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Tischtennis mit Timo Boll

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Bernd-Ulrich Groß | Timo Boll

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ÜBER 50 BILDREIHEN

SEIN SPIEL, SEINE TECHNIK, SEIN KNOW-HOW

Meyer & Meyer Verlag

Tischtennis mit Timo Boll

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über
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© 2016 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen
Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt,
Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

 

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Sport Publishers’ Association (WSPA)

eISBN 9783840335792
E-Mail: verlag@m-m-sports.com
www.dersportverlag.de

INHALT

DANKSAGUNG/VORWORT

KAPITEL 1

SCHLÄGERHALTUNG IM SPIEL UND BEIM AUFSCHLAG

Intro

1.1 Im Spiel – Grundhaltung und Veränderungen (BR01)

1.2 Beim Aufschlag – Grundhaltung und Veränderungen (BR02)

KAPITEL 2

SCHLAGPOSITIONEN

Intro

2.1 Aufschlagposition oder -stellung

2.2 Aufschlagannahmeposition oder Grundstellung

2.3 Zentrale und variable Spielposition (BR03)

KAPITEL 3

AUFSCHLAG

Intro (BR04)

3.1 Einfacher Vorhand-Seitenschnitt-Aufschlag von links nach rechts (BR05)

3.2 Komplexer Vorhand-Seitenschnitt-Aufschlag als Gegenläufer von rechts nach links (BR06)

KAPITEL 4

RÜCKSCHLAG ODER AUFSCHLAGANNAHME

Intro

4.1 Rückschlag kurzer Aufschläge (BR07)

4.1.1 Schupfrückgabe

4.1.1.1 Vorhand-Schupf (BR08, 09)

4.1.1.2 Rückhand-Schupf (BR10)

4.1.1.3 Verbindung Aufschlag-Vorhand-Schupf (BR11, 12)

4.1.2 Flipp

4.1.2.1 Vorhand-Flipp (BR13, 14, 15)

4.1.2.2 Rückhand-Flipp (BR16, 17)

4.2 Rückschlag mittellanger und langer Aufschläge (BR18)

KAPITEL 5

TOPSPIN

Intro

5.1 Vorhand-Topspin (BR19 – Picture Check)

5.1.1 Vorhand-Topspin auf „leichten“ Oberschnitt (Block/Konter) – Grundform (BR20)

5.1.2 Vorhand-Topspin auf Unterschnitt – Effettopspin (BR21, 22a+b)

5.1.3 Vorhand-Topspin gegen Topspin – Gegentopspin (BR23-Picture Check)

5.1.3.1 „Früher“ Vorhand-Gegentopspin gegen langsamere Effettopspins (BR24)

5.1.3.2 „Früher“ Vorhand-Gegentopspin gegen schnelle Powertopspins (BR25)

5.1.3.3 „Später“ Vorhand-Gegentopspin aus der Halbdistanz

5.1.4 Vorhand-Powertopspin (BR26, 27)

5.1.5 Besondere Vorhand-Topspinvarianten

5.1.5.1 Vorhand-Topspin mit Seitwärtsverlagerung zur Vorhand (BR28, 29)

5.1.5.2 Vorhand-Topspin aus Grätschstand (BR30)

5.1.5.3 Vorhand-Topspin aus dem Laufen und Kreuzen (BR30a+b)

5.2 Rückhand-Topspin (BR31 – Picture Check)

5.2.1 Rückhand-Topspin auf „leichten“ Oberschnitt (Block/Konter) – Grundform (BR32)

5.2.2 Rückhand-Topspin auf Unterschnitt – Effettopspin (BR33)

5.2.3 Rückhand-Topspin gegen Topspin – Gegentopspin

5.2.3.1 „Früher“ Rückhand-Topspin gegen langsamere Effettopspins (BR34)

5.2.3.2 „Früher“ Rückhand-Gegentopspin auf schnelle Powertopspins (BR35)

