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Nr. 10

 

Thora

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Im Jahr 2043 toben an der Grenze zwischen zwei Universen Kämpfe zwischen den Druuf und den Raumschiffen des Robotregenten von Arkon. Perry Rhodan, dem es gelang, die Position der Erde vor allen Gegnern geheim zu halten, muss sich jedoch nicht nur mit kosmopolitischen Gefahren befassen. Seine Gefährtin, die Arkonidin Thora, erkrankt lebensgefährlich, und wird, um ihr neuen Lebensmut zu geben, in einer risikoreichen Mission nach Arkon geschickt. Der gemeinsame Sohn Rhodans und Thoras, Thomas Cardif, zerbricht am Schicksal seiner Mutter und stellt sich gegen seinen Vater. Der Robotregent von Arkon verrät das Zweckbündnis mit den Menschen und zerstört des Stützpunkt des Solaren Imperiums auf Gray Beast. Perry Rhodan, Atlan, Bully und der Mutant Fellmer Lloyd gehen in den Wirren der Auseinandersetzungen verschollen und geraten in die Gewalt der Druuf – als Gefangene im roten Universum. Unterdessen sind Mutanten und Spezialisten des Solaren Imperiums überall in der Milchstraße auf der Suche nach Agenten des Robotregenten. Ein paar von ihnen stoßen dabei auf die Spuren eines uralten, rätselhaften Volkes mit unglaublichen Fähigkeiten ...

Einleitung

 

 

Dieser zehnte Band der erfolgreichen PERRY-RHODAN-Bibliothek besteht, wie bereits Buch Nr. 7, aus drei Teilen. Die Buchausgaben der PERRY-RHODAN-Geschichte haben inzwischen ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickelt; die numerische Reihenfolge der in den frühen sechziger Jahren erschienenen und in diesen Band aufgenommenen Romane musste ihnen angepasst werden. Im ersten Teil des Buches (er beinhaltet den Roman Thoras Opfergang von Kurt Brand und als gekürzte Rückblende den Roman Zwischenspiel auf Siliko V von Kurt Brand) geht es in erster Linie um persönliche, den Helden unmittelbar betreffende Angelegenheiten. Der zweite Teil (mit den beiden Kurt-Mahr-Romanen Die Atomhölle von Gray Beast und In den Höhlen der Druuf) greift den Faden der Ereignisse aus Buch Nr. 9 wieder auf. Teil drei schließlich befasst sich erstmals mit den Molekülverformern, die später einmal eine größere Rolle innerhalb der Handlung spielen werden. (Das Grauen und Geheimmission Moluk von William Voltz sind die Titel der Originalromane, die dem dritten Teil als Vorlage dienten.) Wie immer habe ich versucht, bei der Bearbeitung darauf zu achten, dass die Leser der ersten Stunde all das in diesem Buch wiederfinden, was einst den Reiz der Originalromane ausmachte, und dass gleichzeitig ein Band entsteht, der komplex genug ist, die neuen Freunde unserer »Menschheitsgeschichte der Zukunft« anzusprechen. Mein Dank gilt Christa Schurm, Franz Dolenc und G. M. Schelwokat, die mir wie immer bei diesem Bemühen hilfreich zur Seite standen, aber auch den vielen Perry-Rhodan-Freunden, auf deren schriftlichen und mündlichen Rat ich zurückgreifen konnte.

 

Heusenstamm, November 1980

William Voltz

Vorwort

 

 

Die Geschichte des Solaren Imperiums in Stichworten:

 

1971 – Die STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.

1972 – Aufbau der Dritten Macht und einer geeinten Menschheit.

1976 – Perry Rhodan löst das galaktische Rätsel und entdeckt den Planeten Wanderer, wo seine Freunde und er von dem Geisteswesen ES die relative Unsterblichkeit erhalten.

1984 – Perry Rhodans erster Kontakt mit Arkon im Kugelsternhaufen M 13 und dem dort herrschenden Robotregenten. Der diktatorische Robotregent versucht, die Position Terras herauszufinden, um die Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium der Menschheit ist entstanden. Atlan, der Einsame der Zeit, taucht aus seiner Unterwasserkuppel am Grunde des Atlantiks auf, in der er 10.000 Jahre lang geschlafen hat, und wird zum Freund Perry Rhodans.

Unheimliche Angreifer entvölkern Planeten der Milchstraße. Durch Überlappungsfronten dringen sie aus ihrer Zeitebene in unser Universum vor. Die Menschen nennen sie Druuf. Mit Hilfe des Linsenfeldgenerators gelangen Terraner zum ersten Mal in das rote Universum.

2042 – Nach einer dramatischen Suche wird der Planet Wanderer gefunden, Perry Rhodan erhält von ES die fällige Zelldusche. Während Arkoniden und Druuf sich an der Grenze zweier Universen bekriegen, errichten die Terraner auf dem Planeten Hades im Siamed-System des roten Universums einen Stützpunkt. Das Bewusstsein des Mutanten Ernst Ellert findet sich im Körper eines Druuf gefangen.

 

 

 

 

Teil I

 

 

Zum letzten Mal –

DIE ARKONIDIN

1.

 

 

Doktor Villnoess, Chefarzt der hämatologischen Abteilung der Terraklinik in Port Venus, nahm den nächsten Untersuchungsbefund zur Hand. Dabei warf er dem dicken Stoß unbearbeiteter Schriftstücke zu seiner Rechten einen unzufriedenen Blick zu, zwang ihn doch diese lästige Routinearbeit jeden Tag dazu, die Labors zu verlassen und am Schreibtisch Verwaltungsbeamter zu werden. Doktor Villnoess war mit seinen dreißig Jahren sehr früh Chefarzt der hämatologischen Abteilung der Terraklinik auf der Venus geworden. Viele Kollegen hatten ihm diese Berufung missgönnt, aber Villnoess gehörte innerhalb des Solaren Imperiums zu den zehn besten Hämatologen und stand auf Grund seiner intensiven Forschungsarbeit in dem Ruf, bahnbrechende Entdeckungen auf dem Gebiet der Blutforschung gemacht zu haben, deren klinische Prüfungen zur Zeit im Gange waren.

Routinemäßig entnahm er dem Befund nur das Wichtigste: Hyperplastische Systemerkrankung und Ls, Typ F Arkon. Irreparabel. Versuch 453 Ls/Ara gescheitert. Lebenserwartung: null.

Das war der Kern des Befundes, und Villnoess wollte ihn schon abzeichnen, um ihn als erledigt nach links zu legen, als er erschrak.

Typ F Arkon, dachte er, und dann ahnte er, wer der Patient war, dem in diesem Befund das Todesurteil ausgesprochen worden war: Thora, Rhodans Frau.

Jetzt las Villnoess halblaut: »Ls, Typ F Arkon.« Und nach einem tiefen Atemholen: »Versuch 453 Ls/Ara gescheitert.«

Ls hieß Lymphosarkom – Krebsgeschwulst an einer Lymphdrüse, der Buchstabe F gab den Gefährlichkeitsgrad des Sarkoms an, aber das Wort Arkon dahinter erklärte nicht nur, dass der Patient Arkonide war, sondern dass hier eine Geschwulst vorlag, die selbst den Galaktischen Medizinern Rätsel aufgab und gegen die es noch kein Heilmittel gab.

Doktor Villnoess fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach.

