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DAS BUCH

 

Tausende von Likes hat die Social Media-Seite vom Arschlochpferd, die augenzwinkernd die Online- und Offline-Gemeinschaft der Reiter beleuchtet – nun wird dem Phänomen ein ganzes Buch gewidmet. Für Außenstehende ist es oft nur schwer zu verstehen, was Reiter so den ganzen Tag tun, denn heutzutage ist es mit Reitstunden und Boxenmisten ja nicht mehr getan. Die heutigen Reiter sind vollkommen damit beschäftigt, sich selbst in den sozialen Netzwerken zu präsentieren und mit Nichtwissen zu glänzen. Eine Reise durch die Untiefen des reiterlichen Internets. Von einer Frau, die auszog, um auf ihrem Arschlochpferd (oder ist es doch ein Einhorn?) vollendete Dressurreiterin, Westernreiterin und Pferdeflüstererin in einem zu werden – und am Ende auf die Nase fiel. Nicht nur dank Facebook.

 

 

Die AUTORIN

 

Nika S. Daveron kann – anders als auf den in diesem Buch gezeigten Bildern – auch anständig reiten. Trotz Reitabzeichen versaute ihr leider ihre ausgeprägte Wespenphobie die Karriere als Springreiter, sodass sie mit 19 Jahren beruflich auf Rennpferde umstieg, die vor allem den Vorteil haben, dass sie schneller als Wespen sind. Die Arbeit gefiel ihr letztendlich so gut, dass sie sich einen Galopper mit nach Hause genommen hat.

Nika S. Daveron

 

 

ARSCHLOCHPFERD –
ALLEIN UNTER REITERN

 

 

Sachbuch

 

 

 

 

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Originalausgabe

 

© 2016 Verlag in Farbe und Bunt

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Veröffentlichung des Buches, oder Teilen daraus, sind vorbehalten.

Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Alle Rechte liegen beim Verlag.

 

Cover-Gestaltung: Stefanie Kurt

E-Book-Satz: Winfried Brand

verantwortlicher Redakteur: Bettina Petrik

Lektorat: Bettina Petrik

Korrektorat: Telma Vahey

 

Herstellung und Verlag:

in Farbe und Bunt Verlags-UG (haftungsbeschränkt)

Kruppstraße 82 - 100

45145 Essen

 

www.ifub-verlag.de

 

ISBN Taschenbuch: 978-3-95936-033-3

ISBN E-Book: 978-3-95936-034-0

ISBN Audiobuch: 978-3-95936-035-7

WIDMUNG

 

Für alle Reiter, die wissen, dass »Schibbi-Schabbi« niemals Einzug in den Duden halten wird.

Für alle Reiter, die vor lauter »Vertrauen«, »Auf Papieren kann man nicht reiten« und »Neid« nicht wissen, ob sie heutzutage die einzigen denkenden Wesen sind.

Und für alle Reiter, die wissen, dass Pferde auch manchmal Arschlöcher sein können.

 

 

 

DANKSAGUNG

 

Besonderer Dank geht an Hannah für die großartigen Bilder und die viele Zeit, die sie mir und dem Arschlochpferd geopfert hat. Und ich danke Annika, der Einhornbesitzerin, deren Einhorn nicht nur das weltliebste Einhorn war, sondern auch definitiv das am besten aussehende ist.

Und zu guter Letzt: Danke an alle Arschlochpferd-Fans.

Ohne euch gäbe es dieses Buch nicht. Ihr seid schweinegeil.

INHALTSVERZEICHNIS

 

Vorwort

Kapitel 1: Pferdekauf im Internet

Kapitel 2: Das Einhorn zieht ein … aber wo eigentlich?

Kapitel 3: Klangvolle Namen, Alptraum aller Ansager

Kapitel 4: Darwin ist ein Arschgesicht!

Kapitel 5: Der sterbende Schwan – Hängerfahren für Fortgeschrittene

Kapitel 6: Trendfarben am Einhorn

Kapitel 7: Welcher Zaum für mein Einhorn?

Kapitel 8: Die ersten Schritte mit dem Einhorn

Kapitel 9: Druck – Klicker – T-Touch: Pferde machen einfach jeden Blödsinn mit

Kapitel 10: Der Reit-Troll oder: Wie man möglichst viel Drama in einen ganzen Ponyhof packt

Kapitel 11: Der Sattler hat viel weniger Ahnung als das Internet

Kapitel 12: Das Einhorn wird angeritten

Kapitel 13: Barhuf, Vollbeschlag und Glitzerhufe

Kapitel 14: Immer diese Kritiker

Kapitel 15: Gewinnspiele – toll, da braucht man sich gar nichts mehr zu kaufen!

Kapitel 16: Putz dir die Zähne, wir gehen zum Pferderennen

Kapitel 17: Rivalen der Rennbahn

Kapitel 18: Pferdeerziehung fatal

Kapitel 19: Manchmal hätte es auch ein Online-Kurs getan

Kapitel 20: Baby-Einhörner frei Haus

Kapitel 21: Reitbeteiligung fürs Einhorn

Kapitel 22: Einhornreiterin auf Abwegen

Kapitel 23: Beef!