5.2.3.3 „Später“ Rückhand-Gegentopspin aus der Halbdistanz

5.2.4 Rückhand-Powertopspin

5.2.5 Besondere Rückhand-Topspin-Varianten

5.2.5.1 Rückhand-Topspin aus Tischmitte und Vorhand

5.2.5.2 Rückhand-Topspin mit Seitwärtsverlagerung zur Rückhand (BR36)

5.3 Rückhand-Vorhand-Topspin-Verbindung in der Grundform (BR37)

5.4 Sidespins mit Vorhand und Rückhand

KAPITEL 6

KONTER, BLOCK, SCHMETTER, BALLON- UND UNTERSCHNITTABWEHR

6.1 Konter (BR38)

6.2 Block (BR39)

6.3 Schmetter, Ballon- und Unterschnittabwehr

KAPITEL 7

TAKTIK, PSYCHOTAKTIK UND SPIEL

7.1 Timos Sicht

7.2 Spielsituationen

7.2.1 Aufschlag Timo

Spielsituation 1 (BR40): Verbindung kurzer Aufschlag – aktiver Rückhand-Block – Vorhand-Gegentopspin aus Rückhand

Spielsituation 2 (BR41): Verbindung kurzer Aufschlag – Vorhand-Powertopspin aus Rückhand mit hohem Risiko

Spielsituation 3 (BR42): Verbindung kurzer Aufschlag – Vorhand-Effettopspin aus Vorhand –Vorhand-Gegentopspin aus Vorhand

Spielsituation 4 (BR43): Verbindung halblanger Aufschlag – Vorhand-Gegentopspin aus Vorhand

Spielsituation 5 (BR44): Verbindung halblanger Aufschlag – Rückhand-Gegentopspin aus Rückhand

Spielsituation 6 (BR45): Verbindung kurzer Aufschlag – Vorhand-Effettopspin aus Vorhand – Rückhand-Topspin aus Tischmitte – Vorhand-Powertopspin aus umlaufener Rückhand

Spielsituation 7 (BR46): Verbindung kurzer Aufschlag – Vorhand-Effettopspin aus Tischmitte – Rückhand-Powertopspin aus Rückhand

7.2.2 Rückschlag Timo

Spielsituation 8 (BR47): Verbindung Rückhand-Topspin-Flipp – aktiver Rückhand-Block diagonal – aktiver Rückhand-Block parallel

Spielsituation 9 (BR48): Verbindung kurze Vorhand-Schupfrückgabe – Rückhand-Effettopspin aus Rückhand – Vorhand-Gegentopspin aus Rückhand

Spielsituation 10 (BR49): Verbindung kurze Vorhand-Schupfrückgabe – Vorhand-Effettopspin aus der Vorhand – Vorhand-Gegentopspin aus der Rückhand

Spielsituation 11 (BR50): Verbindung Rückhand-Topspin-Flipp aus der Vorhand – Rückhand-Powertopspin aus der Rückhand

Spielsituation 12 (BR51): Verbindung kurze Vorhand-Schupfrückgabe – Vorhand-Powertopspin gegen

KAPITEL 8

MATERIAL UND TRAINING

KAPITEL 9

O-TÖNE

Was enge Begleiter über Timo denken

Zum Abschluss: 10 Fragen an Timo

ANHANG

Steckbrief: Timo Boll

Literaturverzeichnis

Grundbegriffe der technisch-taktischen Analyse im Tischtennis

Bildnachweis

DANKSAGUNG/VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser, es war schon lange mein Traum, ein Tischtennis-Lehrbuch nicht nur über, sondern mit Timo Boll, dem erfolgreichsten deutschen Tischtennisspieler aller Zeiten, zu schreiben. Dass dieser Traum jetzt wahr werden konnte, verdanke ich natürlich an allererster Stelle Timo, der sich mit seinem ganzen Wissen und seiner enormen Erfahrung dazu bereit erklärte, mit mir intensive Interviews zu den über 50 Bildreihen zu führen, um Ihnen, liebe Leser, viele wertvolle Analysen, Tipps und Anregungen für Ihre Praxis zu geben, gleich ob Sie Spieler oder Trainer sind. Timo hat sich richtig „reingehängt“, so wie im Spiel, und ich habe ganz deutlich gespürt, dass es ihm Spaß gemacht hat. Nach unserem ersten Interview in Düsseldorf antwortete er auf meine Frage, ob ihm die Bildanalysen Spaß gemacht hätten, kurz und knapp in hessischem Dialekt: „Supa!“. Vielen lieben Dank Timo, auch mir hat es unglaublich viel Spaß mit dir gemacht und ich habe einmal mehr viel über Tischtennis dazugelernt.