Er, der sich bis heute immer auf die Diagnosen seiner Kollegen verlassen hatte, begann jetzt in einer Art Panik an ihrer Urteilsfähigkeit zu zweifeln.

Hastig schaltete er die Sprechverbindung ein. »Ich bitte die Herren Gonder, Iltar und Vandenbourg sofort zu mir.«

Als die drei Ärzte wenig später zusammen eintraten, hielt der Chefarzt immer noch den Befund über Thora in der Hand.

Er bot seinen Kollegen nicht einmal Platz an. Er hielt es in seinem Schreibtischsessel nicht aus.

»Herr Iltar«, begann er zurückhaltend, »ich beabsichtige keineswegs, Ihre Diagnose anzuzweifeln, aber ...« Er verstummte, schüttelte den Kopf und legte den Krankheitsbericht aus der Hand. Sein Blick wanderte fragend zwischen seinen drei Mitarbeitern hin und her. Jeder nickte, jeder verstand den Chef, aber sie konnten ihm auf seine stumme Frage keine Antwort geben. Nun sprach Chefarzt Villnoess seine Frage aus: »Meine Herren, das kann ich doch nicht Perry Rhodan mitteilen. Wie haben Sie sich das nur vorgestellt?«

Doktor Iltar, der für den schriftlichen Befund verantwortlich war, nahm jetzt zur Frage des Chefarztes Stellung. »Chef, wir verstehen Sie. Wir möchten es auch nicht glauben, aber es ist Tatsache: Thora ist Arkonidin, und die Geschwulst in der Lymphdrüse ist ein bösartiges Arkonsarkom vom Typ F. Das Karzinomlabor der Klinik in Terrania hat uns vor etwa zwei Stunden auf dem Funkweg bestätigt, dass die Granulozyten und Monozyten im Verhältnis 5 : 100, wie bei jeder numerischen Vergrößerung der weißen Blutkörperchen, als Typ F Arkon ins Blut gelangt sind. Dieses Resultat lässt einer Fehldiagnose keinen Spielraum, aber ...«

Doktor Villnoess lehnte sich gegen seinen Schreibtisch.

»Was denn?«, fragte er barsch. »Nun reden Sie schon!«

»Chef, Thora hat seinerzeit das lebensverlängernde Serum der Aras erhalten.«

»Ja, und?«, drängte Villnoess.

Zögernd setzte Iltar wieder zum Sprechen an. »Das Karzinomlabor in Terrania hat den Verdacht ausgesprochen, dass die Geschwulst F Arkon durch das Ara-Serum entstanden ist, weil einige Granulozyten in ihrer veränderten krankhaften Form jenem rätselhaften Spurenstoff ähneln, der als Bestandteil des lebensverlängernden Medikaments der Galaktischen Mediziner bis heute nicht identifiziert werden konnte.«

»Iltar!« Der Chefarzt brauste auf. Er ging auf seinen Mitarbeiter zu. »Wer hat diesen Verdacht ausgesprochen? Und weiß derjenige, dass der Patient Rhodans Frau ist?«

»Professor Eric Manoli, Chef.« Die zweite Frage brauchte Iltar nicht mehr zu beantworten.

Heiser wiederholte Dr. Villnoess: »Professor Manoli – ja, dann ...«

Professor Manoli gehörte zu den ältesten Mitarbeitern Perry Rhodans und war durch die Wanderer-Zelldusche jung geblieben. Es gab innerhalb des Solaren Imperiums keine größere Kapazität auf dem Gebiet der Blutforschung als den Professor, und wenn Manoli von einem Verdacht sprach, dann konnte man sich darauf verlassen, dass nach exakten Untersuchungen aus dem Verdacht eine Tatsache wurde.

Chefarzt Villnoess stöhnte und wischte sich über die Stirn. »Soll ich Perry Rhodan darüber unterrichten, dass seine Frau kein lebensverlängerndes Serum injiziert bekam, sondern ein krebsauslösendes Gift? Iltar, stellen Sie eine Verbindung zur Zentrale her. Ich muss sofort mit Professor Manoli sprechen. Er ist doch in Terrania, ja?«

Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Sichtsprechverbindung zustande kam.

Das ausdrucksvolle, durchgeistigte Gesicht des Professors erschien auf Villnoess' Bildschirm. Ruhig, fast gelassen, sprach Manoli. Er räumte alle Einwände, die der Chefarzt der Terraklinik vorbrachte, mit seinem phänomenalen Wissen um alle Zusammenhänge dieser tödlichen Krankheit aus.

»Wir können bei dem lebensverlängernden Ara-Serum nicht von Gift sprechen, Villnoess. Alle Arkoniden neigen zur Leukämie. Ich bin mir noch nicht klar darüber, ob es eine Degenerationserscheinung ist oder ein natürlicher Widerstand des Körpers gegen das Bestreben, den Tod nicht an sich herankommen zu lassen. Es fällt mir schwer daran zu denken, dass Thoras Tage gezählt sind, weil ich weiß, wie eng die Verbindung zwischen Perry Rhodan und ihr ist. Aber wie jedes Ding zwei Seiten hat, Kollege Villnoess – ich bin durch die Ähnlichkeit zwischen dem Spurenstoff in dem Ara-Medikament und Thoras F-Arkon-Erkrankung in die Richtung gestoßen worden, dass die lebensverlängernden Seren der Galaktischen Mediziner auf der Basis einer gesteuerten Wucherung arbeiten. Sind das nicht interessante Aspekte, Kollege?«

Zum ersten Mal, seitdem Villnoess Arzt war, kam ihm zu Bewusstsein, was dazu gehört, Forscher zu sein. Die Worte des Professors hatten es ihm gerade aufgezeigt. Während er noch damit rang, wie er Perry Rhodan über die Tatsache unterrichten sollte, dass seine Frau bald sterben müsse, hatte der Professor von »interessanten Aspekten« gesprochen.

Es war keine blasphemische Einstellung. Manoli stand dem Tod an sich in der Form gegenüber, dass Sterben auch eine Form des Lebens war und nichts anderes.

Als das Fachgespräch beendet war, fühlte sich Doktor Villnoess erleichtert, aber bei dem Gedanken an die Formulierung der zu übermittelnden Nachricht an Perry Rhodan wurden die alten Bedenken wieder wach.

Nach dem dritten Versuch, in seiner Abfassung menschliches Mitgefühl anklingen zu lassen, setzte er einen Text auf, der nur Tatsachen enthielt. Professor Manolis Verdacht erwähnte er nicht.

Durch sein Gespräch mit Manoli hatte er erfahren, dass sich Perry Rhodan auf Gray Beast befand und von dort aus die Aktionen der Druuf und der Flotte des Robotregenten von Arkon beobachtete. Über die gewaltige Hyperfunkstation in Terrania und unter Benutzung von drei tief im Raum stehenden Schweren Kreuzern des Solaren Imperiums als Relaisstationen, erreichte der verschlüsselte Spruch Perry Rhodan während einer wichtigen Konferenz.

Unter unmenschlicher Anstrengung schirmte Rhodan seine Gedanken ab. Kein Telepath vermochte sie jetzt zu lesen. Niemand sollte die Möglichkeit haben, seinen Schmerz, seine Verzweiflung und sein ohnmächtiges Aufbegehren gegen das Schicksal mitzuerleben.

Perry Rhodan brachte es fertig, seine Nöte zurückzustellen, und die Konferenz, die er leitete, verlief wie jede andere ihrer Art.

