Informationen zum Buch

Schöne Frauen und schneller Ruhm: Das ist es, was den jungen Arturo Bandini interessiert. Nur geht es mit beidem nicht so recht voran. Doch dann lernt Arturo die eigenwillige Kellnerin Camilla kennen – und zwischen den beiden entwickelt sich eine Hassliebe voller Wut und Leidenschaft.

»John Fantes Romane gehören zum Besten, was die amerikanische Literatur je hervorgebracht hat.« Charles Bukowski

»John Fante ist einer der ganz großen West-Coast-Autoren – italienische Leidenschaft gepaart mit californischer Coolness.« Alex Capus

John Fante

Frag den Staub

Roman

Aus dem Amerikanischen
neu übersetzt von
Alex Capus

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Über John Fante

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Kapitel 1

Eines Abends saß ich auf dem Bett in meinem Hotelzimmer in Bunker Hill, mitten in Los Angeles. Es war ein wichtiger Abend meines Lebens, denn ich musste mich entscheiden: Entweder ich bezahlte, oder ich haute ab. Das stand auf dem Zettel, den mir die Vermieterin unter der Tür durchgeschoben hatte. Ein großes Problem, das höchste Aufmerksamkeit verdiente. Ich löste es, indem ich das Licht ausschaltete und zu Bett ging.

Nach dem Aufwachen am Morgen beschloss ich, dass ich mehr körperliche Ertüchtigung brauchte, und fing sofort an. Ich machte ein paar Kniebeugen. Dann putzte ich mir die Zähne, schmeckte Blut und sah, dass meine Zahnbürste sich rosa verfärbte, worauf mir all die Reklame einfiel. Ich beschloss, auszugehen und einen Kaffee zu trinken.

Ich ging ins Restaurant, in das ich immer ging, setzte mich an den Tresen und bestellte Kaffee. Er schmeckte einigermaßen nach Kaffee, aber den Nickel war er nicht wert. Ich rauchte ein paar Zigaretten, las die Resultate der American League und mied sorgfältig jene der National League. Mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, dass Joe DiMaggio dem italienischen Volk noch immer Ehre machte, denn er führte die Scorerliste an.

Ein großer Schlagmann, dieser DiMaggio. Ich verließ das Restaurant, baute mich vor einem imaginären Werfer auf und schlug einen Homerun über den Zaun. Dann ging ich die Straße hinunter in Richtung Angel’s Flight und überlegte, was ich mit dem Tag anfangen sollte. Ich hatte nichts zu tun, und so beschloss ich, einen Rundgang durch die Stadt zu machen.

Ich ging die Olive Street hinunter, vorbei an einem schmutzig gelben Apartementhaus, das vom nächtlichen Nebel noch feucht war wie Löschpapier. Ich dachte an meine Freunde Ethie und Carl, die aus Detroit stammten und in diesem Haus gewohnt hatten. Ich erinnerte mich an jene Nacht, in der Carl Ethie geschlagen hatte, weil sie schwanger war und er kein Baby wollte. Aber sie hatten das Baby trotzdem bekommen, und das war’s dann. Ich erinnerte mich auch an ihre Wohnung, an den Geruch nach Mäusen und Staub, und an die alten Frauen, die an heißen Tagen unten in der Lobby saßen, und an jene eine alte Frau, die so hübsche Beine hatte. Dann gab es da noch den Fahrstuhlführer, einen gebrochenen alten Mann aus Milwaukee, der jedesmal höhnisch grinste, wenn du dein Stockwerk nanntest, als würden nur die größten Blödmännner in diese Etage fahren. Er hatte immer ein Tablett mit Sandwiches und ein Schundheft bei sich.

Weiter ging’s durch die Olive Street den Hügel runter, vorbei an den schrecklichen Holzhäusern, die nach Mordgeschichten stanken, und weiter zum Philharmonic Auditorium. Ich dachte daran, dass ich dort einmal mit Helen die Donkosaken gehört hatte, und dass ich mich langweilte, und dass wir deswegen Streit bekamen. Ich erinnerte mich, was Helen an jenem Tag trug – ein weißes Kleid, bei dessen Berührung meine Lenden jedesmal gejubelt hatten. Oh, diese Helen – aber nicht jetzt.

Und dann war ich unten an der Kreuzung Fifth Street und Olive Street, wo einem vom Lärm der großen Straßenbahnwagen die Ohren schlackerten, wo die Palmen traurig im Benzingestank standen und das schwarze Pflaster noch nass war vom Nebel der vergangenen Nacht.

Vor dem Biltmore Hotel ging ich die Reihe der gelben Taxis entlang, in denen alle Fahrer schliefen, mit Ausnahme von jenem zuvorderst beim Haupteingang, und ich dachte über den Fundus an Informationen nach, den diese Kerle hatten. Mir fiel ein, wie einer von ihnen Ross und mir mal eine gewisse Adresse gegeben hatte, und wie er anzüglich gegrinst und uns in die Temple Street gefahren hatte, ausgerechnet in die Temple Street, wo zwei ausgesprochen unattraktive Wesen auf uns warteten, und dass Ross die Sache trotzdem durchzog, während ich allein im Empfangszimmer sitzen blieb und Schallplatten abspielte und Angst hatte und mich einsam fühlte.

