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Eva Hochrath

Parallelwelt 520 - Band 4 - Die Controller

Der Flügelschlag des Schmetterlings



Vorspann

 

 

Eva Hochrath

 

Parallelwelt 520

Der Flügelschlag des Schmetterlings

 

 

4. Die Controller

 

 

Impressum



Eva Hochrath – Die Controller

Parallelwelt 520 – Band 4

1. eBook-Auflage – Dezember 2016

© vss-verlag, Frankfurt

vssinternet@googlemail.com

Titelbild: Agentur Pjuta (www.pjuta.de) unter Verwendung eines Fotos von Pixabay

Lektorat: Armin Bappert

01 Vermisst!


Hagen Parker stand voll unter Stress! Als ob dieser Rhyan Sadarka ihn nicht ohnehin schon den letzten Nerv gekostet hätte! Und nun kam auch noch diese mysteriöse Geschichte dazu! — Gestern Morgen, Donnerstag, da hatte er sich saumäßig geärgert, dass dieser Sadarka zu allem anderen offenbar auch noch anfing unpünktlich zu sein! Und der Ärger hatte ihm den Mut gegeben, bei dem in der Wohnung anzurufen. — Aber warum er dann, als sich niemand gemeldet hatte, auch noch dort hingefahren war... das wusste er selbst nicht! Schließlich war Controller Sadarka ihm ja weißgott keine Rechenschaft schuldig, und es hatte eigentlich auch keinen Grund gegeben sich aufzuregen, bloß weil er sich nicht am Telefon meldete... Der war doch sowieso immer gekommen und gegangen wie's ihm gepasst hatte... Aber gestern... wo dieser verrückte Controller ein Mal eine feste Uhrzeit ausgemacht hatte... und wo sie schließlich so ein Sicherheits-Gedöns um Controller machten... Irgendwas war Parker einfach unheimlich gewesen...

Naja, und dann... Bingo! Wohnung verlassen, Möbel umgeschmissen, Tasche weg... Und dann die Aufregung um die ebenfalls verlassene Wohnung ein paar Etagen höher! Dort hatte es noch wüster ausgesehen! Sogar Einschusslöcher hatte man gefunden, und zwar von Strahlwaffen! — Und dann hatte sich auch noch herausgestellt, dass der Bewohner dieser anderen Wohnung ausgerechnet dieser Dr. Shaw war — dieser mysteriöse Sozialpsychologe, für den Dr. Sadarka sich so auffällig interessiert hatte! — Das konnte alles natürlich kein Zufall mehr sein!

Von da an hatte Parker natürlich handeln m ü s s e n ! Er hatte sofort Nachforschungen anstellen lassen und die Ergebnisse an die Zentrale weitergegeben! In der Nachrichtenabteilung seiner Außenstelle liefen die Drähte heiß! Alles andere war zweitrangig geworden! Der Polizeifunk wurde mit doppelter Besetzung abgehört, damit ihnen auch ja keine Kleinigkeit entging, und sämtliche V-Männer in New York liefen sich die Hacken ab!

Und trotzdem kriegte man so gut wie nichts raus! — Und dann überhaupt die Blamage! Ausgerechnet in seiner Außenstelle verschwand ausgerechnet ein Controller!

Was die in der Zentrale wohl unternehmen würden? — Wer würde jetzt aufkreuzen?!

Freitagmittag wusste er es. Gerade vierundzwanzig Stunden nach dem Alarm waren sie da! — Die Tür zu Parkers Büro flog auf, und da standen sie! Zwei augenscheinlich männliche Wesen: Hünen! Athletische Figuren! Aber langhaarig! Um die Dreißig. Exotisch gekleidet. Breitbeinig aufgebaut, grimmig und entschlossen dreinblickend. — Sie hätten Außerirdische von einem fernen Stern sein können und hätten Parker auch nicht mehr verschreckt!

Noch bevor die sich auswiesen oder irgendwas sagten oder machten, wusste Parker, was das für welche waren: zwei weitere Controller! (Noch mehr von der Sorte!)