Kapitel 24: Einhorn goes Dressur

Kapitel 25: Turniervorbereitungen mit Einhorn

Kapitel 26: Turniertussi on the road

Kapitel 27: Feindbilder in der Halle

Kapitel 28: Hirn im Schlafrock – Pleasure-Reiten für Doofies

Kapitel 29: Schnellkurs im Westernreiten

Kapitel 30: Einhorn im Mutterschaftsurlaub

Kapitel 31: Einhornfohlen Deluxe

Kapitel 32: Ultimatum fürs Einhorn

Kapitel 33: Einhornverkauf

Zusatzkapitel: Was aus allen Beteiligten geworden ist

Nachwort: Arschlochpferde und Shooting mit dem Arschlochpferd

VORWORT

 

Liebe Reiter – und solche, die es werden wollen. Ihr habt ein wirklich tolles Hobby. Aber müsst ihr es im Internet verbal so dermaßen misshandeln? Wir wissen doch alle, dass es sie damals schon gab, die Lästerschwestern an der Bande, die Profis im Reiterstübchen, die alles besser wissen und alles besser machen. Aber da war das noch lokal begrenzt. Und wer sie nicht haben wollte, der suchte sein Heil in einem eigenen Stall oder auf einer Weide hinter hohen Hecken.

Tut euch also selbst einen Gefallen: Schafft entweder das Internet ab oder lernt, darüber zu lachen. Anders ist es nicht zu ertragen.

Und die, die mit dem Gedanken spielen, sich eines dieser edlen Geschöpfe anzuschaffen: Seid gewarnt. Ihr werdet euch fortan in Kreisen bewegen, die manchmal schon sektenähnlich sind.

Ein eigenartiges Volk ist das. Manchmal sprechen sie in fremden Zungen, ständig dreht sich alles nur um eins, und keiner lacht, wenn man sagt, man hätte gerade den Schlauch mal feucht abgewischt. Merkwürdiges Volk. Was tun die eigentlich den ganzen Tag? Auf dem Pferd rumgurken und nett in die Kamera grinsen, wenn man Facebook und den gängigen Reitforen Glauben schenken darf?

Nein. Sie streiten. Und zwar um jeden kleinen Pups. Eigentlich wird mehr gestritten als auf dem Pferd gesessen. Glaubt ihr mir nicht? Dann dürft ihr mich heute einmal auf meinen Streifzügen durch das World Wide Web begleiten, an jene Orte, wo man diese Menschen findet. Wir begegnen hier den Ökotanten, den Jüngern, den Anti-Rollkur-Menschen, den PETA-Hörigen, den Veganern, den Zylindertussis, den Cowgirls, den Galoppexperten und natürlich den Tierkommunikatoren.

Und all diese Leute wollen nur eins: euch zerfleischen!

Eure Reitweise ist falsch, euer Reitunterricht schlecht, euer Outfit hässlich, euer Pferd krank und unglücklich, außerdem falsch bemuskelt, und am Ende seid ihr schuld, wenn das arme Tier bald zum Abdecker geht.

Wie ihr es schafft, dass ihr bei diesem Wahnsinn entweder mitmischt oder aber ordentlich darüber lachen könnt, das verrate ich euch in diesem nicht ganz ernst gemeinten Ratgeber Kapitel für Kapitel.

Übrigens: Sämtliche in diesem Buch aufgeführten Postings auf diversen Sozialen Netzwerken sind frei erfunden – was nicht heißt, dass Ergüsse dieser Art nicht zuhauf tatsächlich existieren …

In diesem Sinne: Begleitet mit mir eine fiktive Reiterin bei ihrem allerersten Pferdekauf.

KAPITEL 1:
PFERDEKAUF IM INTERNET

 

Früher oder später entschließt sich der gemeine Reiter dazu, dass die Reitschulpferde ihm nicht reichen und dass er auch nicht die zwanzigste ausgenutzte Reitbeteiligung sein will. Doch um das zu ändern, braucht er eins: ein eigenes Pferd.

Das könnte er natürlich ganz klassisch beim Züchter kaufen. Aber da sind die ja immer so unverschämt teuer. Und man will ja auch »nur« ein nettes Freizeitpferd. Das braucht keine Papiere. Ach, das braucht nicht mal ein vernünftiges Exterieur! Das soll nur nett sein. Jung. Und vielleicht mal auf einem kleinen Turnier den Reiter gut dastehen lassen. Vorzugsweise in einer M-Dressur. Was Kleines eben. Kennt man ja.

Vielleicht noch ein paar Sprünge. Aber nur L. Nichts Hohes natürlich. Und gesund muss das Pferd sein!

Im Internet gibt es sie zuhauf, die eierlegenden Wollmilchsäue. Und dann sind die auch noch so billig. Super, oder? Da kann sich ein Reiter gar nicht sattsehen: auf verwackelten Fotos mit grausiger Rechtschreibung angepriesene Pferde, eins schöner als das andere, die vermutlich bald ihren letzten Atemzug tun. Aber das sieht man ja nicht. Man sieht meist nur ein nettes Näschen, denn Ganzkörperfotos werden offenbar überbewertet. Wer möchte das Pferd denn schon am Stück betrachten? Ein bisschen Huf, ein bisschen Schweif, der Rest wird der Phantasie überlassen.

