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Nr. 12

 

Der Anti

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Cover

Klappentext

Einleitung

Zeittafel

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-25

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Seit gut zehntausend Jahren treibt ein Raumschiff durch die Milchstraße – an Bord sind hunderttausend schlafende Arkoniden. Als der Mausbiber Gucky, Perry Rhodans bester Mutant, an Bord kommt, erwachen die Schläfer. Sie finden sich in einer fremden Zeit wieder – und im Raumschiff der Ahnen bricht das Chaos aus.

 

Perry Rhodan versucht alles, um die 100.000 Arkoniden aus der Vergangenheit dazu zu bewegen, in der Gegenwart beim Wiederaufbau des Großen Imperiums von Arkon zu helfen. Atlan, derzeit Imperator auf Arkons Kristallthron, ist von Feinden umgeben und braucht dringend Verbündete.

 

Einem Anti gelingt es, Atlans Zellaktivator in seinen Besitz zu bringen, das Gerät, das dem Imperator die relative Unsterblichkeit verleiht. Atlan hat noch sechzig Stunden Zeit, dann muss er unweigerlich sterben. Eine dramatische Jagd nach dem Zellaktivator beginnt – und Perry Rhodan kann seine Mutanten nicht einsetzen: Die Antis blockieren die geheimnisvollen Psi-Fähigkeiten dieser Spezialisten ...

Einleitung

 

 

Es gibt wohl kaum ein klassisches Thema der Science Fiction, das in den vergangenen zwanzig Jahren nicht in der PERRY-RHODAN-Handlung berücksichtigt worden wäre. Eines dieser klassischen Themen, das des Generationenraumschiffs, wird in einem Teil der Originalromane behandelt, die in diesem PERRY-RHODAN-Buch Aufnahme fanden. Stellt man sich die Frage, was Science-Fiction-Autoren an Geschichten über Raumschiffe, deren Besatzungen diese Schiffe für ihre Welt halten, so fasziniert, kommt man nicht an einer Analogie zum »Raumschiff Erde« vorbei. Drohen nicht apokalyptische Zustände, wie sie im »Raumschiff der Ahnen« herrschen, auch auf unserem Planeten, wenn wir weiterhin fortfahren, Raubbau mit seiner Natur zu treiben? Ist es Einsicht oder unterschwellige Furcht, die die Gedanken eines Chronisten einer zukünftigen Geschichte der Menschheit bestimmen, wenn er sich mit diesen Problemen auseinandersetzt? Wie dem auch sei, man kann diese Passagen um der reinen Unterhaltung willen lesen oder sich darüber hinaus Gedanken machen. Die Originalromane, die in dieses zwölfte PERRY-RHODAN-Buch aufgenommen wurden, entstanden Anfang der sechziger Jahre, also zu einer Zeit, da man technischen Fortschritt nicht mit der heutigen Distanz, sondern eher euphorisch betrachtete. Unberücksichtigt der darin vorgenommenen Kürzungen und Änderungen sind dies (in der Reihenfolge ihres ehemaligen Erscheinens): Raumschiff der Ahnen von Clark Darlton; Die flammende Sonne von Clark Darlton; Himmel ohne Sterne von Clark Darlton; Der Anti von K. H. Scheer; Preis der Macht von Kurt Brand; Entfesselte Gewalten von Kurt Brand; Ein Freund der Menschen von William Voltz.

Ich hoffe, dass es bei aller Vielfalt des Handlungsangebots auch diesmal gelungen ist, einen in sich geschlossenen Roman zu schaffen, dem trotz notwendiger Änderungen und Streichungen im Originaltext nichts von jener Spannung und Originalität abhanden gekommen ist, die die Arbeiten der Autoren vor fast zwanzig Jahren auszeichneten. Auch diesmal war ich auf die Hilfe von Christa Schurm, Franz Dolenc und G. M. Schelwokat angewiesen, denen ich an dieser Stelle danke.

 

Heusenstamm, August 1981

William Voltz

Zeittafel

 

 

Die Geschichte des Solaren Imperiums in Stichworten:

 

1971 – Die STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.

1972 – Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.

1976 – Perry Rhodan löst das galaktische Rätsel und entdeckt den Planeten Wanderer, wo seine Freunde und er von dem Geisteswesen ES die relative Unsterblichkeit erhalten.

1984 – Rhodans erster Kontakt mit dem Robotregenten von Arkon im Kugelsternhaufen M 13. Der Robotregent versucht, die galaktische Position der Erde herauszufinden und die Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Nach 10.000 Jahren taucht der Arkonide Atlan aus seiner Unterwasserkuppel im Atlantik auf und wird Perry Rhodans Freund.

Die Druuf dringen durch Überlappungsfronten aus ihrer Zeitebene in unser Universum vor. Menschen gelangen in das Druufuniversum, um dort der unheimlichen Gefahr zu begegnen.

2043 – Rhodans Frau Thora stirbt auf dramatische Weise, und ihr gemeinsamer Sohn Thomas Cardif wird zum Gegenspieler seines Vaters.

2044 – Die Terraner stoßen nach Arkon vor und verhelfen Atlan zu seinem Erbe. Die Erde wird von ihren Gegnern endgültig entdeckt.

1.

 

 

Die DRUSUS war eine gigantische stählerne Kugel mit einem Durchmesser von eintausendfünfhundert Metern. Sie gehörte zur Imperiumsklasse und war ein Superschlachtschiff des Solaren Imperiums. Für gewöhnlich fungierte Oberst Baldur Sikermann als Kommandant dieses Schiffes, aber wenn Perry Rhodan sich an Bord aufhielt, übernahm dieser das Kommando.

Seit ein paar Tagen stand die DRUSUS antriebslos vor dem Entladungstrichter, der das rote Universum der Druuf mit dem Einsteinraum verband. In letzter Zeit hatte die Stabilität der Überlappungszone zwischen zwei verschiedenen Raum-Zeit-Ebenen beträchtlich nachgelassen, und es war vermutlich nur noch eine Frage von einigen Wochen, bis der Entladungstrichter völlig in sich zusammenbrechen würde. Ein Überwechseln in die Zeitebene der Druuf – und umgekehrt – war kaum noch möglich; zu groß war die Gefahr, aufgrund unberechenbarer Energieentladungen innerhalb des Trichters vernichtet zu werden.

Trotzdem befand sich noch immer ein großer Teil der arkonidischen Robotblockadeflotte vor dem Trichter. Seit Wochen war kein Übergriff der Druuf mehr erfolgt, aber die Schiffe sollten erst zurückgezogen werden, wenn der Übergang zu einem anderen Universum verschwunden war.

Perry Rhodan und Baldur Sikermann standen vor dem großen Panoramabildschirm in der Zentrale der DRUSUS und beobachteten die nachlassenden energetischen Turbulenzen innerhalb des Entladungstrichters, als ein Hyperkomruf von Arkon eintraf.

»Gonozal VIII. wünscht Sie zu sprechen!«, rief der Cheffunker.

Rhodan musste unwillkürlich lächeln. Die terranischen Raumfahrer hatten sich schnell angewöhnt, Atlan bei seinem neuen Titel zu nennen.

