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3. Auflage 2017
Originalausgabe
 
© 2016 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
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Redaktion: Antje Steinhäuser
Umschlaggestaltung: Karen Schmidt, Melanie Melzer
Umschlagabbildung: Bayerischer Rundfunk; Foto: Markus Konvalin; in Lizenz der BRmedia Service GmbH
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-86882-655-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-909-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-910-7
 
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Für Emily, meine über alles geliebte Nummer 1, in der ich mich wie in einem Spiegel sehe, weil wir uns so ähnlich sind, und die dafür sorgt, dass ich immer häufiger über mich selbst schmunzeln kann.

Inhalt

Vorwort von Fritz Egner
Prolog
Wird das nicht langweilig mit der Zeit? Interessierst du dich wirklich noch für die Leute?
Wer war dein Lieblingsgast? Und gibt es jemanden, mit dem es überhaupt nicht funktioniert hat?
Jeder Mensch hat einen Lebenslauf
Lebenslauf des Autors
Kapitel 1: Der Gesprächseinstieg
Aller Anfang ist gar nicht so schwer oder Wie beginne ich ein Gespräch?
Die Bedeutung der Körpersprache
Die richtige Körperhaltung und der richtige Gang
Der richtige Händedruck
Lächeln Sie, aber nicht zu viel!
Keine Angst vor Banalitäten!
Kleider machen Leute!
Auf in den Tanz
Spielerische Leichtigkeit als Haltung
Kapitel 2: Das Gespräch im Fluss halten
Entspannen Sie sich!
Trauen Sie sich, sich zu öffnen!
Keine Monologe!
Was Sie tun können, wenn ein Gespräch langweilig zu werden droht
Warum Sie stets überraschend bleiben sollten
Kapitel 3: Das Gespräch zu einem (guten) Ende führen
Wie Sie ein Gespräch elegant beenden
Reden Sie nicht um den heißen Brei herum!
Der perfekte Spruch zum Schluss
Der Trinkspruch
Die Übergabe
Unter vier Augen
Wie Sie Profilneurotiker zum Schweigen bringen
Kapitel 4: Verschiedene Gesprächssituationen – Small Talk, Flirt, Chef- und Konfliktgespräch
Small Talk: Die hohe Kunst des kleinen Gesprächs
Flirt: Die Kunst, nichts zu erwarten und alles für möglich zu halten
Chef- und Konfliktgespräch: Die Kunst, unabhängig und clever zu verhandeln und seine Ziele zu erreichen
Vorsicht Falle!
Kapitel 5: Die höheren Weihen
Schlagfertigkeit und Spontaneität: Wie Sie es schaffen, nie wieder um eine Antwort verlegen zu sein
Das (Kunst-)Handwerk der freien Rede: Wie Sie es schaffen, Ihre Scheu vor Publikum zu verlieren und Menschen zu begeistern
Epilog
Danksagung
Über den Autor

Vorwort von Fritz Egner

Mit über vierhundert Interviews, überwiegend Damen und Herren aus dem Bereich der Rock- und Popmusik, kam ich mir lange Zeit ziemlich fleißig vor. Über diese Zahl kann der Autor dieses Buches vermutlich nur müde lächeln. Im Oktober hat er seine tausendfünfhundertste »Mensch, Otto!«-Sendung gefeiert, was bedeutet, dass er mit genauso vielen Menschen ein langes Gespräch geführt hat. Welcher Erfahrungsschatz sich da aufgebaut hat, erklärt sich von selbst.

Sein Buch beweist nun, dass er nicht nur vorzüglich fragen, sondern auch sehr unterhaltsam über seine Begegnungen schreiben kann. Seine Begabung, mit Menschen umzugehen, sie sich öffnen zu lassen, durfte ich selbst das ein oder andere Mal in seiner Show genießen. Die Akribie, mit der er sich auf jede seiner Sendungen vorbereitet, gepaart mit einer natürlichen Neugier und seinem journalistischen Gespür ergeben diese ganz besondere Mischung, die es ihm ermöglicht, mit den unterschiedlichsten Menschen ein offenes Gespräch zu führen. Man will ihm stets mehr erzählen, als man vorhatte. Trotzdem fühlt man sich nicht entblößt, sondern einfach nur verstanden. Dabei schafft er es, medienunerfahrenen Gästen die Angst vor dem Mikrofon zu nehmen und Medienprofis mit seinen Fragen zu verblüffen. Von dem großen Schauspieler Armin Mueller-Stahl wollte Thorsten etwa wissen, welchen Film er dem lieben Gott empfehlen würde. »Tatort«-Kommissar Axel Prahl fühlte sich offenbar so gut aufgehoben in der Sendung, dass er drauf und dran war, seine Privatadresse auszuplaudern. Das vielleicht schönste Kompliment kam von dem gestrengen Künstlergenie André Heller, dessen Fazit lautete: »Das war keine Zeitverschwendung!«

