dünn ist. Dort beträgt die Temperatur nur noch etwa 5 700 Grad. Der größte Teil der Sonnenenergie wird von dort nach außen abgestrahlt. In jeder Sekunde strömt außerdem etwa eine Million Tonnen Sonnenmaterie mit Überschallgeschwindigkeit aus der Sonnenkorona in den Weltraum. Das Ende unserer Sonne als Energiequelle unseres Sonnensystems wird, so lässt sich errechnen, in etwa fünf Milliarden Jahren erreicht sein.

Die Sonnenstrahlung besteht aus elektromagnetischen Wellen und geladenen Teilchen. Nur ein geringer Teil davon erreicht die Erde und wird von der Erdatmosphäre unterschiedlich absorbiert oder reflektiert.

Die Erde ist aus makrokosmischer Sicht ein winziger Himmelskörper mit ihrer Masse von sechs Trilliarden Tonnen und ihrem Durchmesser von 12 756 Kilometern am Äquator. Sie rotiert um die eigene Achse, wodurch der Wechsel von Tag und Nacht entsteht sowie Luftbewegungen und Meeresströmungen beeinflusst werden.

Die fast kreisförmige Bahn der Erde um die Sonne gewährleistet eine annähernd gleichmäßige Zufuhr der Energie. Die Neigung der Erdachse um einen Winkel von 66,5 Grad gegenüber der Ebene der Umlaufbahn der Erde um die Sonne lässt die Jahreszeiten entstehen. Die Gravitation des Mondes wirkt auf die Meere ein und bringt Ebbe und Flut hervor.

Vor 4,5 Milliarden Jahren entstand die Erde aus gas- und staubförmigen Materieteilchen. Diese stießen immer wieder zusammen, wodurch sie sich erhitzten und miteinander verschmolzen. Der Druck und die hohe Temperatur im Inneren sowie die Wärme aus Zerfallsprozessen radioaktiver Stoffe machten die Erde zunächst schmelzflüssig.

Erst allmählich entstand die Erdkruste, der feste Erdmantel. Darunter liegt der Erdkern, der vorwiegend aus glühendem Eisen besteht. Erdkruste und oberer Erdmantel bis 250 Kilometer Tiefe enthalten flüssiges Magma. Die Bewegung des Magmas ist dafür verantwortlich, dass die tektonischen Platten der Erdkruste ständig in Bewegung bleiben und immer wieder Erdbeben oder Vulkanausbrüche entstehen lassen. Der Erdkern beginnt ab 2 900 Kilometern Tiefe, dort herrscht eine Temperatur zwischen 4 000 und 6 000 Grad Celsius.

Seit der Entstehung der Erde traten aus ihrem Inneren Gase aus. Die Erde war schwer genug, sie teilweise anzuziehen, festzuhalten und so eine Atmosphäre zu bilden. Dadurch kühlte die Erde wesentlich langsamer ab, als sonst zu erwarten gewesen wäre. Das war eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben.

In der Uratmosphäre der Erde konnten mithilfe von Sonnenenergie und Vulkanismus größere Mengen organischer Stoffe entstehen. Aus diesen bildeten sich in den Urozeanen in circa einer Milliarde Jahren erste Lebewesen. Es entstand die Biosphäre. Auf dem Höhepunkt einer etwa 3,5 Milliarden Jahre währenden Evolution begannen sich dort die ersten Menschen samt der für ihr Dasein geeigneten natürlichen Umwelt zu entwickeln.

Dialektik der Naturgesetze

Das Gravitationsgesetz ist ein grundlegendes Naturgesetz. Es beschreibt die Kräfte, die in der Natur zwischen Massen wirken. Die Gravitation beeinflusst die Materie in mannigfaltiger Weise. Sie ändert zum Beispiel Weg und Frequenz des Lichts sowie die Geschwindigkeit mikroskopischer Bewegungen in Atomen und Molekülen. Im mechanischen Weltbild wird die Gravitation als »anziehende Kraft zwischen Himmelskörpern« behandelt. Friedrich Engels kritisierte vom Standpunkt seiner dialektisch-materialistischen Naturauffassung die Verabsolutierung dieser Seite der Gravitation:

»Alle Naturvorgänge sind doppelseitig, beruhen auf dem Verhältnis von mindestens zwei wirkenden Teilen, auf Aktion und Reaktion.Aber Attraktion und Repulsion3 so untrennbar wie Positiv und Negativ, und daher aus der Dialektik selbst schon vorherzusagen, daß die wahre Theorie der Materie der Repulsion eine ebenso wichtige Stelle anweisen muß wie der Attraktion, daß eine auf bloße Attraktion gegründete Theorie der Materie falsch, ungenügend, halb ist.Die ganze Gravitationslehre beruht darauf, zu sagen, die Attraktion ist das Wesen der Materie. Dies notwendig falsch. Wo Attraktion, muß sie durch Repulsion ergänzt werden.« (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 366, 509, 510)

Die idealistisch-metaphysische Naturauffassung verabsolutiert die Gültigkeit einzelner Naturgesetze oder einzelner ihrer Seiten. Ihr gelten Naturgesetze als »ewig«, »von außen in die Natur gesetzt« und damit »über der Natur stehend«. Tatsächlich drücken die verschiedenen Bewegungsgesetze nur qualitativ unterschiedliche Prozesse auf den verschiedenen Entwicklungsstufen der Materie aus.

Der Bau der Atome ist ein hervorragender Beweis für die Doppelseitigkeit der Natur. Die Masse des Atoms ist im Atomkern konzentriert, der mit seiner positiven elektrischen Ladung eine attraktive Kraft auf die negativ geladenen Elektronen der Atomhülle ausübt. Die Bewegungsenergie der Elektronen verhindert, dass diese in den positiv geladenen Atomkern fallen und ihn neutralisieren. Die Elektronenhülle bewirkt daher eine relative Abschirmung des elektrischen Feldes des positiv geladenen Atomkerns. Energetisch günstigere Hüllen können durch Verbindung mit den Elektronenschalen anderer Elemente oder desselben Elements erreicht werden. Deshalb kommen die meisten Elemente in der Natur fast ausschließlich gebunden in Molekülen oder in Kristallen vor.

Trotz aller dialektisch-materialistisch gewonnenen Einzelerkenntnisse bleibt die bürgerliche Naturwissenschaft von der metaphysisch-idealistischen Weltanschauung beherrscht. Die metaphysische Methode löst den Gesamtzusammenhang der Stoffwechselprozesse zwischen Mensch und Natur in eine Flut isolierter Einzelerkenntnisse auf. Dadurch kommt es zu Fehlinterpretationen und zu praktischen Fehlern, die meist auf Kosten von Mensch und natürlicher Umwelt gehen.

Die entscheidende Triebkraft der bürgerlichen Naturwissenschaft ist, Naturerkenntnisse möglichst schnell und unmittelbar in maximalprofitbringende Produktion von Waren umzusetzen. Das gebietet der erbitterte kapitalistische Konkurrenzkampf auf der Stufe der internationalisierten Produktion. Diese bornierte Motivation schränkt den Gesichtskreis der Naturwissenschaft immer weiter ein und hat zu einer Krise in der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften geführt.

Nur im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur kann die Einheit von Mensch und Natur bewusst gestaltet und höherentwickelt werden. »Die Dialektik«, schreibt Friedrich Engels, »die sog. objektive, herrscht in der ganzen Natur, und die sog. subjektive Dialektik, das dialektische Denken, ist nur Reflex der in der Natur sich überall geltend machenden Bewegung in Gegensätzen, die durch ihren fortwährenden Widerstreit und ihr schließliches Aufgehen ineinander, resp. in höhere Formen, eben das Leben der Natur bedingen.« (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 481)

Die materialistische Dialektik ist die für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft ausschlaggebende Denkweise. Sie stellt die alleinige Methode dar, mit der sich die in der Natur vorkommenden Entwicklungsprozesse, Zusammenhänge und Übergänge von einem Untersuchungsgebiet zum andern erklären lassen.

2.Die Biosphäre – Grundlage des menschlichen Lebens

Jedes Leben ist eingebunden in einen unauflöslichen komplexen Zusammenhang mit der unbelebten Umwelt. Der Teil der Erde, der Leben ermöglicht und Lebensformen enthält, wird in der Naturwissenschaft als Biosphäre4 bezeichnet.