Er entfernte sich von Sikermann und trat vor den ovalen Bildschirm des Hyperkoms, von dem aus ihn das scharfgeschnittene Gesicht Atlans anlächelte. In Atlans Gesicht waren aber auch Spuren von Müdigkeit zu erkennen; zu schwer war die Last der Verantwortung, die er tragen musste, seit er das Robotgehirn von Arkon als Herrscher über das Große Imperium abgelöst hatte.

»Hallo, Barbar! Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«

Rhodan lächelte zurück und setzte sich. Er wusste, dass Atlan ihn jetzt sehen konnte, mehr als dreißigtausend Lichtjahre entfernt. Was noch vor hundert Jahren wie das Gefasel eines Utopisten erschienen wäre, galt heute als alltäglich: Funksendungen über Zehntausende von Lichtjahren – ohne eine Sekunde Zeitverlust.

»Du kommst nie ungelegen, Imperator«, gab Rhodan ein wenig spöttisch zurück. »Aber ich nehme doch an, du hast einen Grund, wenn du mich sprechen willst. Wo brennt es denn?«

»Ich brauche Offiziere für meine Schiffe, Kommandanten für meine Ausbildungsschulen, Leiter für die Hypnouniversitäten, Direktoren für die automatischen Fabriken und Werke, Ausbilder für die Heere der Roboter und ...«

»Einen Augenblick«, unterbrach ihn Rhodan und hob abwehrend die Hände. »Wenn man dich so hört, dann könnte man meinen, du wolltest eine ganze Generation aktionsfähiger Arkoniden einfach aus der Taufe heben. Wo nichts ist, Atlan, ist auch nichts zu holen.«

»Es ist aber!«, erwiderte Atlan bedeutungsvoll. »Oder hast du ein so schlechtes Gedächtnis?«

Rhodan war verblüfft. Er wusste wirklich nicht, worauf Atlan anspielte. »Wie meinst du das?«, fragte er daher.

»Weißt du es wirklich nicht? Gut, dann will ich dich an einen kleinen Vorgang erinnern, der vor acht oder neun Monaten Erdzeit stattfand. Ende 2043 war es. Da kehrte ein Schneller Kreuzer mit seinem Kommandanten Wilmar Lund zur Erde zurück. Gucky war mit von der Partie, und der Mausbiber war es auch, der uns einen etwas merkwürdigen Bericht gab. Nun, erinnerst du dich jetzt?«

»Das Schiff der Ahnen!«, stieß Rhodan hervor. Darauf also spielte Atlan an.

»Ja.«

»Ich höre«, sagte Rhodan gelassen.

»Perry Rhodan, ich benötige diese hunderttausend Arkoniden zum Wiederaufbau des arkonidischen Imperiums.«

Nun war es heraus.

Rhodan nickte langsam vor sich hin, sah Atlan abwägend an und sagte schließlich: »Du willst also, dass ich das Schiff für dich suche und nach Arkon bringe?«

»Ja. Ist das zuviel verlangt?«

»Nein, Atlan, das nicht. Aber du änderst einen Plan deiner eigenen Vorfahren. Weißt du, welchen Sinn das Schiff der Ahnen hat?«

»Ich weiß nicht, welchen Sinn es ursprünglich hatte, aber ich weiß nur zu genau, welchen Sinn es heute haben kann, Perry. Das Schiff der Ahnen mit seiner wertvollen Fracht ist ein Geschenk der Götter. Guckys Entdeckung ist ein Hinweis, dem wir folgen müssen. Gerade jetzt werden die schlafenden Arkoniden benötigt, um das Reich zu retten. Vielleicht war es nicht nur Zufall, als Gucky das Schiff entdeckte.«

»Eine Art Fügung?«, meinte Rhodan fragend. Er nickte. »Also gut, vielleicht hast du recht. Die Daten des Ahnenschiffs sind im Positronengehirn des Schnellen Kreuzers ARCTIC gespeichert. Kommandant Lund weilt auf der Venus; er macht mit seiner gesamten Mannschaft dort einen Kursus mit. Ich kann ihn dort aufsuchen.«

Er sah Atlan die Erleichterung an.

»Ich danke dir, mein Freund. Die Gefahr der Druuf ist bald vorbei, aber dann wird es neue Gefahren geben. Bisher waren es gerade die Druuf, die alle Völker des Imperiums zusammenschweißten. Verschwindet diese allgemeine Bedrohung ...«

Rhodan wusste, was Atlan meinte. Sie sahen sich einige Sekunden lang in die Augen, dann erlosch der Schirm. Jeder der beiden außergewöhnlichen Männer wusste, dass er sich auf den anderen verlassen konnte – was immer auch geschah.

Rhodan kehrte zu den Hauptkontrollen zurück und nickte Sikermann zu. »Legen Sie die Sprungkoordinaten fest, wir kehren zur Erde zurück.«

Zwei Stunden später begann die DRUSUS ihre weite Reise zur Erde. Rhodan nutzte die Zeit, um sich daran zu erinnern, was Gucky über das Schiff der Ahnen berichtet hatte ...

2.

 

 

Die gigantische Metallkugel trieb durch die Unendlichkeit des Universums. Wenn man ihren Kurs zurückverfolgte, führte er hinein in das Gewimmel des galaktischen Zentrums, wo die Sterne dichter zusammenstanden und eine genaue Ortsbestimmung nahezu unmöglich machten. Verfolgte man ihn aber nach vorn, so endete er in der trostlosen Öde am Rand der Milchstraße. Doch die Kugel würde diesen Rand erst in einigen Jahrzehntausenden erreichen, wenn sie die bisherige Geschwindigkeit beibehielt.

Sie war nicht nur gigantisch, sondern auch künstlichen Ursprungs.

Im ersten Augenblick hätte man meinen können, einen kleinen Planeten vor sich zu haben, aber bei näherer Betrachtung erwies sich dieser Eindruck als falsch. Die Kugel war ein künstliches Gebilde, von denkenden Wesen konstruiert und in Fahrt gebracht.

Und, wie es schien, auch von intelligenten Lebewesen bemannt.

Hinter erleuchteten Bullaugen konnte ein Betrachter hin und wieder sich bewegende Schatten beobachten. Diese Schatten besaßen durchaus humanoide Formen, was darauf schließen ließ, dass Menschen das Innere der Kugel bevölkerten.

Die Kugel war ein Raumschiff.

Ein Schiff allerdings, das einen Durchmesser von anderthalb Kilometern besaß und sicherlich ein paar tausend Menschen Platz bot.

Unbeirrt zog es seine Bahn, unberührt von allen Ereignissen, die sich auf den Tausenden von bewohnten Planeten abspielten, die in der jeweiligen Nachbarschaft lagen. Die ständig eingeschalteten Strahlbrech-Felder verhinderten eine elektronische Entdeckung aus der Ferne, und kein umherstreifendes Schiff irgendeiner Rasse entdeckte den Wanderer, der seinem unbekannten Ziel entgegenflog.