Mit einer jungen Frau, die eine Leukämie-Erkrankung überlebt hatte, gelang ihm ein so anrührender Gedankenaustausch, dass er dafür mit dem Deutschen Radiopreis 2014 ausgezeichnet wurde. Seine Sendungen sind bis heute trotz ihrer Professionalität nie zur Routine geworden – ganz im Gegenteil –, jeder Talk wird zum individuellen Ereignis. Ich bin sicher, dass auch Sie bei der Lektüre dieses Buches von der außerordentlichen Feinsinnigkeit des Autors profitieren werden. Lassen Sie sich inspirieren und fühlen Sie sich schon beim nächsten Gespräch, das Sie führen, selbstbewusster und damit wohler. Denn wenn Sie die richtigen Worte finden, hat Reden nichts mit Geschwätzigkeit zu tun – und Zuhören nichts mit Sprachlosigkeit.

Prolog

Ich habe sie gehasst, diese Momente. Heute kann ich amüsiert zurückblicken, aber damals – gefangen im schlaksigen Körper eines ungelenken Teenagers – war ich überfordert. Von der Schlagfertigkeit, die ich so dringend gebraucht hätte, war ich so weit entfernt wie Angela Merkel davon, zur beliebtesten Deutschen in Griechenland gewählt zu werden. Und die Erinnerung an dieses Gefühl von Ohnmacht im Angesicht eines Typen, der mit ein paar Sprüchen mein ohnehin nicht allzu ausgeprägtes Selbstbewusstsein pulverisierte, ist heute noch so lebendig, als wäre es erst gestern gewesen.

Ich stand am Tresen dieser Kneipe, in der sich die Jugendlichen trafen, die in der oberpfälzischen Kleinstadt cool sein wollten, und das wollten sie in den Achtzigern alle − egal ob Sportler, Künstler, Popper, Punks oder Normalos. Plötzlich kam einer der ortsbekannten »Künstler« auf mich zu, baute sich eine Nasenlänge entfernt vor mir auf und bellte mir entgegen: »Die Micha hat was Besseres verdient als dich dämlichen drittklassigen Basketballer!«

»Du bist doch nur so ein Möchtegernkünstler, der auch in zehn Jahren noch hier an der Bar abhängen und davon träumen wird, berühmt zu werden, obwohl jeder weiß, dass dein Talent nicht mal zum Anstreichen reicht!« Zehn Minuten später war mir diese Antwort eingefallen – leider neun Minuten und siebenundfünfzig Sekunden zu spät, denn in den entscheidenden drei Sekunden nach seinem Spruch waren erst meine Ohren und anschließend mein ganzes Gesicht knallrot angelaufen, aber aus meinem Mund kam – nichts! Ich stand da wie versteinert und versuchte verzweifelt, mir eine geistreiche Antwort einfallen zu lassen, aber in meinem Kopf herrschte Leere und dementsprechend doof werde ich ausgesehen haben.

Schier endlose Sekunden verstrichen, in denen die Umstehenden auf meine Reaktion warteten, die nicht kam. Ich muss mich gar nicht besonders anstrengen, um das Gelächter der Leute heute noch zu hören. Eine gefühlte Ewigkeit später drehte ich meine rote Birne von meinem Kontrahenten weg und verließ im Bewusstsein einer kapitalen Niederlage den Ort meiner Schmach. Ich kann nicht sagen, wen ich damals mehr verachtete, den Typen, der mich so gedemütigt hatte, oder mich selbst, dem im entscheidenden Moment mal wieder die Worte gefehlt hatten.

Ich war siebzehn Jahre alt, und nach diesem Erlebnis beschloss ich, dass mir so etwas nie wieder passieren würde. Ich würde zu dem schlagfertigen Menschen werden, der ich schon immer hatte sein wollen. Nun, natürlich sind mir ähnliche Geschichten auch danach passiert, und bis heute gibt es Situationen, die mich sprachlos machen. Aber sie sind selten geworden, denn damals begann ich, stetig an meiner Fähigkeit zu arbeiten, nie um eine Antwort verlegen zu sein, ein Gespräch in meinem Sinn führen zu können und möglichst zu etwas Besonderem zu machen.