Ich ging vorbei am Türsteher des Biltmore, und ich hasste ihn wegen seiner gelben Litzen, seiner sechs Fuß Körperlänge und seiner Würde. Ein schwarzes Auto fuhr an den Bordstein, ein Mann stieg aus. Er sah reich aus; dann stieg eine Frau aus, und sie war schön. Ihr Pelz war ein Silberfuchs; sie schwebte über den Gehsteig wie ein Lied und weiter durch die Schwingtür, und ich dachte, oh Junge, nur einen Tag und eine Nacht lang kosten davon; doch als ich weiterging, kam sie mir schon vor wie ein Traum, und ihr Parfüm hing in der feuchten Morgenluft.

Dann verbrachte ich ziemlich viel Zeit damit, vor einem Pfeifenladen zu stehen und die Auslage anzuschauen. Die ganze Welt war verblasst, und ich stand da und rauchte alle ausgestellten Pfeifen. Ich sah mich als großen Autor mit dieser schicken italienischen Bruyèrepfeife und einem Gehstock, und ich stieg aus einem großen schwarzen Auto, und dann war auch sie da, die Dame im Silberfuchs, und sie war mächtig stolz auf mich. Wir trugen uns ins Gästebuch ein, tranken Cocktails und tanzten ein paar Takte, und dann tranken wir noch einen Cocktail. Ich rezitierte einige Zeilen Sanskrit. Die Welt war wunderbar. Alle zwei Minuten machte irgendeine Schönheit mir, dem großen Autor, schöne Augen und bestand unbedingt darauf, dass ich ihre Speisekarte signierte. Das Silberfuchsmädchen war sehr eifersüchtig.

Los Angeles, schenk mir ein bisschen was von dir! Los Angeles, komm zu mir, wie ich zu dir komme, meine Füße über deine Straßen, du schöne Stadt, die ich so sehr liebe, du traurige Blume im Sand, du schöne Stadt.

Ein paar Tage zuvor war ich in die Bibliothek gegangen, wo all die großen Jungs in den Regalen standen. Der alte Dreiser, der alte Mencken. Ich ging sie besuchen. Hallo Dreiser, hallo Mencken, hallo, hallo. Auch für mich gibt’s hier ein Plätzchen, fängt mit B an, im B-Regal, Arturo Bandini, macht Platz für Arturo Bandini, eine Lücke für sein Buch. Ich setzte mich an den Tisch und betrachtete die Stelle, an der mein Buch stehen würde, gleich dort, neben Arnold Bennett. Taugt nicht gerade viel, dieser Arnold Bennett, aber ich würde ja da sein und würde den B’s ein bisschen Auftrieb geben, ich, der alte Arturo Bandini, einer von den Jungs – bis dann mit klickenden Absätzen und einem Hauch von Parfüm ein Mädchen die belletristische Abteilung betreten würde, um die Monotonie meines Ruhms aufzulockern. Gala-Tag, Gala-Traum!

Aber ich bekam weiter diese kleinen Zettel von meiner weißhaarigen Vermieterin: Sie stammte aus Bridgeport, Connecticut, und ihr Mann war gestorben, und sie war ganz allein auf der Welt, und sie traute niemandem, konnte sich das nicht leisten, das hatte sie mir doch gesagt, und sie hatte mir doch gesagt, dass ich bezahlen müsste, und meine Schulden würden wachsen wie die Staatsverschuldung, und ich würden zahlen oder verschwinden müssen, jeden einzelnen Cent – fünf Wochen überfällig, zwanzig Dollar, und wenn ich nicht zahlte, sähe sie sich leider gezwungen, meine Koffer zurückzubehalten; nur hatte ich gar keine Koffer, bloß ein Köfferchen aus Karton, und dem fehlte sogar der Riemen, weil ich den um meinen Bauch geschnallt hatte, um die Hosen hochzuhalten, was keine große Sache war, denn von meinen Hosen war nicht viel übrig.

»Ich habe grad einen Brief von meinem Agenten bekommen«, sagte ich der Vermieterin. »Von meinem New Yorker Agenten. Er sagt, er hat wieder was verkauft; er sagt nicht, wem, aber er sagt, er hat was verkauft. Also machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Hargraves, regen Sie sich nicht auf. In ein, zwei Tagen hab ich’s.«

Aber einem Lügner wie mir glaubte sie nicht. Dabei war’s nicht wirklich eine Lüge; es war ein Wunsch, keine Lüge, und vielleicht war’s noch nicht mal ein Wunsch, sondern eine Tatsache. Um das herauszufinden, gab es nur einen Weg: Man musste den Postboten beobachten, scharf beobachten, und die Post durchsehen, die er auf das Pult in der Lobby legte, und ihn geradeaus fragen, ob er etwas für Bandini hatte. Aber nach sechs Monaten in diesem Hotel musste ich ihn nicht mehr fragen. Wenn er mich kommen sah, nickte er schon oder schüttelte den Kopf, bevor ich fragen konnte. Dreimillionenmal Nein, einmal Ja.

