image

BIRGIT WEIDMANN, 1954 in Bielefeld geboren, studierte Ethnologie, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. In den Jahren 1976 bis 1991 lebte und wirkte sie in der Kunst-Kommune um den Wiener Aktionskünstler Otto Muehl. 1995 stieg sie erneut ein in ein Leben abseits von Konsum und gesellschaftlicher Norm. Sie zog auf eine Wassermühle mitten im Wald an zwei Bachläufen gelegen in einem einsamen Tal, das im Volksmund "Jammertal" heißt. Dort dominiert die Natur - nicht der Mensch.

Auf der Suche, warum das Tal den Namen "Jammertal" trägt, stieß sie auf die Geschichte unserer Vorfahren in den germanischen bzw. mittelwesteuropäischen Urwäldern. Diese Forschung war ausschlaggebend für das Entstehen dieses zweibändigen Werkes. Es war ein Ruf - gleich einem "Muss". Die Erkenntnis, die sich formte, wollte veröffentlicht werden.

Wie wir wissen, wird Geschichte immer von den Herrschenden geschrieben. Männergeschichte ist vor allem Regenten- und Heldengeschichte. Frauengeschichte wird kaum erzählt. Die Nichtexistenz der Frau in der religiösen, philosophischen, wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Geschichtsschreibung fördert ihre Entwurzelung bis heute. Der Wunsch der Autorin ist, dass das hier zusammen getragene Wissen eines Tages in die Schulbücher mit eingeht.

Das Werk besteht aus zwei Bänden, die sich aufeinander beziehen.

Inhalt Band II:

Die Rolle der Frauen und der Göttinnen in Gnosis, Christentum und Heidentum und die Entschlüsselung von Hexe und Teufel

www.spir-ird.de

Birgit Weidmann

Die verlorene Göttin

Geschichte der Spiritualität

Band 1

Die Christianisierung der indigenen
Urwaldstämme in Mittelwest-Europa
Machtmissbrauch und Widerstand

Image

© 2016 tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld

Autorin: Birgit Weidmann

Umschlag, Illustration: Sita Otto (Coverbild, Ölgemälde)

Lektorat, Korrektorat: Veronika Wolf

Verlag: J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld
www.tao.de

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN:

Paperback: 978-3-96051-238-7
Hardcover: 978-3-96051-239-4
e-Book: 978-3-96051-240-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

INHALT

DANKSAGUNG

VORWORT

1. EINFÜHRUNG

1.1. Unsere Wurzeln

1.2. Kollektives Trauma

1.3. Kraftorte

1.4. Feste

1.5. Die Göttin und die Frau

1.6. Geschlechterspezifische Rollen

1.7. Wurzeln des Christentums

1.8. Die Germanen

1.9. Die göttliche Urmutter

2. MARKSTEINE der geschichtlichen Entwicklung

2.1. Die Christianisierung Germaniens bis 1000

2.2. Geschichte der Umerziehung der Bevölkerung Mitteleuropas im Mittelalter

2.3. Die Sozialkultur zum Beginn der Neuzeit

2.4. Die Hoch-Zeit der Frauenverbrennungen im 16. und 17. Jahrhundert

2.5. Die Verfolgung von Andersdenkenden ab dem 18. Jahrhundert

2.6. Die Situation der Frauen und der Widerständigen im 20. und 21. Jahrhundert

NACHHALL

ANHANG

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

Glossar

Die Zwölf Artikel von Memmingen, 1524

DANKSAGUNG

Die Entwicklung dieses Buches basiert auf zahlreichen Anregungen, Kooperationen und Ermutigungen durch Freundinnen und Freunde, Gefährtinnen und Gefährten. Ihnen, euch allen bin ich sehr, sehr dankbar.

Durch Ursula Madeiskys Film „Wo die freien Frauen wohnen“ über das letzte Matriarchat in China, die Mosuo, habe ich das Leben unserer Ahninnen und Ahnen besser verstanden. Ich entdeckte, dass in uns allen noch Erinnerungen schlummern an eine längst vergangene Zeit. Diese Erinnerungen werden heute als Sehnsucht oder Melancholie wahrgenommen. Ich danke Uscha sehr für ihre filmische Erforschung der heute noch lebenden Matriarchate und für ihre aufmunternden und wegweisenden Worte nach Durchsicht meines ersten Manuskripts. Danken möchte ich auch der feministischen Theologin und Autorin Christa Mulack für das sehr unterstützende Telefonat zu meinem Buch. Die Gespräche mit diesen beiden Frauen bestärkten mich, dass ich richtig liege. Und so entschied ich das Buch zu veröffentlichen.

Dieser Entschluss hätte niemals zum Erfolg geführt ohne die geduldige Anteilnahme meines Mannes Karl-Peter Sieger, der meinen Weg liebevoll begleitet. Sein aufmerksames Zuhören und sein Einbringen der männlichen Sicht hat mir sehr geholfen mich und das Thema immer wieder neu zu klären.

Die begeisterte erste Leserin Ottilie Wenzler hat mir gezeigt, dass Frauen, die sich vorher wenig mit diesem Thema beschäftigt haben, Erkenntnis aus meiner Arbeit ziehen können. Ihre konstruktive und aufbauende Anteilnahme hat mir sehr geholfen. Doch ohne die Lektorin Veronika Wolf und ihre gründliche und fundierte Arbeit wäre der Lesefluss so niemals erreicht worden. Danke auch an Sita Otto, die mir ihr Gemälde als Buchcover zur Verfügung stellte. Euch und zahlreichen anderen Freundinnen und Freunden, die mir in dieser oft als quälend lang empfundenen Phase der Entwicklung beigestanden sind, danke ich von ganzem Herzen.

"Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse, in Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten. Überall ist der Irrtum obenauf und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist."

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), deutscher Dichter der Klassik, Naturwissenschaftler und Staatsmann

VORWORT

Die vorliegenden Texte waren ursprünglich lediglich Hintergrundinformationen zu einem Roman und sollten nicht veröffentlicht werden. Doch erschien es mir so wichtig für uns Menschen in der derzeitigen Lage zu erinnern was einst gewesen war, so dass ich mich entgegen meines ursprünglichen Vorhabens für die Veröffentlichung der gefundenen Fakten entschied.

Dieses Werk besteht aus zwei Teilen. Wegen des Umfangs habe ich sie in zwei Büchern herausgegeben. Beide Bände beziehen sich aufeinander.