Erst drei Stunden später kam von Gray Beast, wieder über Raumschiffrelaisstationen, Perry Rhodans Bestätigung, dass er die Hiobsbotschaft erhalten hatte.

Doktor Villnoess wunderte sich nicht, dass Rhodan sich nicht mit ihm in Verbindung setzte. Professor Manoli war die geeignetere Persönlichkeit dafür.

Doch keine vierundzwanzig Stunden Venuszeit später musste Chefarzt Villnoess wider jedes Tagesprogramm seine Labors verlassen.

General Conrad Deringhouse war ihm gemeldet worden.

Auf der Stelle ließ Villnoess seine Arbeit im Stich. Er wusste, warum der General kam, und auch, wer ihn nach Port Venus geschickt hatte.

Der große, etwas hagere Conrad Deringhouse blickte den Chefarzt der hämatologischen Abteilung ernst an, als dieser, dem General gegenübersitzend, in Worten, die auch einem Nichtmediziner verständlich waren, Thoras Krankheitszustand schilderte.

Deringhouse besaß einen kurzen Haarschnitt, die Sommersprossen unterstrichen sein jugendliches Aussehen noch stärker. Der natürliche Alterungsprozess war durch die Zelldusche auf dem Kunstplaneten Wanderer für zweiundsechzig Erdenjahre aufgehalten worden. Im Gegensatz dazu hatten die Arkoniden Crest und Thora das Physiotron nicht benutzen dürfen, obwohl Perry Rhodan alles versucht hatte, um auch ihnen das wunderbare Geschenk einer über sechs Jahrzehnte reichenden Lebensverlängerung zukommen zu lassen.

Doktor Villnoess hatte seinen Bericht beendet. Nachdenklich blickte General Deringhouse ihn an. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Doktor, dann wird vermutet, dass Thoras unheilbare Erkrankung durch das Ara-Serum ausgelöst worden ist, und gerade das kann ich nicht glauben. Die Galaktischen Mediziner ...«

Villnoess unterbrach ihn abrupt. »Ich weiß, was Sie sagen wollen, General, und darum ist es meine Pflicht, Sie darüber zu informieren, dass die Galaktischen Mediziner dem Sarkom F Arkon genauso machtlos gegenüberstehen wie wir. Und wir Terraner kennen das F Arkon doch nur aus der Literatur der Aras. Innerhalb unseres Krankenguts ...«

Deringhouse blitzte jetzt den Arzt an. »Innerhalb von was?«, fragte er.

Villnoess ließ sich nicht verwirren. »Krankengut ist ein allgemeingültiger Ausdruck in der Medizin und stellt keine Abwertung des kranken Menschen dar. Doch um auf unser Thema zurückzukommen: Thora ist gegenüber ihrem Landsmann Crest seit ihrem Aufenthalt im Solaren Imperium weit mehr gefährdet gewesen als der arkonidische Wissenschaftler. Diese Entdeckung haben wir erst bei der letzten großen Blutuntersuchung von Thora gemacht. Ihnen, General, alle die Momente mitzuteilen, die uns dieses bedrückende Resultat erstellten – bitte, bestehen Sie nicht darauf, sie zu hören. Der abschließende Befund ist tragisch genug. Und zu hoffen, dass die Galaktischen Mediziner ein Mittel besitzen oder einen Weg kennen, das Lymphsarkom F Arkon seiner tödlichen Wirkung zu berauben, ist eine Illusion. Vor etwa drei Wochen ist die größte Kapazität der Galaktischen Mediziner auf dem Gebiet der Gehirnrindenreflexe, Uut-Gin, an einem Sarkom F Arkon gestorben. Besagt das nicht alles, General? Sie können sich darauf verlassen, dass diese Meldung und auch die Todesursache von Uut-Gin stimmen.«

Schweigend blickten sich die Männer an.

»Doktor, wie sage ich es dem Chef? Ich bin auf dem Weg nach Gray Beast und von Rhodan beauftragt, auf der Venus Zwischenstation zu machen, um mit Ihnen zu sprechen, Villnoess ...« General Conrad Deringhouse sprang auf und ging erregt im Zimmer auf und ab. Er, der kaltblütig in jeden gefährlichen Einsatz flog, fürchtete sich vor dem Augenblick, in dem er Rhodan zu unterrichten hatte, dass es für seine Frau keine Hoffnung mehr gab.

Deringhouse hatte aus nächster Nähe miterlebt, wie die fast unwirklich schöne Arkonidin Thora und Perry Rhodan, der Baumeister der Dritten Macht und des Solaren Imperiums, sich menschlich immer näher gekommen waren, um schließlich ein Paar zu werden, das in dieser Verbindung das höchste Glück fand, das zwei Menschen mit ihren Händen halten können.

Doch während Perry Rhodan durch das Physiotron auf dem geheimnisumwitterten Kunstplaneten Wanderer die lebensverlängernde Zelldusche erhielt und nicht mehr alterte, setzte dieser Prozess bei Thora plötzlich ein und konnte durch terranische und aralonische Seren und Medikamente nur noch kurzfristig aufgehalten werden.

Rhodan hatte alles, was in seiner Macht lag, aufgeboten, um Thora vor dem Schicksal zu bewahren, an seiner Seite zur alten Frau zu werden, während er selbst ein junger, vitaler Mann blieb.

Keines der Mittel, die Thora im Lauf der Zeit einnahm, hatte lang anhaltende Wirkung besessen, jedes neue Präparat setzte viel früher in seiner Wirkung aus, als es die Mediziner erwartet hatten. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass Thoras Körper alle Aktiva mobilisierte, um gegen diese Präparate anzukämpfen.

Ihre Natur wehrte sich gegen diesen Eingriff.

Und dann, vor drei Monaten, wurde Thora über Nacht buchstäblich zur alten Frau.

Sie hatte es festgestellt, bevor sie Perry am frühen Morgen begegnete. Sie hatte es ihm gesagt, während sie am Frühstückstisch zusammensaßen. Sie hatte ihn dabei angelächelt, und ihre Hand war über die seine mit einer unbeschreiblich zarten Geste geglitten.

Zwei Tränen standen in ihren Augenwinkeln, aber ihr Mund lächelte. Als sie sein Gesicht in ihre Hände nahm, ihren Mann aus ihren großen Augen ansah, sagte sie: »Perry, ich darf nicht weinen, dann wäre ich undankbar. Bei dir habe ich doch mein Glück gefunden, und daran will ich jetzt immer denken, wie glücklich du mich gemacht hast in all diesen Jahren.«

Dann nahm sie Abschied von ihm.

Noch am selben Tag brachte ein Schiff sie zur Venus, wo Thora ihren Bungalow »Arkon« am Fuß des Valta-Gebirges aufsuchte.

Seit diesem Tag war ein Vierteljahr vergangen, und aus der rapide alternden Thora war eine todkranke Frau geworden.

Vor vierundzwanzig Stunden Venuszeit hatte die letzte Blutuntersuchung dieses niederschmetternde Ergebnis erbracht.