Manche naturwissenschaftlichen Lehrbücher definieren die Biosphäre einseitig als Gesamtheit aller irdischen Lebewesen oder auch als Summe aller Ökosysteme der Erde. Für den Ökologieprofessor Hartmut Bick etwa ist die Biosphäre »der von Organismen bewohnbare Raum des Planeten Erde«. (»Ökologie«, S. 8)

Solche Betrachtung ist jedoch einseitig, vereinfachend und irreführend. Sie sieht belebte und unbelebte Welt als starre Gegensätze und voneinander isolierte Erscheinungen. Das Wesen des Lebens drückt sich jedoch gerade in seinem beständigen aktiven Stoffwechsel mit der unbelebten Natur aus. Friedrich Engels kritisierte die metaphysische Art der Naturbetrachtung:

»Denn in der Natur geschieht nichts vereinzelt. Jedes wirkt aufs andre und umgekehrt, und es ist meist das Vergessen dieser allseitigen Bewegung und Wechselwirkung, das unsre Naturforscher verhindert, in den einfachsten Dingen klarzusehn.« (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 451)

In Übereinstimmung mit der dialektisch-materialistischen Naturbetrachtung entwickelte der russische Geowissenschaftler Wladimir Iwanowitsch Wernadski (1863–1945) eine treffende Bestimmung der Biosphäre: die Gesamtheit der irdischen Organismen mitsamt der unbelebten Materie, die sie umgibt, mit der sie in einem unendlichen Stoffwechsel stehen und die sie mitgestalten und prägen.

Wernadski betonte die aktive Rolle des Lebens im System der Biosphäre, insbesondere die des mit Bewusstsein ausgestatteten Menschen. Der Mensch kann seine belebte und unbelebte Umwelt nachhaltig und tief greifend umgestalten und wird von ihr beeinflusst, er ist Teil der Biosphäre. Das schließt die Möglichkeit ein, die natürliche Umwelt so negativ zu verändern, dass die natürlichen Existenzbedingungen des Menschen sehr weitgehend deformiert oder gar zerstört werden.

In diesem Sinn ist es auch wissenschaftlich völlig korrekt, gegenwärtig von der »Zerstörung der natürlichen Umwelt des Menschen« zu sprechen. Der verallgemeinernde Begriff der »Naturzerstörung«, wie er zuweilen umgangssprachlich in der Umweltbewegung gebraucht wird, ist dagegen vom dialektisch-materialistischen Standpunkt aus als unwissenschaftlich abzulehnen, er ist wohl von Panik geprägt. Die Natur und das Universum können weder geschaffen noch vernichtet, sondern nur verändert werden.

Das System der Biosphäre

Außer der Erde wurde bislang kein anderer Himmelskörper entdeckt, der Spuren von Leben oder hinreichende Lebensbedingungen aufweist. Aufgrund der universellen Gültigkeit der Naturgesetze ist außerirdisches Leben prinzipiell möglich – überall, wo im unendlichen Universum die erforderlichen natürlichen Bedingungen gegeben sind.

Die Biosphäre ist eine im Vergleich zum Gesamtvolumen der Erde ziemlich dünne Hülle. Sie reicht von ungefähr 60 Kilometern über der Erdoberfläche bis fünf Kilometer darunter. Sie umfasst die oberste Schicht der Erdkruste einschließlich des Systems der Wasserareale und die unteren Schichten der Atmosphäre.

Die Entstehung des Lebens vor 3,5 Milliarden Jahren ist Ergebnis der unendlichen Wandelbarkeit der Bewegungsformen von unbelebter und belebter Materie. In seinem Buch »Der Geist fiel nicht vom Himmel« beschrieb Hoimar v. Ditfurth den Prozess der Entstehung des ersten primitiven Lebens so:

»Der erste Schritt des Lebens war somit ein Akt der Verselbständigung, des Absetzens von der Umgebung, die damit objektiv zur Außenwelt wurde.Dieser fast selbstverständlichen Forderung steht nun jedoch in einer paradox anmutenden Weise eine genau entgegengesetzte Notwendigkeit gegenüber, die dazu zwingt, die Verbindung zu der gleichen Außenwelt ununterbrochen aufrechtzuerhalten. … Die Lösung kann nur in der Herstellung einer ausgesprochen ›qualifizierten‹ Verbindung zur Außenwelt bestehen. Es muß sich um eine Verbindung handeln, die selektiven, auswählenden Charakter hat.« (S. 32/33)

Die Verselbständigung des Lebens gegenüber seiner Umwelt und der damit entstehende Stoffwechsel zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt waren dialektische Prozesse, die sich mit dem Aufsteigen von primitiven zu höheren Lebensformen spiralförmig höherentwickelten.