Im ersten Band werden die Leser/innen auf eine Zeitreise mitgenommen. Mit Hilfe einer Chronologie von 0 bis heute kann nachgeschlagen werden, was wann geschehen ist. Verschiedene historische Ereignisse rund um den Machtmissbrauch von Kirche und Staat an der Bevölkerung des ehemaligen Germaniens sowie an Andersdenkenden, Frauen und Männern, werden aufgezeigt. Die Chronologie beruht auf einer Sammlung unterschiedlicher Quellen, die ich ohne Kommentar hintereinander aufgelistet habe. Sofern ich eigene Texte verwendet habe, sind sie als meine Anmerkung gekennzeichnet. Die geschichtlichen Ereignisse sind den jeweiligen Jahreszahlen zugeordnet. Unter den Jahrhundertangaben sind lediglich ergänzende Informationen angegeben, die keinen Jahreszahlen zugeordnet werden konnten. Diese Rubrik gibt bewusst keinen Überblick über das nun folgende Jahrhundert. So bleiben Leserin und Leser unvoreingenommen im eigenen Forschen und Staunen.

Die Auswahl der geschichtlichen Ereignisse musste unvollständig bleiben, um den Rahmen nicht zu sprengen. Leser/innen können diese Chronologie beliebig erweitern. In der Auswahl habe ich vor allem die Entwicklung der Installierung der Macht über die Bevölkerung - mit Schwerpunkt der Entwürdigung der Frauen - und deren Gegenwehr berücksichtigt. Zum besseren Verständnis habe ich in eingerückten Abschnitten das Zeitgeschehen vertiefend erklärt. Quellen sind angegeben, meine eigenen Kommentare als solche nicht gekennzeichnet. Diese Abschnitte habe ich mit EINSCHUB gekennzeichnet.

Der zweite Band beschäftigt sich ausführlich mit den Hintergründen der Begriffe, die mit den beiden Sakralkulturen verbunden werden, die hier im Europa nördlich der Alpen ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. in Streit gerieten: das römische, katholische Christentum und das germanische Heidentum. Die Konzentration liegt auf der Frau bzw. der Göttin im Kern der Schöpfungsgeschichten und Mythen. Mit Hilfe der Archäologie, der Mythologie, der Ethnologie und der Matriarchatsforschung habe ich unsere beiden Sakralgeschichten untersucht und zum Teil neu belichtet.

Alle von mir genutzten Quellen sind entweder in Fußnoten oder in Klammern am Ende eines Absatzes vermerkt. Wörtliche Zitate sind durch „...“ gekennzeichnet. Wegen des besseren Schreibflusses habe ich einige Quellen nicht wörtlich zitiert, sondern inhaltlich übernommen, angelehnt an den Sprachgebrauch der Autoren. Am Ende des jeweiligen Abschnittes ist die Quelle vermerkt. Im Fließtext sind meine eigenen Anmerkungen in [ ... ] gesetzt.

Jeder Band enthält einen Anhang mit Literaturverzeichnis und einem Wörterverzeichnis mit Erklärungen der wiederholt vorkommenden Begriffe (Glossar). Band I enthält zusätzlich die 12 Artikel von Memmingen von 1524.

Die Zeitangaben v. Chr. werden immer als solche bezeichnet. Die Zeitangaben n. Chr. werden oft ohne diesen Zusatz verwendet.

Der Begriff „Germanien“ ist in Deutschland ein durch die Nationalsozialisten sehr strapazierter und missbrauchter Eigenname, vor allem für ihre Ideologie des unbesiegbaren Deutschtums. Jedoch ist er im Ursprung ein Sammelbegriff für zahlreiche Stämme, die vor der Christianisierung Nord- und Mittel-Europa besiedelten und die nicht zu den Kelten gehörten. Er wurde 80 v. Chr. durch Poseidonis überliefert und seitdem von den Römern verwendet, so auch von Gaius Julius Caesar und seinen Nachfolgern1. Die germanischen Volksstämme selbst nannten sich vermutlich niemals so.

Es waren also die Römer, die das Volk, das in dem unwirtlichen Land nördlich der Alpen lebte, in Bausch und Bogen „Germanen“ nannten. Doch in Wahrheit standen die römischen Heere zahlreichen indigenen Stammesgruppen gegenüber. Die Germanen waren keine einheitliche, in sich hierarchisch und militärisch organisierte Nation, wie es die Römer gerne darzustellen pflegten. Auch waren sie weit weniger kriegerisch als allgemein angenommen. Sie waren freie Stämme in einem freien Land und sie kämpften erbittert für ihre Freiheit. Doch die Römer achteten weder ihre Grenzen noch ihre Gesetze, noch ihre sakrale und profane Kultur, ihre Sitten und Bräuche. Sie wollten die Germanen überlisten und niederringen um ihr Land, ihre Lebensgrundlage samt allen Leuten in Besitz zu nehmen.

Beide Bände sind ein kritischer Blick durch die sakrale und soziale Geschichte Mittel- und Westeuropas. Diese ist maskulin geprägt. Mein Blickwinkel ist feminin ausgerichtet. Wie wir wissen, wird Geschichte immer von den Herrschenden geschrieben. Männergeschichte ist vor allem eine meist barbarische Regenten- und Heldengeschichte. Frauengeschichte wird kaum erzählt. Die Nichtexistenz der Frau in der religiösen, philosophischen, wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Geschichtsschreibung fördert ihre Entwurzelung bis heute. Mein Wunsch ist, dass das hier zusammen getragene Wissen eines Tages in die Schulbücher mit eingeht.

Wenn ich von Matriarchat und Patriarchat spreche, dann spreche ich von zwei Gesellschaftssystemen, die nicht miteinander vergleichbar sind und auch nicht das Gegenteil voneinander bedeuten. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Matriarchat „Herrschaft der Frau“ bedeutet und damit das Gegenstück zum Patriarchat sei, was allgemein mit „Herrschaft des Mannes“ übersetzt wird.

Das Patriarchat ist eine maskuline, vaterzentrierte Kultur und zeichnet sich heute durch den Glauben an eine männliche Hauptgottheit aus. Es ist eine Gehorsams- und Unterwerfungskultur mit ausgeprägtem Erzwingungsstab (Polizei, Militär, Gesetze usw.). Das Patriarchat ist eine Kriegs- und Eroberungskultur. Sein Sozialleben basiert auf der Kernfamilie, häufig noch immer mit einem männlichen Oberhaupt. Die Hierarchien in allen Einrichtungen sind linear oder pyramidal. Die Vererbungslinie ist vaterorientiert (patrilinear). Die Wirtschaft ist profitorientiert, d.h. auf Gewinnmaximierung ausgerichtet.

Das Matriarchat ist eine feminine, mutterzentrierte Kultur. Im Mittelpunkt stehen immer Mutter und Kind, sowohl im profanen als auch im sakralen Leben. Im Matriarchat gibt es keinen Glauben an eine zentrierte Gottheit, sondern alles ist belebt. Sakral und profan ist nicht zu trennen. Die Hauptgottheiten sind weiblich, der Ursprung allen Seins geht auf die Urmutter zurück. Doch auch männliche Gottheiten sind von hoher Bedeutung. Das Matriarchat ist die Vorläuferkultur aller Patriarchate und gilt als friedliche Kultur. Es kennt keine Gehorsams- und Unterwerfungskultur mit Erzwingungsstab. Sein Sozialleben basiert auf dem Mutterclan (matrilokal), die Vererbungslinie ist mutterorientiert (matrilinear). Eigentum bleibt im Besitz des Clans (Allmende, Gemeinschaftsbesitz). Die Wirtschaft ist eine Subsistenzwirtschaft, eine Bedarfswirtschaft und als solche auf den Bedarf, d.h. auf die Bedürfnisse der Wirtschaftsgemeinschaft ausgerichtet. Selbstversorgung, auch über Tauschhandel, steht im Vordergrund. Nennenswerte Überschüsse werden nicht erwirtschaftet.

