Inhalt

Vorwort

Ein Mädchen wirft sich ohne Sicherheitsnetz in die offenen Arme des Vaters

Super-Model wird Nonne

Zwei Frauen rufen zur Revolution der Hoffnung auf

Mit zwei Koffern und einer Plastiktüte zu den traumatisierten Menschen im Nahen Osten

Eine Nacht wird zum Zeitmaß der Weltgeschichte

Außenseiter lernen, nur Gutes über andere zu denken

Zwei „Pensionisten“ haben ihre Antenne auf Empfang eingestellt

Orthodoxer Jude findet in Yeshua den Messias Israels

Ungewöhnliche Himmelserscheinung lässt Forscher ein großes Wagnis eingehen

Wissenschaftlerin für Astrophysik entdeckt im Urknall den liebenden Schöpfer

Als Asylanten in einem fremden Land

Totgeglaubtes Flüchtlingskind wird von seiner dreizehnjährigen Schwester gerettet

Ein Zwölfjähriger nabelt sich von seiner Familie ab

Eltern finden die verschollene Tochter wieder

Der vorauseilende Gehorsam einer Mutter

Rosenkränze gegen die Atombombe von Hiroshima

Eine Mutter hält ihren Sohn höher als sich selbst

Das Lächeln einer Lumpensammlerin

Die Mutter aller Völker

Eine Frau vergibt dem Mörder ihrer Tochter

Der Brennpunkt eines Weltereignisses

Gott nieste und ein Virus breitete sich aus

Bildnachweis

Quellenangaben

Vorwort

Maria, die junge Frau aus Nazareth, wird in der Blüte ihres Lebens von Gott erwählt. „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“, grüßt sie der Engel. „Fürchte dich nicht, Maria“, fährt er fort, „denn du hast Gnade gefunden vor Gott. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ (Lk 1,31-32).

Maria darf den Sohn Gottes zur Welt bringen. In ihr wird sich Göttliches und Menschliches verbinden. Sie wird zum Liebling Gottes. Der Himmel küsst die Erde. Ein uralter Traum der Menschheit darf in ihrem Kind Wirklichkeit werden. Dazu aber ist eines entscheidend: dass Maria „Ja“ sagt zu dieser unglaublichen Verheißung. Gott verfügt nicht einfach über sie. Sie öffnet sich mit Leib und Seele für dieses Kind. Auf ihre Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“, antwortet der Engel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (Lk 1,35-36).

Als Liebling des Vaters bricht sie später in Lobpreisungen aus: „Der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.“ (Lk 1,49)

Allerdings ist sie auf ihrem weiteren Lebensweg nicht gerade auf Rosen gebettet. Sie wird schwanger ohne verheiratet zu sein. Dabei spürt sie das Misstrauen ihres Verlobten. Doch Josef wird später dieses Kind väterlich beschützen. Dann der beschwerliche Weg nach Bethlehem. Die Geburt im Stall. Dort versteht es Maria, mit einer Fülle zärtlicher Liebe eine Höhle, die als Viehunterstand diente, in das Haus Jesu zu verwandeln.

Ihr Kind geht keinen gewöhnlichen Weg. Schon mit zwölf Jahren grenzt sich der Knabe von der Familie ab. Als Erwachsener zieht er heimatlos umher, um die Botschaft vom anbrechenden Gottesreich zu verkünden. Maria hat, obwohl auch sie dunkle Stunden durchlitt, ihren Sohn, ja ihre ganze Existenz Gott überlassen. Aber nicht einfach passiv. Als eigenständige Person stellt sie Fragen. Sie geht Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg. Und am Ende bleibt sie unter dem Kreuz. Mit Maria entsteht eine neue Schöpfung: Sie ist die neue Eva, stellvertretend für die ganze Menschheit. Sie ist uns eine Freundin, die stets aufmerksam beobachtet, dass in unserem Leben der Wein der Freude nicht zur Neige geht. Sie versteht alle unsere Nöte, weil ihr Herz von einem Schwert durchdrungen wurde. Als Mutter von uns allen ist sie ein Zeichen der Hoffnung für die Völker, die Geburtswehen leiden, bis die Gerechtigkeit hervorbricht.