Ich erzähle Ihnen das alles, weil Sie wissen sollten, dass ich kein geborener »Talker« bin, sondern es waren mein Wille, viel Übung und ein paar Tipps von Profis, die mich zu einem Menschen gemacht haben, der das große Glück hat, seine Berufung gefunden zu haben. Und ich bin sehr sicher: Wenn ich es gelernt habe, mit jedem Menschen, ob Politiker, Popstar oder Priester, ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen, ohne um die passenden Worte verlegen zu sein, dann können Sie es ebenfalls! Auch heute in meiner Sendung »Mensch, Otto!« ist genau das mein Ziel: ein gutes Gespräch, von dem mein Gast und ich und vor allem Sie als Hörer profitieren.

Ein Indiz für ein gelungenes Gespräch ist, wenn sich die Gäste nach der Aufzeichnung wundern, dass die Stunde schon vorüber ist. Aber die schönsten Komplimente kommen von »Mensch, Otto!«-Hörern, die mir schreiben, dass das Abendessen leider kalt wurde, weil sie im Auto vor ihrer Wohnung die Sendung zu Ende hören mussten. Wer die Zeit vergisst, hat sie offenbar genossen, und wenn das bei einem »Mensch, Otto!«-Gespräch passiert, freut es mich umso mehr. Inzwischen habe ich über tausendfünfhundert Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen geführt, die alle eines gemeinsam haben: Jeder hatte eine Geschichte zu erzählen, die wir für so spannend hielten, dass wir diesen Menschen in unsere Show eingeladen haben. (Ich benutze »wir« und »unsere« übrigens nicht im Pluralis Majestatis, wie der ein oder andere Kritiker vermuten könnte, sondern, weil »Mensch, Otto!« ohne meine Redakteurinnen nicht ­möglich wäre: Ohne Catina Töpfer, Franzi Paskuda, Julia Liebing, Katrin Kellermann, Marion Fuchs, Steffi Stockinger und Veronika Macher wäre ich rettungslos verloren − zumindest beruflich gesehen.) Die Geschichten unserer Gäste können unglaublich, skurril, bewegend, komisch und manchmal alles zusammen sein, wie das Leben eben.

Wird das nicht langweilig mit der Zeit? Interessierst du dich wirklich noch für die Leute?

Das sind Fragen, die mir immer wieder gestellt werden und auf die ich bis heute stets ein und dieselbe Antwort gebe: Nein, mir wird nicht langweilig, weil ich gar nicht anders kann, als mich für Menschen und ihre Geschichten zu interessieren. Und ich bin überzeugt, dass jeder von uns eine Geschichte hat, die es wert ist, erzählt zu werden. All diese Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen helfen mir, das Leben, und auch mich selbst, ein wenig besser zu verstehen, und ersparen mir den Therapeuten, wie meine Frau gelegentlich behauptet.

Manchmal denke ich, dass ich noch Geld mitbringen müsste, weil ich diese fabelhafte kleine Show moderieren darf. Aber erzählen Sie das bloß nicht meinem Chef!

Wer war dein Lieblingsgast? Und gibt es jemanden, mit dem es überhaupt nicht funktioniert hat?

Der ersten Frage möchte ich mich ausführlicher widmen, da sie nicht leicht zu beantworten ist. Zu viele Menschen, sowohl Prominente als auch Unbekannte, haben mich beeindruckt, und immer wieder dachte ich, so eine Wahnsinnsgeschichte hast du noch nie gehört, bis die nächste kam, die noch bewegender, spannender und unglaublicher war.

Speziell im Gedächtnis geblieben sind mir jedoch keineswegs nur die berühmten Schauspieler, Musiker oder Sportler, sondern eher unbekannte Menschen mit ganz besonderen Geschichten, alle auf ihre Weise große Persönlichkeiten. Ich kann im Rahmen dieses Buches nur ein paar ausgewählte Namen nennen. Aber es waren viele, die uns durch ihren Mut, ihre Kreativität und ihre Phantasie begeistert, zum Teil auch beschämt haben durch die Kraft, mit der sie sich aus schier ausweglosen Situationen befreiten oder lebensbedrohliche Schicksale meisterten. Ich werde immerhin von einigen berichten, weil gerade sie mir vor Augen geführt haben, wie wenig im Leben doch planbar ist und dass jeder Mensch viel mehr zu leisten imstande ist, als er glaubt.