Patriarchate schwächen die Stellung der Frauen und stärken die Stellung der Männer. Weiter schwächen sie die Stärken der allermeisten Menschen auch in der eigenen Bevölkerung um die Stellung einer kleinen Elite zu stärken. Die Oberen oder Auserwählten sind einzelne, hierarchisch hochgestellte Menschen, meist Männer. Matriarchate stärken die Stellung der Frauen, insbesondere der Mütter. Das heißt nicht, dass dadurch die Stellung der Männer geschwächt und eine Frauenelite aufgebaut wird. Matriarchate kennen keine Hierarchie der Auserwählten. Matriarchale Männer leben gerne in ihrer Gesellschaft. Der Mann wird nicht im Matriarchat unterdrückt, sondern im Patriarchat (Bsp.: Soldat, einfacher Mann, etc., s.o.).

Mit Hilfe dieser Begriffsdefinition habe ich mir unsere Geschichte und heutige Lebensform angesehen. Mein Blickwinkel ist die Suche nach der verloren gegangenen Göttin. Lokaler Schwerpunkt ist die mittel- und westeuropäische bzw. die germanisch-deutsche sakrale und soziale Geschichte. Um diese zu verstehen, sind Blicke über die Alpen in das südliche Europa und den Nahen Osten notwendig und erhellend, vor allem für das Verständnis unserer sakralen Kultur heute.

Um die weltlichen Themen zu verstehen, ist es unerlässlich die Geschichte zu begreifen.

Die Demontage der Göttin, der Frauen, der Mütter und der Sexualität führte uns ins Chaos. Diesem stehen wir heute beinahe hilflos gegenüber. Erst wenn wir begreifen, dass die Welt so funktioniert wie unsere Körper, dass Nord- und Südpol gleich viel wert sind, dass jedes Organ die wichtigste Funktion inne hat, erst dann werden wir begreifen was zu tun ist, um unsere Sehnsucht nach einer besseren Welt für alle zu erfüllen.

Birgit Weidmann

Neuwagenmühle, Juli 2016

1. EINFÜHRUNG

1.1. Unsere Wurzeln

Die Geschichte Deutschlands und Mittelwest-Europas seit der Christianisierung erzählt über Machtmissbrauch und Widerstand.

Während meiner Untersuchungen bin ich immer wieder auf Irrlichter gestoßen, deren Verfolgung mich in Erstaunen versetzte.

Unsere Ahninnen und Ahnen galten einst alle als „Heiden“ und „Barbaren“. Dann wurden sie zu Verräterinnen und Verrätern ihrer eigenen Kultur. Was hätten sie auch tun sollen? Mich interessiert, worin die indigene Sakral- und Sozialkultur unserer Vorfahren einst bestand und warum die Christen erdenweit Andersgläubige als Barbaren und Heiden verfolgen und diese abstempeln als Häretiker, als „Abweichler“, als „Anhänger einer Irrlehre“. Dabei ist mein Anliegen, vor allem die Frauenverachtung noch einmal in ihrer historischen Entwicklung zu beleuchten. Die Hetze gegen die Frauen beruht meiner Ansicht nach nicht auf einem hysterischen Wahn, denn es waren Gelehrte und Wissenschaftler, die diese Frauenverfolgung aktiv mit ihren Schriften und Reden betrieben. Sie wurde auch nicht erst in der frühen Neuzeit durch den „Hexenhammer“ ausgelöst. Dieser war vielmehr eine schlüssige Folge einer langen Irrung. Ihre Basis liegt viel tiefer und weit früher. Sie beruht auf nackter Machtpolitik. Frauen sind und bleiben immer ein unkontrollierbarer Fakt in allen machtpolitischen Hierarchien, denn das Mysterium der Frau ist die Menstruation, die Empfängnis, die Schwangerschaft, das Gebären und das Stillen sowie das Unterweisen ihrer Kinder. Selbst wenn Männer sehr viel mit ihren Kindern unternehmen, die prägendere Rolle übernimmt von Natur aus immer die Mutter. Dieser Verantwortung müssen wir uns als moderne Frau stellen. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass wir uns dem Diktat eines vermeintlich starken Mannes und/oder s/einem Wirtschaftsimperium unterwerfen.

Es ist ein Unding, dass wir, Frauen wie Männer, uns immer noch von Männern beherrschen lassen, die uns vorschreiben, welche Moral gedacht und welche Ethik gelebt werden soll. Es ist auch ein Unding, dass die Göttin nach wie vor höchstens in der Marienfigur mit dem züchtig gesenkten Blick verehrt werden darf. Die Göttin war immer sehr stark - und sie starb nie. Eine alte jüdische Weisheit lehrt: Seitdem Gott seine Schechina 2 verloren hat ist er heimatlos. Die Folge davon ist, dass er umherirrt und irgendwelche haarsträubenden Gesetze und Gebote erlässt, weil ihm das Gespür für die Heimstatt, die Erde, die Natur und damit für das Werden und Vergehen des Lebens einfach fehlt. Es ist nicht seine Aufgabe, niemals die Aufgabe des Mannes gewesen, Kinder auszutragen und zu gebären. Der berühmte Psychologe Sigmund Freud behauptete im frühen 20. Jh., dass alle Mädchen einen Penisneid empfinden. Diese Empfindung habe ich nie kennen gelernt. Erich Fromm schreibt mir dazu aus der Seele: „Im völligen Gegensatz zu Freuds Annahme, der 'Penisneid' sei eine natürliche Erscheinung in der Konstitution der weiblichen Psyche, bestehen gute Gründe für die Annahme, dass vor der Errichtung der Vorherrschaft des Mannes bei ihm ein 'Gebärneid' existierte, den man sogar noch heute in vielen Fällen antreffen kann.“3