Und jetzt, in den ersten Oktobertagen des Jahres 2043, lief General Deringhouse erregt im Arbeitszimmer von Dr. Villnoess auf und ab, die Hände hinter dem Rücken, und der kaltblütige General fürchtete sich, Thoras Mann sagen zu müssen: »Perry Rhodan, deine Frau muss sterben.«

»Doktor ...« Deringhouse war vor Villnoess stehengeblieben. »Wie soll ich es Rhodan sagen? Geben Sie mir doch einen Rat.«

»Er weiß es«, sagte Villnoess. »Er hat gestern auch mit Professor Manoli gesprochen.«

»Er weiß es«, warf Deringhouse erregt dazwischen. »Ja, er weiß es. Aber, verdammt noch mal, Doktor, können Sie sich nicht vorstellen, dass Rhodan diese Tatsache nicht wahrhaben will? Thora ist seine Frau. Er liebt sie. Es hätte Ihnen einmal vergönnt sein müssen, mitzuerleben, in welcher Harmonie beide gelebt haben. Thora, die Arkonidin, die einstmals stolze, hochmütige, abweisende Fürstin aus einem uralten arkonidischen Herrschergeschlecht, sie ist die gute Seele des Solaren Imperiums gewesen. Ich rede jetzt keine Phrasen, sondern ich sage nur das, was die wenigsten gewusst haben: Thora hat Rhodan geholfen, nicht mit Vorschriften, noch weniger mit Vorhaltungen oder Vorwürfen. Sie hat Rhodan damit geholfen, indem sie seine Frau war und er das Glück, das er sich erträumte, bei ihr fand. Und das soll jetzt alles zu Ende sein? Gerade jetzt, da das Schicksal unseres winzigen Systems auf des Messers Schneide steht? Doktor Villnoess, es muss ein Mittel gegen dieses Sarkom F Arkon geben ...«

In diesem Augenblick unterbrach der Chefarzt der hämatologischen Abteilung den erregten General. Unter dem Eindruck seiner Worte sagte er bedrückt: »General, Sterben ist ein Teil des Lebens.«

»Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?«, fragte Deringhouse barsch, um sofort an seine Frage anzuschließen: »Doktor, ich mache Ihnen keinen Vorwurf, aber ...«

»Im Falle Thora Rhodan, General, gibt es kein ›Aber‹.«

»Dann sagen Sie mir wenigstens, wie lange Perry Rhodans Frau noch zu leben hat.«

»Wir haben heute den vierten Oktober 2043, General.« Er atmete schwer. »Thora wird das Frühjahr 2044 nicht mehr erleben.«

»Also ein halbes Jahr?«

»Vielleicht.«

»Kann ich Thora besuchen, oder liegen irgendwelche Gründe vor, die es mir nicht erlauben, zum Bungalow ›Arkon‹ zu fliegen?«

Der Chefarzt überlegte kurz. »Ich will weder Ihnen noch dem Administrator falsche Hoffnungen machen, aber mit meinen Kollegen bin ich der Meinung, dass man Thora mit einer verantwortungsvollen Aufgabe betrauen sollte, damit sie die letzten Monate ihres Lebens, bevor der rapide Verfall einsetzt, nicht in stummer Verzweiflung und Lethargie zu verbringen braucht.«

Deringhouse runzelte die Stirn. »Wie soll ich Ihren Vorschlag verstehen, Doktor? Ist eine verantwortungsvolle Aufgabe tatsächlich in der Lage, bei einem Arkoniden so viel Kräfte zu mobilisieren, dass dadurch das Sterben ganz schnell herankommt?«

»Darin unterscheiden sich Menschen und Arkoniden nicht, General. Ihren Wunsch, Thora zu besuchen, möchte ich jetzt abschlägig bescheiden. Sie sind doch auf dem Weg nach Gray Beast, General. Falls Sie der Rückweg wieder über Venus führt, kommen Sie doch dann mit einem verantwortungsvollen Auftrag für Thora zurück. Ich darf Ihnen versichern, dass diese Aufgabe ihr neuen Lebensmut gibt.«

»Weiß Thora nicht, woran sie erkrankt ist?«, fragte Deringhouse hastig.

»Seit heute früh weiß sie es. Sie hat mich angerufen.«

»Und Sie haben – Doktor, das kann doch nicht wahr sein!« Das war die Stimme eines verärgerten Mannes, aber Villnoess ließ sich davon nicht beeindrucken.

»Ich bin nicht bereit gewesen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, Thora durch eine barmherzige Lüge ihres letzten Lebenswillens zu berauben. Sie weiß, dass sie an F Arkon erkrankt ist.«

»Doktor, dafür könnte ich Sie jetzt ...« Der sonst immer beherrschte Deringhouse machte eine heftige Bewegung.

Mein Gott, dachte der Chefarzt, wie sehr muss dieser General Perry Rhodans Frau verehren, dass er sich dazu hinreißen lässt.

»General«, erwiderte Villnoess, »seit heute morgen ist Thora überzeugt, dass die lebensverlängernden Seren, die sie bekommen hat, allein durch das Sarkom, also die Geschwulst, unwirksam geworden sind. Verstehen Sie den psychologischen Effekt dieser Auffassung? Eine Frau nimmt die Tatsache viel leichter hin, durch Krankheit zu altern, als körperlich unfähig zu sein, auf biologische Präparate anzusprechen. Bitte, tragen Sie diesen Punkt auch dem Administrator vor.«

Villnoess wandte sich ab und trat ans Fenster. Er sah in den wolkenverhangenen Venustag hinaus.

Alles war grau in grau. Auch die kräftigsten Farben verblassten hinter dem Regenvorhang.

»Wie ein Leichentuch«, sagte Villnoess und atmete schwer.

Deringhouse verließ stumm den Raum.

2.

 

 

General Deringhouse hatte es hinter sich.

Perry Rhodan kehrte ihm den Rücken zu. Im Raum breitete sich Stille aus, und Deringhouse fühlte sie wie eine Last, die immer schwerer wird, auf seinen Schultern liegen.

Seine Unterredung mit dem Chefarzt der hämatologischen Abteilung der Terraklinik in Port Venus hatte er dem Administrator fast wörtlich vorgetragen. Wenn ein Mensch das Recht hatte, auch das Letzte zu wissen, dann hieß dieser eine Perry Rhodan.

Plötzlich sprach Rhodan: »Deringhouse, lassen Sie mich bitte allein. Wir sehen uns in einer Stunde bei der Lagebesprechung wieder. Ich danke Ihnen.«

Kaum hatte sich die Tür hinter dem General geschlossen, als Rhodan sich mit der Sichtsprechzentrale in Verbindung setzte. »Leiten Sie alle für mich bestimmten Gespräche zu Mister Bull. Ich möchte nicht gestört werden.«

Gray Beast, der siebte Planet des Myrtha-Systems, das insgesamt neunundvierzig Planeten besaß, wurde von Tag zu Tag zu einem stärkeren Stützpunkt des Solaren Imperiums ausgebaut.

Da Gray Beast nur zweiundzwanzig Lichtjahre von der Zone entfernt war, wo sich die Zeitebenen des Druuf-Universums und des Einsteinraumes überlagerten und immer mehr stabilisierten, betrachtete Perry Rhodan diese Welt als das wichtigste Sprungbrett für kommende Aktionen.

Im Augenblick tat er nichts anderes als warten. Die Zeit, in der sich arkonidische Robotflotten fast astronomischer Größenordnungen mit Druuf-Raumern vor, in und hinter der Überlappungsfront unerbittliche Kämpfe lieferten, arbeitete für ihn.