Es gab niemand, der jemals in das Innere des geheimnisvollen Geisterschiffs geschaut hatte – außer jenen, die in ihm waren. Sie aber wiederum kannten nur das Innere und wussten nicht, was außerhalb der metallenen Wände vor sich ging. Sicher, sie sahen die langsam vorüberziehenden Sterne, aber sie gehörten zu ihrem Dasein. Die ewige Schwärze des Alls war ihr Tag, und die funkelnden Sonnen waren ihre ständigen Begleiter.

So riesig groß die Kugel aber auch sein mochte, gemessen an der Unendlichkeit des Universums war sie nichts als ein winziges Staubkorn, das einsam und unentdeckt seine vorgeschriebene Bahn zog, bis es eines Tages von der Ewigkeit verschluckt würde.

Niemand würde es jemals vermissen ...

Maschinist Sieben beendete seine Arbeitsschicht und machte sich auf den Weg in sein Wohnquartier. Er wurde von Maschinist Vier abgelöst, einem kräftig gebauten Burschen, der kaum ein Wort sprach und mit dem daher nichts anzufangen war. Maschinist Sieben liebte eine kurze Plauderstunde zwischen den Arbeitsschichten, aber Vier war kein dankbares Objekt für derartige Unternehmungen.

Missmutig schlenderte M-7 durch den schmalen Gang, bis er den Antigravlift erreichte. Ohne zu zögern, trat er hinein in den schwarzen Schacht und wurde sofort von der sanften Aufwärtsströmung erfasst, die ihn mit nach oben nahm. Sekunden später gesellte sich ein anderer Mann zu ihm.

M-7 kannte den Mann. Es war einer der Ärzte, die das Personal zu betreuen hatten. Wenn er sich nicht irrte, war es Arzt Drei, ein an sich freundlicher und umgänglicher Mann, zumindest wenn man als Kranker seiner Obhut unterstellt war.

Maschinist Sieben bedauerte es fast, jetzt nicht krank zu sein.

»Finden Sie die Luft heute nicht stickiger als sonst?«, erkundigte er sich vorsichtig, um ein Gespräch in Gang zu bringen. »Ich meine, es wäre wärmer als sonst.«

»Einbildung«, antwortete der Arzt kurz angebunden. Er schien nicht dazu aufgelegt, sich mit dem Maschinisten zu unterhalten. Aber M-7 gab nicht so schnell auf.

»Wie man sich täuschen kann ...«, entgegnete er und benutzte nun die übliche Abkürzung des Namens, der aus Berufsbezeichnung und Nummerierung bestand. »Vielleicht bin ich auch krank.«

A-3 betrachtete M-7 mit einem abschätzenden Blick, dann schüttelte er den Kopf. »Warum sollten Sie krank sein? Wenn Sie das Gefühl haben, melden Sie sich bei Ihrer Sektion krank und kommen anschließend zu mir. Wir werden dann schon sehen ...«

»Krank melden?« M-7 schien erschrocken. »Nur um ...«

Er stockte. Fast hätte er zuviel gesagt. Er konnte doch dem Arzt nicht verraten, dass er nur Sehnsucht danach hatte, sich mit jemandem auszusprechen. Seine Welt bestand nur aus Fragen, die niemals beantwortet wurden. Sicher, auch der Arzt würde die gesuchten Antworten nicht geben können, aber es wäre doch immerhin interessant zu erfahren, ob er sich die gleichen Fragen stellte.

»Nur um – was?«

M-7 zuckte mit den Schultern.

»Nichts«, sagte er knapp und sprang aus dem Lift. Es machte ihm nichts aus, dass er den falschen Korridor erwischt hatte, wenn er nur den forschenden und misstrauischen Blicken des Arztes entgehen konnte. Er sah die Beine von A-3 nach oben verschwinden und wartete zwei Minuten. Dann trat er erneut in den Lift und erreichte zehn Minuten später seine Wohnkabine, die er mit M-4 teilte, den er nur selten zu Gesicht bekam. Meist hatten sie unterschiedliche Arbeitsschichten, aber wenn sie wirklich einmal beide gleichzeitig frei hatten, lag M-4 untätig auf seinem Bett und ließ sich auf keine Diskussionen ein.

M-7 seufzte, wusch sich und legte sich dann hin.

Warum lebte er eigentlich?

 

Der Kommandant saß einsam in seiner Kabine.

Der kräftig gebaute Körper war ein wenig nach vorn gebeugt und verriet so sein Alter. Dieser Eindruck wurde durch die schneeweißen Haare erhöht, die das schmale und ovalgeformte Gesicht umrahmten, in dem zwei rötlich schimmernde Augen und eine fast frauliche Nase über dem engen Mund standen. Das Kinn war energisch und verriet ungewohnte Tatkraft, aber die weichen Linien um den Mund sprachen wiederum vom Gegenteil.

Die Hände des Kommandanten ruhten auf einem dünnen Stapel hauchfeiner Plastikakten, als wollten sie dafür sorgen, dass sie ihm niemand wegnahm. Ausgestreckt reichten die Füße fast bis zur anderen Seite des Metalltischs, der mit dem Boden verschraubt war. Lediglich der leichte Sessel konnte verrückt werden.

Die eine Wand bestand aus durchsichtigem Material und gab den Blick in den Weltraum frei. Zwei andere Wände waren mit technischen Kommandoinstrumenten bedeckt – den ganzen Reihen kleiner Bildschirme, Schalttafeln, Hebeln und Skalen. Dazu Stellknöpfe, Regulatoren und Nachrichtengeräte. In der vierten Wand waren lediglich zwei Türen. Eine davon führte in den Raum, den niemand außer dem Kommandanten betreten durfte.

Er sah auf, als ein leises Summen ertönte und der oberste linke Bildschirm aufleuchtete. Müde nickte er, erhob sich und drehte an dem Knopf, der unter dem Schirm zu sehen war. Sofort materialisierte darauf das Gesicht eines Mannes, der trotz der ebenfalls weißen Haare noch jung und frisch wirkte. Energische Gesichtszüge verrieten die Freude an schnellen Entschlüssen, und die farblosen Augen besaßen eine Schärfe, die jeden Gegner zur Vorsicht gemahnt hätte.

»Warum stören Sie mich, Offizier Eins?«

Der Mann auf dem Bildschirm verzog keine Miene.

»Ich muss mit Ihnen sprechen, K-Eins«, sagte er kurz. »Es ist wichtig«, fügte er hinzu.

Der Kommandant seufzte.