Das Patriarchat konnte in den letzten 5000 Jahren auf der ganzen Erde Fuß fassen. In seiner Kultur wurde die Stellung der Frau geschwächt. Dahinter formuliert sich ein Wunsch, nämlich dem Menschen die Verbindung zum eigenen göttlichen Impuls abzuschneiden oder zumindest zu umnebeln. Das erleichtert die Erhöhung der eigenen Wertigkeit. Eigene Interessen lassen sich spielend leicht platzieren und durchsetzen, wenn die anderen, in diesem Fall die Masse unselbstständig und gläubig gehalten wird. Das Umdenken einer ganzen Volksgruppe läuft stets über die Umerziehung. Über die sakralen Ebenen lässt sich Umerziehung am leichtesten installieren. Werden Götter oder Göttinnen demontiert oder gar dämonisiert – und mit ihnen deren Stellvertreter/innen auf Erden herrscht spätestens in der zweiten und dritten Generation danach Angst und Schrecken vor den uralten oder den älteren Götterwelten. Die Entwurzelung aus dem bis dahin tief vertrauten „Mutterboden der Ahnenkultur“ ist immer die Folge. Auf diese Weise können Eroberer ihre Macht- und Regierungskonformen Sichtweisen über die Götterwelten und deren Charaktere und Glaubenslehren einführen. Das funktioniert besser als jede militärische Zwangsunterdrückung. Deshalb beginnt der erste Krieg mit dem Abschneiden des individuellen göttlichen Impulses. Diesen Impuls trägt vor allem jede Frau in sich. Sobald sie zu menstruieren beginnt, ist sie Monat für Monat mit ihrem individuellen göttlichen Impuls verbunden. Die Lakota-Indianer nennen diese magische Zeit „die Mondzeit der Frau“. Während der Schwangerschaft und dem Ablauf der Geburt und der Stillphase ist dieser Impuls enorm stark es sei denn, er wird durch Operationen, also durch fremde, unnatürliche Eingriffe unterbrochen und abgekürzt. Genau so verhält es sich mit der Menopause. Auch hier kann dieser Impuls nur durch Hormongaben unterbrochen werden. Ein Lakota-Medizinmann sagte mir einmal: „Bei uns werden Frauen erst ab den Wechseljahren zur Medizinfrau. Vorher haben sie andere Aufgaben.“

Unsere Wurzeln gründen nicht im Geschlechterstreit. Die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte war die Gesellschaft in Balance. Sonst hätte sie nicht überleben können. Männer und Frauen galten als gleichwertig. Jede/r hatte seine eigene Handlungs- und Aktionssphäre. Diese Ausgewogenheit spiegelt sich in der Natur. Die Natur kennt keinen Geschlechterkampf wie wir ihn kennen. Keine Spezies schwächt die Stellung ihrer Weibchen. Seit Urzeiten übernahmen die Menschen ihre alters- und geschlechterspezifischen Aufgaben und Rollen im sozialen und sakralen Gefüge. Das änderte sich erst seit der flächendeckenden Einführung der Kriegskulturen.

1.2. Kollektives Trauma

Wir sind Menschen. Unsere Sicht ist begrenzt. Unsere Hürden sind die Emotionen, die wie ein Vulkan explodieren können, wenn wir die ursprüngliche Zuordnung der Emotionen und/oder der Hürden verloren haben. Wir sagen dann sehr oft: „Das habe ich falsch verstanden.“ Verstehen baut auf intuitiver Wahrnehmung, Erinnerung und innerem sowie äußerem Wissen auf. Dazu gehört auch das innere und äußere Wissen über die ursprüngliche Zuordnung der eigenen Emotionen, Hürden und Abwehrhaltungen und deren Einordnung in das jetzt reale Leben. Wenn wir sagen: „Jetzt verstehe ich!“, dann haben wir die Zusammenhänge erfasst, begriffen und verstanden. Es folgt Erkenntnis. Daraus entwickelt sich das Bewusstsein. Uns ist etwas bewusst geworden. Bewusstsein ist ein verinnerlichter Wissenspool, auf den wir im täglichen Leben automatisch zurückgreifen. Auf diese Weise entwickeln wir uns laufend weiter. Unsere Entwicklung verläuft gleich einer Spirale.

Ein Trauma ist verloren gegangenes Wissen, etwas, das nicht mehr gefühlt noch gedacht wird, weil es zu grausam, zu schmerzhaft oder zu angstbesetzt ist. Die Zuordnungen der Emotionen sind verschleiert und nebulös. Ihre ursprünglichen Auslöser werden ausgeblendet oder übersprungen. Wie wild gewordene Bestien irren die so entfesselten, nun heimatlos gewordenen Emotionen umher und können sehr unangepasste Handlungen auslösen.

Emotionen wollen zur Ruhe kommen. Sie wollen als die erkannt werden, die sie sind. Deshalb lösen die umherirrenden Emotionen wie ein Zwang immer wieder sich wiederholende Ereignisse, Zustände, Schicksalsschläge oder Handlungsstränge aus, quasi in der Hoffnung, dass der Emotionsträger, der Mensch, endlich begreift, was zu tun ist: sich zu erinnern, sauber zuzuordnen und Verantwortung zu übernehmen.

Der Zwang der Wiederholung kann nur unterbrochen werden, wenn der Ursprung der Irritation, quasi „der Herd der Entzündung“ oder das die Angst bzw. Irritation auslösende, erste Ereignis aufgespürt und angesehen wird, um es dann vergebend zu entlassen. Da alles der Harmonie bzw. dem Ausgleich entgegen strebt ist zu bedenken, dass der Täter und das Opfer Wechselwirkung haben. Deshalb ist Schuldzuweisung ebenso wenig hilfreich wie Selbstbezichtigung. Schuldgefühle sind ebenso quälend wie Rachegefühle. Beide führen zur Unterwerfung (unter Anfragen oder Forderungen von Dritten) um einer permanent quälenden Unzufriedenheit zu entfliehen. Innere und äußere Ausgeglichenheit ist so nicht zu erreichen.

Der Ausgleich verlangt ewiges Geben und Nehmen, damit alles sich eines Tages so verhält wie die Waage im Stillstand. Nur eine vergebende innere Haltung kann die Hin- und Herbewegung der rasenden Gefühle unterbrechen und den Ausgleich bewirken. Eine vergebende Haltung einnehmen beinhaltet stets drei Dimensionen: den Anderen gegenüber („Ich vergebe dir dein Verhalten und entbinde dich von deinen Worten.“), sich selbst gegenüber („Ich vergebe mir … .“) und als Bitte dem Anderen gegenüber („Bitte vergib mir mein dich verletzendes Verhalten und entbinde mich von meinen Worten.“). Die Rollen-Triade von Opfer (Verfolgte/r) – Täter (Verfolger/in) – Retter/in (Erlöser/in) - letzteres um sein/ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl zu erhöhen.4 - will durchbrochen und aufgelöst werden.

Das Trauma gleicht einer Ruine, die für eine unüberwindbare Burg gehalten wird. Sie erscheint dunkel und Angst einflößend, obwohl sie längst schon nichts mehr als eine Attrappe oder reines Blendwerk ist. Dieses Gaukelwerk wird aufrecht erhalten durch individuelle und/oder kollektive Gedanken, Gefühle und innere Bilder. Menschliche Macht-Manipulations-Kräfte machen sich dies zu Nutze um noch mehr Macht über andere Menschen zu installieren. Wie Lemminge stehen Menschenschlangen vor den düsteren Ruinen, die sie irrtümlich für eine Sicherheit bietende Festung halten und lassen sich anziehen, abwehren, aufhalten und alles (Menschen entwürdigende) gefallen. Ihren individuellen spirituellen Zugang zur ureigensten Intuition verlieren sie dabei. Sie erstarren vor Ehrfurcht. Dabei müssten sie nur einen kleinen Schritt zur Seite und damit ihrer Bestimmung entgegen gehen und schon könnten sie über die Weite der grünen Wiese unter strahlend blauem Himmel bis in die Ferne sehen.