Um also Beispiele zu bringen für prominente und ganz unbekannte Gesprächspartner, an die ich mich besonders gern erinnere, die auf ihre Weise besonders lustig, geistreich, überraschend, amüsant, bewegend und beeindruckend waren, schildere ich über das Buch verteilt in der Rubrik »Lieblingsgast« insgesamt ein Dutzend Begegnungen.

Lieblingsgast
HERBERT GRÖNEMEYER

Der Mann schüttelte sich vor Lachen, verschluckte sich und rutschte vom Studiosessel. Ein Bus voller Fußballprofis, die am Telefon »Bochum, ich komm aus dir« laut und ebenso falsch anstimmten, hatte etwas geschafft, was in Talkshows und Interviews selten gelingt.

Aber Grönemeyer war vom Gesang der versammelten Mannschaft des VFL Bochum so überrascht, amüsiert und sogar ein wenig gerührt, dass es einfach aus ihm herausbrach und er völlig vergaß, dass sein Lachanfall im Radio von Hunderttausenden Menschen gehört wurde.

Diese Geschichte mit dem für ihn überraschenden Anruf der Fußballer ist eines meiner Lieblingsbeispiele dafür, dass auch Prominente sich echt und ohne Maske zeigen, wenn man sie mit Situationen konfrontiert, mit denen sie nicht rechnen und die ihnen keine Zeit zum Nachdenken lassen. Denn dann vergisst selbst jeder noch so abgezockte und interviewgestählte Prominente im Zweifel seinen Vorsatz, bloß nicht zu viele Emotionen zu zeigen.

Ich gebe gerne zu, dass es auch mir im Gespräch mit Prominenten nicht immer gelingt, solche kostbaren Momente zu erleben, aber den Versuch ist es immer wert. Mein Tipp für fast jede Art von Gespräch: Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Gegenüber zu überraschen, es aus seiner Komfortzone zu locken, werden Sie ein interessanteres Gespräch führen und meistens mehr erfahren und erfolgreicher sein. Ach ja, nach der Episode mit dem Männergesangsverein des VFL Bochum öffnete sich Grönemeyer, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte, zeigte sich gnadenlos selbstironisch und alberte herum wie ein Teenager – er hatte Vertrauen gefasst. Vielleicht hat er sich gedacht, wer nüchterne Fußballer zum Singen bringt, kann kein schlechter Mensch sein.

Bis heute, zehn Jahre danach, denke ich immer wieder gerne an dieses Gespräch mit Deutschlands größtem Popstar zurück. Entgegen meiner Erwartung hatte sich Grönemeyer als einer der humorvollsten Menschen entpuppt, mit denen ich in all den Jahren in meiner Sendung zu tun hatte. Und ich bin mir nicht sicher, ob er je wieder in einer Talkshow vor Lachen fast vom Stuhl gefallen ist.

Die Antwort auf die zweite Frage – mit wem es nicht funktioniert hat – ist relativ einfach, denn dieses Gespräch, wenn man es so nennen will, werde ich nie vergessen. Es ist für mich mit einer persönlichen Erfahrung verbunden, auf die ich gerne verzichtet hätte. Natürlich gibt es Gäste, die mich nicht wirklich an sich heranlassen wollen oder zu denen ich keinen tieferen Zugang finde. Das führt dazu, dass das Gespräch an der Oberfläche bleibt und im besten Falle entspannt dahinplätschert. Das kommt vor und ist keine Katastrophe. Ich hätte es allerdings lange nicht für möglich gehalten, dass mir ein Gespräch komplett entgleiten könnte und ich es sogar abbrechen würde. Aber − um einen platten, aber zutreffenden Spruch anzubringen: Irgendwann ist immer das erste Mal. Der Gast: eine aufstrebende Moderatorin, die ich, wie viele andere auch, im Fernsehen als humorvoll und schlagfertig wahrgenommen hatte. In der Regel sind Kollegen dankbare Gäste; sie wissen, worum es geht, verstehen es, Anekdoten zu erzählen, und sind meistens recht umgänglich. Diese Gespräche sind vielleicht nicht sehr tiefschürfend, aber unterhaltsam und damit ideal für den Wochenausklang.