»Ich weiß, was Sie wollen.« Er nickte resigniert. »Warum hat die Jugend nie Zeit, bis sie dran ist? Ich weiß, dass meine Zeit fast abgelaufen ist, aber warum diese Eile, O-Eins? Sie sind mein Nachfolger ...«

»Ich merke kaum etwas davon«, gab der andere zornig zurück. »Wie soll das Junge sich entfalten können, wenn das Alte ihm keine Gelegenheit dazu gibt?«

Der Kommandant lächelte. »Entfalten, O-Eins? Sie wollen sich entfalten? Wenn Sie wüssten ...«

»Ich will es ja wissen! Also – haben Sie Zeit für mich?«

Der Kommandant schüttelte den Kopf. »Noch nicht, O-Eins. Ich werde Sie benachrichtigen, wenn es soweit ist. Sie ahnen nicht, nach welcher Verantwortung Sie drängen. Wenn Sie erst einmal an meinem Platz sitzen werden, werden Sie Ihre Voreiligkeit bereuen. Wer an meinem Platz sitzt, wird zum einsamsten Geschöpf der Welt.«

»Niemand kann einsamer sein als der, der sich freiwillig von den anderen abschließt. Und das tun Sie, Kommandant.«

»Sie werden es nicht anders machen, weil Ihnen keine Wahl bleibt. Eines Tages werden Sie mich schon verstehen, bis dahin gedulden Sie sich, bitte. Ich warne Sie, O-Eins! Jedes Drängen kann verhängnisvoll für Sie werden. Die Zeit ist noch nicht gekommen ...«

Der junge Mann auf dem Bildschirm nickte grimmig. »Bestimmen Sie es, wann die Zeit gekommen ist?«

Jetzt lächelte der Kommandant matt. »Nehmen Sie ruhig an, dass ich es bestimme – Ihr Gewissen wird dann nicht unnötig belastet. Die Wahrheit werden Sie erst dann erfahren, wenn Sie an meiner Stelle sitzen.« Er sah auf die Uhr über der Kontrolltafel. »Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich habe zu tun.«

Der Bildschirm erlosch jäh, ehe der Offizier antworten konnte.

Der Kommandant ließ sich wieder hinter dem Tisch nieder und stützte den Kopf in die Hände, als sei dieser plötzlich zu schwer geworden. Ganz in seinem Innern konnte er den jungen Offizier verstehen, der zu seinem Nachfolger bestimmt worden war. Aber das Reglement verbot jede Ausnahme bei der Strafe des Todes durch den Konverter. Der Nachfolger hatte zu warten, bis das Zeichen gegeben wurde. Dann erst durfte er sein Amt antreten, damit es nur immer einen Träger des Geheimnisses gab.

Ich muss so und so sterben, dachte der Kommandant mit aufsteigender Bitterkeit. Das ist nun einmal der Preis, den ich zu zahlen habe – alle vor mir zahlten ihn genauso wie alle jene, die nach mir kommen werden.

Nichts konnte die Kette unterbrechen.

Erneut wurde er durch das Summen der Nachrichtenanlage aufgeschreckt. Es war seine Pflicht, jeden Anruf zu beachten. Also erhob er sich und sah nach, ob es nicht wieder Offizier Eins war.

Diesmal war es Offizier Zwei, der Sprecher der Mannschaft.

»Kommandant, Ps-Fünf, A-Drei und R-Fünfundsiebzig haben um eine Unterredung gebeten. Wann wünschen Sie die Genannten zu sehen?«

Der Kommandant überlegte einige Augenblicke.

Dass der Arzt und der Psychologe eine Besprechung wünschten, war nicht außergewöhnlich. Das kam fast wöchentlich vor. Aber dass ihn auch der Reparateur 75 zu sprechen wünschte, gehörte nicht zu den Alltäglichkeiten. Mit einer Mischung von Neugier und Befremden sagte der Kommandant daher: »Erteilen Sie die Genehmigung. Ich erwarte die Genannten zum üblichen Zeitpunkt.« Aus einem inneren Gefühl heraus fügte er hinzu: »Ich möchte nur die drei Gemeldeten sehen, O-Zwei. Sorgen Sie dafür, dass O-Eins unter keinem Vorwand zugelassen wird.«

»Verstanden, Herr«, entgegnete der Sprecher und schaltete ab.

Der Kommandant setzte sich wieder und versank in tiefes Nachdenken.

Er ahnte, dass sich Unheil über seinem Haupt zusammenbraute.

Er wusste nur noch nicht, welcher Art dieses Unheil war.

 

Einige Tage Schiffszeit vorher ...

Der Psychologe sah erstaunt auf, als sich die Tür öffnete und Arzt Drei unangemeldet seinen Arbeitsraum betrat. Beide waren sie etwa im gleichen Alter, und wenn ihre Berufskleidung sie nicht unterschieden hätte, wäre es einem Fremden schwergefallen, sie auseinanderzuhalten.

»Nanu, A-Drei? Ein seltener Besuch ...«

»Ich muss mit dir reden, Ps-Fünf. Nur du kannst mir auf die vielen Fragen antworten, die ich mir stelle – und die mir gestellt werden.«

Der Psychologe zog die Stirn in Falten. »Fragen? Seit wann stellt man sich Fragen?«

»Das Leben hier stellt uns diese Fragen, und ich kann jeden verstehen, der sie an die führende Schicht weiterleitet. Das sind wir. Und wir dürfen nicht antworten.«

Der Psychologe lächelte. »Dürfen, mein Freund? Selbst wenn wir wollten, was könnten wir antworten? Was wissen wir denn schon vom Leben? Wir werden hier geboren, wir leben und arbeiten hier – und wir sterben auch hier, wenn unsere Zeit gekommen ist.«

»Aber – warum? Warum leben und sterben wir? Welchen Sinn hat unser Dasein? Das, Ps-Fünf, sind die Fragen, die mir in den letzten Tagen mehrfach vorgelegt wurden. Wie sollte ich darauf antworten? Ich weiß, dass solche Fragen verboten sind und dem Kommandanten gemeldet werden sollten, aber ich weiß auch, dass das Todeskommando zu jedem kommt, der solche Fragen stellt und gemeldet wird. Wenn wir nach den Befehlen gingen, gäbe es in dieser Welt bald kein Lebewesen mehr.«

Der Arzt beugte sich vor und sah dem anderen in die Augen. »Was ist diese Welt – weißt du das?«

»Niemand weiß es.« Der Psychologe schüttelte den Kopf. Dann lächelte er plötzlich wieder. »Warum willst du es wissen? Wir werden in ihr geboren und aufgezogen, wir erhalten unsere Aufgaben und erfüllen sie. Unsere Welt erhält uns, sie gibt uns zu essen, zu trinken und zu atmen, sie kleidet uns und gewährt uns einmal im Leben den Urlaub mit den Frauen. Und schließlich sorgt sie noch dafür, dass wir schnell und schmerzlos sterben. Wir müssen unserer Welt dankbar sein, dass sie so für uns sorgt. Bist du anderer Meinung?«

»Nein, ich bin nicht anderer Meinung, aber ich will wissen, warum das alles so ist und wer über uns steht.«

»Wer?« Der Psychologe sann vor sich hin und hörte auf zu lächeln. »Der Kommandant, wer sonst? Er gibt die Befehle, und er ist – zum Glück – genauso dem Tod verfallen wie wir. Für viele Menschen ist dieser Gedanke tröstlich genug, selbst freudig zu sterben, wenn die Reihe an sie kommt.«

»Der Kommandant«, sagte der Arzt ruhig, »ist nicht jener, der über uns allen steht.«

Der Psychologe fuhr mit einem Ruck zusammen. Seine Augen wurden schmal, und ein ängstlicher Blick ging zu den Rillen der unter der Decke befindlichen Entlüftungsanlage, als vermute er dort einen heimlichen Lauscher. In sein Gesicht trat ein lauernder Ausdruck, der sich mit Furcht mischte. »Was redest du für einen Unsinn? Du bringst uns noch beide in die Konverter!«

Der Tod im Atomreaktor – das war das Ziel ihres Lebens. Niemand konnte diesem Ziel aus dem Wege gehen, aber jeder Unvorsichtige konnte das unvermeidliche Ende beschleunigen. Der Kommandant war mit dem Todesurteil schnell zur Hand. Und sein Befehl war Gesetz.