Beide Parteien, dem Anschein nach gleich stark, verloren ungeheure Materialwerte, die aber stündlich durch neu herangeführte Reserven wieder aufgefüllt wurden.

Aber in diese Stunde, in der Perry Rhodan durch Deringhouse bestätigt bekommen hatte, was Professor Manoli ihm im letzten Gespräch auch schon zu verstehen gegeben hatte, dachte er weder an die mörderischen Raumschlachten noch an die exponierte Lage des Planeten Gray Beast.

Seine Gedanken weilten auf der Venus. Vor seinem geistigen Auge glaubte er das Valta-Gebirge zu sehen und weich in den Hang geschmiegt den Bungalow.

»Thora ...« Die Arme weit über den Schreibtisch ausgestreckt, den Kopf gesenkt, so saß Rhodan da und haderte mit dem Schicksal.

Er rief nach seiner Frau. Er fühlte die Versuchung immer stärker werden, die ihm den Rat gab: »Wirf alles hin ...«

Perry Rhodan wollte nicht wahrhaben, dass er über Jahrzehnte weiterlebte, ohne zu altern, und dass seine Frau bald zu sterben hatte.

»Thomas – Thomas!« Das Gesicht des jungen Mannes tauchte als Vision vor seinen Augen auf – Thomas Cardif, jetzt dreiundzwanzig Jahre alt, ihr Sohn.

Aber der Sohn hatte sich gegen den Vater gestellt – der Sohn, der als Cardif groß geworden war und bis kurz nach seinem Examen als Leutnant der Solaren Raumflotte nicht gewusst hatte, dass Perry und Thora Rhodan seine Eltern waren – und hatte ihm bis heute nicht verziehen, ohne Elternliebe groß geworden zu sein.

Rhodans Gedanken wanderten zwei Jahre zurück in die Vergangenheit. Er rief sich die damaligen Ereignisse ins Gedächtnis zurück.

Thomas Cardif hatte gerade das Abschlussexamen der Terranischen Raumakademie erfolgreich bestanden und erhielt zum ersten Mal einen bedeutsamen Auftrag. Dieser führte Cardif zu dem Planeten Rusuf, 1062 Lichtjahre von Terra entfernt. Es war geplant, dass Julian Tifflor, damals Kommandant des terranischen Stützpunkts auf Rusuf, sich des jungen Mannes annehmen sollte.

Tifflor war einer der wenigen Menschen, die die wahre Identität Cardifs kannten.

Rhodan erinnerte sich an jede Einzelheit ...

3.

 

 

Thora blickte gedankenschwer über die Parklandschaft, die das, was früher einmal die Wüste Gobi gewesen war, zu einem Paradies hatte werden lassen.

Soeben hatte sie erfahren, dass Thomas Cardif die Terranische Raumakademie bereits verlassen hatte und zu seinem ersten Einsatz aufgebrochen war.

Thora war allein in ihrem Zimmer.

Sie, die stolze Arkonidin, Tochter aus einem der ältesten und berühmtesten Fürstengeschlechter von Arkon, hatte die Hände vor das Gesicht gepresst und weinte.

Ihre Tränen galten Thomas Cardif, dem jungen Leutnant, der zu Oberst Julian Tifflor auf dem Planeten Rusuf unterwegs war.

»Perry«, flüsterte sie, und wilder Schmerz schüttelte ihren Körper. »Perry, wir haben uns an unserem Kind versündigt. Wir beide haben alles falsch gemacht.«

Sie wusste es, Perry Rhodan wusste es. Aber damals, als ihnen klar wurde, worauf sie verzichteten und was sie ihrem Kind vorenthielten, da war es zu spät, den einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen.

Sie hatten nur das Beste gewollt. Perry, Thomas' Vater, und sie, seine Mutter. Thomas sollte aus sich selbst heraus zum Mann werden und sich nicht auf seinen großen Vater verlassen. Er sollte, bis er Mann war, sich seinen Weg selbst erarbeiten.

So war es damals gewesen, als sie auf den größten Schatz ihrer Liebe – auf ihren Sohn – verzichteten, und dann war die Besinnung gekommen, dass ihr Kind ohne Nestwärme einsam in einer kalten Welt aufwuchs.

Zu spät.

Und heute wieder: zu spät. Thomas war nicht mehr in Terrania. Sie konnte ihren Sohn nicht einmal mehr aus der Ferne betrachten.

Still weinte sie vor sich hin. Niemand störte sie. Kein Mensch trat zu ihr herein. Die First Lady des Solaren Imperiums war zu einer einsamen Frau geworden.

Perry befand sich auf Morag II, jener Welt, auf der sechs seiner Leute auf der zweiten Zeitebene verschollen waren. Sie konnte ihn nicht anrufen, um Trost bei ihm zu finden.

Aber sie konnte die Erde verlassen.

Sie konnte eine Space-Jet anfordern und damit zur Venus fliegen. Jeder würde ihr ansehen, dass sie erholungsbedürftig war.

Und heimlich von der Venus zu starten war leichter, als dies von der Erde aus zu versuchen.

Rusuf, der vierte Planet der Krela-Sonne, war Thomas Cardifs neuer Standort. Das war Thora nun bekannt, und auch, dass er seine Examina bis auf drei Sparten mit Auszeichnung abgelegt hatte. Sie hatte allen Grund, stolz auf ihn zu sein. Sie war es auch, denn es gab im Solaren Imperium nur fünf Menschen, die von der Existenz eines Rhodan-Sohnes wussten: sie und Perry, der Arkonide Crest, Reginald Bull und nun als fünfter Oberst Julian Tifflor, Befehlshaber der Garnison auf Rusuf.

Thomas Cardif hatte seine Prüfungen nicht als Rhodans Sohn abgelegt, ihm war nichts geschenkt worden, aber ihm war mehr als jedem anderen Kadetten vorenthalten worden: Liebe.

Elternliebe.

Die Hände vor das Gesicht haltend, flüsterte sie: »Perry, ich fliege zu ihm – ich muss ihn sehen.«

Thora erinnerte sich jetzt jenes Gesprächs, das vor der Geburt ihres Sohnes zwischen ihnen, Crest und Bully geführt worden war. Bully, der impulsive, grundehrliche Freund Perry Rhodans, hatte der Unterhaltung erst gegen Schluss beigewohnt und kaum gehört, worum es ging, als er auch schon dazwischendonnerte: »Ihr seid ja feine Eltern! Himmel, Sterne und Raketen ...«

Weiter war er damals mit seiner Empörung nicht gekommen. Perry hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihn scharf dabei angesehen. Ein schmerzvolles Lächeln stand um seinen Mund, und in widerwilliger Zustimmung hatte er dem Freund auch noch zugenickt. »Feine Eltern – Bully. So grob, so ehrlich hat es uns noch keiner gesagt. Du brauchst Thora und mich nicht wütend anzufunkeln, Dicker. Wir sind keine Rabeneltern, und wie wir uns auf unser Kind freuen, Bully, das weißt du so gut wie Crest. Doch nur Crest allein hat weitergedacht als wir drei.«

»Das habe ich beim Hereinkommen bereits mitbekommen, Perry. Ihr Rabeneltern wollt ...«

Perry Rhodan hatte damals ruckartig den Kopf in den Nacken geworfen und Bully scharf unterbrochen: »Nun lass mich bitte endlich einmal ausreden. Erlaubst du es, Bully?«

»Rede«, hatte dieser gebrummt und im selben Atemzug gedroht: »Wenn ihr aber bei eurem Entschluss bleibt, dann verkehre ich nur noch dienstlich mit dir.«

Stumm hatte Perry ihm die Auswertung des positronischen Rechengehirns, das auf der Venus stand, überreicht.