Dazu gibt es noch diverse Codes, die man ständig in Pferdeanzeigen liest, denn auch Reiter schreiben, ähnlich wie Personalchefs, versteckte Botschaften in ihre Anzeigen. Durch diese steigen nur echt gewiefte Profis im Pferdekauf durch, aber mit einem erfahrenen Helfer an seiner Seite kann man diese auch entschlüsseln – sofern er sich ein bisschen auskennt.

Beispiel gefällig?

 

»Pferd hat Charakter«: Pferd hat einen miserablen Charakter, der beinhaltet, dass es einem künftig auf der Nase herumtanzen wird.

»Lieb, aber kein Anfängerpferd«: Nicht lieb und garantiert kein Anfängerpferd. Eher ein Problemfall.

»Hat keinerlei Unarten«: Außer betteln, beißen, schnappen, zicken, buckeln und weben. Aber es koppt immerhin nicht und steigt auch nicht. Das ist doch schon mal was!

»Dominantes Pferd«: Pferd hat keinerlei Erziehung genossen und lebt das voll aus.

»Echter Eyecatcher«: Aber nur mit der richtigen »Schibbi-Schabbi« (dazu kommen wir später).

»Sonderlack«: Wenn man genau hinsieht, erkennt man im Abendlicht – allerdings nur im August – dass das Pferd ein wenig heller als ein normaler Brauner ist.

»Robusthaltung gewohnt«: Pferd steht im Matschloch und möchte dort auch bleiben.

»Platz vor Preis«: »Preis vor Platz« wohl eher. Wen interessiert schon der verdammte Platz, wenn die Kohle stimmt?

»Kinderpony«: Pferd ist zu klein für ein handelsübliches Kind.

»Kein Gewichtsträger«: Alles über Jockey-Gewicht ist zu schwer.

»Gewichtsträger«: Pferd ist fett und kann daher auch dicke Reiter tragen.

»Angeritten«: Das angepriesene Tier stand neben einem Pferd, das schon mal geritten wurde, und hat sich was abgeguckt.

»Braucht viel Beschäftigung«: Pferd fängt sonst an, Lambada zu tanzen.

»Klug«: Dieses Pferd kann alles öffnen und alles fressen.

»Erstklassige Abstammung, daher zur Zucht interessant«: Besonders wichtig beim Wallach.

»Abstammung auf Anfrage«: Abstammung wird auf Anfrage als »Nicht bekannt« betitelt.

»Mix«: »Wir hatten kein Geld für richtige Zucht, aber der Nachbar hatte einen Hengst und wir eine Stute.«

»Möchte gefordert werden«: ... und wird wegen Überforderung abgegeben.

»Aus Zeitmangel nicht gefördert«: Pferds Terminkalender ist mit dem der Besitzerin kollidiert.

»Geritten und gefahren«: … mit Rollschuhen. Huiii!

»Sensibel«: Pferd hört Hasen husten und Fliegen pupsen. Und nimmt beides zum Anlass, um unkontrolliert loszurennen.

»Verlasspferd«: Wer sich drauf verlässt, ist verlassen.

»Westernpferd«: Pferd ist bunt, muss also ein Westernpferd sein.

»Leichtes Handicap«: Linkes Vorderbein fehlt.

»Schönheitsfehler«: Pferd sieht aus wie der Hustinettenbär kurz vor dem Exitus.

»Leichter Schönheitsfehler«: Sieht man nicht, aber stört trotzdem.

»Wird gerade aufgrund von Zeitmangel nicht gearbeitet«: … und davor auch nicht. Und davor noch weniger. Und davor ...

»Edel«: Der Anzeigentext sah so leer aus, der Verfasser musste ihn mit irgendwelchen Adjektiven füllen.

»Menschenbezogen«: Pferd rennt nicht ganz so schnell weg, wenn man auf die Weide kommt.

»Schwerfuttrig«: Wäsche kann zum Trocknen an den Hüftknochen aufgehängt werden.

»Leichtfuttrig«: Abschüssiger Stall bevorzugt, Pferd kann nämlich die Beine anziehen und einfach losrollen.

»Hoch im Blut stehender Typ«: Das klingt auch nur für Reiter nicht unanständig.

»Hoher Vollblutanteil«: Pferd läuft bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit schnell. Sehr schnell.

»Beistellpferd«: Der Besitzer hat keinen Bock mehr, den kranken/alten Gaul durchzufüttern. Gib ihm dein Geld!

»Kann mit Zubehör erworben werden«: Das Zeug passt zwar nicht, aber es kostet!

»Kontaktaufnahme nur per SMS, WhatsApp«: Denn der Verkäufer weiß nicht mehr, wie man verbal mit jemandem kommuniziert.

»Tausche auch gegen netten …« – hier beliebiges Pferd einsetzen, das die Verkäuferin gerne hätte: »Tausche 2.000 Jahre altes Shetty, das noch die Geburt von Jesus persönlich miterlebt hat, gegen unverbrauchten schicken Friesenhengst. Nicht älter als fünf Jahre.«

»Hervorragende Grundgangarten«: … die der Verkäufer aber bloß nicht in der Anzeige zeigt. Hö-hö!