An jenem einen Tag kam ein wunderschöner Brief. Oh, ich erhielt eine Menge Briefe, aber das war der einzige schöne, und er kam am frühen Morgen, und der Verfasser schrieb, er habe The Little Dog Laughed gelesen, und es habe ihm gefallen; Mr. Bandini, schrieb er, wenn ich je ein Genie gesehen habe, dann Sie. Sein Name war Leonardo, und er war ein großer italienischer Kritiker, nur dass er als Kritiker nicht bekannt war; er war bloß ein Mann aus West Virginia, aber er war großartig und ein Kritiker, und er starb. Er war schon tot, als meine Antwort per Luftpost in West Virginia eintraf, und seine Schwester schickte meinen Brief zurück. Auch sie schrieb mir einen wunderschönen Brief, auch sie war eine ziemlich gute Kritikerin. Sie teilte mir mit, dass Leonardo an Schwindsucht gestorben war, dass er aber bis zum Ende glücklich gewesen sei, und dass er ganz zum Schluss sich noch aufgesetzt hätte, um mir über The Little Dog Laughed zu schreiben: ein Traum, den das Leben schrieb, aber sehr bedeutend. Leonardo, leider nicht mehr unter uns, ein Heiliger im Himmel, auf gleicher Höhe mit jedem einzelnen der zwölf Apostel.

Alle im Hotel lasen The Little Dog Laughed, alle. Die Geschichte war spannend und clever und voll schriller Poesie, und ein Hund kam auch nicht darin vor. Und der große Verleger J. C. Hackmuth, kein Geringerer als er, hatte in seinem Brief, unter dem sein Name wie ein chinesisches Schriftzeichen stand, geschrieben: Eine großartige Geschichte, und ich bin stolz, sie zu drucken. Nachdem Mrs. Hargraves diesen Brief gelesen hatte, war ich in ihren Augen ein anderer Mann. Ich konnte jetzt im Hotel bleiben und wurde nicht mehr raus in die Kälte oder die Hitze gejagt – alles wegen The Little Dog Laughed. Da gab es eine Mrs. Grainger auf Zimmer 345. Sie war bei den Christian Scientists und hatte tolle Hüften, wenngleich sie ein bisschen alt war, und sie saß den ganzen Tag in der Lobby und wartete auf den Tod, bis The Little Dog Laughed sie zurück in die Welt brachte. Ich konnte an ihren Augen ablesen, dass ich und die Geschichte gut waren, und ich hoffte, sie würde sich bei mir erkundigen, wie ich finanziell so zurechtkam. Warum soll ich sie nicht um einen Fünfer anhauen, dachte ich; aber dann tat ich es doch nicht, sondern ging weg und schnippte vor Ekel mit den Fingern.

Das Hotel hieß Alta Loma. Es war verkehrt rum an den Hang von Bunker Hill gebaut, sodass der Haupteingang von der Straße her zuoberst lag, und die zehnte Etage ganz unten. Wenn man Zimmer 862 hatte, fuhr man im Fahrstuhl acht Stockwerke hinunter, und wenn man in den Gemüsekeller wollte, ging’s nicht abwärts, sondern hoch ins Dachgeschoss, eine Etage über dem Parterre.

Oh, alles für ein mexikanisches Mädchen! Die ganze Zeit dachte ich an sie, mein mexikanisches Mädchen. Ich hatte keins, aber die Straßen waren voll von ihnen, sie setzten die Plaza und Chinatown in Brand, und für mein Empfinden gehörten sie alle mir, diese hier und jene dort, und eines Tages würde ein Scheck eintreffen, und es würde wahr werden. In der Zwischenzeit war der Anblick der Bauernmädchen im Grand Central Market und in der alten Missionskirche umsonst, und für mich waren sie Azteken- und Maya-Prinzessinnen, und ich ging sogar zur Messe, um sie zu sehen. Das war ein Sakrileg, aber immer noch besser, als überhaupt nicht zur Messe zu gehen, und so konnte ich wenigstens meiner Mutter die Wahrheit schreiben, wenn ich heim nach Colorado schrieb. Liebe Mutter, letzten Sonntag bin ich zur Messe gegangen.

Unten am Grand Central Market pflegte ich absichtlich zufällig mit den Prinzessinnen zusammenzustoßen. So konnte ich sie ansprechen, lächeln und Entschuldigung sagen. Diese wunderschönen Mädchen, die so glücklich waren, wenn man sich wie ein Gentleman benahm – sie einfach nur berühren und die Erinnerung daran nach Hause tragen in mein Zimmer, wo meine Schreibmaschine verstaubte und Pedro die Maus in ihrem Loch saß und mich mit ihren schwarzen Augen beobachtete, während ich meinen Tagträumen nachhing.