Zunächst war die Erdatmosphäre noch frei von reinem Sauerstoff. Sie war stark wasserdampfgesättigt und enthielt unter anderem Ammoniak, Methan, Wasserstoff sowie Kohlenmonoxid und -dioxid.

Inzwischen ist es gelungen, unter künstlich hergestellten Bedingungen wie in der Uratmosphäre wichtige Bausteine des Lebens herzustellen (unter anderem Aminosäuren und Mononukleotide) und sie zu Nukleinsäuren und Eiweißen zu verknüpfen. Damit wurde die natürliche Entstehung der wesentlichen Bausteine des organischen Stoffwechsels und der Vererbung nachgewiesen.

Friedrich Engels definierte das »Leben« treffend als »die Daseinsweise der Eiweißkörper, und diese Daseinsweise besteht wesentlich in der beständigen Selbsterneuerung der chemischen Bestandteile dieser Körper.« (»Anti-Dühring«, Marx/ Engels, Werke, Bd. 20, S. 75)

Die moderne Genforschung hat inzwischen den Beweis erbracht, dass sich die Gene gesetzmäßig und in dialektischer Einheit mit der sich verändernden Umwelt entwickeln.

Um Zugang zur ganzen Komplexität der Biosphäre zu finden, ist es sinnvoll, zunächst die wissenschaftliche Methode der Betrachtung ihrer wesentlichen Einzelteile zu wählen. Friedrich Engels stellte diese Methode so dar:

»Um die einzelnen Erscheinungen zu verstehn, müssen wir sie aus dem allgemeinen Zusammenhang reißen, sie isoliert betrachten«. (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 499)

Aus eben diesem Grund wird die Biosphäre in Anlehnung an den österreichischen Geologen Eduard Suess (1831–1914) üblicherweise in drei Untereinheiten gegliedert:

die Lithosphäre, die Schicht der Gesteine und Böden,

die Hydrosphäre, die Wasserareale der Erde, und

die Atmosphäre, die Lufthülle der Erde.

Es sind dies aber keine scharf voneinander abgegrenzten Sphären, sondern Teile eines zusammenhängenden globalen Systems, die in dialektischer Wechselwirkung stehen.

Die Lithosphäre

Eine der wichtigsten ökologischen Funktionen der Gesteine der Erdkruste besteht in der Bereitstellung verwitterter Mineralien, der Ausgangsmaterialien der Bodenbildung. Aus ihnen entstehen, zusammen mit abgestorbenen organischen Materialien, die mehr oder weniger fruchtbaren Böden, eine der unverzichtbaren Grundlagen aller menschlichen Zivilisation. Eine andere Funktion ist die Sammlung und Aufbereitung des Trinkwassers.

Die Erdkruste ist ein eigener Lebensraum. Ohne eine riesige Vielfalt von Bodenorganismen wäre der Prozess der Bodenbildung ganz und gar undenkbar. Im Boden wird tote organische Substanz wieder in ihre Bestandteile zerlegt. Kohlendioxid, Wasser, Stickstoffverbindungen und andere Salze stehen so den Pflanzen wiederum als Nährstoffe zur Verfügung. Hier findet auch eine Vielzahl synthetischer Prozesse (Aufbau- und Umbauvorgänge) statt, ohne die zum Beispiel die Humusbildung undenkbar wäre.

Der große Naturforscher Charles Darwin (1809–1882) fand heraus, dass der ganz gewöhnliche Regenwurm (es gibt weltweit viele Arten von Regenwürmern) für die Bildung der fruchtbaren Ackererde hauptverantwortlich ist und mithin unverzichtbar für die menschliche Existenz. Im Lehrbuch »Ökosysteme« von Frank A. Klötzli heißt es dazu:

»Pro Hektar und Jahr wandern so zwischen 1 und 20 Tonnen Boden durch die Körper der Regenwürmer. Im Laubwald wird auf diese Weise der Oberboden bis 50 cm Tiefe in 200–300 Jahren einmal umgesetzt, in Steppen die obersten 30 cm in 100 bis 150 Jahren.« (S. 253)

Die Bodenfauna und -flora besteht aus Würmern aller Art, Spinnen, Kleinstinsekten, Algen, Pilzen und Bakterien. In den Bodenschichten findet unaufhörlich ihr Stoffwechsel mit den mineralischen, organischen und gasförmigen Anteilen der Lithosphäre statt.