Dr. Sirrah Montgomery und Dr. Deane McLaren übernahmen sofort den Laden. Parker war quasi degradiert! Nicht zum kleinen 'Angestellten', sondern zum 'Büroboten' und 'Kellner'! Die Herren bestellten Unmengen von "Kaffee" - Koffo natürlich! -, Assistenten und Tausende von Dienstleistungen, belegten alles mit Beschlag! Parker kannte sein schönes, ruhiges Chef-Büro nicht wieder! Innerhalb kürzester Zeit hatte es sich verwandelt in ein tobendes, chaotisches Irrenhaus, gedrängt voll mit wild wimmelnden Leuten und Maschinen, wie verrückt tickernd, bliepend, blinkend und summend. — Und mittendrin, kühl, wortkarg und konzentriert, saßen die beiden Controller, lässig in Sessel gelümmelt, und dirigierten den ganzen Zirkus!

Aber es kamen auch Ergebnisse rein! — V-Männer der Außenstelle fanden Controller Sadarkas Wagen! Mit Blutspuren an der Fahrertür! Und die mikrobiotische Analyse ergab, dass es Sadarkas Blut war! Also war er verletzt!

Dann war da noch die komische Sache, dass man zwar diesen Shaw als vermisst gemeldet hatte — aber kein Wort davon, dass der zu diesem seltsamen Institut gehörte! Dozent an der Uni, hieß es nur! Sonst nix! Und auch kein Bild, kein Vorname... gar nichts!

Stattdessen aber Controller Sadarkas Phantom-Fotomontage in Großaufnahme überall! Und die Behauptung, dass e r diesen Shaw entführt hätte! — Was natürlich Quatsch war! Wie sollte ein Verletzter einen Gesunden entführen!

Genau umgekehrt ergaben alle Einzelheiten ein stimmiges Bild: Dieser Shaw war mit Sadarka abgehauen! Und das konnte nichts anderes bedeuten, als dass Sadarka dem Shaw in die Quere gekommen, ihm auf irgendwas draufgekommen war! Und wenn sich das so auswirkte, dass dieser Shaw gleich seine Zelte abbrach... dann musste das bedeuten, dass der ganz gewaltig im Trüben fischte! Und zwar ja wohl in diesem Institut! — Denn dieses Institut, wo Dr. Sadarka Mittwochnachmittag gewesen war... war der Drehpunkt von allem!

Aber gerade dieser 'Drehpunkt' trat jetzt, bei der Fahndung, überhaupt nicht in Erscheinung — sollte offenbar aus dem Rummel herausgehalten werden! Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass dort merkwürdige Dinge vor sich gingen, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollten! Und wahrscheinlich hatte Shaw was damit zu tun! — Auf jeden Fall aber hatte Sadarka da eine riesige, stinkende Bombe zum Platzen gebracht!

Und wenn das alles so war... dann wurde dieser Shaw nicht im 'normalen' Sinne 'vermisst', sondern die vom Institut wollten ihn dingfest machen! Aber genau das mussten sie geheim halten, weil sonst auch bekannt werden würde, um was es da in Wirklichkeit ging!

Dass das ganze dadurch aufgeflogen war, dass da noch eine weitere 'Partei' in Gestalt von Sadarka dazwischengefunkt war, hatte die vom Institut zwar sicher ganz gewaltig aufgestört... Aber sie hatten es auch verdammt elegant ausgenützt: Auf diesen Shaw allein hätten sie nur den Sicherheitsdienst ansetzen können, der aber beschränkt war auf Operationen im Geheimen... Wenn sie hingegen einen 'Entführer' vorweisen konnten, dann konnten sie es als 'Kriminalfall' aufziehen und praktisch in aller Öffentlichkeit auch noch den ganzen Polizeiapparat für sich arbeiten lassen! Was natürlich viel effektiver war! — Wer wirklich mit wem abgehauen war, wussten die vielleicht gar nicht mal! Konnte für die auch egal sein, denn sie wollten ja beide haben: den einen, weil er eine brisante Frage gestellt hatte, und den anderen für irgendein anderes faules Ding!