Pedro die Maus war eine gute Maus, aber nicht zahm; man konnte sie nicht streicheln, und sie weigerte sich, stubenrein zu werden. Ich hatte sie entdeckt, als ich das erste Mal mein Zimmer betrat; das war zu meiner großen Zeit vor fünf Monaten, als die August-Ausgabe mit The Little Dog Laughed erschienen war. Das war der Tag, an dem ich mit dem Bus von Colorado in die Stadt gekommen war, mit hundertfünfzig Dollar in der Tasche und großen Plänen im Kopf. Zur jener Zeit hatte ich eine Philosophie – ich liebte Mensch und Tier gleichermaßen. Pedro machte da keine Ausnahme, aber Käse war eine teure Sache, und Pedro hatte alle seine Freunde hergerufen, es wimmelte nur so von ihnen, und ich musste mit dem Käse aufhören und sie mit Brot füttern. Aber Brot mochten sie nicht. Ich hatte die Mäuse zu sehr verwöhnt, und so gingen sie alle woanders hin, nur Pedro der Asket blieb und gab sich damit zufrieden, die Seiten einer alten Bibel zu fressen.

Ah, dieser erste Tag! Mrs. Hargraves öffnete die Tür zu meinem Zimmer, und da lag es vor mir mit seinem roten Teppich und den englischen Landschaftsbildern an den Wänden und der separaten Dusche. Das Zimmer war unten in der sechsten Etage, Nummer 678, ganz nah am Berg, sodass mein Fenster ebenerdig zum Hang hinaus ging und ich keinen Schlüssel brauchte, denn das Fenster stand immer offen. Durch dieses Fenster erblickte ich die erste Palme meines Lebens, keine sechs Fuß entfernt, und natürlich fiel mir dabei Palmsonntag ein und Ägypten und Kleopatra, aber die Palmwedel hatten schwarze Flecken vom Kohlenmonoxyd, das aus dem Third Street Tunnel quoll, und ihr Stamm erstickte unter einer Kruste von Staub und Sand, den der Wind aus der Mojave- und Santa Ana-Wüste herübergeweht hatte.

Liebe Mutter, pflegte ich heim nach Colorado zu schreiben, liebe Mutter, es geht eindeutig aufwärts. Ein großer Verleger ist in die Stadt gekommen, und wir haben zusammen gegessen und einen Vertrag über eine Reihe von Kurzgeschichten abgeschlossen, aber ich will dich nicht mit Details langweilen, liebe Mutter, weil ich weiß, dass du dich fürs Schreiben nicht interessierst und Papa genauso wenig, aber es läuft auf einen hübschen Vertrag hinaus, nur dass er erst in ein paar Monaten in Kraft tritt. Schick mir deshalb zehn Dollar, liebe Mutter, denn der Verleger (ich würde dir seinen Namen nennen, wenn ich nicht wüsste, dass diese Dinge dir egal sind) ist fest entschlossen, mich ganz groß herauszubringen.

Liebe Mutter und lieber Hackmuth, großer Verleger – so begannen die meisten meiner Briefe, eigentlich all meine Briefe. Der alte Hackmuth mit seinem finsteren Gesicht und dem Mittelscheitel, der große Hackmuth mit der spitzen Feder! Sein Bild hing an meiner Wand, signiert mit der Unterschrift, die aussah wie ein chinesisches Schriftzeichen. Hallo Hackmuth, pflegte ich zu sagen, Jesus, kannst du schreiben! Dann kamen die mageren Zeiten, und Hackmuth bekam dicke Briefe von mir. Mein Gott, Mr. Hackmuth, irgendetwas stimmt mit mir nicht. Der alte Schwung ist weg, ich kann nicht mehr schreiben. Glauben Sie, Mr. Hackmuth, dass das hiesige Klima daran schuld ist? Bitte um Rat. Denken Sie, Mr. Hackmuth, dass ich so gut schreibe wie William Faulkner? Bitte um Rat. Glauben Sie, Mr. Hackmuth, dass Sex etwas damit zu tun hat, weil, Mr. Hackmuth, weil, weil, und ich erzählte Hackmuth alles. Ich erzählte ihm von dem blonden Mädchen, das ich im Park getroffen hatte, wie ich es angestellt hatte, und wie das blonde Mädchen hingefallen war. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, nur dass sie halt nicht stimmte, alles eine einzige verrückte Lüge – aber es war immerhin etwas. Es war Schreiben, ich blieb in Tuchfühlung mit dem Erhabenen, und Hackmuth antwortete mir stets postwendend. Oh Junge, er war großartig! Ein großer Mann, der auf die Probleme eines talentierten Mannes einging. Niemand außer mir bekam so viele Briefe von Hackmuth, niemand, und ich nahm sie immer wieder hervor und las sie durch und küsste sie. Dann stand ich vor Hackmuths Bild, und die Tränen strömten mir aus den Augen, und ich versicherte ihm, dass er mit mir einen guten Mann erwischt hatte, einen großartigen Mann, einen Bandini, Arturo Bandini, mich.