Der Arzt wischte die Bedenken seines Freundes mit einer Handbewegung beiseite. »Unsinn, Ps-Fünf! Wir sind keine kleinen Kinder mehr, die man mit dem Konverter schrecken kann. Wir sind Manns genug, um uns im Notfall wehren zu können, wenn sie uns abholen wollen. Ich habe vorgesorgt. Glaubst du, ich hätte mir Gedanken gemacht, ohne mir Waffen zu verschaffen?«

»Waffen?«, fragte Ps-5 erstaunt. »Du weißt, dass der Besitz von Waffen verboten ist. Außerdem – wie solltest du an sie gelangen? Niemand in unserer Welt hat Waffen, außer ...«

»Stimmt! Außer den Wächtern hat niemand Waffen. Sie tragen sie in ihren metallenen Körpern verborgen. Man muss einen der Wächter zerstören, wenn man an seine Waffen gelangen will.«

Ungläubig starrte der Psychologe seinen Freund an. »Du willst doch damit nicht sagen ...«

»Doch, das will ich. Ich habe einen Wächter in den Hinterhalt gelockt und unschädlich gemacht. Dann nahm ich ihn auseinander und verschaffte mir seine Energiewaffen. Ein Maschinist half mir dabei. Er ist mein Vertrauter.«

»Ein einfacher Mann? Wird er dich nicht verraten?«

Nun lächelte der Arzt. »Der kann nicht, mein Freund. Ich machte ihn süchtig. Das ist verboten. Käme es heraus, würde ich bestraft – aber M-Vier erhielte keine Drogen mehr, und er würde elend zugrunde gehen. Du siehst, ich habe vorgesorgt. Ich bin somit fest entschlossen, die Wahrheit zu finden. Willst du mir dabei helfen, Ps-Fünf? Du kannst es dir überlegen. Wenn du anderer Meinung bist als ich, vergiss unser Gespräch. Ich vertraue deinem Wort.«

»Wer außer dir und diesem M-Vier weiß davon?«

»Niemand.«

Der Psychologe lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete gedankenvoll die Decke des Raumes. Hier arbeitete er, gab seine Anordnungen an die psychologische Abteilung und genoss ein gewisses Maß an Ansehen. Sollte er das alles aufs Spiel setzen, um seine Neugier zu befriedigen?

Saß er nicht gewissermaßen an der Quelle aller Informationen? War er nicht außer dem Kommandanten derjenige in dieser Welt, dem alle Neuigkeiten schon berufshalber zugetragen wurden? Warum sollte er noch neugieriger sein als die anderen?

Sein Blick fiel auf das Gesicht seines Freundes, der ihn erwartungsvoll ansah. In ihm spiegelten sich Hoffnung und Glaube, aber auch Furcht und verzweifelte Entschlossenheit.

Ihm kam ein plötzlicher Gedanke.

»Hast du eine solche Waffe bei dir?«, fragte er langsam.

A-3 nickte. Er griff in die Tasche und zog einen kleinen handlichen Stab hervor, der am anderen Ende eine gläserne Linse besaß.

»Du hast sie noch nie in Aktion gesehen, Ps-Fünf, aber ich kann dir versichern, dass ihre Wirkung schrecklich ist. Wenn ich will, kann ich damit sogar die Außenwände unserer Welt durchbohren und den Eistod hereinlassen. Damit einen Menschen zu töten, ist kein Problem.«

Der Psychologe erschauerte plötzlich. Er ahnte, dass er noch nie in seinem Leben dem Tod so nahe war wie in dieser Sekunde. Aber der Arzt war doch sein Freund ...

Oder?

Er starrte genau in die gläserne Linse und versuchte sich vorzustellen, wie der Tod aussah, der in dem silbernen Stab steckte. War es ein schneller und schmerzloser Tod? Oder ...

Wieder Frage auf Frage, auf die ihm niemand eine Antwort erteilte.

»Gestern kam ein Mann zu mir«, berichtete er und schloss die Augen, um den Silberstab nicht mehr sehen zu müssen. »Er war von seiner Abteilung geschickt worden, weil er während der Arbeit nicht mit der gebotenen Vorsicht zu Werke ging. Ich bekam nichts aus ihm heraus, und er verschwieg hartnäckig die Gründe seiner Zerstreutheit. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn unter das Psychostrahlgerät zu legen. Da löste sich seine Zunge, und ich erfuhr, warum er seine Pflicht nicht mehr so erfüllen konnte, wie man es von ihm verlangte. Willst du seine Geschichte hören?«

Der Arzt nickte stumm. Er behielt den Silberstab auch weiterhin in der Hand. Es war, als habe er ihn vergessen.

»Gut. Dann höre, A-Drei: Der Mann gehört zum Ausbesserungskommando im zehnten Sektor und ist einfacher Arbeiter. Vor etwa einem halben Jahr Schiffszeit fiel einer der Entlüfter aus und musste repariert werden. R-Fünfundsiebzig wurde damit beauftragt. Zusammen mit einem Kollegen machte er sich daran, die Ursache des Schadens zu finden und danach zu beheben. Die Entlüftungsanlage hatte noch nie zuvor versagt, daher war es nicht einfach, den Fehler zu finden. Schließlich wurde es notwendig, eine Wand zu durchbrechen, um an die eigentliche Anlage zu gelangen.«

A-3 beugte sich interessiert vor. »Hoffentlich war es nicht die Außenwand?«

»Nein, sie war es nicht, denn dann wären R-Fünfundsiebzig und sein Kollege sofort tot gewesen. Sie schweißten eine Öffnung in die sperrende Wand, gerade groß genug, um einem Menschen Durchlass zu gewähren. Natürlich handelten sie gegen die bestehenden Befehle, keine Veränderungen vorzunehmen. Ein Loch in der Wand ist aber eine Veränderung. Jedenfalls krochen sie durch die Öffnung und landeten in einem großen, halbdunklen Raum. In der Decke, so berichtete er mir, leuchteten kleine Lampen, die nur wenig Helligkeit von sich gaben. Die Rückseite des Entlüfters jedenfalls lag nun frei vor ihnen, der Fehler war schnell gefunden und konnte behoben werden. Anstatt aber nun sofort umzukehren und die Öffnung wieder zu beseitigen, untersuchten die beiden Männer den geheimnisvollen Raum – wenigstens hatten sie die Absicht, als sie gestört wurden. Ja, A-Drei, sie wurden dabei gestört. Selbst in diesen unerforschten Teilen unserer Welt gibt es die Wächter. Es gelang R-Fünfundsiebzig, sich schnell genug in Sicherheit zu bringen, aber sein Kollege wurde von einem Energiestrahl getroffen und starb sofort. Die Wächter verfolgten R-Fünfundsiebzig nicht, wie er es befürchtet hatte. Vielleicht erhielten die Wächter aber inzwischen einen gegenteiligen Befehl, denn sie zogen sich sofort zurück. R-Fünfundsiebzig verschweißte das Loch wieder und meldete sich bei seinem Vorgesetzten zurück. Er gab seinen Bericht ab und schilderte den Tod seines Arbeitskollegen, aber er verschwieg, was er in dem Raum gesehen hatte. Mir aber konnte er es nicht verschweigen, denn er lag unter der Psychobehandlung. Und so erfuhr ich, was ihn bedrückte. Es war ein großes und furchtbares Geheimnis, das niemand wissen kann, ohne daran zu sterben. Eben darum lebt R-Fünfundsiebzig noch.«

»Das verstehe ich nicht«, gab der Arzt zu.