Selbstbestimmt entscheiden, Entscheidungen vertreten und Verantwortung übernehmen, in Liebe und aus einer vergebenden Haltung heraus, egal was auch passiert, bewirken die Klarheit, die benötigt wird um hinter das Geheimnis des Traumas zu blicken. Das ist der einzig gangbare Weg. An diesem Punkt scheinen wir als Menschheitskollektiv gerade im Moment zu stehen.

Als Menschheit unterliegen wir einem kollektiven Trauma. Es ist das Trauma, das aus dem Machtmissbrauch erwachsen ist. Machtmissbrauch entsteht immer im Zusammenhang mit Manipulation, Entwürdigung und Schwächung des Einzelnen sowie mit Eroberungen, Feldzügen, Besetzungen und Ausbeutungen im kollektiven Gefüge. Machtmissbrauch gegenüber Frauen – und Kindern! - war und ist besonders hoch – und zwar bis heute. Unserem kollektiven Trauma gilt es zu begegnen und zwar nicht nur individuell, sondern auch im Kollektiv, im Frauenkollektiv, im Männerkollektiv und im Menschenkollektiv. Dazu möchte ich mit diesem Buch einen Beitrag leisten.

Der erste Band dient der Erinnerung, der zweite Band der Zuordnung verstreuter und vernebelter Emotionen und Hürden, auch Blockaden genannt. Diese drücken sich aus in Ängsten und schreckhaften inneren Bildern. Mein Wunschdenken, Ziel und Anliegen ist, diese inneren Bilder als (einst geschickt installierte) Nebelkerzen durchsichtig werden zu lassen, so dass die darauf basierenden Denk- und Handlungsblockaden durchschaubar werden - damit Nebel sich lichtet und Erkenntnis sich verdichtet. Der göttliche Impuls ist stets frei, unabhängig und mit jedem Mensch individuell verbunden. Zugleich ist er mit allen Lebewesen als Kollektiv verbunden. Darum wussten die Alten gut Bescheid. Lösen wir das kollektive Trauma, so werden wir uns auch als Einzelwesen befreien. Uns selbst zu vertrauen und den äußeren Schein (ehrenvoll erscheinen zu wollen) zu verlassen, ist der Weg für jede/n Einzelne/n von uns. Der göttliche Impuls ist immer ein kreativer Freiheitsimpuls zum Wohle aller. Das Ansinnen, der eigenen Ich-Bezogenheit allein zu dienen, richtet sich stets gegen den kreativen Freiheitsimpuls anderer und dient lediglich dem eigenen Wohl. Darin unterscheidet sich der Manipulator vom aufrichtigen Menschen. Beide ruhen in mir und außerhalb von mir. In meinen Gedanken, Worten und Taten entscheide ich mich stets für den einen oder den anderen Weg. Ich mache Fehler und ich lerne. Menschen, die sich bereit erklären, dem Weg der Erkenntnis aufrichtig und offenen Herzens zu folgen, werden sich verbinden um wieder ganz Mensch zu sein – alle - individuell sowie im Kollektiv. Wir werden lernen, was wir verloren haben und finden, was wir brauchen.

1.3. Kraftorte

Neben dem kollektiven Trauma scheint auch ein an Orten verhaftetes Trauma zu existieren. Anders ist nicht erklärbar, warum an immer denselben Orten immer wieder dieselben Handlungen geschehen. Große Kriegsschauplätze wiederholen sich ebenso an denselben Orten – z.B. im Nahen Osten – wie individuelle Ereignisse an individuell bewohnten und belebten Plätzen. Dieses durchaus bekannte Phänomen wird gerne rein technisch begründet mit vorhandenen Ley-Linien, Wasseradern, geologischen Verwerfungen und dergleichen. Das mag durchaus ein Faktor sein, doch wenn ich davon ausgehe, dass die Erde ein Lebewesen ist und dass alles um uns herum lebendig ist, dann ist der technische Erklärungsansatz möglicherweise zu kurz gegriffen, weil er die Lebensenergien der Erde und des Kosmos unbeachtet lässt. Wie dem auch sei - ist ein Denkansatz schlüssig, dann ist das an Orten verhaftete Trauma lösbar.

Wie wir sehen werden, wussten unsere Vorfahren - wie alle indigenen Völker - um die Lebendigkeit der Mutter Erde und um die Zusammenhänge der Energien, die gegeben werden und die genommen werden. Indianer und Aborigines haben sich lange gegen den Uran-Abbau gewehrt, weil sie von der großen Gefahr für Mutter Erde wussten. Alle Landstriche, die Uran enthalten, gelten für sie als heilig. Wir haben keine Ahnung, was die Entnahme der sogenannten Bodenschätze wirklich für den Organismus der Erde bedeutet. Der achtsame Umgang mit der Natur, der Mutter Erde und der kosmischen Mutter, in den sogenannten „Naturreligionen“ der einst als „Wilde“ und „Barbaren“ beschriebenen Volksstämme könnte eine Erklärung dafür sein, warum sie weit weniger kriegerisch, mörderisch und verbrecherisch gehandelt haben als wir es heute in der modernen zivilisierten Welt tun. Nicht sie hatten Millionen von unterernährten Volksgruppen, oder ein Hütte an Hütte wohnen mit sehr wohlhabenden Menschen, ohne dass ein Ausgleich erfolgte. Nicht sie zerstörten ihr unmittelbares Lebensumfeld. Nicht sie gingen einer globalen Umweltzerstörung entgegen. Wir tun das!

Kraftorte dienen dazu, die Erde im energetischen Gleichgewicht zu halten. Es gibt öffentlich genutzte, große Kraftorte und kleine, individuelle Kraftplätze. An Kraftorten werden und wurden zu allen Zeiten Zeremonien abgehalten, die dem Erhalt des Gleichgewichts der Erde dienen (sollten) - und damit dem Frieden unter den Menschen. Diese Zeremonien werden entweder im Stillen oder als Feste, heute u.a. als Messen oder Gottesdienste, durchgeführt. Die Eroberer wussten und wissen um die Bedeutung von heiligen Orten, weshalb sie diese regelmäßig und sehr systematisch zerstören, entweihen und mit eigenen Bauwerken überbauen. So brachten und bringen sie ihre eigenen Energien, die nicht ganzheitlich, sondern auf individuellen Ruhm ausgerichtet sind, dort ein.