Die mageren Zeiten der Entschlossenheit. Das war das richtige Wort dafür, Entschlossenheit. Arturo Bandini zwei volle Tage hintereinander an seiner Schreibmaschine, zum Erfolg entschlossen – aber es klappte nicht. Es war die längste und härteste Belagerung seines Lebens gewesen, aber keine einzige Zeile hatte sich ergeben. Ein einziges Wort füllte die Seite von oben bis unten, das immergleiche Wort: Palme, Palme, Palme. Es war ein Kampf auf Leben und Tod gewesen zwischen der Palme und mir, und die Palme hatte gesiegt. Dort draußen stand sie, wiegte sich in der blauen Luft und ächzte lieblich. Die Palme siegte nach zweitägigem Kampf, und ich kroch aus dem Fenster und setzte mich an ihren Fuß. Es verging etwas Zeit, ein Augenblick oder zwei, und ich schlief ein, während kleine braune Ameisen in meiner Beinbehaarung eine Party feierten.

Kapitel 2

Damals war ich zwanzig. Was soll’s, sagte ich mir, nimm dir Zeit, Bandini. Du hast zehn Jahre Zeit, ein Buch zu schreiben, also nimm’s locker, geh raus und lern was übers Leben, treib dich auf den Straßen rum. Das ist nämlich das Problem mit dir, dass du keine Ahnung vom Leben hast. Du lieber Himmel, Mann, ist dir eigentlich klar, dass du noch keinerlei Erfahrung mit Frauen hast? Oh doch, ich habe massenhaft Erfahrung. Nein, hast du nicht. Du brauchst eine Frau, du brauchst ein Bad, du brauchst einen schnellen, ordentlichen Tritt in den Hintern, und du brauchst Geld. Ich habe gehört, dass es einen Dollar kostet. An den schicken Plätzen zwei Dollar, aber unten an der Plaza einen Dollar. Großartig! Bloß hast du keinen Dollar. Und noch etwas, du Feigling. Selbst wenn du einen Dollar hättest, würdest du nicht hingehen. In Denver hattest du auch mal die Chance hinzugehen, und du bist nicht hingegangen. Nein, du Feigling, du hattest Angst, und du hast immer noch Angst, und du bist froh, dass du keinen Dollar hast.

Angst vor einer Frau! Ha, ein großartiger Schriftsteller ist das! Wie kann er über Frauen schreiben, wenn er nie eine gehabt hat? Du lausiger Schwindler, du Heuchler. Kein Wunder, kannst du nicht schreiben. Kein Wunder, kommt in The little Dog Laughed keine Frau vor. Kein Wunder, ist keine Liebesgeschichte draus geworden. Du ungewaschener kleiner Schuljunge.

Eine Liebesgeschichte schreiben, das Leben kennen lernen.

Die Post brachte Geld. Keinen Scheck vom mächtigen Hackmuth, und keinen Vertrag mit dem Atlantic Monthly oder der Saturday Evening Post, nur zehn Dollar, nur ein Vermögen. Meine Mutter hatte sie geschickt. Irgendeine Zehn-Cent-Versicherung, Arturo, ich habe sie wegen der Auszahlung abgeschlossen, und das ist dein Anteil. Aber es waren zehn Dollar; irgendetwas war zumindest verkauft worden, ob’s jetzt ein Manuskript war oder ein anderes Schriftstück.

Steck’s in die Tasche, Arturo. Wasch dein Gesicht, kämm dein Haar und leg Duftwasser auf, während du im Spiegel nach grauen Haaren suchst. Denn du hast Sorgen, Arturo, und von Sorgen kriegt man graue Haare; aber du hast noch keine, nicht die kleinste graue Strähne. Schön, aber was ist mit dem linken Auge los? Das ist ja ganz blass. Pass auf, Bandini: Strapazier dein Augenlicht nicht. Denk dran, was mit Tarkington geschah, und denk dran, was mit James Joyce geschah.

Nicht übel. Ich stand mitten im Zimmer und sprach zu Hackmuths Bild. Nicht übel, was, Hackmuth? Das gibt eine Story für Sie. Wie sehe ich aus, Hackmuth? Sind Sie manchmal neugierig, wie ich aussehe, Herr Hackmuth? Fragen Sie sich manchmal, ob er er wohl gut aussieht, dieser Bandini, der dieses brillante The Little Dog Laughed geschrieben hat?

In Denver hatte es mal genauso eine Nacht gegeben, nur dass ich in Denver noch kein Autor war, aber ich stand in einem Zimmer wie diesem und hatte den gleichen Plan, und es wurde ein Desaster, weil ich ununterbrochen an die Heilige Jungfrau dachte und du sollst nicht ehebrechen, und das arme Mädchen hatte sich abgemüht und traurig den Kopf geschüttelt und es dann aufgegeben. Aber das war lange her, und heute Abend würde alles anders sein.

Ich kletterte aus dem Fenster und den Hügel hoch. Die Nacht war ein Fest für meine Nase. Ich roch die Sterne, ich roch die Blumen, ich roch die Wüste und den schlafenden Staub. Ich überquerte den Gipfel von Bunker Hill, und die Stadt unter mir blinkte wie ein Weihnachtsbaum, rot und grün und blau. Hallo, ihr alten Häuser, wunderschöne Mädchen singen in billigen Cafés, und Bing Crosby singt auch. Sie wird sanft zu mir sein. Nicht wie die Mädchen meiner Kindheit, Jugend und Studentenzeit, diese Furcht erregenden, schüchternen und abweisenden Mädchen; sie wird nicht so sein, meine Prinzessin, sie wird mich verstehen, denn sie ist auch schon verschmäht worden.