Also, dachte ich, wird auch das Gespräch mit Frau K. »a gmaade Wiesn«, wie wir in Bayern sagen (für die Leser, die Bayrisch weder als Mutter- noch als Fremdsprache gelernt haben: »eine gemähte Wiese« im Sinne von »ein leichtes Spiel«). Die vermeintliche »gmaade Wiesn« entpuppte sich dann eher als ein Dschungel der Kommunikationspannen, in dem wir uns hoffnungslos verirrten. Ein Desaster nahm seinen Lauf. Ihre Antwort auf meine erste Frage lautete: »Zu Privat!« Auf die zweite Frage: »Verstehe ich nicht!« Und auf die dritte: »Kann ich so spontan nicht beantworten!« Nicht wesentlich kreativer fiel die Antwort auf meine bereits im Zustand leichter Verzweiflung gestellte Frage aus: »Möchte ich nicht drüber reden, dazu habe ich schon alles gesagt!«

So ähnlich ging das fünfzehn Minuten weiter, und ich weiß bis heute nicht, ob ich an diesem Tag einfach nur die falschen Fragen gestellt habe oder ob Frau K. mit dem falschen Fuß aufgestanden war und einfach keine Lust auf unser Gespräch hatte. Jedenfalls wurde die Stimmung im Studio zusehends frostiger, ich immer frustrierter, und Frau K. zeigte sich wild entschlossen, meine Versuche, etwas Humor und Leichtigkeit in unsere Begegnung zu bringen, zu ignorieren. Ich halte mich zwar für einen Kämpfer, habe aber gelernt, dass man erkennen sollte, wann man verloren hat. Und so gestand ich meine Niederlage nach zwanzig Minuten Quälerei mit der Bitte ein, diesen Versuch eines Gesprächs doch beenden zu dürfen. Der Vorschlag kam jedoch nicht so gut an, wie ich gehofft hatte. Frau K. reagierte hysterisch, ihr Manager drohte mit Konsequenzen, und ich rätsele bis heute, warum wir gar nicht miteinander konnten. Seitdem ist es mir nie wieder passiert, dass ich ein Gespräch nicht zu einem halbwegs versöhnlichen Ende bringen konnte – was nicht heißt, dass es nie wieder vorkommen kann.

 

Klar, auch im richtigen Leben gibt es Situationen, in denen man aneinander vorbeiredet, aber solange das nicht der rote Faden ist, der sich durch ein ganzes Gespräch zieht, sondern die Ausnahme bleibt, sollte man nachsichtig mit sich und seinem Gegenüber sein. Jetzt möchte ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten und mit einem verbreiteten Irrtum aufräumen: Prominente sind nicht per se die spannenderen Gesprächspartner. Warum auch ich diesem Vorurteil lange aufgesessen bin, erkläre ich mir heute auf diese Weise: Promis stehen in der Öffentlichkeit, sind bekannt, weil sie im besten Falle irgendetwas besonders gut können, und wir glauben eben, wer ein guter Schauspieler, ein toller Sportler oder ein mächtiger Politiker ist, der kann besonders viel erzählen.

Aber nur weil jemand filigran gegen einen Ball treten kann oder besonders ausgeprägte Machtinstinkte besitzt, bedeutet das noch lange nicht, dass sein Leben aufregend ist, geschweige denn, dass er ein guter Erzähler ist. Deshalb gehört auch mein Interview mit Angela Merkel nicht zu meinen Sternstunden. Natürlich war es spannend, die Sicherheitskontrollen im Kanzleramt passieren zu dürfen, und ebenso beruhigend, dass die Büros im Kanzleramt nicht spektakulärer aussehen als die in der Zentrale jeder x-beliebigen Versicherung. Als ich dann im Besprechungszimmer der Kanzlerin auf die mächtigste Frau der Welt wartete, war ich eher erstaunt, wie normal das ganze Ambiente und die Menschen in ihrem Umfeld wirkten. Ich erinnere mich noch genau, dass sie mit ihren 1 Meter 65 wesentlich kleiner war, als ich sie mir vorgestellt hatte, aber mit beachtlichem Tempo den Raum betrat, mich mit einem eher weichen Händedruck begrüßte und dabei mit umso festerem Blick taxierte. Von der Aura der Macht, die sie umgeben soll, habe ich in diesem Moment nichts gespürt.