Der Psychologe lächelte. »Du wirst es gleich verstehen. Der Reparateur hat mir ein Geheimnis verraten, von dem niemand Kenntnis haben darf. Würde ich dieses Geheimnis weitermelden, müsste R-Fünfundsiebzig sterben. Aber – ich würde mit ihm in den Konverter steigen müssen, denn ich kenne ja das Geheimnis auch. Und vielleicht sogar noch andere, denen ich es melden würde. Verstehst du jetzt, warum R-Fünfundsiebzig noch lebt?«

Der Arzt nickte. »Ja, jetzt verstehe ich. Aber nun berichte weiter – von welchem Geheimnis sprichst du?«

Der Psychologe sah wieder auf den gefährlichen Silberstab. »Kannst du das Ding wieder in die Tasche stecken, A-Drei? Es macht mich nervös, immer in die Linse eines Todesstrahlers zu blicken. Danke, mein Freund. Ja, das Geheimnis ... So genau konnte R-Fünfundsiebzig natürlich die Einzelheiten auch nicht unterscheiden, weil es nicht hell genug war, immerhin genügte die Dämmerung, ihn zwei lange Reihen durchsichtiger Blöcke erkennen zu lassen, zwischen denen immer genügend Raum blieb, dass die Wächter sich frei bewegen konnten. Jeder der Blöcke war durch Leitungen und Plastikröhren mit in der Wand eingelassenen Maschinen verbunden. In den Blöcken selbst war eine trübe Flüssigkeit, die dicker als Wasser sein musste, denn sie bewegte sich nicht. In dieser Flüssigkeit aber – schwammen Menschen.«

»Was?«, keuchte der Arzt und wurde blass. »Menschen?«

Der Psychologe nickte. »In jedem Block war ein nackter Mensch – Männer und Frauen. Und weißt du auch, wer diese Menschen sind? Nein, du weißt es nicht. Dann will ich es dir sagen, A-Drei. Diese Menschen sind unsere Vorfahren, die der Geschichte nach seit zehntausend Jahren tot sind. Aber sie sind damals nicht gestorben, nachdem sie unsere Welt auf den richtigen Kurs brachten, sondern sie stiegen hinab in die Tiefen unserer Welt und legten sich zum Schlaf nieder, bewacht von ihren metallenen Wächtern, die nicht nur uns, sondern auch den Kommandanten beherrschen und uns ihren Willen aufzwingen. Den Willen angeblich längst Verstorbener, A-Drei. Beginnst du nun zu ahnen, welchem Betrug wir zum Opfer gefallen sind?«

Der Arzt schüttelte langsam den Kopf. »Es kann nicht möglich sein, Ps-Fünf. Ich weiß, was du glaubst, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Wir können nicht die Sklaven längst Gestorbener sein ...«

»Sie sind nicht gestorben!«

Der Psychologe schrie es fast heraus und schloss dann erschrocken den Mund. Wenn ihn jemand hörte, war er verloren.

»Du meinst, sie leben noch?« Fast ungläubig sagte es der Arzt. Aber dann entsann er sich, dass er selbst Mediziner war und ein Thema anschnitt, auf dem er erfahrener sein musste als der Freund. »Natürlich, welchen Sinn hätten ihre zwar gut erhaltenen, aber toten Leiber? Sie leben also! Aber – warum leben Sie? Und – wer weiß davon?«

Der Psychologe beugte sich vor. »Wir, A-Drei. Wir wissen davon. Und R-Fünfundsiebzig – der aber wiederum nicht ahnt, dass ich ihm sein Wissen entlockte. Und das ist gut so. Ich habe ihn aus der Behandlung entlassen, ohne seinen Vorgesetzten Mitteilung zu machen, was die Ursache seiner Verstörtheit ist. Vielleicht hält er den Mund – dann wird er noch einige Zeit leben können.«

»Wir also wissen – und was fangen wir mit dem Wissen an?«

»Richtig betrachtet – was wissen wir schon? Irgendwo in einem unerforschten Teil unserer Welt liegen unsere Vorfahren in tiefem Schlaf, konserviert durch die Jahrhunderte – wenigstens ist das ihre Absicht gewesen. Vielleicht sind sie aber wirklich schon tot, gestorben durch einen unvorhergesehenen Fehler, und nur ihre Körper sind erhalten geblieben. Immerhin können wir nun ihre Absichten ahnen. Sie wollten eines Tages, wenn unsere Welt ihr Ziel erreichte, wieder geweckt werden. Die Generationen dazwischen, so nehme ich an, dienten nur dem Zweck, die Maschinerie in Gang zu halten. Wir glaubten, für uns zu arbeiten und zu leben, aber in Wirklichkeit taten wir es nur für die Schläfer im Mittelpunkt unserer Metallwelt. Ich frage mich nur, ob der Kommandant die Wahrheit kennt, oder ob auch er an der Nase herumgeführt wird.«

A-3 sah den Psychologen sinnend an. »Mit der Waffe in der Hand fühle ich mich sicher. Wer außer mir hat schon eine Waffe? Nur die Wärter. Sie kann man überlisten, denn sie sind keine Menschen, sondern nur Maschinen. Ich habe aber nicht nur einen Strahler, sondern drei. Ich kann dir einen geben. Wir können es somit wagen, den Kommandanten offen zu fragen und um Aufklärung zu bitten.«

»Du hast Mut«, erkannte der Psychologe neiderfüllt an. Er dachte einige Sekunden nach, dann fuhr er fort: »Schon in der Schule war die Frage nach dem Sinn unseres Daseins mein größtes Problem. Ich wusste, dass wir in den Heimen geboren wurden und niemals unsere Väter sehen würden. Auch die Mütter wurden uns schnell genommen, wenn man uns in die Anstalten brachte. Dann die Schule und schließlich die Lehrzeit oder das Studium. Und dann die Arbeit, bis wir alt genug sind, um im Konverter zu sterben. Selbst im Tod dienen wir unserem Volk, denn unser Körper liefert Energie. Der Kreislauf unseres Lebens ist klar und vorherbestimmt, aber ihm fehlt der Sinn. Wozu das alles? Warum? Welchem Ziel streben wir entgegen? Oder wandert unsere Welt vielleicht ziellos durch das Universum der Sonnen?«

»Wir wissen wenig über die Sonnen«, erinnerte ihn A-3 an die Unterrichtsstunden der Schule. »Wir kennen die Überlieferungen, mehr nicht. Und wer weiß, ob diese Überlieferungen nicht falsch sind, erfunden von jenen, die im Zentrum der Welt schlafen und auf ihre Stunde warten.« Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er langsam: »Es gibt eine bessere Lösung, als den Kommandanten zu fragen. Wir werden etwas unternehmen.«