Bandini geht vorwärts, kein Riese, aber kräftig, und stolz auf seine Muskeln. Er ballt die Faust und schwelgt in angespanntem Entzücken über seinen Bizeps, der furchtlose Bandini, der in einer Welt voller Rätsel und Wunder nichts fürchtet außer dem Unwissen. Sind die Toten wieder auferstanden? Die Schrift sagt Nein, die Nacht schreit Ja. Ich bin zwanzig und volljährig und werde jetzt dort unten durch die Straßen streifen und eine Frau suchen. Habe ich mit dem bloßen Gedanken daran schon meine Seele besudelt, soll ich umkehren, wacht ein Engel über mich, werden meine Ängste gelindert durch die Gebete meiner Mutter, sind mir die Gebete meiner Mutter lästig?

Zehn Dollar. Damit könnte ich die Miete für zweieinhalb Wochen bezahlen. Drei Paar Schuhe kaufen. Zwei Paar Hosen. Oder tausend Briefmarken, um Manuskripte an Verleger zu schicken. Wie wahr! Aber du hast keine Manuskripte, und dein Talent ist zweifelhaft, dein Talent ist jämmerlich, du hast überhaupt kein Talent, und jetzt hör endlich auf, dich Tag für Tag selbst zu belügen, denn du weißt ganz genau, dass The Little Dog Laughed nichts taugt und nie etwas taugen wird.

So gehst du über Bunker Hill und drohst gen Himmel mit der Faust. Ich weiß, was du denkst, Bandini. Du denkst an deinen Vater. An den Stock auf deinem Rücken. An das heiße Feuer in deinem Schädel. Dass du nichts dafür kannst – das ist es, was du denkst: dass du arm geboren bist als Sohn armseliger Bauern, und dass dich die Armut aus deinem Colorado-Kaff vertrieben hat, und dass du dich jetzt in der Gosse von Los Angeles suhlst, weil du arm bist. Und du willst ein Buch schreiben und reich werden, weil dann all jene zu Hause in Colorado, die dich gehasst haben, dich nicht mehr hassen werden. Du bist ein Feigling, Bandini, ein Verräter deiner Seele, ein schwächlicher Lügner vor Jesus unserem Herrn. Das ist der Grund, weshalb du schreibst, und deshalb wär’s besser, du wärst tot.

Ja, das stimmt schon. Aber in Bel-Air habe ich Häuser gesehen mit grünen Rasen und kühlen Swimmingpools. Ich habe Frauen begehrt, deren Schuhe mehr wert sind als alles, was ich je besessen habe. Bei Spalding an der Sixth Street habe ich Golfschläger gesehen, die ich nur mal anfassen wollte, nur anfassen. Ich habe mich nach einer Krawatte verzehrt wie ein Heiliger nach Völlerei. Ich habe bei Robinson’s in der Betrachtung von Hüten geschwelgt wie ein Kunstkenner in einer Ausstellung von Michelangelo.

Bei Angel’s Flight ging ich die Treppe runter zur Hill Street: Hundertvierzig Stufen, mit geballten Fäusten, ohne Angst vor niemandem, aber voller Furcht vor dem Third Street Tunnel. Angst, hindurchzugehen – Klaustrophobie. Höhenangst habe ich auch, und Angst vor Blut und Angst vor Erdbeben, ansonsten aber bin ich absolut furchtlos, abgesehen von der Angst vor dem Tod und der Angst, dass ich in einer Menschenmenge zu schreien anfangen könnte, oder dass sich mein Blinddarm entzündet oder mein Herz Schwierigkeiten macht – sogar das: sitzt in seinem Zimmer mit einer Uhr in der Hand und fühlt seinen Puls und zählt die Herzschläge und lauscht dem sonderbaren Summen und Vibrieren seines Magens. Ansonsten aber ganz und gar furchtlos.

Das wäre doch eine Idee, die Geld bringen könnte: Die Treppen, die Stadt zu Füßen, die Sterne zum Greifen nah, Junge trifft Mädchen. Gute Idee, könnte das große Geld bringen. Mädchen wohnt in diesem grauen Apartmenthaus, Junge ist ein Herumtreiber. Der Junge – das bin ich. Das Mädchen hat Hunger. Reiches Pasadena-Mädchen, aber hasst Geld. Hat sich aus freien Stücken von den Pasadena-Millionen losgesagt, aus Langeweile, des Geldes überdrüssig. Wunderschönes Mädchen, überwältigend. Großartige Geschichte, krankhafter Konflikt. Mädchen mit Geld-Phobie, Freudsche Inszenierung. Ein andrer Kerl liebt sie, ein reicher Kerl. Ich bin arm. Treffe den Rivalen. Schlage ihn tot mit ätzendem Witz, und streichle ihn mit den Fäusten. Mädchen beeindruckt, verliebt sich in mich. Bietet mir Millionen an. Ich heirate sie unter der Bedingung, dass sie arm bleibt. Ist einverstanden. Trotzdem Happy End: Mädchen trickst mich aus und überrascht mich am Hochzeitstag mit einem gewaltigen Vermögen. Gute Geschichte, aber irgendwas fehlt. Vielleicht eine Geschichte für Collier’s Magazine.