Bully begehrte auf, als er las, welchen Charakter Perry Rhodans Sohn haben würde. »Humbug!«, hatte er sich dagegen gewehrt. »Und daran glaubst du, Perry? Von diesem Stanzstreifen willst du das Schicksal deines Kindes abhängig machen?«

Ja, an diese Szene erinnerte sich Thora jetzt, und wieder erlebte sie mit, wie sie Bully damals voller Freude und Hoffnung angestrahlt hatte.

Bully war aufgesprungen, hatte den Stanzstreifen auf den Tisch geworfen, war angriffslustig und empört zugleich vor Crest stehengeblieben und hatte gerufen: »Auf solch eine Idee konnte natürlich nur ein Arkonide kommen! Der Teufel soll euch holen! Hier wird ein ungeborenes Kind verschachert!«

Doch Crest war unter Reginald Bulls Vorwurf weder blass geworden noch erregt. Ruhig hatte er erwidert: »Bully, dieser Junge hat Thora, eine Arkonidin, als Mutter. Solltest du vergessen haben, wie stolz, wie unbeugsam in ihrem Stolz Thora über mehr als ein Jahrzehnt gewesen ist? Hast du vergessen, dass Thora mehrmals ein Opfer ihres Stolzes wurde und damit die Erde an den Rand des Abgrunds brachte? Weißt du nicht, welche Fähigkeiten in Perry leben? Und nun nimm an, dass er nur einen Teil davon seinem Sohn als Erbgut mitgibt. Hier Arkon-Stolz, Hochmut, Dünkelhaftigkeit. Auf der anderen Seite ein in der Entwicklung stehender junger Mensch, dessen Vater das Solare Imperium mit aufgebaut hat. Wie wird sich Perrys Sohn entwickeln, wenn jede seiner Entscheidungen durch die Tatsache beeinflusst wird, dass Perry Rhodan sein Vater ist?«

Es war damals vor mehr als zwei Jahrzehnten ungewöhnlich gewesen, dass Bully den Arkoniden nicht unterbrochen hatte, aber kaum schwieg Crest, als Reginald Bull seinen Freund Perry durchdringend anblickte, dabei den Stanzstreifen in die Hand nahm, das Ding hin und her wedelte und dabei hervorstieß: »Perry, hast du nicht selbst einmal behauptet, das P-Gehirn auf der Venus könnte uns Menschen der Erde gar nicht hundertprozentig bewerten, weil es von Arkoniden gebaut sei? Hast du es gesagt oder nicht?«

»Ich behaupte es heute auch noch, Bully. Aber ändert es etwas an der Tatsache, dass Thora eine Arkonidin ist und sie die Mutter unseres Sohnes sein wird?«

Bully hatte ihm keine Antwort gegeben, sondern sich an Thora gewandt. »Sag doch einfach ›nein‹ und bleib dabei ...«

»Bully, diesen Vorschlag hat mir Perry schon längst gemacht und ihn vor einer Stunde wiederholt, aber ...«

»Was? Da gibt es ein Aber?«, hatte er erneut aufbrausend gefragt und sie verzweifelt angeblickt.

»Ja, es gibt ein Aber, und dieses Aber ist dann eines Tages unser Sohn, der uns den Vorwurf machen könnte, wir hätten ihm aus egoistischen Motiven nicht den Spielraum gelassen, sich frei zu entwickeln. Bully, du weißt, wie glücklich ich mit Perry bin, und darüber willst du mit Absicht vergessen, dass ich von Arkon stamme. Auch wir Arkoniden können nicht gegen die Natur, und unsere Natur ist es, hochmütig, stolz und starrköpfig zu sein. Ich fühle es, Bully, unser Junge wird mit diesen Eigenschaften seiner Mutter auf die Welt kommen, und ich habe Angst vor dem Preis, den Perry und ich für unser Glück zu bezahlen haben. Aber wenn unser Junge, der nicht weiß, wer seine Eltern sind, sich aus eigener Kraft zum Guten formt, wird er es uns nicht eines Tages danken, dass wir ihm diese Chance gegeben haben?«

Die Erinnerung an diese folgenschwere Unterhaltung verblasste etwas. Thora stand auf und trat ans Fenster. Ihr Blick ging zum strahlend blauen Himmel hoch. Irgendwo in tausend Lichtjahren befand sich jetzt ihr Junge – Thomas Cardif. Hatte er nicht bewiesen, dass er sich aus eigener Kraft zum Guten geformt hatte?

War jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen, an dem er wissen durfte, wer seine Eltern waren?

Thoras Herz und das mütterliche Sehnen bejahten die Frage. Ihr scharfer Verstand allerdings warnte sie, aber auch bei einer arkonidischen Mutter ist das mütterliche Sehnen, ihr Kind in die Arme zu schließen, stärker als alle Macht der Welt.

»Thomas«, sagte sie, »Thomas, ich komme zu dir.«

 

Rusuf war ein erdähnlicher Planet und eine alte arkonidische Siedlung. Mit 1,42 lag die Schwerkraft im Grenzbereich des für Menschen auf Dauer Erträglichen. Dennoch hatte sie im Lauf vieler Generationen vermocht, die auf Rusuf heimisch gewordenen Arkoniden körperlich der neuen Umgebung anzupassen und ihnen neben einem starken Knochengerüst und ausgeprägtem Muskelskelett einen Brustkorb zu geben, der den Kolonisten trotz ihrer Größe etwas Unförmiges verlieh.

Das Krela-System mit Rusuf, seinem vierten Planeten, lag weit genug von Arkon entfernt, um nicht von den auf der dreifachen Mutterwelt herrschenden Degenerationserscheinungen infiziert zu werden. Nach wie vor waren diese Arkoniden ein stolzes, leicht überhebliches, aber auch ein von Energie strotzendes Volk geblieben.

Mit einer Großzügigkeit, die man nur in vielen Jahrtausenden lernen kann, hatten sie geduldet, dass auch Galaktische Händler auf ihrer Welt Niederlassungen bauten, aber sie hatten nie zugelassen, dass sich die Springer mehr Rechte herausnahmen, als vertraglich festgelegt worden waren.

Sie hatten auch nicht protestiert, als terranische Raumschiffe landeten. Sie sahen gelassen zu, wie Terraner fünfundvierzig Kilometer von Gelgen, der kleinen Arkon-Stadt, entfernt, in der sie selbst die größte Niederlassung unterhielten, ihre Garnison und einen Raumhafen anlegten.

An diese Einzelheiten erinnerte sich Thora unmittelbar vor ihrer Landung auf Rusuf.

Gekonnt setzte sie die Space-Jet auf. Sie desaktivierte die Schutzfelder, ließ die Hauptschleuse sich öffnen und die Rampe ausfahren. Als das Kontrollsignal ihr bestätigte, dass der Weg nach draußen für sie frei war, schaltete sie im Schiff alles auf Null.

Doch sie erhob sich noch nicht. Blicklos starrte sie auf die Instrumente. Ihr geistiges Auge sah einen jungen Mann – Thomas. Noch heute würde sie ihm gegenüberstehen, aber nicht mehr als Frau des Administrators des Solaren Imperiums, sondern als Mutter.