1.4. Feste

Zu allen Zeiten wurde eine hohe spirituelle Anbindung an die übergeordnete geistige Welt gepflegt. Was wir nicht einsehen können, sagen uns die Götter, denn ihr Überblick ist weiter und von unserem verschieden. Der Sinn aller sakralen Kulturhandlungen liegt darin, die geistige Welt, in welche die körperliche eingebettet ist, einzuladen uns zu begleiten und zu lehren, Erfahrungen in ihrem ganzheitlichen Zusammenhang zu verstehen. An diesem Punkt setzen Ideologien und Dogmen an, also verordnete Glaubensbekenntnisse, um ganzheitliche Zusammenhänge und auch freiheitliches Denken zu verschleiern. Aus letzterem entwickeln wir Bewusstsein und müssen nicht länger in Gut und Böse spalten. Seit uralten Zeiten werden zahlreiche sakrale Kulturhandlungen als Feste mit hohem künstlerischen und spirituellem Aufwand begangen: Jahreskreisfeste, Lebensstadien-Feste, Ahnenfeste u.v.m.. Bei den alten Volksstämmen gab es keine abgespaltene Kunst, kein Zitieren von spirituellen Lehrsätzen aus Büchern, keine Moralpredigten. Es wurde gefeiert, gesungen, gelacht, getanzt, gespielt, gegessen und getrunken. Sakrale Handlungen und lebendiges Leben flossen ineinander. Jedes Fest war stets mit Bitten und Danksagungen verbunden. Diese wurden mit einem Opfer, einem Geschenk und der symbolischen Ehrung der Fleisch-Werdung bekräftigt. Wir finden Reste dieser uralten Rituale heute noch im christlichen Abendmahl, wenn auch zum Teil verzerrt. In den heidnischen Jahreskreisfesten wurden alle Lebenskräfte verehrt: Befruchten, Empfangen, Erblühen und Reifen; Gebären, Nähren, Wachsen und Gedeihen; Sterben, Regenerieren und (sich) Erneuern. Darin finden wir die dreifaltige Lebensehrung seit Urzeiten. Noch heute wird diese Dreifaltigkeit verehrt im Bild vom Vater, der Befruchtende, vom Sohn, der Frucht und vom Heiligen Geist, der vom Tod Wiederauferstandene, der Zurückgekehrte.

1.5. Die Göttin und die Frau

Aus den uns überlieferten Erzählungen und Aufgabenbeschreibungen zu den Göttinnen können wir Rückschlüsse ziehen auf die sich verändernden Aufgaben der Frauen im Laufe der Zeit. Der anfänglich sakrale, geistige Werteumschwung mündete in den sozialen, menschlichen, historischen. Die meisten Mythen und Erzählungen aus Europa, Indien und Nordafrika stammen aus den Zeiten der Eroberungswellen durch die aus Asien stammenden indo-arischen Völker, ab ca. 3000 v. Chr.. Die matriarchale, sesshafte Bevölkerung wurde grob gesagt von Ägypten bis in den hohen Norden Europas flächendeckend in zahlreichen Einwanderungsschüben von den patriarchalen Hirten-, Räuber- und Piratenvölkern überrannt.

In matriarchalen Kulturen war die Göttin die Mutter des Universums und folglich die Mutter allen Lebens. Alle Menschen, Tiere, Pflanzen sowie die Elemente, Planeten usw. waren Geschwister. Jeder Streit, jeder Krieg war ein Streit unter Geschwistern. Alles galt als mit allem verbunden. So wie die Göttin allumfassende Fürsorgende war, so sorgten auch die Frauen traditionell nicht nur für ihre eigenen Kinder, sondern für alle Kinder sowie für die Kinder der Göttin: das Land und das Meer, Pflanzen und Tiere, die Elemente und Ahnen. In diesem Sinne hüteten sie in den Familien-Clans den Altar der Gottheiten und Ahn/innen, heilten Krankheiten, Sorgen und Nöte, halfen bei Geburts- und Sterbeprozessen und standen in Konflikten bei.

Die ägyptische Göttin Ma’at wog nach dem Tod jede Seele mit einer Feder auf. Sie verurteilte nicht. Sie prüft lediglich die Schwere oder die Leichtigkeit der Seele. Jede materielle Gebundenheit und jede auf Macht- und Besitzergreifung verengte Sichtweise belastet die Seele, macht sie schwer. So wie die Göttin galt auch die Frau als Prüferin und Unterweiserin. Beide sorgten auf ihrer jeweiligen Ebene für das Einhalten der Harmoniegesetze und für den Ausgleich der oft widerstrebenden Energien in der Kommunikation, sowohl unter den Menschen als auch zwischen den Menschen und den Ahn/innen, den Göttern und anderen unsichtbaren göttlichen und planetaren Ebenen. In diesem Bild gibt es keine auf- und abwertende Hierarchie, keine richterliche Gewalt, die mit Belohnung und Strafe oder gar ewiger Verdammnis verbunden ist.

Die jüdisch-kabbalistische Schechina wird vom Namen her mit Altar, Heimstatt und Herd verbunden, ebenso die griechische Göttin Hera. Die Frau als Kanal der Göttin war ebenfalls die Hüterin des Altars, des Herdes und des Landes, sowohl profan als auch sakral. Die beiden Göttinnen erfuhren eine Abwertung: Schechina ist heute ihrer Aufgabe enthoben. Sie ist verschwunden, keiner weiß wohin, Gott hat sie verloren. Hera wird in den griechischen Sagen als eifersüchtige Ehefrau des Universalvaters und göttlichen Patriarchen Zeus dargestellt. So wie die Göttinnen wurden auch ihre menschlichen Stellvertreterinnen, die Frauen, schleichend oder brutal ihrer Aufgaben enthoben. Überall verloren sie die Aufgaben der Priesterinnen, Hüterinnen, Fürsorgerinnen, Heilerinnen, Richterinnen und Unterweiserinnen. Die irdische Hausfrau für den Patriarchen, die Dienerin des Mannes und Deckerin all seiner schändlichen, den Lebens- und Harmoniegesetzen widerstrebenden Taten war geboren.

Über zig Jahrtausende hütete die Göttin und mit ihr die Frau das Land, das Haus und den Altar auf den unterschiedlichsten Ebenen. Die Frau war mit allen Ehrungen an die Natur, an die kosmische Mutter und an Mutter Erde betraut. Ihre Aufgaben bestanden darin für den immer währenden irdischmenschlichen Ausgleich zu sorgen, damit die Mutter - die Erde und der Kosmos - nicht verletzt wird. Im Clan verwaltete die Frau die Güter, später auch das Geld, ohne Besitzrecht, wohl aber mit Verteilungsrecht. Noch heute hat die Erde in allen Sprachen weiblichen Charakter, Kontinente werden Göttinnen zugeordnet, Städtenamen waren noch bei den Römern immer weiblich. Als Hüterin des Landes und der Erde mit all ihren Schätzen und Gütern sowie als Hüterin des kosmischen Gleichgewichts standen die Göttinnen und mit ihnen die Frauen den räuberischen Eroberern deutlich im Weg.