 

Nun, jetzt, da sie die geheimen Kürzel kennt, kann unsere imaginäre Neu-Pferdebesitzerin in spe ja loslegen. Laptop an, ab aufs Sofa, Pferdebörse aufrufen und lossurfen!

Eine schwarze Nase grinst sie prompt an. Und darunter steht ein toller Text:

 

»Verkauhvä Fährt. Heißt Beppo! Nur in gute Hände. Mutter Traber Fata Schetlandpohnie. Ist E Nivou geritten aber kann auch D. 5.000 Euro! Meine Tochta kann ihn nicht mea raiten wail er manchmal steikt!!!!! Sonst aba ganz lip!«

 

Orthographie und Interpunktion: Fehlanzeige. Aber den Preis, den können sie wieder alle richtig schreiben. Was ist das nun für ein Traumpferd? Ein steigendes Pferd, das irgendwie sehr ungesund dasteht und Potenzial bis »D« hat? Klar. Wenn jetzt nur jemand wüsste, was D eigentlich ist. Also nein, das schreckt selbst das verliebteste Reiterlein ab, einen Steiger will man dann doch nicht.

Es bleiben ja auch nur noch 200.000 andere Pferde, die garantiert gerne in den hübschen neuen Boxenkomplex des hiesigen Reitstalls einziehen wollen.

 

»Verkaufe 8-jährige Zuchtstute. Echter Hingucker in Sonderfarbe. Hatte mal einen Sattel drauf, war ganz lieb. Hatte drei Fohlen. Keine Papiere. Ekzemer. Vermutlich Isimix. Kann mit Wintec Sattel erworben werden. 6.000 Euro.«

 

Die »Sonderfarbe« ist in Wahrheit ein ziemlich ödes Braun mit Tendenz zu Kackbraun, aber das Tier guckt nett. Unbemuskelt, Hängebauch. Aber die guckt doch soo nett!

Die Neu-Pferdebesitzerin behält sie auf jeden Fall im Hinterkopf. Da kann man schöne Fohlen draus ziehen – mit Exzem, doch wen interessiert das schon, wenn der Zosse so nett schaut?

Man soll jedoch immer zuerst vergleichen, und schnell hat die Reiterin die nächste interessante Anzeige gefunden:

 

»Verkaufe nettes Pony mit vollem Papier. Sicher in A und L Dressur, volle Papiere vom Verband, 1er TÜV, sehr schöne Gänge. Preis auf Anfrage!«

 

Das Ganze wird ansprechend mit Fotos und Videos garniert, auf denen man tatsächlich mal mehr als nur ein Bein oder ein Auge erkennen kann.

Doch bei solchen Sachen klickt die Reiterin weiter. »Preis auf Anfrage«, das klingt doch viel zu teuer. Teuer ist nichts für sie.

Lieber schnell die nächste Anzeige prüfen:

 

»Supa süßßa Schecke. Grad angerieten. Ganz lip, kennt Horsemanschipp und gebisslos. Voll schöne Scheckung. Könnte Paint sein. Keine Papiere. 1500 Euro!«

 

Bei Sonderfarben setzt das Reiterhirn gern aus, denn es schaltet sofort in den: »Muss ich haben!«-Modus. Das Pferd kommt in jedem Fall auf die Liste. Gesundheit? Idiotensicher? Unsinn, das Vieh ist bunt!

Und dann findet sich irgendwo in den Angeboten garantiert noch der traurige Sonderfall, der das gemeine Reiterherz erweichen soll. Und er tut es natürlich auch.

 

»Habe Shadow vor dem Schlachter gerettet, wo ihn seine bösen Besitzer hingegeben haben, als er zu langsam für die Rennbahn wurde. Shadow ist krank und braucht Medikamente. Reiten kann man ihn vielleicht, wenn er wieder gesund ist.«

 

Nee, also ein krankes Pferd möchte man dann doch nicht, auch wenn schon ein paar Tränchen vergossen wurden wegen Shadows trauriger Lebensgeschichte. Doch die Vernunft siegt, die Reiterin klickt die Anzeige lieber schnell zu. Medikamente klingen nämlich teuer. Nein, danke.

Aber welches Pferd nimmt sie nun? So völlig ratlos? Jemanden vom Fach fragen? Nein, ach, das muss nicht sein. Ene, mene, mu? Nein, auch blöd. Ah, die Reiterin hat’s: Sie geht in einer Pferdegruppe auf Facebook fragen.

Dort werden die herausgesuchten Annoncen fein säuberlich gelistet und nach der Massenmeinung gefragt. Die lässt schließlich nie lange auf sich warten, und man kann sie auch mal auf dem Klo checken, zwischen Arbeit und Beautykur.

Aber zunächst kommen da ganz komische Kommentare. Man möchte unserer Reiterin beispielsweise einen völlig überteuerten Gaul andrehen. L-platziert, jung, schnittig, gesund, TÜV, und das für 8.000 Euro!

»Beschiss!«, rufen da die ersten, und das Reiterlein auf dem Pott natürlich auch. 8.000 Euro? Reiner Wucher.

Der entnervte Verkäufer rollt mit den Augen und trollt sich. Warum jemandem erklären, dass Pferdeaufzucht Geld kostet?