Sie wusste nicht, wie schön sie mit dem mütterlichen Lächeln auf dem Gesicht wirkte. Dieses Lächeln blieb auch, als sie am Fuß der Rampe Julian Tifflor erkannte. Ja, sie freute sich, ihn wiederzusehen.

Thora nahm einfach seine Hand und sagte mit entwaffnender Herzlichkeit: »Tiff, wie freue ich mich, dass Sie mir als erster auf Rusuf begegnen.«

Und Oberst Julian Tifflor, der mittlerweile achtzig Jahre alt war und trotzdem noch immer wie ein junger Mann in der Blüte seines Lebens wirkte, wurde rot. Er hatte gefühlt, dass Thoras impulsive Begrüßung aus ehrlichem Herzen kam, und er hatte zugleich erkannt, wie schwer die Aufgabe war, die Rhodan ihm übertragen hatte.

Für den Fall, dass Thora ihrem Sohn folgen sollte, hatte Rhodan Tifflor freie Hand gelassen. Rhodan schien geahnt zu haben, dass Thora auf Rusuf auftauchen würde. Tiff spürte die Schwere der Verantwortung. Er war entschlossen, ein Treffen zwischen Thora und Cardif so lange zu verhindern, bis Rhodan zur Erde zurückkam und informiert werden konnte.

Als sie im Wagen zur Garnison fuhren, plauderten sie über alltägliche Dinge, bis Tifflor sich entschuldigte, im Hotel für Thora noch kein Appartement reserviert zu haben. »Wir sind auf Ihren Besuch hier nicht eingerichtet, Thora.«

»Ach, Tiff«, lachte sie. »Ich brauche ein Zimmer, mehr nicht. Gibt es in der Garnison keine Möglichkeit, mir ein Zimmer einzurichten?«

Mit erstaunlicher Bereitwilligkeit bejahte Tifflor ihre Frage. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, das Wohnen in der Garnison sei angenehmer als im Hotel.

Zu jeder anderen Zeit hätte Thora den Oberst misstrauisch gemustert und kühl gefragt, was er mit seiner Offerte beabsichtigte, aber jetzt war sie nur Mutter, die gekommen war, um sich ihrem Sohn zu offenbaren.

Der Wagen hielt vor dem schmucklosen Zweckbau, in dem die Garnisonsverwaltung untergebracht war. Tifflor reichte Thora die Hand beim Aussteigen. Hinter der Wache passierten sie den langen Gang, verließen ihn, um einen großräumig angelegten Park zu betreten, an dessen Ende ein Bungalow lag.

Eine Stunde später klopfte Tifflor bei Thora höflich an. Ihre Stimme jubelte, als sie rief: »Tiff, wenn Sie es sind – bitte!«

Frisch, jugendlich und mit einem Leuchten in den Augen stand Thora am Fenster und sah den Freund eintreten.

Während Julian Tifflor ihr gegenüber Platz nahm, musterte sie ihn scharf. Sein strenges Gesicht fiel ihr auf.

»Tiff!«, stieß sie hervor. »Was ist los ...?«

»Ich weiß, warum Sie nach Rusuf gekommen sind.«

Thora Rhodan schien steif zu werden, so unbeweglich saß sie vor Julian Tifflor und starrte ihn an.

»Oberst Tifflor, Sie werden nicht wagen, mich daran zu hindern, dass ich den Leutnant aufsuche!« Thora wusste sich keines anderen Mittels gegen den Oberst zu bedienen, als die stolze, hochmütige Arkonidin herauszukehren. Was sie tat, war ein verzweifeltes Bemühen, und es wurde vom Gefühl der Ohnmacht getragen.

»Thora, ich möchte in diesem Augenblick lieber zu einem Einsatz abfliegen, von dem ich weiß, dass es daraus keine Wiederkehr gibt, als jetzt vor Ihnen zu sitzen. Ich ...«

Da stand sie auf. Ihre Augen glühten, aber ihre Stimme verriet nichts von den Gefühlen, die in ihrem Innern tobten. »Oberst Tifflor, hat mein Mann Ihnen den Befehl gegeben, mich daran zu hindern, Thomas zu sehen und zu sprechen?«

»Nein!«

»Und was gibt Ihnen dann das Recht, sich mir in den Weg zu stellen?«

Auch Oberst Julian Tifflor erhob sich. Er trat hinter seinen Sessel. Er, der schon hundertmal sein Leben gewagt hatte, hatte plötzlich Angst vor der nächsten halben Stunde.

»Oberst Tifflor, was gibt Ihnen das Recht, mich aufzuhalten?«

»Mein Verantwortungsgefühl«, stieß er hervor. »In den wenigen Tagen, in denen er auf Rusuf seinen Dienst erledigt, habe ich ihn genau beobachtet. Thomas Cardif ist ein Mensch von zwei Welten. Er ist in seinen Gefühlen Arkonide, in seinem Denken Mensch – und das macht es Ihnen unmöglich, den Weg zu ihm zu finden.«

Sie schien ihm kaum zugehört zu haben. »Aber ich darf ihn sehen, Tiff, ja? Muss ich Ihnen noch versprechen, dass ich ihm nur als Frau des Administrators gegenübertrete?«

»An ihm vorbeigehen«, schränkte Tifflor ein. »Einverstanden, Thora?«

Sie nickte krampfhaft. »Wann kann ich ihn sehen, Tiff?«

»Leutnant Cardif befindet sich auf einem Patrouillenflug im Krela-System. Gegen zwanzig Uhr Ortszeit wird er zurück sein. Ich werde die Offiziere zu einer Besprechung gegen einundzwanzig Uhr zusammenrufen. Darf ich damit rechnen, dass Sie an diese Herren einige Worte richten?«

Impulsiv reichte ihm die Arkonidin die Hand. »Sie dürfen damit rechnen, Tiff.«

 

Die Vorbereitung der Besprechung bereitete Tifflor einiges Kopfzerbrechen, aber er wusste, dass eine solche Zusammenkunft im Augenblick die einzige Möglichkeit war, Thora einige Zeit hinzuhalten. Tifflor war ein Mann mit klaren Gedanken und Zielen, Manipulationen, wie er sie nun einzuleiten gezwungen war, bereiteten ihm Unbehagen. Zudem fürchtete er Zwischenfälle, gegen die er sich nicht absichern konnte.

Er saß am Schreibtisch im Funkraum der Kommandantur und grübelte darüber nach, wie er die Sache am geschicktesten angehen konnte. Zum wiederholten Mal ging er die Liste der Teilnehmer durch, strich Namen durch und setzte andere ein. Dieses Vorgehen war im Grunde genommen unfruchtbar, ja sogar lächerlich. Es zeugte nur von seiner Unsicherheit.

Das Schrillen der Alarmanlagen riss ihn aus seinen trübsinnigen Überlegungen. Einer der Bildschirme wurde hell, und das bestürzt aussehende Gesicht eines Offiziers, dessen Namen Tifflor nicht sofort einfiel, wurde darauf sichtbar.

»Oberst, nahe dem Bungalow, in dem wir Thora untergebracht haben, finden Kampfhandlungen statt«, meldete der erregte Mann.

Tifflor starrte ihn ungläubig an. »Machen Sie Witze? Kampfhandlungen? Reden Sie endlich! Was ist geschehen?«

Der Offizier in der lindgrünen Uniform der Solaren Flotte wirkte irritiert.

