Lost in Passion

Adrian

Veronika Engler


ISBN: 978-3-95573-489-3
1. Auflage 2016, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2016 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung eines Bildes von shutterstock.

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

Für meine wundervolle Freundin Biggi Berchtold. Danke, dass es dich gibt.

Prolog

Lilly

 

Schon immer wollte ich ausbrechen aus dem tristen Büroalltag, den meine Eltern mir und meiner Schwester Alexandra von jeher aufgezwungen hatten. Die ersten Jahre fügte ich mich brav meinem Schicksal, jedoch mit wenig Engagement, während meine Schwester höchst motiviert Karriere machte bei einer der größten Banken New Yorks, in unserer Wahlheimatstadt.

Als unsere Eltern eines Tages beschlossen, sich die Welt anzusehen, zogen wir beide gemeinsam von Chicago hierher in den Big Apple. Dort teilten wir uns eine hübsche, kleine Wohnung. Zumindest so lange, bis Alex eine ihrer flüchtigen Bekanntschaften mit nach Hause nahm und ich bereitwillig das Feld räumte. Das war dann auch der Zeitpunkt, an dem ich liebend gerne die ganze Nacht in meinem Laden an neuen Kreationen tüftelte.

Entgegen aller Erwartungen, die meine Familie in mich setzte, hatte ich es endlich vor einiger Zeit gewagt und mir meinen großen Traum erfüllt. Eine eigene Zuckerbäckerei in New York. Nichts machte mich glücklicher, als kunstvolle süße Köstlichkeiten herzustellen, die die Menschen glücklich und die Welt ein wenig besser machten. Wochenlang hatte ich an meinem Firmenkonzept gefeilt, bis mir schließlich ausgerechnet die Bank meiner Schwester einen Zuschlag für den benötigten Firmenkredit gewährte. Natürlich mit ordentlich Zinsen und einer monatlichen Rate, bei der mir jedes Mal schwindelig wurde, wenn der Fälligkeitstag näher rückte.

Trotzdem war ich der festen Überzeugung, dass mein Konzept irgendwann aufgehen würde. Nur leider war der Zeitpunkt noch nicht gekommen und so kämpfte ich verbissen Monat für Monat, um mich über Wasser zu halten. Klar, ich konnte mich bei kleinen Engpässen auch auf meine bodenständige Schwester verlassen. Bodenständig, solange es um Geld und nicht um Männer ging. Aber natürlich wollte ich ihr unter gar keinen Umständen auf der Tasche liegen. Ich wollte es schaffen und es allen zeigen. Allein!

Wie so oft, wenn ich in Tagträumen schwelgte, folgte die Ernüchterung auf dem Fuße. Pünktlich eine Woche vor Monatsende flatterte eine kleine, hässliche Erinnerung in Form einer Mahnung von der Bank ins Haus, die mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Wenn sie nicht innerhalb einer Woche die nächste Rate in Höhe von 800 Dollar als Gutschrift erhielten, würden sie mir den Geldhahn zudrehen und mein Firmenkonto sperren lassen. Über Schlimmeres, wie einer möglichen Zwangsräumung, wollte ich gar nicht erst nachdenken. Diese unverschämten Halsabschneider stehen auch immer nur dann auf dem Plan, wenn sie einen schikanieren können. Wo sind die lieben Leute der Geldinstitute, wenn man Zinsen zu erwarten hat?, dachte ich verärgert. Nicht, dass ich je in diese Situation gekommen wäre. Aber egal. Hier ging es ums Prinzip.

Ich saß auf der Theke meines Ladens und überlegte also, was ich tun konnte. Hier sitzen und den Kopf in den Sand stecken, kam für mich absolut nicht infrage. Meine Eltern um Geld bitten? Das wäre wohl die letzte Option, kurz vor meinem absoluten Ruin. Zumal sie nie begeistert gewesen waren von meinen, wie sie es nannten, kostspieligen Luftschlössern.