Liebste Mutter, danke für die zehn Dollar. Mein Agent meldet den Verkauf einer weiteren Geschichte, diesmal an eine große Zeitschrift in London, aber anscheinend bezahlen die erst nach der Veröffentlichung, und so kommt dein Zustupf sehr gelegen für verschiedene Kleinigkeiten.

Ich ging in die Burlesque-Show und kaufte den bestmöglichen Platz zu einem Dollar und zehn Cent, direkt unter einem Chor von vierzig fransenbehängten Hintern; eines Tages werden die alle mir gehören, ich werde eine Yacht besitzen, und wir werden eine Kreuzfahrt durch die Südsee machen. An warmen Nachmittagen werden sie für mich auf dem Sonnendeck tanzen, mir allein werden die schönen Frauen gehören, handverlesen aus den besten Kreisen der Gesellschaft, und sie werden sich darum streiten, die Freuden meiner Prunkkabine mit mir zu teilen. In Ordnung, das hier ist gut für mich. Das ist eine Erfahrung, ich bin aus einem bestimmten Grund hier, diese Augenblicke werden zu Literatur gerinnen. Die Schattenseite des Lebens.

Dann kam Lola Linton. Wie eine Satin-Schlange glitt sie durch den Tumult der Pfiffe und stampfenden Füße, die laszive Lola, kam angeglitten und nahm meinen Körper in Besitz, und als sie fertig war, taten mir die Zähne weh vom Zusammenbeißen, und ich hasste die blöden Dreckschweine, die das krankhafte Vergnügen herausbrüllten, das ich doch für mich allein haben wollte.

Wenn Mama die Versicherungspolice verkauft hat, wird es bei dem Alten Herrn wohl nicht besonders gut laufen, und ich sollte nicht hier sein. Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich gelegentlich Fotos von solchen Lola Lintons zu sehen bekommen, und ich hatte es nicht erwarten können, die Kindheit hinter mir zu lassen, die so kriechend langsam verging. Gesehnt hatte ich mich nach diesem Augenblick, und hier bin ich nun, und bin immer noch derselbe, und die Lola Lintons sind es auch, nur bin ich in meinen Träumen immer reich gewesen, und jetzt bin ich arm.

Main Street nach der Show, Mitternacht: Neonröhren und leichter Nebel, Spelunken und 24-Stunden-Kinos. Secondhandläden und Filipino-Tanzhallen, Cocktails zu 15 Cents, nonstop Unterhaltung. Aber ich hatte das alles schon gesehen, so oft schon, hatte so viel Colorado-Geld dort liegen lassen. Ich fühlte mich wie ein durstiger Mann mit einem leeren Glas; ich lief in Richtung Mexikanisches Viertel mit dem Gefühl, an einer schmerzlosen Krankheit zu leiden.

Hier stand die altehrwürdige Missionskirche mit ihren altersschwarzen Adobeziegeln. Aus sentimentalen Gründen werde ich reingehen, aus reiner Sentimentalität. Ich habe Lenin nicht gelesen, aber gehört habe ich von ihm, Religion ist Opium für das Volk. Selbstgespräch auf der Kirchentreppe: Jawohl, Opium für das Volk. Ich persönlich bin Atheist. Ich habe den Antichrist gelesen und halte ihn für ein erstklassiges Werk. Ich glaube an die Umwertung der Werte, Sir. Die Kirche muss verschwinden, sie ist der Hafen aller Dämlichkeit, aller Blödmänner und Deppen und billigen Marktschreier.

Ich öffnete die riesengroße Kirchentür. Sie gab einen kleinen Klagelaut von sich. Über dem Altar flackerte blutrot das ewige Licht und warf karmesinrote Schatten in die Stille von zweitausend Jahren. Hier roch es nach Tod, aber ich hörte auch den Widerhall schreiender Babys bei der Taufe. Ich kniete nieder. Die reine Gewohnheit, dieses Niederknien. Ich setzte mich. Nein, niederknien war doch besser; der scharfe Druck an den Knien lenkte ab von dieser schrecklichen Stille. Ein Gebet. Aber sicher doch, ein Gebet. Aus sentimentalen Gründen. Allmächtiger Gott, es tut mir so Leid, dass ich jetzt Atheist bin, aber hast du Nietzsche gelesen? Was für ein Buch! Allmächtiger Gott, ich will mit offenen Karten spielen, darf ich etwas vorschlagen: Mach, dass ich ein großer Schriftsteller werde, und ich kehre in den Schoß der Kirche zurück. Und, lieber Gott, noch eine Bitte: Mach meine Mutter glücklich. Der Alte Herr ist mir egal, der hat seinen Wein und seine Gesundheit. Aber meine Mutter sorgt sich so. Amen.