Mein besonderer Dank gilt auch Hans-Wilhelm Gäb und Bernhard Schmittenbecher, Timos Management, die das Projekt trotz der unglaublichen Dichte von Timos Terminkalender nachhaltig unterstützten. Interviewtermine zu finden, war fast das Schwierigste am ganzen Projekt.

Undenkbar wäre dieses Buch freilich auch ohne die Hilfe des weltweit führenden japanischen Tischtennis-Herstellers BUTTERFLY, der seit früher Jugend Timo als Materialsponsor und Förderer unterstützt. Fast alle der über 50 Bildreihen entstammen der BUTTERFLY-Fachzeitschrift TABLE TENNIS REPORT. Zur Auswahl standen Hunderte von Fotos aus den Jahren 2005-2015, die die Grundlage dieses Buchs bilden. Der jetzige Europa-Geschäftsführer Taisei Imamura hat dafür gesorgt, dass diese Bilder von der Redaktion in Tokio zur Verfügung gestellt wurden. Sein Vorgänger Hideyuki Kamizuru half mir bei Übersetzungen aus dem japanischen TABLE TENNIS REPORT. Herzlichen Dank!

Aufrichtiger Dank gilt auch dem Sport- und Tischtennisfotografen Dr. Stephan Roscher, der Timo Boll schon seit vielen Jahren fotografisch begleitet und das Buch mit der Bereitstellung seiner beeindruckenden Fotos bereichert.

Dieses Buch hat mich viel mehr Zeit und Kraft gekostet, als ich zuvor gedacht habe, und so möchte ich mich zu guter Letzt bei meiner Frau Mechthild und meinen Kindern Sophia und Luisa sowie Mark für Ihr großes Verständnis und Ihre nachhaltige Unterstützung von ganzem Herzen bedanken.

Was das Buch will und wie es funktioniert

Dieses Buch wendet sich gleichermaßen an Spieler und Trainer. Dabei gilt das Prinzip: „Don’t copy but study.“ Es geht also nicht darum, mit Hilfe dieses Buchs Timos Technik oder Spielzüge zu kopieren. Das würde ohnehin nicht funktionieren und auch keinen Sinn machen, da jeder Spieler über andere physische und psychische Voraussetzungen verfügt. Es geht viel mehr darum, Timos Technik und seine Spielzüge eingehend zu studieren, um daraus zu lernen. Einen Aufschlag oder Topspin à la Timo nachzumachen, wird kaum gelingen, aber einige Elemente und Prinzipien seiner Technik auszuprobieren und zu überdnehmen, um damit die eigene Technik oder die anderer zu verbessern, das ist durchaus möglich. Dabei spielt es keine Rolle, dass Timo Linkshänder ist. Ich bin selbst Rechtshänder und habe bei den Bildanalysen erfahren, dass man den Transfer vom Linkshänder auf den Rechtshänder nach kurzer Zeit automatisch vollzieht.

Timo hat das beidseitige Topspinspiel im Laufe seiner Karriere immer weiter perfektioniert. Er gilt weltweit als „Meister der Rotation“. Das gelingt ihm auch beim Aufschlag- und Rückschlagspiel. Deswegen werden diese Schlagtechniken und ihre Anwendung in verschiedenen Spielsituationen auch schwerpunktmäßig analysiert.

In den Kapiteln 7 und 8 liefert Timo wertvolle Zusatzinformationen zu seiner Spielphilosophie, zu seinem Schläger und zu seinem Training. In Kapitel 9 verraten Menschen, die Timo schon seit langer Zeit begleiten und ihm sehr nahe stehen, wie sie über Timo als Mensch und Tischtennisspieler denken. Zum Abschluss kommt dann Timo in einem Kurz-interview noch mal zu Wort.