An Maria wird deutlich, was Gott mit uns vorhat. Schon am Anfang der Bibel kündigt der Allmächtige an, dass diese neue Eva der Schlange den Kopf zertreten wird. In der Apokalypse wird sie dargestellt als die Frau, die am Himmel erscheint, mit der Sonne bekleidet und dem Mond zu ihren Füßen. In Maria kündet sich das neue Jerusalem an, das sich wie eine Braut für Jesus schmücken wird. Die Zusage an Maria gilt auch für uns alle: „Ihr seid erwählt. Durch euch soll das Göttliche zur Entfaltung kommen. In euch soll Christus Gestalt annehmen. In jedem von euch.“

Im Folgenden lade ich Sie ein, zusammen mit mir und im Dialog mit Maria ihren eigenen Lebensweg zu finden.

Karl-Heinz Fleckenstein

Ein Mädchen wirft sich ohne Sicherheitsnetz in die offenen Arme des Vaters

Maria, der Evangelist Lukas berichtet schon im ersten Kapitel in den Versen 26 bis 38 wie der Engel Gabriel dir die Nachricht überbrachte, dass du den Sohn Gottes in menschlicher Gestalt zur Welt bringen darfst. Wie hast du dich gefühlt, als der Bote Gottes dir aus der lichtdurchfluteten Herrlichkeit des Himmels erschienen ist?

Ich habe mich sehr erschrocken, da sein Licht mich bis ins Innerste durchleuchtete.

Hast du dich nicht gewundert, dass der Engel Gabriel Gottes Botschaft ausgerechnet dir eine Botschaft brachte. Meist waren es doch Männer, die von Gott direkt angeredet wurden. Als Unverheiratete hattest du noch weniger Ansehen als eine verheiratete Frau. Du warst ein ganz einfaches, blutjunges Mädchen, noch dazu aus Galiläa, einer Gegend, die von den Schriftgelehrten aus Jerusalem gar nicht mehr richtig zum Heiligen Land dazugerechnet wurde. Schließlich wird Nazareth kein einziges Mal im Alten Testament erwähnt. Ausgerechnet du solltest die Mutter des Messias werden? Das widersprach für die frommen Israeliten jeglicher Logik.

Aber gerade darin zeigte sich Gottes Handschrift: Der Allmächtige begab sich ganz bewusst in meine Niedrigkeit.

Gott suchte deine Nähe. Durch den Engel sprach er dich als Begnadete an. Das heißt: Du bist von Gott angesehen, geachtet, geehrt. Gott kennt dich. Er will mit dir zu tun haben. Du bist sein Liebling. Dabei wurdest du mit einer Erfahrung konfrontiert, die du noch nie gemacht hattest, mit der du nicht rechnen und auf die du dich schon gar nicht vorbereiten konntest.

In der Tat, nicht mein eigenes Planen und Können war hier gefragt. Weder auf das Machen noch auf das Leisten kam es jetzt an, sondern genau auf das Gegenteil: still zu werden, hinhorchen zu lernen, fähig werden zu empfangen.

Du hattest den Mut zu sagen: Ich gehöre dem Herrn. Ich bin einverstanden mit dem, was er mit mir vorhat. Das war keine Resignation in dem Sinne: Da kann man ja doch nichts ändern. Es kommt doch alles, wie es kommen soll.

Da hast du recht. Mein „Ja“ war kein mutloses, passives, niedergedrücktes oder lustloses „Ja“. Natürlich hätte ich auch „Nein“ sagen können. Der Allmächtige wollte mir nicht seinen Willen aufzwingen. Er wartete vielmehr darauf, dass ich mit seinem Plan einverstanden war. Er wartet auf meine Antwort. „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“, sagte ich zu dem Engel (Lk1,38). Und damit warf ich mich voller Vertrauen ohne Sicherheitsnetz in die offenen Arme des himmlischen Vaters.

Trotz allem musste doch die Verheißung einer Schwangerschaft ein Schock für dich gewesen sein, zumal du nicht verheiratet warst.