Nachdem man sich gerade virtuell auf ein Pferd in Sonderfarbe geeinigt hat (das mit den Punkten), schneit aber noch eine äußerst seriöse Verkäuferin in die Facebook-Gruppe, die Folgendes zu sagen hat:

»Biete wunderschöne Schimmel-Araberstute für kleines Geld. Nur in allerbeste Hände. Hat eine Warze, die sie aber nicht beeinträchtigt, aber weil es hässlich ist, deutlich unter Wert. Hatte mal einen Sattel drauf und war brav. Nicht richtig angeritten. 2.000 Euro.«

Im Reiterhirn brennt die Sicherung durch. Ein Schimmel. Araber … oder so was. Mit Wallemähne. Weiß. Lang. Und das am Kopf … Das ist kein Pickel, das ist ein Einhorn!

Gekauft. Ungesehen!

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Wenn das Pferd nicht mit einer aktuellen Trendfarbe ausgestattet ist, kann mit einfachen Hilfsmitteln nachgeholfen werden.

KAPITEL 2:
DAS EINHORN ZIEHT EINABER WO EIGENTLICH?

 

Da hat unsere Reiterin nun den Salat, überstürzt ein Pferd gekauft, das sie Ende der Woche abholen muss. Und dabei hat man sich noch gar nicht wirklich mit einem Stall auseinandergesetzt. Im Internet lernt man nämlich schnell: Der muss auch zu den eigenen Präferenzen passen, denn wenn man ein Turnierreiter ist, hat man gefälligst auch einen Stall mit Boxen zu nehmen. Vielleicht noch Paddockboxen, mehr aber auch nicht.

Allerdings ist das tierquälerisch, denn wie wir im Internet ebenfalls lernen, braucht man einen Offenstall, und alles, was der Reiter sich wünscht, ist purer Egoismus. Am besten ist so ein Aktivstall, da wird das Pferd selbst aktiv und muss kaum noch trainiert werden, es baut ganz von selbst Muskeln auf.

Vielleicht gar nicht so schlecht.

Das neue Heim muss man sich dennoch erst in der Praxis anschauen (ganz im Gegensatz zum Pferd natürlich), und so kommt das Reiterlein ziemlich in der Weltgeschichte herum.

Am ersten Hof angekommen, sieht es gleich, was hier nicht stimmt. Da stehen so viele Pferde auf den Weiden. Werden die alle nicht geritten? Das ist ja komisch.

Prompt wird die Stallbesitzerin dazu interviewt. Die guckt komisch, als sie unserer Reiterin erklärt, dass es hier Sommerweiden gibt und die Pferde im Sommer ganztägig draußen sind.

Des Rätsels Lösung ist ja wirklich einfach. Und dann gibt es noch eine hübsche Halle, einen Longierzirkel, Reitunterricht vor Ort und ein paar andere Annehmlichkeiten wie das Reiterstübchen. Aber das alles kostet natürlich auch. 300 Euro im Monat möchte man unserer künftigen Einhornreiterin abknöpfen.

Sie beschließt, sich das noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. So teuer ist Pferdehaltung? Klang bei Facebook noch ganz anders.

 

Einen Tag später steht sie im dorfeigenen Offenstall auf der Matte. Da begrüßt einen allerdings keiner, denn es ist niemand da. Das gibt unserem Reiterlein allerdings die Chance, sich mal ungestört umzusehen.

Eine Bretterbude, ein Matschplatz, irgendwo am Horizont Pferde. Könnten auch umgefallene Baumstämme sein. Das ist Freiheit! Die kann man sogar riechen. Oder ist das der Misthaufen, der schon seit Monaten nicht weggeräumt wurde?

Jemand kommt. Ökolatschen, Schlabberpulli, Kippchen und drei Hunde. Schimpft sich Stallbesitzerin.

»Hallo, ich bin die SCHANINN!« Sagt sie auch genau so.

Unser Reiterlein schüttelt artig die Hand und stellt sich vor.

»Und was hast du so für ein Pferd?«

»Ein Einhorn.«

Die Schaninn fragt nicht nach. Weiß ja auch jeder, wie Einhörner aussehen, was soll man da groß erklären?

Sie stellt ihren Stall vor, der aus einem Container, einem Anbindebalken und der Matschepampe mit Pferde-Dekoration dahinter besteht. Und der Papphütte.

»Ja, siehste ja, wie das alles hier ist. Reitplatz ham wa nich. Brauch man ja auch nich, weil wir reiten ja nur Freizeit hier. Ist dein Pferd lieb?«

»Ja.« Hallo? Es ist ein Einhorn!

»Gut. Kann man da auch mal Kinder drauflassen?«

»Es ist noch nicht eingeritten.«

Schaninn bekommt leuchtende Augen. »Ja, dabei kann ich dir helfen. Weil, ich hab mein Pferd auch selbst eingeritten, und das ist ein suuuper Verlasspferd geworden. Wir haben auch Westernreita hier!«

Unser Reiterlein ist froh – toll! Dafür hätte man in diesem Wucherstall zahlen müssen. Und dann noch diese ominöse Sommerweide, die kein Mensch im Internet erwähnt hat.