Ps-5 beugte sich interessiert vor. »Was werden wir unternehmen?«

»Wir werden zusammen mit R-Fünfundsiebzig noch einmal in jenen Raum vordringen, in dem unsere Vorfahren schlafen. Vielleicht erfahren wir dann, was sie planten.«

Der Psychologe erschrak sichtlich, aber dann überwand er seine Furcht und nickte zögernd. »Vielleicht hast du recht, A-Drei. Lieber sterbe ich mit einer Gewissheit im Herzen, als dass ich im Ungewissen weiterlebe. Und wann?«

»Noch heute«, entgegnete der Arzt und erhob sich. »Du kannst den Arbeiter R-Fünfundsiebzig rufen lassen. Ich verberge mich im Nebenzimmer und trete in Erscheinung, wenn es notwendig sein sollte.«

Während er durch die Tür ging, zog er die Strahlwaffe aus der Tasche und entsicherte sie. Er schien gewillt, nicht das geringste Risiko einzugehen.

Ps-5 konnte es nur recht sein. Er drückte die Taste des Interkoms nieder und gab seine Anweisungen.

 

Reparateur Fünfundsiebzig wurde die Erinnerung an jenes bereits Monate zurückliegende Ereignis nicht mehr los. Wenn er schlief, plagten ihn grauenhafte Träume. Immer wieder sah er, wie sein Kollege von den grellen Energiefingern getroffen und getötet wurde. Immer wieder hörte er die metallischen Schritte der Wächter, die aus dem Dunkeln auf ihn zukamen, um ihn mit ihren kalten Händen zu ergreifen, aber immer wieder erwachte er auch rechtzeitig, um den gefürchteten Augenblick nicht mehr erleben zu müssen.

Vielleicht träumte er es eines Tages nicht mehr, und sie kamen wirklich, um ihn zum Konverter zu führen. Zum Glück kannte niemand sein Geheimnis. Solange er schwieg, war er sicher.

Und dann die langen Blockreihen mit den bewegungslosen Körpern. Was hatte das zu bedeuten? Waren es Tote der Vergangenheit, die zu irgendeinem unbekannten Zweck hier aufgehoben wurden? Wozu aber? Welchen Sinn hatten diese Toten, die schon seit Jahrtausenden in der Grabkammer weilten?

Oder – waren sie gar nicht tot?

Diese Frage hatte R-75 sich schon oft gestellt, ohne eine Antwort zu erhalten. Sein Wissen beschränkte sich auf technische Dinge, und er verstand kaum etwas von der medizinischen Wissenschaft.

Er schrak zusammen, als der Kommunikator schrillte. Die Stimme seines Vorgesetzten sagte aus dem Lautsprecher: »Du hast dich in der Psychologischen Abteilung zu melden, R-Fünfundsiebzig. Sofort! Bestätigung, bitte!«

»Verstanden«, sagte R-75 mühsam. Mit zitternden Händen streifte er den Anzug glatt und ging zur Tür. Was wollte man denn nun schon wieder von ihm? Hatte er den Test nicht gut bestanden? Oder hatte man gar Verdacht geschöpft und holte ihn zur neuerlichen Überprüfung?

Der Lift brachte ihn in das richtige Stockwerk. Während er den Korridor entlangschritt, versuchte er vergeblich, sich an eine Tatsache zu erinnern, die den Verdacht der Psychologischen Abteilung erregt haben mochte. Er suchte vergeblich. Er wusste aber auch, dass ein Zitieren vor den Psychologen niemals grundlos erfolgte. Das war es, was ihn beunruhigte.

Als er die Tür hinter sich schloss, wusste er bereits, dass seine Situation nicht ganz so ernst war, wie er befürchtet hatte. Der Psychologe lächelte ihm entgegen – ihm, einem einfachen Arbeiter.

»Setzen Sie sich, R-Fünfundsiebzig«, sagte Ps-5 gönnerhaft und deutete auf einen Stuhl. »Ich habe Ihnen einige Fragen zu stellen, und ich möchte Sie bitten, wahrheitsgemäß darauf zu antworten. Sie haben nichts zu befürchten, aber Sie sollen auch wissen, dass Schweigen in Ihrer Lage nur Nachteile für Sie bringt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

R-75 spürte, wie seine anfängliche Erleichterung mit einem Schlag verschwand. Zwar lächelte der Psychologe immer noch, aber dieses Lächeln hatte nun auf einmal die Bedeutung einer Falle.

»Ich weiß nicht ...«, begann R-75, aber er wurde sofort unterbrochen.

»Sie werden gleich wissen, mein Freund. Nur eines möchte ich Ihnen vorher noch sagen: Nach unserer Unterredung kann es nur zwei Alternativen geben. Entweder werden Sie und ich weiterleben, oder wir werden alle beide den Gang zu dem Konverter antreten müssen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«

»Der Konverter?«

Der Psychologe nickte grimmig. »Ja, der Konverter. Um es kurz zu machen: Sie waren vor einigen Tagen bei mir, weil Sie zu mir geschickt wurden. Ich unterzog Sie einer Psychobehandlung und erfuhr die Wahrheit über den Tod Ihres Arbeitskollegen – und somit erfuhr ich auch Ihr Geheimnis. Sie brauchen nicht zu erschrecken, denn Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Würde ich es zur Meldung bringen, stürbe ich mit Ihnen. Hoffentlich beruhigt Sie diese Feststellung.«

R-75 schien in der Tat erleichtert. Er war klug genug, die Bedeutung der Worte des Psychologen zu erkennen. Stumm nickte er.

»Also gut, wir sind uns einig«, fuhr Ps-Fünf fort. »Da Sie die Situation richtig erkannt haben, sehe ich nicht ein, warum ich Ihnen nicht gleich reinen Wein einschenken soll.« Er drehte sich um und sagte in Richtung der halb geöffneten Tür, die in das Nebenzimmer führte: »Doc, du kannst kommen. Ich denke, wir können R-Fünfundsiebzig unseren Plan entwickeln ...«

A-3 trat in den Raum und begrüßte R-75 mit einem Kopfnicken. Dann nahm er in dem dritten freien Sessel Platz.

 

Sie begegneten keinem Menschen und keinem Wächter.

R-75 führte sie, und er fühlte sich dabei nicht sehr wohl in seiner Haut. Er wusste, dass die beiden Männer hinter ihm bewaffnet und entschlossen waren, jeden Gegner auf der Stelle zu töten, ganz gleich, welche Konsequenzen sich daraus ergeben mochten. Aber R-75 fehlte noch das Vertrauen zu den unbekannten Waffen. Er hatte sie noch nie in der Hand eines Menschen in Aktion gesehen.

Sie glitten mit dem Lift dem Zentrum der gigantischen Kugelwelt entgegen und näherten sich den unbekannten Regionen der Maschinenräume. Bis hierher waren weder der Arzt noch der Psychologe jemals gelangt. Ihre Welt waren die blitzenden Gänge der wissenschaftlichen Sektionen. R-75 hingegen war sozusagen überall zu Hause. Sein Beruf brachte es mit sich, dass er an jeder Stelle des Schiffes eingesetzt werden konnte.