Ich war ja noch sehr jung. Also noch im Teenageralter, wie man heute sagen würde. Ich hatte mein Leben anders geplant. Josef, mein Verlobter, hatte einen guten Beruf. Er sollte später die Werkstatt seines Vaters übernehmen. Unserer Hochzeit und dem Eheglück stand nichts im Wege. Ich hatte Träume wie jedes junge Mädchen. Träume von einer glücklichen Zukunft mit Familie im eigenen Haus. Doch Gott stellte meine Weichen anders. Unehelich schwanger zu sein galt als eine Katastrophe und konnte den Tod durch Steinigung nach sich ziehen. Aber das wurde mir erst klar, als der Engel von mir gegangen war und ich allein zurückblieb. Im Nachhinein muss ich sagen: Wenn Gott uns persönlich anspricht, weicht alle Furcht. Als ich dann vor Josef stand und ihm alles erklären wollte, merkte ich erst, wie unglaublich die ganze Geschichte war. Doch da gab es kein Zurück mehr. Manchmal wollten Zweifel mich überkommen. Ich habe mit Gott gerungen. Vielleicht gehören Glauben und Zweifel irgendwie zusammen.

Trotzdem hast du alles durchgestanden, was Gott von dir wollte.

Der Allmächtige hat es mit mir durchgestanden. Er hat mich ausgehalten. Mit meinen Zweifeln und meiner Ängstlichkeit. Er hat mich Gehorsam und Vertrauen gelehrt. Ich wundere mich manchmal schon, wie der Himmlische Vater mich verändert hat.

Der Engel versprach dir, dass der Heilige Geist über dich kommen und die Kraft des Höchsten dich überschatten würde. Deshalb wird man auch das Kind heilig und Sohn Gottes nennen.

Das habe ich zuerst nicht verstanden. Deshalb habe ich auch nachgefragt. Ich wusste nicht, wie das zugehen sollte. Die Antwort des himmlischen Boten war eindeutig. Er machte mir klar, dass für Gott nichts unmöglich ist. Der Vater meines Kindes sollte kein Mann, sondern Gott selbst sein. So wie Gottes Kraft am Anfang über den dunklen Chaoswassern schwebte, so sollte sein schöpferischer Geist mich überschatten. Auf diese Weise wurde Jesus als Gottes Sohn empfangen. Ganz Mensch, ganz Gott.

Am Anfang der Botschaft an dich machte der Engel die zentrale Zusage: „Gott ist mit dir! Du wirst ein Kind empfangen, dem sollst du den Namen Jesus, Jeschua, geben.“ Das bedeutet: Jahwe ist der, der beisteht, der hilft, der rettet. Dieser Name ist Programm. Der Prophet Jesaja hatte das verheißene Kind Emmanuel genannt: Gott mit uns.

Das bedeutet aber auch, dass Gott mit jedem von euch ist. Weil er in meinem Sohn Mensch und damit euer Bruder wurde. Jesus weiß um alles, was es in eurem Leben an Leiden gibt. Von der Wiege bis zur Bahre. Weil auch er sich oft unverstanden fühlte, so wie ihr. Er lernte einen Beruf, der eigentlich nichts mit seiner Berufung zu tun hatte. Vielen von euch geht es ähnlich. Er hat Ängste und Nöte ausgestanden, wie ihr.

„Du hast Gnade gefunden“, sagte der Engel zu dir. Deine Antwort „Mir geschehe wie du es gesagt hast“ klingt so einfach.

Aber sie hatte ungeheure Konsequenzen. Das wisst ihr aus eigener Erfahrung. Manchmal kommt ihr im Leben ganz unverdient zu etwas. Sei es das Schwere oder das Gute, das euch widerfährt. Oft ist es nicht das, was ihr für euch selbst vorgesehen habt. Da wünscht ihr euch ein Kind, tut alles für sein Wohl. Und dieses Kind enttäuscht euch später. Da arbeitet ihr Jahre lang in einem Beruf und müsst schließlich doch erkennen, dass ihr dazu nicht begabt seid, dass eure Stärke in einer ganz anderen Richtung liegt.

Ich verstehe. Wenn man erkennt, dass das eigene Leben ganz und gar nicht so verläuft, wie man es sich vorgestellt hat. Das kann schon Angst machen.

Deshalb sagte der Bote Gottes zu mir: „Fürchte dich nicht!“ (Lk1,30).

Der Engel Gabriel hat leicht reden. Der steckt nicht in unserer Haut. Der hat keine Kinder, um die er sich Sorgen machen muss. Der kennt keine Existenzängste.