1.6. Geschlechterspezifische Rollen

Wenn wir verlernt haben, welche geschlechterspezifische Rollen Mann und Frau inne haben, dann brauchen wir uns nur die Unterschiede unserer Körper anzusehen und die Unterschiede in unserem sexuellen Verhalten: der Mann erobert, geht nach vorne, zeigt sich öffentlich, stellt sich zur Schau und würde am liebsten immer wachsen und prahlen - wenn da nicht die Frau wäre, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt durch ihren lachenden, weit geöffneten Mund - sei es der Mund im Gesicht oder der Mund der Vagina oder der Muttermund. Doch diese einst positiv und als lebenserhaltend empfundenen Rollen sind aus der Balance geraten, denn die Frau wurde ihrer gesellschaftlichen Aufgabe enthoben. Ihre Rolle wurde sexualisiert, verzerrt, deformiert und somit ins Lächerliche bzw. ins Verletzende hineingezogen. Zugleich erfuhr die Rolle des Mannes keine Eingrenzung und liebevolle Kontrolle mehr. Deshalb schaut unsere Ökonomie und Ökologie heute so aus, wie sie ist. Wir wanken einer Katastrophe entgegen.

Viele Frauen beklagen sich, dass immer sie es sind, die in den Beziehungen die Themen und Missstände ansprechen oder auf anstehende Arbeiten hinweisen. Auch sind es in der Regel die Frauen, die Emotionen besser formulieren oder anderweitig zum Ausdruck bringen können als die Männer. Im beruflichen, vor allem im wirtschaftlichen Kontext, werden sie dafür belächelt. Die Frau sei zu emotional, zu wenig rational, heißt es. Doch scheint genau darin eine sehr wichtige geschlechterspezifische Aufgabe der Frau zu liegen. Der Mund öffnet sich für das Wort. Die Frau ist der Mund. Der Mann sucht den Mund „...um ihn zu stopfen“, sagt man heute in zweideutiger Weise. Doch geschlechterspezifisch gedacht sucht er die Kommunikation mit ihrem Mund, das gemeinschaftliche Tun, das sich Mitteilen, die Verbindung, um seine Spermien, seine Ideen, fruchtbar werden zu lassen. Der Mann sät, er schleudert, wirft, streut aus und lässt fallen, die Frau, der Mund, nimmt auf und trägt aus bis zur Reife - der Muttermund oder der Mund der Mutter Erde.

1.7. Wurzeln des Christentums

In den letzten zwei Jahrtausenden begegneten sich im Europa nördlich der Alpen zwei sehr unterschiedliche Sakralkulturen: das germanische Heidentum und das orientalische Christentum. Ob sie in ihrem Kern wirklich so gegensätzlich sind, wie sie uns erscheinen, ist zu klären. Um das Christentum zu verstehen, ist es unerlässlich seine Wurzeln aufzusuchen. Diese liegen in der aramäischen Sprache, im alten Israel und früher. Die hebräische Heimstatt, schechina, wird gleichgesetzt mit dem aramäischen Wort malchut, ein Begriff, der in den Predigten von Jesus sehr oft vorkommt und im Neuen Testament allgemein mit „Himmelreich Gottes“ übersetzt wird. Malchut wird abgeleitet vom aramäisch-hebräischen Wort malacha, „Königin“. Malchut heißt „Reich der Himmelskönigin“.

Symbolisch wird malchut gleichgesetzt mit dem Mund. In der Kabbala5 ist malchut die zehnte und letzte Sefira, was übersetzt „göttliche Manifestation“ heißt. In diesem Zusammenhang bedeutet malchut „die Welt der Tat“, „das Potential dessen, das ist“ oder „das, was ist“. Malchut kann sich nur dann verwirklichen, wenn sie sich mit der ersten Sefira, der Chochma, was „Weisheit“ bedeutet, vereint. Das aramäische chochma entspricht der griechischen sophia.

Chochma ist die erste göttliche Manifestation und bedeutet „Raum der Möglichkeiten“ oder „das Potential dessen, was es gibt“ und wird oft mit „Geistesblitz“, „Originalidee“ oder „Alles, aber als Möglichkeit“ bezeichnet.

Malchut ist die materielle, die handelnde, die realisierende Verwirklichung von chochma. Das erklärt, warum sie mit dem Mund gleichgesetzt wird: dem Mund im Gesicht, dem Mund der Vagina oder dem Muttermund. Malchut ist die Empfängerin des Geistesblitzes oder der Originalidee, die alle Möglichkeiten und Potentiale enthält. Auf irdischer Ebene ist malchut die Empfängerin der Spermien, der Befruchtung durch den Muttermund und der Nahrung durch den Mund. Zugleich ist malchut die Geberin, die das aus den höheren göttlichen Manifestationen Empfangene transformiert und es in unsere Welt der Realisierung einbringt: durch das Wort bewirkt und unterweist sie und durch die Geburt spendet sie leibliches Leben.

Anders ausgedrückt: malchut empfängt die Einflüsse der neun höheren Sefirot6, der neun höheren „Göttlichen Manifestationen“ und transformiert sie im/als Reich der Himmelskönigin so, dass sie auf Erden, in unserer Welt der Tat, verwirklicht werden können.

In unserer Welt ist es möglich, die göttliche Gegenwart ganz und gar zu leugnen, da sie sich in totaler Verborgenheit aufhält. Deshalb kann der Mensch sich aussuchen, ob er die göttlichen Manifestationen verwirklichen will oder nicht. Darin liegt das Wesen des freien Willens. Deshalb ist unsere Welt eine Welt der Herausforderungen. Die Kabbala und andere alte Lehren sagen, dass unsere Welt der letztendliche Sinn und Zweck der Schöpfung ist. Die orthodoxen jüdischen Gelehrten sagen: „Gott möchte, dass seine Geschöpfe Ihm eine Wohnstatt schaffen.“

Alle Kirchenlehrer der abrahamischen Religionen meinen, dass die Verwirklichung des Himmelreich Gottes (malchut) auf Erden nur über das Einhalten von Geboten7 denkbar sei. Darin allerdings sehe ich bereits die Beschränkung des freien Willens durch die Einfügung des Einzelnen in eine Gehorsamsund Unterdrückungskultur, denn die Gebote sind bereits von Menschen gemachte Verständnishilfen – oder Manipulationen - auf jeden Fall immer Ausdeutungen, die auf Strenge, Unterwerfung und Glaube an Bücher und geschriebene Gesetze basieren. Immer flößen sie Angst ein vor dem höchsten göttlichen Gericht bei Ungehorsam, d.h. sofern die Gebote nicht befolgt werden, erfolgt empfindliche, z.T. sogar immerwährende, ewige Strafe. So wird der individuelle göttliche Impuls vernebelt, den ich für unerlässlich wichtig halte.