Viel Spaß bei der Lektüre!

Bernd-Ulrich Groß

Orientierung

Die Kapitel 1 – 6 folgen zur besseren Orientierung einer klaren Gliederung:

Intro Einleitung zum Thema
Info+/- Zusätzliche Informationen zum Thema
Analyse Beschreibung und Analyse der Bildreihen, zum Teil durch Timo
Timos Check Timos Kommentare und praxisorientierte Tipps zum Thema
PICTURE CHECK zunächst unkommentierte Bildreihe mit nachfolgender Analyse durch Timo

O-Töne in dicken
Anführungszeichen:
Besonders erwähnenswerte Aussagen von Timo

Im Anhang ab S. 272 finden Sie auf 6 Seiten eine Übersicht der wichtigsten Grundbegriffe der technisch-taktischen Analyse im Tischtennis.

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KAPITEL 1

SCHLÄGERHALTUNG IM SPIEL UND BEIM AUFSCHLAG

image KAPITEL 1
SCHLÄGERHALTUNG IM SPIEL UND BEIM AUFSCHLAG

image Intro

Das „A&O“ im Tischtennis ist die Schlägerhaltung. Eine sogenannte „falsche“ Schlägerhaltung unterscheidet sich von einer „richtigen“ dadurch, dass sie zwangsläufig Nachteile bei der Ausführung bestimmter Schlagtechniken hat. Der Spieler sollte den Schläger so halten, dass er die verschiedenen Schlagtechniken sowohl mit der Vorhand als auch mit der Rückhand optimal ausführen kann. Grundsätzlich wird die europäische Shakehand-Schlägerhaltung von der asiatischen Penholder-Schlägerhaltung unterschieden. Aber selbst in den führenden Tischtennisnationen Asiens (China, Japan, Südkorea, Taiwan u. a.) hat die Shakehand-Schlägerhaltung im Laufe der letzten drei Jahrzehnte die Penholder-Schlägerhaltung deutlich überholt. Unter den aktuellen Top-Ten-Spielern der Weltrangliste (Stand: April 2016) befindet sich nur noch ein Penholder-Spieler: der Chinese Xu Xin auf Platz 3.

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Timo passt seine Schlägerhaltung der jeweiligen Schlagtechnik an.

Die Shakehand-Schlägerhaltung wird individuell sehr unterschiedlich angewandt: tiefe und hohe Griffhaltung, Rückhand- und Vorhandgriff; verschiedene Daumen- und Zeigefingerpositionen und viele weitere, von außen zum Teil kaum wahrnehmbare Varianten. Griffwechsel im Spiel, wie z. B. der Wechsel vom Vorhand- zum Rückhandgriff, sind heutzutage nicht nur im Spitzenbereich ganz selbstverständlich. Und dass bei bestimmten Aufschlägen, insbesondere mit der Vorhand, eine ganz spezielle Aufschlag-Schlägerhaltung zur Anwendung kommt, hat sich mittlerweile bis zu den jüngsten Spielern rumgesprochen.

Info +

Die richtige Schlägerhaltung: gar nicht so einfach

Jeder Spieler hat eine individuelle Schlägerhaltung, die sich im Laufe seiner spielerischen Entwicklung weiterentwickelt. Das liegt schon allein an der Größe seiner Hand, der Länge seiner Finger, seiner mehr oder weniger ausgeprägten Fingerfertigkeit und seiner natürlichen Neigung zu einer bestimmten Schlägerhaltung. Bei Anfängern, die keinen Hinweis auf eine richtige Schlägerhaltung erhalten haben, lassen sich immer wieder sehr unterschiedliche Schlägerhaltungen beobachten, die aber gewissen Grundmustern folgen (Pfannengriff, Vier-Finger-Griff, Zwei-Finger-Griff, lockerer Zei-gefingergriff u. a.).