Ich schloss die wehklagende Tür und blieb auf der Treppe stehen, und der Nebel breitete sich aus wie ein riesiges, weißes Tier; die Plaza sah aus wie das Gerichtsgebäude bei uns zu Hause, wenn wir eingeschneit waren in weißes Schweigen. Aber durch alle Schwermut hindurch drang ein Geräusch zielstrebig zu mir vor, und das war das Klicken hoher Absätze. Ein Mädchen tauchte auf. Sie trug einen grünen Mantel, und ihr Gesicht war umrahmt von einem grünen Kopftuch, das sie unter dem Kinn zusammengebunden hatte. Auf der Treppe stand Bandini.

»Hallo, Liebling«, sagte sie lächelnd. Als ob Bandini ihr Mann wäre, oder ihr Liebhaber. Dann trat sie auf die unterste Stufe der Treppe und schaute zu ihm hoch. »Wie wär’s, Liebling? Möchtest du ein bisschen Spaß haben mit mir?«

Bandini, der kühne Liebhaber. Kühn und kaltschnäuzig.

»Neeh«, sagte er. »Nein danke. Heute nicht.«

Er eilte davon, und sie sah ihm hinterher, und er sprach Worte, die er auf der Flucht verlor. Er ging einen halben Block weit. Er war zufrieden. Wenigstens hatte sie ihn gefragt. Wenigstens hatte sie ihn als Mann erkannt. Vor Vergnügen begann er zu pfeifen. Da gibt’s einen Mann in der Stadt mit weltumfassenden Erfahrungen. Bekannter Schriftsteller berichtet von Nacht mit Straßenmädchen. Der berühmte Schriftsteller Arturo Bandini enthüllt Abenteuer mit Prostituierter in Los Angeles. Kritiker bejubeln großartig geschriebenes Buch.

Bandini (Interview vor seiner Abreise nach Schweden): »Ich habe einen ganz einfachen Rat an alle jungen Schriftsteller. Ich empfehle dringend, keiner Erfahrung aus dem Weg zu gehen, das rohe Leben zu leben und tapfer mit ihm zu ringen, es mit bloßen Fäusten anzugreifen.«

Reporter: »Mr. Bandini, wie sind Sie dazu gekommen, dieses Buch zu schreiben, für das Sie den Nobelpreis erhalten?«

Bandini: »Das Buch basiert auf einem wahren Erlebnis, das ich eines Nachts in Los Angeles hatte. Jedes einzelne Wort in diesem Buch ist wahr. Ich habe dieses Buch gelebt, ich habe es am eigenen Leib erfahren.«

Genug. Ich sah alles voraus. Also drehte ich mich um und ging zur Kirche zurück. Aber das Mädchen war weg. Ich ging weiter. Vielleicht konnte ich sie einholen. An der Ecke sah ich sie wieder. Sie sprach mit einem groß gewachsenen Mexikaner. Die beiden überquerten die Straße und betraten die Plaza. Ich folgte ihnen. Mein Gott, ein Mexikaner! Solche Frauen sollten sich an die Rassentrennung halten. Ich hasste ihn, den Spick, den Greaser. Sie gingen unter den Bananenbäumen auf der Plaza entlang, und das Echo ihrer Schritte hallte im Nebel. Ich hörte den Mexikaner lachen, dann lachte das Mädchen. Sie überquerten die Straße und bogen ein in eine Gasse, die nach Chinatown führte. Die orientalischen Neonlichter färbten den Nebel rötlich. Neben einem Chop-Suey-Restaurant gab es eine Pension, und die beiden traten ein und stiegen die Treppe hoch. Auf der anderen Straßenseite wurde im Obergeschoss getanzt. Gelbe Taxis parkten beidseits der engen Gasse. Ich lehnte mich an die Kühlerhaube eines Taxis, das bei der Pension stand, und wartete. Ich zündete eine Zigarette an und wartete. Ich werde warten, bis die Hölle gefriert. Bis Gott mich totschlägt werde ich warten.

Eine halbe Stunde verging. Geräusche auf der Treppe. Die Tür ging auf. Der Mexikaner tauchte auf. Er stand im Nebel, steckte sich eine Zigarette an, und gähnte. Dann lächelte er abwesend, zuckte mit den Schultern und ging weg, und der Nebel hüllte ihn ein. Geh nur und lächle, du stinkender Greaser – was gibt’s da zu lächeln? Du stammst ab von einer kaputten und heruntergekommenen Rasse, und nur weil du mit einem weißen Mädchen aufs Zimmer gegangen bist, kommst du daher und lächelst? Meinst du, du hättest die geringste Chance gehabt, wenn ich auf der Kirchentreppe ja gesagt hätte?

Kurz darauf der Klang von Schritten, das Klicken der Absätze und das Mädchen, das in den Nebel hinaustritt. Das gleiche Mädchen, der gleiche grüne Mantel, das gleiche Kopftuch. Sie sah mich und lächelte. »Hallo, Liebling. Möchtest du ein bisschen Spaß haben?«

Jetzt ganz langsam, Bandini.

»Oh« sagte ich. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Was hast du zu bieten?«

»Komm mit hoch und schau’s dir an, Liebling.«

Hör auf zu kichern, Bandini. Bleib cool.

»Vielleicht komme ich mit hoch«, sagte ich. »Vielleicht aber auch nicht.«