Dann gab ein Taxifahrer zu Protokoll, dass ein Verrückter ein Auto angeschossen und Fahrerflucht begangen habe! Und einen Mann, irgendwie verletzt oder krank, habe der Flüchtige auf dem Beifahrersitz gehabt! Er sei auf der "Interstate Route 95" abgehauen!

Die Polizei zögerte, dem Hinweis nachzugehen. Einen Verletzten vermisste man nicht. Und die Beschreibung des flüchtigen Fahrers hatte nichts mit Sadarkas Bild zu tun. Das angeblich angeschossene Fahrzeug konnte nicht gefunden werden, und es meldete sich auch kein Besitzer eines solchen Fahrzeugs. — Eine der vielen hundert Falschmeldungen von Wichtigtuern!

Statt dem Hinweis nachzugehen, verhaftete man dann lieber den Taxifahrer — wegen Betreiben eines illegalen Fahrzeug-Antriebs.

Deane tippte Sirrah an und zeigte wortlos auf die Projektion des Polizeifunk-Protokolls. Sirrah rückte seine Brille zurecht und las, und seine Stirn runzelte sich immer mehr. Sie sahen sich an. Nickten. Sprangen auf.

"Entschuldigung, äh, wie heißen Sie nochmal? Ach ja, Parker... Es scheint, als hätten wir die Spur! Wenn alles klappt, sind wir in drei, vier Tagen zurück. — Seien Sie doch bitte so nett und sagen, äh, Bescheid!"

Weg waren sie! Wie ein Hurrikane, der zuschlägt und weiterzieht! Parker schlenkerte mit dem Kopf, als müsse er einen Traum verscheuchen. Und dann brauchte er immer noch einige Zeit, bis er sich überhaupt wundern konnte.


02 Richtungs-Entscheidung

 

Reafer erreichte Freitagabend gegen sechs endlich die Grenze nach South Carolina. Und obwohl sie sich von allen Hunden gehetzt fühlte, legte sie eine kurze Pause ein. Rhyan konnte nicht ohne.

Er war wieder etwas munterer, hatte aber, nachdem er den ganzen Tag im Dämmer verbracht hatte, völlig die Orientierung verloren. "South Carolina...", sann er, "wie viel Kilometer sind das denn?"

Reafer seufzte unzufrieden. "Rund tausend." Sie waren so langsam, dass die "Wæthans" jeden Moment um die Ecke kommen konnten!

"Hmpfh! Mehr nich?! — Wir sind doch schon 'ne ganze Zeit unterwegs! Oder krieg' ich das durcheinander?"

"Nee, nee! Stimmt schon! Seit eineinhalb Tagen juckeln wir jetzt schon in der Gegend 'rum! — Reine Fahrtzeit: zweiundzwanzig Stunden!"

"Tausend Ka-Em! In zweiundzwanzig Stunden! — Na, fürs große Rennen haben wir uns ja grade nicht qualifiziert, was?!"

"Nee! Aber wie denn auch! Bei den Straßen! Und du würdest dich auch bedanken!"

Er konnte schon wieder grinsen. "Ker'! So langsam! — Stell dir mal vor: Vielleicht haben deine Kumpels uns sogar schon überholt!"

"Witzbold! — Und außerdem wär' uns damit auch noch nicht wesentlich geholfen! Es ist mittlerweile nämlich noch 'n weiterer Verein hinter uns her!"

"Ach?!! Ker'! Müssen wir beliebt sein! — Wer spielt denn jetzt noch mit?!"

"Polizei! Beziehungsweise meine Leute im Institut! Die scheinen mich zu vermissen! Und stell dir vor, was die glauben!"

"Na, was?"

"Dass d u m i c h gekidnappt hast!"

Sie erzählte ihm von den Fernsehdurchsagen, und sie lachten sich erstmal eins.

Reafer wurde aber gleich wieder ernst. "Sag mal... Wirst d u eigentlich nicht auch irgendwo vermisst?!"

Rhyan wurde ruhig, überlegte. "Was haben wir heute? Freitag?"

"Ja. Siebter Januar..."

"Hm..."