Nur sehr selten finden Anfänger ohne Anleitung zur korrekten Shakehand-Schlägerhaltung. Jeder Trainer, der mit Kindern arbeitet, weiß ein Lied davon zu singen, wie schwer, manchmal sogar unmöglich es ist, Kindern, die schon vor der gezielten Tischtennisausbildung regelmäßig in der Freizeit Tischtennis gespielt haben, eine falsche Schlägerhaltung abzugewöhnen. Genauso schwierig ist es im Übrigen auch, mit „fertigen“ Spielern, die schon jahrelang an eine ganz bestimmte Schlägerhaltung gewöhnt sind, an der Verbesserung ihrer Schlägerhaltung zu arbeiten –, auch wenn es nur „feinste“ Veränderungen sind. Dazu bedarf es enormer Willenskraft und Ausdauer bei Spieler und Trainer.

Schauen wir uns nun Timos Schlägerhaltung an.

1.1 Im Spiel — Grundhaltung und Veränderungen

image Analyse

Grundhaltung

Timo spielt mit der klassischen Shakehand-Schlägerhaltung. Sie ist vorbildlich und erfüllt alle Kriterien, die eine optimale Schlägerhaltung berücksichtigen sollte. Sie ist variabel, d. h. bezüglich der Ausführung bestimmter Schlagtechniken veränderbar.

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Rückhand-Schlägerhaltung: Handgelenk in Neutralstellung

Foto 1: Auf der Rückhandseite liegt Timos Zeigefinger am unteren Schlägerrand flach auf dem Schlägerblatt. Er hat somit vollen Kontakt zum Schlägerblatt und ist für Timo der Hauptsensor fürs Ballgefühl. Im Zusammenspiel mit dem auf der Vorhandseite befindlichen Daumen sorgt der Zeigefinger für eine stabile und präzise Schlägerführung. Ganz wichtig für eine optimale Schlägerhaltung ist die Stellung des Handgelenks in der Grundposition. Wir sehen bei Timo ganz deutlich, dass die Hand im Handgelenk weder nach unten ab- (roter Pfeil als Grafik F1) noch nach oben abgewinkelt wird (roter Pfeil als Grafik F2), sondern ohne Anspannung ganz locker in ihrer natürlichen Grundposition verbleibt (gelbe Linie). Eine Verkrampfung von Schlaghand und Schlagarm durch zu feste Haltung und Anspannung wird so vermieden.

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Vorhand-Schlägerhaltung: Handgelenk in Neutralstellung

Foto 2: Ein Blick auf die Vorhandseite zeigt uns wiederum die natürlich entspannte Grund-position des Handgelenks. Mittel-, Ring- und kleiner Finger umfassen den Griff locker, sonst wären die Sehnen im Handgelenkbereich angespannt. Der Daumen liegt angewinkelt auf dem abgeflachten oberen Ende der Griffschale und übt Gegendruck zum Zeigefinger aus. Auf Foto 2a erkennst du, wie Timos Daumenspitze beim Vorhand-Topspin leicht absteht.

So viel zur Grundschlägerhaltung von Timo, im Folgenden kurz „Grundhaltung“ genannt. Diese Grundhaltung verändert Timo aber in bestimmten, nachfolgend beschriebenen Spielsituationen.

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Veränderungen der Grundhaltung

Die Veränderungen der Grundhaltung beziehen sich auf

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Der Zeigefinger in Bewegung

Bildreihe 1 (BR01) zeigt dir Timo in der für ihn typischen Aufschlagerwartungsstellung (F1). Dabei ist noch einmal sehr schön die natürliche, nicht verkrampfte Grundposition des Handgelenks zu sehen (gelbe Linie). Wir erkennen dann, wie er die Grundhaltung (F1) bei einer kurzen Schupfrückgabe aufgibt und sein Zeigefinger in die Schlägermitte wandert (F2-4). So kann er seinen Schläger extrem öffnen und einen Schlägerwinkel einstellen, der für eine optimale kurze Schupfrückgabe mit der Vorhand ideal ist. Im Vergleich dazu flippt er den darauf folgenden kurzen Return seines Gegners mit der Vorhand an (F7-9). Dabei hat Timo den Zeigefinger wieder in die Ausgangsstellung der Grundhaltung zurückgeführt, denn beim Vorhand-Flipp wäre der Zeigefinger in der Schlägermitte eher hinderlich. Die Superzoom-Bilder verdeutlichen dir diese Veränderung der Schlägerhaltung, die erst bei genauem Hinschauen auffällt. Aber es gibt noch andere Gründe, warum er den Zeigefinger „wandern‟ lässt. Das verrät er dir gleich bei seinem CHECK (ab S. 29).