Malchut ist also die göttliche Manifestation, durch die sich das Ur, das Or Ein Sof, „das eine Unendliche Licht“ oder (in matriarchalen Kulturen) die Universelle Mutter in der Schöpfung verwirklicht. Deshalb wird malchut mit schechina, der göttlichen Gegenwart, gleichgesetzt. Diese alte Lehre sagt: wenn sich die göttlichen Potentiale mit dem was ist verbinden, dann ist es so, wie wenn eine Schlange sich in den Schwanz beißt. Diese Vereinigung bildet den kosmischen Kreislauf ab. So entsteht Leben.8

Teile dieser Lehre findet sich auch im Gnostizismus9 wieder. Der Gnostizismus oder die Gnosis ist die „Lehre der Erkenntnis“. Bis ins 2. und 3. Jahrhundert war Gnostiker die gängige Bezeichnung für „Intellektuelle“. Die gnostischen Christen wurden ab dem 2. Jahrhundert von den römischen Christen mehr und mehr verfolgt. Die allermeisten Informationen, die uns zugängig sind, stammen aus Schriften von Kirchenlehrern, die die Gnostiker als Häretiker, als Andersgläubige und Abweichler von der einzig wahren Lehre verurteilen. Mit ihren Schriften errichteten die Kirchenlehrer ein Gebäude, um diese Verurteilung intellektuell zu untermauern. Noch bis ins 5. Jahrhundert hinein gab es im Nahen Osten und im Antiken Griechenland eine gnostische Gruppierung, welche die Schlange verehrte in ihrem o.g. Aspekt. Es war eine Lehre des ewigen Werdens und Vergehens, der ewigen kosmischen Wandlung, die stets dem Ausgleich entgegen strebt, eine Lehre von den Polen, von Ursache und Wirkung und deren Auswirkung. Sie wurden hebr.: Naassener und griech.: Ophiten10 genannt. Von den römischen Christen wurden sie vehement bekämpft. Möglicherweise gehörten Jesus und seine Familie zu den Naassenern. Einen Ort Nazareth gab es noch nicht zur damaligen Zeit. Jesus Lehre erinnert stark an die Lehren der Gnostiker, wie ich in Band II noch zeigen werde.

Wenn ich von Jesus spreche, so ist mir bewusst, dass nicht geklärt ist, ob er als eine Person oder als mehrere Personen, die später in eine zusammengefasst wurden, zu betrachten ist und unter welchem Namen er, der uns als Jesus bekannt ist, gelebt hat. Auch ist historisch nicht erwiesen, ob diese Geschichte real oder reine Fiktion ist. Ich betrachte ihn als Person und zugleich als Mythos, als den Helden einer Geschichte. Seine Lebenszeit soll die Jahre 0 bis ca. 33 n. Chr. umfassen. Mit seiner Geburt begann unsere Zeitrechnung. Ich halte mich daran. Demnach lebte Jesus in einer Zeit, in der in den Tempeln Israels noch die Göttinnen Astarte oder Anath verehrt wurden. Auch die weise Schlange und Jahwe hatten in den Tempeln ihren Platz. In dieser Zeit bedrohten die Patriarchen, so nennen sie sich selbst, alle spirituellen Strömungen der Völker, die von den Gesetzen der Patriarchen (wie z.B. von den Mose-Gesetzen) unabhängige Lehren vertraten, lebten und lehrten. Diese Völker, Stämme und Lehren sollten verdrängt und ausgerottet werden. Die Pharisäer11 und Schriftgelehrten, die zu Jesus Lebzeiten in Israel lebten, waren Vertreter des antiken, orthodoxen, monotheistischen Judentums. Sie waren frauen- und sexualfeindlich eingestellt und forderten, dass die Regeln ihrer Religion von allen strengstens zu befolgen seien. Ihr Stammvater ist Abraham, ihre Gesetze stammen von Moses. Auch das jüngere Christentum und der noch jüngere Islam berufen sich auf Abraham und Moses. Zu Jesus Lebzeiten hatten Pharisäer und Schriftgelehrten in weiten Teilen Israels großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Es gelang ihnen immer vehementer frauenfeindliche Gesetze durchzusetzen, wie z.B. die Steinigung von Frauen wegen Ehebruch ohne ein Gerichtsverfahren. Alle ihre Strafmaßnahmen begründeten sie auf geistliche Texte, die außer ihnen die wenigsten lesen konnten. Jesus nannte die Pharisäer und Schriftgelehrten im Neuen Testament Heuchler. In seinen auf aramäisch gehaltenen Predigten mahnte er immer wieder zum Umdenken, zur Umkehr. Dabei verwandte er, wie wir oben bereits gelesen haben, sehr häufig das Wort malchut, „Reich der Himmelskönigin, in allen Bibeln übersetzt mit „Himmelreich Gottes“. Der oben und im zweiten Band ausführlicher beschriebene Zusammenhang ist nur einem sehr kleinen Kreis bekannt.12

Saulus-Paulus verfolgte und verurteilte als gebildeter Jude und gesetzestreuer Pharisäer mit römischem Bürgerrecht Jesus und seine Anhänger bis zu Jesus Tod und Auferstehung. Nach Jesus Auferstehung soll Paulus eine spirituelle Erleuchtungserfahrung mit dem auferstandenen Jesus gehabt haben. Daraufhin wurde er der umtriebigste Apostel und Missionsreisende für ein neues Christentum, das sich ausschließlich auf Jesus als Messias beruft. Inhalt seiner Lehre – und die all seiner Nachfolger – war und ist die Verknüpfung und Anerkennung der Mosesgesetze mit dem neu erstandenen Jesus-Christus-Glaube. Er schrieb und predigte gegen zahlreiche andere christliche Lehren, offensichtlich auch gegen die Lehren, die durch die Frauen um Jesus, bevorzugt durch Maria Magdalena, verbreitet wurden. Durch Paulus kam das Christentum in viele griechischrömische Kolonien und schließlich auch nach Rom. Dort verstarb er 64 n. Chr..13 Aus seiner Missionsarbeit erwuchs die heutige katholische und evangelische Kirche. In Abgrenzung zu den gnostischen Christen nenne ich das Christentum, das sich auf die paulinische Lehre beruft, das „Römische Christentum“.

1.8. Die Germanen

Im 2. Jh. v. Chr. kam es zur ersten Schlacht zwischen den Römern und einem germanischen Stamm, den Kimbern und Teutonen, in Kärnten.14 hierhin mal dorthin. Sie waren in den Augen der Römer faul, freiheitsliebend, trinkfest und feierlustig. Das Einzige, was die Römer wirklich als bemerkenswert erwähnten, war ihre Monogamie - obwohl auch hier die Merkwürdigkeit bestand, dass die Braut nicht dem Mann eine Mitgift brachte, sondern der Mann der Frau, und zwar keine schönen Dinge, sondern Vieh und allerhand Brauchbares. Offensichtlich zog er dann in ihren Clan ein.