Dazu möchte ich euch einen guten Rat geben: Nehmt diese Botschaft unseres Himmlischen Vaters ernst: „Fürchte dich nicht! Der Herr ist mit dir!“ Lasst diese Worte tief in eure Seele fallen, bis sie in einem stillen Moment plötzlich zu euch sprechen und zu leuchten beginnen. Gerade so, als wäre ein Engel Gottes zu euch hingetreten. Für diese Botschaft bürgt mein Sohn, der Mensch gewordene Gott. Das kann ich euch aus eigener Erfahrung versichern, und ich wünsche euch, dass es auch eure Erfahrung werde.

Super-Model wird Nonne

Olalla Oliveros war noch bis vor wenigen Jahren ein erfolgreiches Model. Sie spielte Theater und stand in Kinofilmen vor der Kamera. Sie führte ein glamouröses Leben und zierte Werbeplakate. Ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als sie immer mehr Popularität erlangte, erkannte sie: Das ist nicht die Karriere, die ich mir vorgestellt habe. Die rassige 36-jährige Schönheit aus Galizien hängte daraufhin ihre schicken Designerkleider an den Nagel und tauscht sie gegen eine schlichte Ordenstracht. Statt Blitzlichtgewitter wählte sie das Stundengebet. Eine sehr untypische Wendung. Heute lebt sie als „Olalla del Si de Maria“ im St. Michael Orden.

Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Olalla gibt selbst die Antwort darauf: „Beim Besuch des Fatima-Schreins in Portugal fand in mir ein inneres Erdbeben statt. Ich wurde wachgerüttelt, erkannte, dass ich mit zunehmenden Bekanntheitsgrad immer unglücklicher wurde. Außerdem hatte ich es als Model, Schauspielerin und Werbeträgerin langsam satt, dass sich immer alles nur um mich drehte. Der Herr sprach zu mir im genau richtigen Moment. Als ich in Madrid einem Priester von meinen Erfahrungen berichtete, erkannte ich ganz klar, dass Jesus mich gerufen hatte. Der Herr irrt sich niemals. Da er mich fragte, ob ich ihm folgen möchte, konnte ich ihm das doch nicht abschlagen.“

Seit diesem Tag verzichtet Olalla auf das Jetset-Leben. Statt zum Fotoshooting geht Schwester „Olalla del Si de Maria“ lieber zum Beten.

Ollala Oliveros einst als Modell, heute als Ordensfrau.

„Diese göttliche Erfahrung in Fatima hat mich schon seltsam berührt“, gibt sie offen zu, „aber später ließ sich die Vorstellung von mir als Nonne nicht mehr abschütteln. Deshalb schlug ich weitere Filmrollen aus.“ In ihrem heutigen Leben als Ordensfrau unterscheidet sie sich nicht von ihren Mitschwestern. Sie trägt Brille und ein simples, blaues Ordensgewand. Total konträr zu ihrer früheren Welt als Modell und Schauspielerin. Damals war sie bei allem äußeren Erfolg innerlich unerfüllt. Heute ist sie glücklich.

Zwei Frauen rufen zur Revolution der Hoffnung auf

Maria, nachdem du durch den Engel Gabriel erfahren hattest, dass du den Sohn des Allerhöchsten zur Welt bringen darfst, besuchtest du, wie es uns Lukas im ersten Kapitel seines Evangeliums beschreibt, deine ältere Verwandte, Elisabeth, die zu der Zeit mit Johannes dem Täufer schwanger war.

Was ich durch den Engel da erfahren hatte, war so umwerfend, dass sich damit mein ganzes Leben schlagartig änderte und ich jede Konvention vergaß. Eine Frau durfte damals nicht einfach aufbrechen und durch das Land reisen. Aber ich machte mich auf den Weg.