Die Bodenorganismen sind für die meisten Übergangs- und Umwandlungsprozesse von der belebten zur unbelebten Materie und umgekehrt verantwortlich. Dieser Stoffwechsel bildet eine wesentliche Grundlage allen Lebens.

Die mineralischen Lagerstätten, die durch Millionen Jahre dauernde geochemische Prozesse entstanden sind, gehören zu den nicht erneuerbaren Ressourcen. Dazu müssen auch die Vorkommen fossiler Brennstoffe wie Torf, Kohle, Erdöl und Erdgas gezählt werden. Der Begriff »nicht erneuerbar« ist allerdings nicht ganz exakt, denn die so bezeichneten Rohstoffe sind organischen Ursprungs und ihre Entstehung setzt sich weiter fort. Diese Prozesse sind jedoch so langwierig, dass sie sich in der relativ kurzen Dauer der Menschheitsgeschichte nicht regenerieren werden. Dazu schreiben Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber im Buch »Der Klimawandel«:

»Die jedes Jahr verbrannte Menge entspricht etwa dem, was sich zur Zeit der Entstehung der Lagerstätten von Öl und Kohle in rund einer Million Jahre gebildet hat.« (S. 33/34)

Vom Standpunkt der Bedeutung der Rohstoffe aus der natürlichen Umwelt für das menschliche Leben ist der Ausdruck »nicht erneuerbar« also durchaus sinnvoll.

Die Hydrosphäre

Die Hydrosphäre umfasst die ober- und unterirdischen Wasservorkommen der Erde. Die aus dem Weltraum zu beobachtende »blaue Farbe« des Planeten Erde rührt vom Wasser her. Die Ozeane bedecken mehr als sieben Zehntel der Erdoberfläche. Die Hydrosphäre umfasst aber auch das Grundwasser, das Sickerwasser im Boden, in Mineralien eingeschlossenes Wasser, Binnengewässer sowie das Inland- und Packeis.

Die gesamte Menge des Wassers auf der Erde wird auf 1,4 Milliarden Kubikkilometer geschätzt. Allein 97 Prozent davon entfallen auf das Salzwasser der Ozeane, 2 Prozent sind in Form von Eis gebunden und nur etwa 0,7 Prozent finden sich als Süßwasser auf dem Festland.

Eine Besonderheit der Erde machen die Temperaturen an ihrer Oberfläche aus, die Wasser zwischen dem festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand wechseln lassen. Alle biologischen Prozesse auf der Erde benötigen flüssiges Wasser. Dazu schreiben die Autoren Hans Knodel und Ulrich Kull:

»Nahezu alle Vorgänge in den Zellen der Organismen laufen in wässrigem Milieu ab. In allen Lebewesen ist das Wasser stofflicher Hauptbestandteil (zumeist über 70 %), und viele Organismen leben ausschließlich im Wasser.« (»Ökologie und Umweltschutz«, 1981, S. 4)

In den Ozeanen und Binnengewässern (Flüsse, Seen usw.) beherbergt die Hydrosphäre Lebensräume einer Vielzahl von Organismen. Diese gehören zu den wichtigsten Eiweißlieferanten der Nahrungskette (Fische, Krustentiere usw.). In den großen Reservoiren des Tiefen- und Grundwassers sammelt sich das Süßwasser, der Lebenssaft der Flora und Fauna auf dem Land.

Seine überragende Bedeutung für das Leben verdankt das Wasser einer Reihe spezifischer Eigenschaften (»Anomalien«). Im Vergleich mit ähnlichen Molekülen, etwa Schwefelwasserstoff, wäre bei Wasser eigentlich ein Schmelzpunkt von etwa minus 150 Grad Celsius und ein Siedepunkt von minus 80 Grad Celsius zu erwarten. Wasser hat aber mit 0 Grad Celsius einen viel höheren Schmelzpunkt und verdampft erst bei 100 Grad Celsius. Das ist die entscheidende Voraussetzung für die Existenz von Seen und Flüssen.