Für meine Familie stand schon immer die finanzielle Sicherheit an erster Stelle. Für Vergnügen blieb da leider wenig Zeit. Aber für mich war Geld schon immer nebensächlich gewesen. Hingegen war es für mich und meine Zufriedenheit unerlässlich, dass ich meinem Kopf eine kreative Aufgabe bieten konnte. Ansonsten würde dieser irgendwann vermutlich vor Eintönigkeit vertrocknen. Die Sugar Bakery war nicht nur mein Beruf. Sie war meine Berufung, die ich nicht aufgeben wollte.

Ich konnte mich noch gut erinnern, wie ich damals vor gut zwei Jahren euphorisch durch die Straßen gezogen war, mit der Zusage der Bank in meiner Hand, und auf der Suche nach einem geeigneten Laden. Nichts Großes, nur einen Ort, den die Menschen gerne aufsuchten, wo sie vielleicht sogar in Kindheitserinnerungen schwelgen konnten und sich wohl fühlten. Tatsächlich hatte ich genau diesen Ort per Zufall gefunden. Mitten in Manhattan an einer belebten Straße zwischen einigen großen Geschäften. Sicher, man musste schon viel Fantasie haben, um in den heruntergekommenen Räumen eine Zukunft zu sehen. Doch mit etwas Farbe und Geschick zauberte ich innerhalb weniger Wochen meine kleine Traumwerkstatt im Stil des Amerika der 50er und 60er Jahre. Natürlich inklusive der rotweiß gestreiften Sonnenmarkise draußen.

Bei mir gab es keine eingeschweißte, maschinell hergestellte Ware. In der Sugar Bakery wurde alles von Hand gemacht und liebevoll arrangiert in großen Gläsern, die zur Selbstbedienung einluden. Natürlich bot ich auch kleine, fertig verpackte Tütchen für verschiedene Anlässe an und war auch jederzeit für individuelle Auftragsarbeiten offen. Doch leider blieben eben diese Aufträge immer noch aus und auch die Laufkundschaft konnte ich an manchen Tagen an einer Hand abzählen. Haben die Menschen etwa vergessen, was ihnen gut tut? Welch wundervolles Gefühl schon ein einziges raffiniert kreiertes Zuckerstückchen auslösen kann?

Wie auch immer. Ich hatte weniger als eine Woche Zeit, um meine Probleme in den Griff zu bekommen, denn das Wasser stand mir sprichwörtlich bis zum Hals. Vielleicht sollte ich mich doch endlich auf einen Onlineshop reduzieren und mir die Kosten für die Miete sparen? Aber ich liebte nun einmal den Umgang mit Menschen. Wenn diese es nur endlich verstehen und über die Schwelle in meinen Laden treten würden. Verdammte Scheiße! Das durfte einfach nicht wahr sein. So viele Menschen hatten es hier geschafft und ihre Träume verwirklicht. Warum also nicht auch ich? Ich war bereit, Tag und Nacht hart dafür zu arbeiten, doch niemand schien dies auch nur ansatzweise zu würdigen. Es half alles nichts. Ich würde mich auf die Hinterbeine stellen, den Laden für heute zusperren und Klinken putzen. Vielleicht fand ich ja auf diese Weise jemanden, der meine Arbeit zu schätzen wusste.

Ich schnappte mir also einige der Geschenktütchen und ausliegenden Visitenkarten und machte mich auf den Weg. Mein Ziel war es, auf diese Weise möglichst viele Passanten oder auch Geschäftskunden auf mich aufmerksam zu machen, indem ich einige Proben verteilte. Gerne auch an Firmen oder dergleichen. Noch war dieser miese Tag nicht vorbei und das letzte Wörtchen mit dem Schicksal nicht gesprochen. Lilly Baxter würde kämpfen. Wenn nötig, bis zum bitteren Ende der Sugar Bakery.