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„Es ist auf jeden Fall total wichtig, Veränderungen der Schlägerhaltung – und seien sie noch so winzig – mal auszuprobieren, um Vor- und Nachteile erspüren und erkennen zu können.“

Der Daumen in Bewegung

Auch Timos Daumen ist, abhängig von seiner Schlagtechnik, in Bewegung. Die Fotos 3a/3b beweisen dies eindeutig. Indem Timos Daumen auf das Schlägerblatt zur Mitte hin wandert, kann er mit der Rückhand einen Schlagwinkel für einen passiven Rückhandheber einstellen, den er nur durch diese Griffänderung erreichen kann. Mit der Grundhaltung wäre ihm dies nicht möglich.

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Extreme Schlägerhaltungen in Notsituationen

Die Fotos 4a/4b zeigen dir, wie Timo den Schläger aus der Hand „rausrutschen“ lässt – bei Foto 4b noch stärker als bei 4a – und auf diese Weise seinen Schlagarm ein wenig „verlängert“, um den Ball noch irgendwie mit der Vorhand zu erreichen. Schau mal genau hin, wie tief Timos Zeigefinger auf Foto 4b ist.

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Schlägerhandwechsel

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„Rechtshänder“ Timo versucht alles, um den Ball noch zu erreichen.

Natürlich nur sehr selten, aber dennoch greift Timo in fast aussichtslosen Notsituationen extrem umkämpfter Matches zu einem allerletzten Mittel, das ihm das Prädikat eines echten Ausnahmespielers und wahren Champions zu Recht verleiht: Timo wechselt den Schläger von links auf rechts. Foto 5 liefert dir den Beweis: vom Links- zum Rechtshänder! Bei der letzten Weltmeisterschaft 2015 in Suzhou (China) zeigte er das in dem herausragenden Viertelfinalspiel gegen den Chinesen Fan Zhendong, das er nur sehr knapp mit 2:4 verlor. Beim Stand von 7:9 im sechsten Satz erwischt der Chinese Timo in der tiefen Vorhand und treibt ihn weit aus dem Tisch heraus. Timo erreicht den Ball noch und zieht ihn mit der Vorhand zurück, doch Fan zieht ihn mit vollem Tempo in Timos nun weit offen stehende Rückhandseite. Angesichts der spielentscheidenden Bedeutung des Ballwechsels greift Timo zur letzten Möglichkeit, wechselt blitzschnell den Schläger in die rechte Hand und versucht, den Ball noch im Hechtsprung zu erreichen. Toller Kampfgeist und Einsatz, aber vergebens. Timo verliert mit 7:11 Satz und Spiel, hat aber einmal mehr sein großes Kämpferherz bewiesen und liefert furiose Fernsehbilder, die die ganze Faszination der Sportart Tischtennis eindrucksvoll rüberbringen.

1.2 Beim Aufschlag — Grundhaltung und Veränderungen

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Grundhaltung

Timo Boll gilt als einer der besten und gefährlichsten Aufschläger im internationalen Profizirkus. Den sogenannten „Gegenläufer“-Aufschlag mit vielen Seitenschnittvariationen hat er perfektioniert. Dementsprechend hat er eine sehr individuelle und variable Schlägerhaltung speziell für den Vorhand-Aufschlag entwickelt, die er für bestimmte Aufschlagvarianten nutzt. Mit der Rückhand schlägt er im Wettkampf nie auf. Zumindest habe ich es in den 19 Jahren, in denen ich ihn beobachten durfte, noch nicht gesehen. Im Training macht er es schon mal aus Spaß. Deswegen konzentrieren wir uns ausschließlich auf seine Vorhand-Grundhaltung (Fotos 6-8).