Außerdem wird Wasser, wieder im Unterschied zu anderen Stoffen, nicht immer dichter, je kälter es wird. Es hat seine größte Dichte bereits bei vier Grad Celsius – deshalb schwimmt das leichtere Eis auf dem flüssigen Wasser und die Wasserorganismen können darunter überleben. Schließlich ist die Wärmespeicherkapazität des Wassers viel höher als die anderer Moleküle entsprechender Größe. Wassermoleküle können verschiedene Strukturen annehmen, die sich auch ineinander verwandeln. Deshalb ist es das ideale Lösungsmittel für alle biochemischen Lebensprozesse. Zudem ist es in der Lage, andere Moleküle zu stabilisieren, etwa lebenswichtige Eiweiße oder die Erbsubstanz DNA.

Die Hydrosphäre der Erde ist kein einheitlicher Raum, sondern ein vielfach gegliedertes dynamisches System aus Wasserreservoiren. Angetrieben wird dieses System von der Sonne. Ihre Strahlung lässt Gletscher-, Schnee- und Eisflächen tauen und Wasser aus Ozeanen, Seen und Flüssen, aus dem Boden und aus Organismen verdunsten. In der Atmosphäre verteilt sich der Wasserdampf über die Erde, bis er wieder abkühlt und als Niederschlag (Tau, Regen, Schnee, Hagel) zurück auf die Erde gelangt. Eine der wichtigsten ökologischen Funktionen des sonnengetriebenen Wassersystems ist, dass aus den riesigen Salzwasserreservoiren der Ozeane wieder Süßwasser entsteht.

Besondere Bedeutung hat die Hydrosphäre für die Ausbildung des Klimas. Weil Wasser ein hohes Wärmespeichervermögen hat, wirken Ozeane und Seen ausgleichend auf ihre Klimaräume.

Die Atmosphäre

Als Erdatmosphäre wird die gasförmige Hülle der Erde bezeichnet. Sie umfasst mehrere horizontal übereinanderliegende Schichten.

Die Luftschichten gehören zu den essenziellen Lebensgrundlagen der Pflanzen, Tiere und Menschen. In der untersten, erdbodennahen Schicht, der Troposphäre, konzentrieren sich 90 Prozent der gesamten Luft und nahezu der gesamte Wasserdampf der Atmosphäre. An den Polen beträgt ihre vertikale Ausdehnung etwa acht, um den Äquator herum gut 18 Kilometer. Nur im unteren Bereich der Troposphäre ist für höherentwickelte Tierarten und Menschen genug Sauerstoff zum Leben vorhanden.

Die als »Luft« bezeichnete Erdatmosphäre besteht zu 78,1 Prozent aus Stickstoff, zu 20,9 Prozent aus Sauerstoff und zu 0,9 Prozent aus dem Edelgas Argon. Die restlichen 0,1 Prozent teilen sich unter eine Vielzahl von »Spurengasen« auf. Das Kohlendioxid ist mit zur Zeit 0,04 Prozent das bekannteste und wichtigste Spurengas, nicht zuletzt, weil es trotz seines geringen prozentualen Anteils eines der wichtigsten natürlichen Treibhausgase ist. Die Treibhausgase sorgen dafür, dass sich die Oberflächentemperaturen der Erde in einem lebensfreundlichen Bereich bewegen.

In der Troposphäre spielt sich das ganze Wettergeschehen mit seinen Winden und Wolkenbildungen ab. Da die Troposphäre vor allem von der Erde erwärmt wird, kühlt sie sich in ihren äußeren Schichten rapide ab (um etwa 6,5 Grad pro Kilometer Höhe). Dort herrschen dann Temperaturen von bis zu minus 55 Grad Celsius.

An die Troposphäre schließt sich oben die Stratosphäre an. Dort ist die für das irdische Leben unverzichtbare Ozonschicht angesiedelt. Das Ozon-Molekül (O3) besteht aus drei Sauerstoff-Atomen und ist in der Lage, die energiereiche ultraviolette Strahlung der Sonne (UV-B, UV-C) weitgehend zu absorbieren. Unter einer unverletzten Ozonschicht erreicht nur die energieärmere UV-A-Strahlung ungefiltert die Erdoberfläche.

Über der Stratosphäre liegt ab etwa 50 Kilometern Höhe die Mesosphäre, in der die Temperaturen auf minus 90 Grad Celsius sinken. Dort finden sich die letzten Außenposten irdischen Lebens in Form von äußerst unempfindlichen Bakteriensporen.