Ich wusste, Elisabeth würde Hilfe brauchen, da die Geburt ihres Kindes immer näher rückte. Gleichzeitig wollte ich an ihr mit eigenen Augen sehen, was der Engel mir prophezeit hatte. Außerdem hoffte ich, dass Elisabeth mir noch so manches erklären und zeigen würde, was ich als künftige Mutter wissen musste. Daher reiste ich ins entfernte judäische Bergland an einen Ort mit Namen Ein Kerem, südwestlich von Jerusalem. Nach mehreren Tagen Fußmarsch kam ich am Ziel der Reise an. Als ich das Haus betrat und Elisabeth meinen Gruß vernahm, macht das Kind in ihrem Leib einen Hüpfer vor Freude. Welch eine fröhliche Bewegung eines noch nicht geborenen Kindes! Aus dem zunächst so ganz und gar menschlichen Geschehen, der Begegnung von uns zwei Frauen, wurde ein Geschehen zwischen Menschen und Gott. Das fast Alltägliche wurde zum Einfallstor für das Ewige. Der Allmächtige erfüllt das Alltägliche mit göttlicher Kraft. Elisabeth, aus altem Priestergeschlecht und in den Traditionen ihres Volkes beheimatet, erfasste es zuerst. Plötzlich vom Heiligen Geist ergriffen und erfüllt, erkannte sie in mir, einem einfachen jungen Mädchen, die künftige Mutter des Gottessohnes: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“ (Lk 1,46). Es war, als ob das Glück uns beide Schwangeren umarmte. Mit allen Sinnen konnten wir die Freude spüren, die mit einem Mal Raum und Zeit dieser Begegnung erfüllte. Und dieses Glücksempfinden machte keineswegs Halt vor unseren Kindern im Mutterleib.

Es war gut, in Elisabeth einen Menschen zu haben, der mich verstand. Ich brauchte jemanden zum Reden, zum Zuhören, zum Dasein, zum In-den-Arm-Nehmen. Sie war für mich die verwandte Seele, die ahnen konnte, wie mir zumute war. War ich doch durch diese uneheliche Schwangerschaft ziemlich ins seelische Ungleichgewicht gefallen und geriet in Gefahr, ins gesellschaftliche Abseits zu rutschen und verstoßen zu werden. Elisabeth, die jahrzehntelang damit gelebt hatte, innerhalb der Ehe nicht schwanger zu werden, konnte meine Situation gut verstehen. War doch eine kinderlose Ehe damals ebenso verpönt wie ein uneheliches Kind. Für eine fromme und gläubige Frau, die so lange kinderlos geblieben war, war die öffentliche Meinung eine große Belastung. Wie oft hatte Elisabeth sich gefragt: „Wozu das alles? Wieso erhört Gott meine Gebete nicht? Wieso muss ich damit leben, dass die Leute hinter meinem Rücken tuscheln und dass andere Frauen auf mich herabsehen?“ Und dann bekam ich die völlig unerwartete Antwort Gottes: „Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ (Lk1,36-37).

Für Elisabeth hörten die Zweifel und Ängste mit der fortgeschrittenen Schwangerschaft auf. Für mich sollten sie erst beginnen. Als mein Verlobter Josef merkte, dass ich ohne sein Zutun schwanger geworden war, war er völlig durcheinander. Und er dachte daran, mich in aller Stille zu verlassen. Bis der Engel ihm klar machte, dass Gott der Vater dieses Kindes war.

Jetzt begleitete mich Elisabeth durch die Fragen und Ängste meiner Schwangerschaft.

Du berichtest, dass Elisabeth bei eurer Begegnung voller Freude ausrufen hat: „Gesegnet bist du unter den Frauen – und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!“ Nun möchte ich dich fragen: Aus welchem Grund warst du zu beglückwünschen, wenn dir doch dein Kind ganz viel Kummer bereiten würde? Musstest du doch später den grausamen Tod deines Sohnes am Kreuz miterleben und miterleiden.

Elisabeth beglückwünschte mich, weil in meinem Schoß das Abenteuer der Menschwerdung Gottes seinen Anfang nahm. Auch wenn ich noch nicht wusste, auf was ich mich einließ, wie oft ich die Sonne zusammen mit meinem Kind scheinen sehen würde oder wie oft ich heftige Stürme würde ertragen müssen. Natürlich habe ich schon geahnt, dass mein Leben und das meines Sohnes kein Spaziergang sein würde. Gab mir doch der Heilige Geist während meines Magnifikats die starken Worte ein: „Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ (Lk1,51-52). Da wurde mir schon klar, dass dies nicht ohne Gegengewalt, Widerstand und Verfolgung abgehen würde.