»Was kostet es denn hier?«, wird verschüchtert gefragt.

»Ja, also, der Stall an sich kostet 160 Euro. Dann Heu 90 Euro, und Futter musst du selber kaufen.« Schaninn ist nämlich nicht nur Stallbesitzerin, sondern auch Geschäftsfrau.

Klingt nach einem Schnäppchen. Aber bei Facebook haben die auch gesagt, man solle sich mehrere Ställe ansehen.

 

Das tut das Reiterlein dann auch. Es gibt ja noch einen Stall im Ort.

Der ist nobel und aufgeräumt, lange Boxengassen, zwei Hallen, ein Solarium, ein Aquatrainer, eine Führmaschine, drei Longierhallen und eine gekieste Auffahrt. Weide? Ja, haben sie auch. Hinter den Ställen irgendwo, so sagen die Legenden. Aber auf die Weide kommt hier ja kaum ein Pferd. Es ist ein Sportstall.

Der Reitanlagen-Besitzer betont das sehr merkwürdig und schaut unser Reiterlein dabei fragend an. Er möchte natürlich herausfinden, welcher sportlichen Disziplin die potenzielle Neukundin angehört. Da weder eine der typischen Reitermarken am Leib noch ein Spring- oder Dressursattel unter dem Arm zu sehen ist, kann er das nicht wirklich definieren. Und verliert auch sehr schnell das Interesse an der Einhornreiterin. Aber der Stallbursche kann sie ja mal rumführen.

Das tut dieser, unter Protest und mit schlechten Deutschkenntnissen, sodass unsere Einhornreiterin ziemlich verwirrt hin und her gescheucht wird und am Ende knapp hundert Pferde besucht hat. Aber wie es im Knast so üblich ist, ohne Begleitung geht gar nichts.

Und in die Reithalle kann man gerade auch nicht, da ist Training. Nur für ausgewählte Reiter. Besondere! Dabei leuchten die Augen des Stallburschen.

Unser Reiterlein winkt ab, sie hat genug gesehen. Das ist er also: der berüchtigte Boxenknast. Und da soll ein Einhorn leben? Dem fällt ja der ganze Glitzer aus dem Fell!

Den Stall wird sie lieber schnell vergessen. Vielleicht noch mal auf Facebook die lieben Mitreiter warnen? Diese Machenschaften sollte mal jemand aufdecken!

 

Na, vielleicht morgen. Heute geht’s ja noch zum letzten Stall auf der Liste. Ein Westernstall. Vom Westernreiten weiß unser Reiterlein noch nicht so viel. Die haben da große Sättel und Pferde, die wohl nicht so gut zu Fuß sind, denn die rutschen immer so. Manchmal drehen die sich auch einige Sekunden im Kreis, bevor sie loslaufen. Aber wer weiß schon, ob das Einhorn nicht vielleicht ein Westerneinhorn ist? Nein, schaden kann es nicht, sich das anzusehen.

Der Hof ist nett und hübsch, und Paddocks gibt es hier auch. Aber nur so kleine Pferde. Dafür alle sehr bunt und fusselig. Mit langer Mähne. Das gefällt unserer künftigen Einhornreiterin mächtig. Diese langweiligen Farben, die sie im Boxenknast zu sehen bekommen hat, die sind doch out. Bunt ist in.

Und auf dem Reitplatz sind sie, die berühmten selbstdrehenden Pferde. Hier dreht sich zwar gerade keiner, aber da rutscht einer. Bis zur Bande.

Unsere Einhornreiterin duckt sich panisch zur Seite, aber das tut sonst niemand der Umstehenden. Hm, ob das so sein muss?

Lächelnd begrüßt der Reitlehrer sie. Killersporen, Cowboyhut. Die Sporen lässt unser Reiterlein nicht aus den Augen. Gruselig. So einer soll an ihr Einhorn? Und ein Lasso hat der auch nicht. Dabei haben die Cowboys im Fernsehen das alle.

»Sie können in die Offenstallgruppe oder eine Paddockbox anmieten, das ist allerdings etwas teurer«, erklärt der geduldige Cowboy, brüllt dann aber plötzlich über den Platz: »Nina! Wie oft hab ich dir gesagt, dass du den Oberkörper hinten lassen sollst? Irgendwann fällst du aufs Maul, und dann?«

Die Einhornreiterin ist verschreckt und weiß gar nicht mehr, was er ihr da gerade angeboten hat. Offenstallbox und Paddockgruppe? Ja, doch, so war es.

Aber will man die Sachen überhaupt noch begutachten? Was ist denn das für ein Umgang hier? Und diese Sporen! Von denen kann sie sich einfach nicht abwenden.

»Wir machen hier auch gemeinsame Ausritte. Da kannst du dich für eintragen. Und fürs Grillen.«

Was hier gegrillt wird? Garantiert Einhörner. Wenn jemand schon solche Sporen trägt …

Unser Reiterlein sagt, sie wird sich melden. Der Spaß kostet auch noch 350 Euro im Monat. Das ist ja doch sehr viel. Das Einhorn war schließlich schon teuer.