Die Mesosphäre erfüllt zusammen mit den kalten Regionen der Troposphäre eine für die gesamte Biosphäre wichtige Funktion: Dort friert der Wasserdampf der Atmosphäre zu Eiskristallen, die wieder zur Erde zurückfallen. Ansonsten würde der Wasserdampf weiter ins Weltall hinausdriften und zerfallen. Die Erde hätte längst kein Wasser mehr und alles Leben wäre abgestorben.

Flora und Fauna

Den lebendigen Gehalt der Biosphäre machen die Organismen aus, die vielen Arten der Pflanzen und Tiere einschließlich der Menschen. Sie bilden systemische Lebensgemeinschaften (Biozönosen) und bewohnen konkrete Lebensräume (Biotope) mit jeweils eigener Identität. Die Arten stehen miteinander und mit den unbelebten Komponenten der Biosphäre in engem wechselwirkenden Zusammenhang, sie bilden ein Ökosystem.

Die herkömmliche Ökologie-Wissenschaft unterscheidet vereinfacht drei funktionelle Hauptgruppen bei den Organismen eines Ökosystems: Produzenten, Konsumenten und Destruenten. Diese Einteilung ist zweckmäßig, aber nicht absolut, denn in allen drei Hauptgruppen wird grundsätzlich produziert, konsumiert und zersetzt. Es geht bei dieser Einteilung nur darum, welche dieser drei Seiten der natürlichen Funktionen das jeweils Charakteristische darstellt.

Zu den Produzenten (Erzeugern) gehören alle grünen Pflanzen, Algen und einige Bakterien. Sie könnten treffender als biologische Primärerzeuger oder »Biotransformatoren« für die organische Primärproduktion bezeichnet werden. Sie sind als einzige Organismen in der Lage, aus Kohlendioxid und Wasser mithilfe des Sonnenlichts Zucker (Glukose) herzustellen, also anorganische Materie in organische Nährstoffe zu verwandeln. Diese biochemische Reaktion wird Fotosynthese genannt.

Die Fotosynthese ist an das Sonnenlicht gebunden, das bestimmte Farbpigmente, wie das Chlorophyll der grünen Pflanzen, absorbieren können. Ihrem Wesen nach ist die Fotosynthese ein sonnengetriebenes Transformationssystem: Die Sonnenenergie wird hier zunächst in elektrische Energie umgewandelt, anschließend dann in chemische Energie (energiereiche Verbindungen), mit deren Hilfe dann Zucker bzw. Kohlenhydrate aufgebaut werden.

Der in Pflanzen hergestellte Zucker ist der universale Ausgangsstoff für die Gewinnung von Energie in Lebewesen und für die Herstellung komplexerer organischer Stoffe, von denen alle Tiere leben. Außerdem entsteht bei der Fotosynthese freier Sauerstoff, der in die Atmosphäre abgegeben wird, wo er eine lebensnotwendige Grundlage für die atmenden Lebewesen bereitstellt und auch den Grundstoff für die Ozonschicht.

Mittels der Fotosynthese werden global pro Jahr etwa 175 Milliarden Tonnen organisches Material aufgebaut, davon 120 Milliarden Tonnen auf dem Festland und 55 Milliarden Tonnen in den Ozeanen.

Seit 1979 sind Ökosysteme sogar am Meeresgrund erforscht worden, 2012 wurde eines in der Rekordtiefe von 5 000 Metern entdeckt. Hier erfolgt die Umwandlung von anorganischer Materie in organische Nährstoffe nicht mittels der Fotosynthese, sondern durch Chemosynthese. Energielieferanten sind dabei durch Vulkanismus erhitztes Wasser und schwefelhaltige Verbindungen.

Die zweite große Gruppe, die Konsumenten, kann selbst keine Primärproduktion leisten. Sie müssen organische Substanz als Nahrung zu sich nehmen, um Energie und lebenswichtige Verbindungen für ihren Stoffwechsel zu gewinnen. Zu dieser Gruppe gehören alle Tiere und auch der Mensch. Man kann dabei Pflanzenfresser von Fleischfressern und Allesfressern unterscheiden. Erstere sind als Primärkonsumenten direkte Nutznießer der pflanzlichen Primärproduktion und dienen selbst den fleischfressenden Tieren (sekundäre Konsumenten) als Nahrung. Viele Tierarten und auch der Mensch können sich variabel ernähren (»Allesfresser«).

Die Gruppe der Destruenten