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Timos Schlägerhaltung beim Vorhand-Aufschlag

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„Mein Zeigefinger ist der Gefühlsfinger.“

Der Zeigerfinger „wandert“ zum Schlägerrand und ist leicht gebeugt bis fast gestreckt. Das hängt von der Aufschlagvariante ab (Foto 6). Die drei übrigen Finger liegen fächerartig wie bei der chinesischen Penholder-Variante übereinander, sodass nur der Mittelfinger Kontakt mit dem Schlägerblatt hat. Auf Foto 7 sehen wir, wie sein Daumen leicht gekrümmt genau oberhalb des Schlägergriffs auf das Schlägerblatt drückt. Die drei Druckpunkte Daumen, Zeige- und Mittelfinger sorgen für einen idealen Halt des Schlägers und erlauben dem Handgelenk einen größtmöglichen Bewegungsspielraum, so wie er bei der chinesischen Penholder-Schlägerhaltung auch gegeben ist. Foto 8 zeigt die Aufschlag-Grundhaltung von der Seite und verdeutlicht, wie der Schläger zwischen Daumen und Zeigefinger eingeklemmt ist. Die Fotos 9-12 fangen die Grundhaltung nochmals aus verschiedenen Perspektiven in realen Aufschlagsituationen ein.

„Keiner muss es so machen wie ich. Seine optimale Schlägerhaltung muss jeder für sich finden und verfeinern …“

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Blitzschnelles Umgreifen oder Schlägerdrehen

Um von dieser Aufschlag-Schlägerhaltung in die normale Grundhaltung im Spiel zurückzukehren, muss der Schläger blitzschnell in einem Bruchteil einer Sekunde gedreht werden. Dieses Schlägerdrehen verlangt hächste Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit und muss intensiv geübt werden. Timo beherrscht das natürlich perfekt, wie du in der Bildreihe 2 (BR02) aus zwei Perspektiven beobachten kannst.

Die Fotos 1-6 zeigen Timo bei einem einfachen Vorhand-Seitenschnitt-Aufschlag von rechts nach links gezogen. Auf den Fotos 7-12 führt er dir einen komplexen Vorhand-Seitenschnitt-Aufschlag als Gegenläufer von links nach rechts vor.

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„Ich versuche, für jeden Aufschlag und für jeden Schlag meine perfekte Schlägerhaltung zu finden und entsprechend zu verändern.“

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Die Rolle des Zeigefingers

Natürlich gibt es viele individuelle Varianten solcher Aufschlag-Schlägerhaltungen für die Vorhand. Auch Timo verändert seine Aufschlag-Schlägerhaltung, um für bestimmte Aufschlagvarianten einen noch besseren Schlägerwinkel einstellen zu können. Die Fotos 13/14 zeigen seinen Zeigefinger am Schlägerrand. Dagegen wandert sein Zeigefinger auf den Fotos 15/16 mehr zur Mitte. Wie und warum er das macht, verrät er dir jetzt persönlich.

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Zeigefinger mehr außen am Schlägerrand (siehe auch Foto auf S. 31)

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Zeigefinger mehr zur Schlägermitte (siehe auch Foto 16)

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image TIMOs Check zur Schlägerhaltung

Individualität

„Es gibt sehr verschiedene Schlägerhaltungen, besonders auch beim Aufschlag. Manche wechseln den Griff im Spiel, die einen stärker, die anderen kaum sichtbar. Manche verändern die Schlägerhaltung für die Rückhand- und Vorhandschläge. Manche verändern die Griffhaltung für bestimmte Schlagvarianten. Manche halten den Schläger immer gleich.

Meine Griffwechsel

Ich versuche, für jeden Aufschlag und für jeden Schlag meine perfekte Schlägerhaltung zu finden und entsprechend anzupassen. Das braucht viel Zeit und Training. Das muss sich halt einspielen und verlangt auch eine gehörige Portion Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit der Schlägerhand. Das erlernst du bestimmt nicht nach einmaligem Anschauen der Bilder hier. Praktisch heißääääüäääS. 77äüüüüüääßüäüäö