 

Unsere Reiterin hat erst einmal genug gesehen. Sie hat jetzt die Qual der Wahl: Dieser hoch suspekte Stall, der gar nicht so war, wie man ihr alle Englisch-Ställe angepriesen hat? Ach nein, da sind bestimmt nur Tussis, und diese Sommerweide tut dem Einhorn doch gar nicht gut. Das behauptet sie jetzt einfach mal für sich.

Die Nummer von Schaninn hat sie natürlich auch noch. Da hat es ihr gefallen, das klingt nach Freiheit und totaaal pferdegerechtem Umgang.

Dieser irre Boxenknast? Nur über ihre Leiche! Das kommt ihr nicht in die Tüte! Und sie nimmt sich noch einmal fest vor, den bösen Stall bei Facebook morgen publik zu machen. Wäre doch gelacht. Man liest doch immer von diesen Rollkur-Reitern und solchen Sachen.

Aber auch der Westernstall: Folterwerkzeuge, soweit das Auge reicht, Pferde, die so schwach sind, dass sie über ihre eigenen Füße fallen, und ein bösartiger Reitlehrer, der herumbrüllt. Wo kommen wir denn da hin?

Nein, bei Schaninn war alles richtig. Und so wird Schaninns Nummer flugs gewählt.

Ja, das Einhorn möchte einziehen. Hurra!

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Ein adäquates Heim für Einhorn und Arschlochpferd ist absolut essentiell. Puppenhäuser, Gartenhäuser und Strandkörbe eignen sich gleichermaßen.

KAPITEL 3:
KLANGVOLLE NAMEN, ALPTRAUM ALLER ANSAGER

 

Unser Reiterlein kann zwar das Einhorn erst morgen holen, aber das Internet wird sogleich durchforstet: Man braucht schließlich noch einen Namen.

Und der muss schön sein. Schakkeline oder Schantalle reicht da nicht. Dark Rose Schakkeline vielleicht. Alles mit »Dark« scheint eine unheimliche Faszination auf Reiter auszuüben, denn es heißen gefühlt dreißigtausend Pferde in der Bundesrepublik irgendetwas mit »Dark«, »Night« oder »Shadow«. Vielleicht könnte man ja alle drei kombinieren.

Aber ach, die böse FN, die Leute von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, die sind einfach gemein. Die zwingen einen dazu, einen völlig individuellen Namen zu nehmen, sonst kriegt man nämlich eine blöde Nummer hinter den Namen gepappt, und die würde auch so in den Ergebnislisten stehen. Und wer will schon »Dark Shadow Night 2587« auf dem Turnier sein? Oder sogar noch so einen blöden Buchstaben dazu, wie »Dark Shadow Night 2587 B«?

Unsere Einhornreiterin jedenfalls nicht. Vielleicht nimmt sie lieber etwas, was nicht jeder hat, etwas besonders originell Geschriebenes?

Und was ist das Pferd überhaupt für ein Sternzeichen? Schnell noch mal in die Anzeige geschaut: Geboren 2005. Mist. Das gibt natürlich keine Auskunft über das Sternzeichen, und somit fällt das flach.

Vielleicht die Farbe mit reinnehmen. Es ist schließlich ein Schimmel. Aber »Schimmel« klingt eklig, und was Schimmel auf Englisch heißt, weiß unsere Einhornreiterin leider nicht. Nein, das fällt auch weg.

Schließlich fragt sie in die virtuelle Facebook-Runde: »Wie soll mein Pferd heißen?« Die wissen ja sonst auch immer Rat.

Und prompt wird sie mit einer komischen Frage belästigt. »Mit welchem Buchstaben muss der Name denn anfangen?«

Hä? Lieber noch mal in einer anderen Gruppe fragen, was das zu bedeuten hat. Zwei oder drei Leute haben einen guten Tag und erklären geduldig: »Das Pferd muss mit dem Anfangsbuchstaben des Vaters anfangen. Oder mit dem der Mutter. Je nach Zuchtverband.«

Oh … Die Eltern kennt unsere Einhornreiterin leider gar nicht, die wurden ihr nie persönlich vorgestellt und auch nicht in der Anzeige erwähnt.

Immerhin kann sie jetzt ein lässiges »Egal« in ihren ursprünglichen Facebook-Post hauen. Schnell noch ein Bild hinzufügen, mit stolz geschwellter Brust, denn dieses Einhorn ist bald ihr Einhorn.

Nach einigen Kommentaren, in denen auch von den Mitreitern das Einhorn gepriesen wird, sind nun aber wieder Namensvorschläge an der Tagesordnung.

»White Irgendwas.«

Ja, »White« ist schon mal gut. Sagt auch alles aus. Passt. »White Unicorn«? Nein, das ist zu eindeutig. White …

Eine Nutzerin schreit dazwischen: »Pearl!« Gar nicht so blöd. White Pearl – aber da muss noch mehr kommen. Nur »White Pearl« ist langweilig.

Irgendein Komiker schreibt: »White Mega Pearls Persil!«

Das wird aber schnell ignoriert. Unsere Neu-Einhornbesitzerin versteht da überhaupt keinen Spaß! Über das Einhorn wird nicht gelacht.