»Es heißt, dass arkonidische Roboter aufgetaucht sind und Angehörige der Wachmannschaften in ein Gefecht verwickelt haben«, berichtete er.

Tifflor fühlte eine immer stärker werdende Beklemmung. Hatten Gegner des Imperiums von Thoras Ankunft erfahren? Versuchte ein Feind, über dessen Identität Tifflor im Augenblick nur rätseln konnte, Rhodans Frau zu töten? Wenn arkonidische Kampfroboter im Spiel waren, bedeutete dies womöglich, dass der Robotregent zu einem unerwarteten Schlag ausholte. Tifflor verwarf diesen Gedanken sofort wieder, er war absurd. Jemand setzte Arkon-Roboter ein, um von sich abzulenken.

Tifflor sprang auf, die Lähmung, die ihn für Sekunden an seinen Platz gefesselt hatte, war vorüber.

»Alle verfügbaren Bereitschaftstruppen zum Bungalow!«, befahl er. »Start- und Landeverbot für alle Raumschiffe. Ich komme sofort.«

Als er aus dem Funkraum in den Korridor stürmte, stieß er auf andere Männer und Frauen, die ins Freie strömten. Die Alarmsirenen gellten nun über die gesamte Garnison hinweg. Fluchend bahnte Tifflor sich einen Weg durch die verstörten Menschen.

Das Gefühl, dass er zu spät kommen würde, stürzte ihn in Verzweiflung.

Er hatte den Bungalow schon fast erreicht, als er das Zischen einiger Strahlwaffen hörte. Es schienen jedoch keine größeren Auseinandersetzungen mehr stattzufinden. Plötzlich ertönte ein dumpfes Grollen. Über den Gebäuden erschien eine Space-Jet mit dunkler Außenhülle und ohne das Emblem des Solaren Imperiums.

Alarmstart!, schoss es Tifflor durch den Kopf. Die Angreifer fliehen!

Ein Offizier in versengter Uniform torkelte Tifflor entgegen. Tifflor packte ihn und riss ihn hoch.

»Reden Sie!«, herrschte er den Mann an. »Was ist mit Thora – wurde sie gerettet?«

Der Mann war bleich vor Schmerzen. Tifflor befürchtete, dass er das Bewusstsein verlieren würde, bevor er etwas sagen konnte.

Jemand rief: »Sie haben sie entführt! Rhodans Frau wurde entführt!«

Für Tifflor war dieser Ruf wie ein elektrischer Schlag. Er ließ den Verletzten los und fuhr herum. Die Bedeutung des schwarzen Schiffes wurde ihm schmerzhaft bewusst.

»Wir müssen hinterher!«, rief er außer sich.

Ein Prallgleiter tauchte neben ihm auf. Tifflor warf sich in einen freien Sitz.

»Soll ich eine allgemeine Verfolgung veranlassen?«, fragte der Offizier am Steuer.

Fast hätte Tifflor einen entsprechenden Befehl gegeben, doch dann wurde ihm klar, dass er bei einer allgemeinen Verfolgung Thoras Leben riskierte. Noch vor wenigen Minuten war ihm die Besprechung der Offiziere mit Thora als ein unlösbares Problem erschienen – nun wurde er mit einer ganz anderen Entwicklung konfrontiert.

Der Gleiter raste zum Raumhafen. Während des Fluges erfuhr Tifflor, dass der Leichte Kreuzer ZYKLOP startbereit war. Mit diesem Schiff wollte Tifflor die Verfolgung aufnehmen. Als er jedoch in der Zentrale der ZYKLOP angekommen war, erfuhr er, dass das fremde Schiff bereits das Einsteinuniversum verlassen hatte.

Eine schnell durchgeführte Strukturortung blieb ohne jeden Erfolg.

»Sie müssen einen Strukturkompensator besitzen«, sagte der Kommandant der ZYKLOP bedauernd. »Wir wissen, dass Arkon seit kurzer Zeit über diese Geräte verfügt.«

Tifflor blickte ihn an. Offenbar glaubte der Raumfahrer, dass die Entführer im Auftrag Arkons handelten.

Langsam schüttelte er den Kopf.

»Leider gehören unsere Schiffe auf Rusuf zu jenen Verbänden der Terranischen Flotte, die noch nicht mit den Eigenfrequenz-Peilern ausgerüstet sind«, fuhr der Kommandant fort. »Unter diesen Umständen erscheint mir eine Verfolgung sinnlos.«

»Ja«, sagte Tifflor matt. »Bereiten Sie alles für einen Bericht der Ereignisse nach Terra vor.«

»Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, Oberst. Niemand konnte einen derartigen Zwischenfall vorhersehen.«

»Ja«, murmelte Tifflor, »schon gut.«

Sein Gesicht jedoch verriet, was sich in diesem Augenblick in seinem Innern abspielte.

 

Das Superschlachtschiff DRUSUS war von der Erde gekommen. Es hatte drei Sprünge im Schutz des Strukturkompensators unternommen und hatte erst die vierte und letzte Transition ohne diese Tarnung durchgeführt.

Wer auch immer hinter Thoras Entführung steckte, der hatte die gewaltige Gefügeerschütterung durch die DRUSUS angemessen und damit zu rechnen, dass Rhodan mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Befreiung seiner Frau betreiben würde.

Rhodan war unmittelbar nach Thoras Aufbruch zur Erde zurückgekehrt. Er hatte erfahren, wohin sie sich gewandt hatte, so dass es ihm nicht schwergefallen war, ihre Motivation zu erraten. Zunächst hatte er gezögert, ihr zu folgen – bis ihn dann die Nachricht von ihrer Entführung erreicht hatte.

Julian Tifflor erschien niedergeschlagen in der Zentrale des Schiffsriesen, um Rhodan einen detaillierten Bericht abzugeben.

»Ich vermute«, sagte Tifflor abschließend, »dass es sich um ein Spezialschiff mit starkem Antrieb handelte, vielleicht sogar eigens für eine solche Aktion ausgerüstet. Der Roboterangriff war natürlich nur ein Ablenkungsmanöver.«

Sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, blickte Rhodan seinen Vertrauten an. »Tiff, Sie wissen, was Sie jetzt zu tun haben?«

Julian Tifflor kannte Rhodan schon zu lange, um ihn jetzt nicht verstanden zu haben. Doch in halber Abwehr, aus dem Instinkt heraus, dass weder er noch Rhodan das Schicksal aufhalten konnten, sagte er: »Ich will mein Bestes versuchen.«

»Nicht versuchen, Tiff. Keine Versuche mehr machen. Wir – Thora und ich – wir beide müssen jetzt draufzahlen. Setzen Sie Thomas ein! Starten Sie eine Suchaktion nach Thora, an der sich Thomas beteiligen soll. Ich werde diese Aktion selbst leiten.«

Tifflor senkte den Kopf. Kein Wort des Vorwurfs war über Rhodans Lippen gekommen.

»Thora ist mit einer der modernsten Space-Jets, über die wir verfügen, nach Rusuf gekommen«, fuhr Rhodan fort. »Ich möchte, dass Thomas diese Maschine erhält, um sich an der Suche zu beteiligen. Meinetwegen soll sein unmittelbarer Vorgesetzter ihn begleiten.«

»Major Holbein«, sagte Tiff mechanisch.

»Gut«, Rhodan nickte.

4.