Auffällig zudem, wie prompt sie alle politischen Fragen beantwortete, bei persönlichen hingegen immer wieder stockte, beinahe hilfesuchend zu ihrem Pressechef blickte und dann meist einsilbige Antworten gab. Nur zweimal blitzte es in den Augen der Kanzlerin – als sie über ihre Kindheit in der Uckermark sprach und als sie mit geradezu spitzbübischer Freude von ihrer Vorliebe fürs Saunieren erzählte.

Das ist übrigens kein schlechter Tipp für alle Arten von Gespräch: Jeder Mensch hat mindestens ein Thema, über das er gerne redet, und wenn Sie herausfinden, was das ist, ist die Chance groß, dass Ihr Gegenüber sich Ihnen öffnet. Bei der Kanzlerin war das ihre Kindheit, als ihre Welt noch klein, überschaubar und in Ordnung war. Aber wie Angela Merkel wirklich tickt, kann ich Ihnen nicht sagen. Hinter die Fassade der Machtpolitikerin hat sie mich nicht blicken lassen.

Dabei sind das die Momente, nach denen ich suche, weil sie selten und kostbar sind wie Diamanten. Wenn ein Mensch in meiner Show für ein paar Minuten die Maske fallen lässt und ich zu verstehen glaube, was ihm wichtig ist, warum er sein Leben so und nicht anders lebt, liebe ich meinen Beruf über alles. Und wenn Sie sich ein wenig Zeit nehmen, werde ich Ihnen in diesem Buch ein paar einfache und leicht umzusetzende Tipps geben, wie Sie sich mit jedem Menschen, zu jeder Zeit auf Augenhöhe unterhalten können. So werden Sie kommunikative Bauchlandungen, wie ich eine mit Frau K. erlebt habe, oder schlicht unbefriedigende Gespräche vermeiden können. Denn: Reden können Sie mit jedem Menschen, Sie müssen nur wissen, wie!

Jeder Mensch hat einen Lebenslauf

Unverzichtbarer Teil unserer »Mensch, Otto!«-Sendung ist ein von mir geschriebener Lebenslauf des jeweiligen Gastes, um ihn den Bayern-3-Hörern in ein paar Sätzen ­vorzustellen. Dieser Lebenslauf ist nicht tabellarisch angelegt, sondern besteht aus Zitaten des Gastes zu seiner eigenen Person und zum Leben an sich sowie aus von mir absichtlich überspitzten Behauptungen. Während unseres Gesprächs konfrontiere ich die Frau/den Mann damit und sie/er liest die Zeilen dann selbst vor. Ich versuche so, auf den Punkt zu bringen, was den jeweiligen Menschen aus meiner Sicht antreibt, was seine Motivation ist, das zu tun, was er tut. Im Kern geht es darum zu zeigen, wie sie/er tickt. Oft sind Gäste überrascht, weil sie sich genau beschrieben fühlen, manche fühlen sich aber auch provoziert und wollen wissen, wie ich bloß auf solch einen Quatsch käme? Natürlich liegt mir am Unterhaltungswert des Lebenslaufs, aber nach dem Vortrag besteht Gesprächsbedarf und darum geht es ja nun in einer Talkshow. Diesen speziellen Lebenslauf werde ich deshalb im folgenden Kapitel meinen Lieblingsgästen voranstellen, die keine bekannten Persönlichkeiten sind und die ich Ihnen gerne vorstellen möchte, weil sie mich auf ganz besondere Weise beeindruckt und zum Teil geprägt haben. Vorher habe ich mir noch den Spaß erlaubt, für mich selbst einen solchen Lebenslauf zu formulieren, damit Sie sehen, was das für ein seltsamer Vogel ist, mit dem Sie es hier zu tun haben.

Lebenslauf des Autors

Ich heiße Thorsten Otto und liebe gute Gespräche. Für mich gibt es nichts Spannenderes als Menschen und ihre Geschichten. Ein gutes Gespräch ist keine Hexerei, kann aber alles verändern. Ich bin überzeugt, dass jeder diese Kunst erlernen kann. Für diese These bin ich der lebende Beweis, denn ich war ein schüchternes Kind. Geprägt haben mich mein Vater, der mich lehrte zu argumentieren, meine »Karriere« als Basketballer und meine Liebe zu Büchern. Heute genieße ich es, mit jedem Menschen auf Augenhöhe sprechen zu können und auf diese Weise mehr über andere, aber auch über mich selbst zu erfahren. Mit jedem Menschen? Um ehrlich zu sein: Mit fast jedem, denn Diskussionen mit meinem vierjährigen Sohn überfordern mich mit schöner Regelmäßigkeit …