Der nächste Vorschlag: »White Pearl of Sunrise.«

Ob das zu lang ist? Garantiert. Aber der Rufname kann ja Pearl sein. Unsere Einhornreiterin ist dennoch unentschlossen. Der »Sunrise« ist schließlich golden, und ihr Einhorn ist eher silbern.

Da kommt prompt die Erleuchtung: »White Pearl Of Silver Moon!« Alle sind restlos begeistert, die ganzen Tussis in der Pferdegruppe klatschen virtuellen Applaus und freuen sich mit unserer Einhornreiterin zusammen über diese gelungene Namenswahl.

Und wie das erst auf einem Turnier klingen muss! Grandios. Innerlich hört die Einhornreiterin schon den tosenden Applaus der Massen, wenn sie einreitet, eine perfekte Traversale zur Einleitung, eine kleine Piaffe vor dem Richtertisch, bevor der Name laut verlesen wird: »White Pearl Of Silver Moon.«

Hoffentlich gibt es den noch nicht bei der FN.

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Auch Arschlochpferde möchten ein bisschen Kultur genießen.

KAPITEL 4:
DARWIN IST EIN ARSCHGESICHT!

 

Es ist nicht immer einfach, Freunde und Familie davon zu überzeugen, dass nur ein Pferd (oder eben ein Einhorn) das Menschlein sehr glücklich machen kann. Meist wird mit Unverständnis reagiert, gerade, wenn der künftige Pferdebesitzer noch jung ist. Jedem Jugendlichen sollte daher folgender Satz locker auf der Zunge liegen: »Lieber Reiten als abends vorm Penny lungern.«

Unsere Einhornreiterin hat dieses Alter zum Glück hinter sich gelassen, sie hat einen Mann, ein Kind, kurzum: ihre eigene Familie, die gar nicht erst besonders lange überzeugt werden muss. Denn das Kind liebt natürlich Ponys jetzt schon über alles, und der Mann hat es aufgegeben, seiner Frau dreinzureden. Die sind bereits geimpft.

Aber die kritischen Verwandten, allen voran die Eltern der neuen Einhornbesitzerin, die sehen das ganz anders. Ein Pferd kostet sehr viel Geld und wird ständig krank. Und was man davon hat, ist ihnen auch nicht so begreiflich.

So hat unsere Einhornreiterin folgendes unangenehme Telefongespräch mit ihrem Vater:

»Warum kannst du dir denn nicht ein Pferd mieten? Das ist doch günstiger, und das kann man auch wieder abgeben!«

»Ich möchte das Einhorn gar nicht abgeben, sondern behalten. Das ist wie ein Hund, den gibst du doch auch nicht ab. Du hast den Bommel auch nicht abgegeben.«

»Ja, aber der kostet auch nicht so viel.«

»Dann ist es eben ein teurer Hund. Und es ist ein schöner Sport. Du bist doch dafür, dass man Sport machen soll.«

»Ja, aber Reiten ist ja auch kein Sport!«

Hier schluckt unsere Einhornreiterin kurz, denn diesen Unfug kennt sie mittlerweile. Es bringt auch gar nichts, ihrem Vater das deutlich zu machen.

»Für Emma ist das auch gut, ein Tier zu haben. Da kann sie Verantwortung lernen.«

»Emma ist 2, was soll sie mit einem Pferd?«

»Einhorn!«

»Was?«

»Egal.«

»Hast du mal drüber nachgedacht, woher du das Geld nimmst? Pferde sind ja immer krank.«

»Ich habe mir das schon gut überlegt. Und versichern kann man die auch.«

»Wo denn?«

»Na, bei einer Versicherung.«

»So ein Unsinn! Das gibt es doch gar nicht.«

»Doch, klar gibt es das. Auch bei den ganz normalen Versicherungen. Bist du nicht bei der Allianz?«

»Ja.«

»Siehst du, die versichern auch Pferde. Oder Hunde. Der Bommel ist auch versichert.«

»Das hat deine Mutter gemacht.«

Die Einhornreiterin seufzt tief und holt noch einmal Luft. »Schau mal, ich möchte gerne mein eigenes Einhorn. Ich will nicht immer nur auf den Reitschulpferden reiten, da komme ich nie weiter. Und ich möchte einfach eine nette Zeit haben und einem schönen Tier ein Zuhause geben, das es vielleicht woanders nicht bekommt.«

»Hast du dir etwa eins vom Tierschutz geholt?«

»Nein, aber …«

»Das stirbt doch direkt. Weißt du noch, bei Tante Ute? Die hat auch den bescheuerten Straßenhund geholt. Wie alt ist der geworden? Drei?«

»Ja, aber …«

»Und Pferde kosten ja auch richtig viel, wenn die krank sind. Was machst du dann?«

Hier legt unsere Einhornreiterin den Hörer auf. Weil man das Gespräch sonst ab der Mitte neu anfängt. Es ist einfach nicht erklärbar, wenn jemand nicht verstehen will. Da sind Pferde- und Einhornreiter völlig gleich, sie kämpfen alle gegen denselben Widerstand. Und beide werden auf Familienfesten gerne gefragt, ob man dieses teure Ding namens Pferd oder Einhorn etwa immer noch hat. Und was es schon alles gekostet hat. Das fragt komischerweise niemand bei einem Auto oder einem anderen teuren Hobby.