Er blieb stehen.

»Es ist nicht mehr weit. Eigentlich dürfte sich hier nun kein Mensch mehr aufhalten, aber ich wundere mich, dass wir keinem Wächter begegneten.«

»Die Wächter sind Maschinen, ihnen fehlt das impulsive Denken. Sie denken höchstens logisch. Sie vermuten niemand hier, weil niemand hier etwas zu suchen hat. Vergessen wir nicht, dass sie wahrscheinlich seit zehn Jahrtausenden ihr Amt ausüben. Und soweit wir die Geschichte unseres Volkes kennen, gab es noch niemals ein Ereignis wie dieses. Wir sind die ersten, die das Geheimnis zu ergründen suchen.«

»Vielleicht taten es andere vor uns«, warf der Arzt ein. »Sie starben mit ihrem Geheimnis, so dass niemand davon erfuhr.«

»Unwahrscheinlich, mein Freund. Ich wette, nicht einmal die Wächter kennen es. Höchstens jene, die hinter der Wand leben und die Schläfer betreuen.«

»Vielleicht«, räumte A-3 ein und schwieg.

»Gehen wir weiter«, sagte Ps-5 ungeduldig und wog die Strahlwaffe abschätzend in der Hand. Er wusste von dem Arzt, wie sie funktionierte, aber nur ein Versuch würde ihm die Wirksamkeit der Waffe verraten können.

Das Licht wurde immer spärlicher, und man konnte kaum die Hand vor den Augen sehen. Diese Regionen des Schiffes wurden selten betreten, also wurde mit Energie gespart. Die Vorräte schienen nicht unerschöpflich zu sein.

R-75 schritt weiter und machte vor einer Tür halt. Sie war in der Wand eingelassen, aber ein Versuch machte klar, dass man sie nicht verschlossen hatte.

»Dahinter liegt der Raum, der den Abschluss der Lufterneuerungsanlage bildet. Von hier aus alarmierte ich meinen Einsatzleiter. Sollen wir hineingehen?«

»Darum sind wir hier.« Ps-5 nickte ungeduldig und ging voran. Seine Waffe hielt er schussbereit, aber seine Vorsicht war unnötig. Bis auf mächtige Generatorenblöcke und Schalttafeln war der Raum leer.

Das Dämmerlicht war immerhin noch hell genug, um die rechteckige Schweißstelle in der gegenüberliegenden Wand zu zeigen. Man sah deutlich, dass an dieser Stelle ein Loch geschaffen und später wieder geschlossen worden war.

»Dort war es«, sagte R-75 und schauderte zusammen, als die Erinnerung ihn überkam. Was er bisher immer nur in Albträumen erlebt hatte, schien plötzlich Wirklichkeit werden zu wollen. »Aber ich habe keine Arbeitsgeräte bei mir. Wie wollen Sie den Durchbruch schaffen?«

Ps-5 gab keine Antwort. Der Arzt hingegen hob die Hand mit der Strahlwaffe.

»Damit«, sagte er entschlossen. »In ihr steckt genügend Energie, die ganze Wand abzuschmelzen. Aber wir haben es ja einfacher. Es genügt, wenn wir die eingesetzte Platte wieder entfernen.«

R-75 nickte unsicher. Er schien plötzlich Bedenken zu haben, aber dann überzeugte ihn ein Blick auf das Gesicht seiner beiden Begleiter davon, dass es kein Zurück mehr gab. Die Entscheidung war gefallen.

A-3 winkte Ps-5 und R-75 zu. »Tretet ein wenig zurück, am besten in die Ecke dort drüben. Es kann sein, dass die Energiestrahlen reflektiert werden. Wir müssen vorsichtig sein. So genau bin ich mit der Waffe nicht vertraut.«

Er wartete, bis die beiden Männer sich in Sicherheit gebracht hatten, duckte sich hinter einen Metallblock und richtete die Linse gegen die Stelle mit der Schweißnaht in der Mauer.

Der blasse Strahl zerfloss an der Wand, wurde aber nicht reflektiert. Schwer begann flüssiges Metall auf den Boden zu tropfen und erstarrte dort zu bizarren Pfützen. Zuerst konnte A-3 nichts sehen, da er zu sehr geblendet wurde, aber dann gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit.

Das ausgeschmolzene Loch kühlte an den Rändern nur langsam ab. In dieser Zeit hatten die Männer Gelegenheit, sich an das nun wieder herrschende Dämmerlicht zu gewöhnen. R-75 starrte mit verbissener Miene auf die entstandene Öffnung.

Schließlich murmelte er: »Wenn ich damals gewusst hätte, was ich dahinter finden würde, wäre ich niemals hindurchgeklettert. Seltsam eigentlich, dass ich damals keine Furcht verspürte. Heute ist das ganz anders.«

»Eine Gefahr, die man kennt, ist keine Gefahr mehr«, sagte Ps-Fünf kaltblütiger, als ihm zumute war. Mit der Hand tastete er über den gezackten Rand des Einstieglochs. »Es wird allmählich kühl. Ich denke, wir warten nun nicht mehr länger. Wenn es eine Alarmanlage gibt, werden die Wächter bald erscheinen. Wie lange dauerte es damals, R-Fünfundsiebzig?«

»So genau kann ich das nicht mehr sagen. Ich reparierte die Anlage und sah mich dann erst um. Nun, eine Stunde vielleicht.«

A-3 sah auf seine Uhr. »Eine halbe Stunde ist vorbei. Wir haben also nicht mehr viel Zeit.« Er lächelte plötzlich dünn. »Wer geht voran?«

Der Psychologe wusste, dass einer von ihnen die Führerrolle übernehmen musste, wenn das Unternehmen nicht scheitern sollte. Seine letzten Bedenken schwanden, als er das klar erkannte. Nicht eigentlich Mut beseelte ihn plötzlich, sondern mehr der Gedanke, seinem Schicksal nicht mehr entgehen zu können. Es war ihm völlig gleich, was mit ihm geschah, wenn er nur erfuhr, welches Geheimnis im Mittelpunkt des gigantischen Schiffes verborgen war.

»Ich gehe voraus«, sagte er und bückte sich, um durch das enge Loch zu kriechen. »Ihr könnt mir folgen, wenn ihr wollt.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, zwängte er sich durch die Öffnung und richtete sich jenseits der Wand wieder auf, nachdem er einen Schritt zur Seite getan hatte, um den Nachfolgenden Platz zu machen.

Es war nicht nur dämmrig, sondern auch völlig still. Hier war nichts mehr von den üblichen Geräuschen des Schiffes zu hören, aber die Luft war gut, wenn auch eisig kalt. In der Decke eingelassen, glühten in regelmäßigen Abständen kleine Lampen, die ein trübes Licht verbreiteten. An den Wänden verrieten ausgedehnte Schalttafeln verborgene Anlagen, die einem unbekannten Zweck dienen mochten.

Der Blick des Psychologen fiel auf die beiden langen Reihen der Glasblöcke. Die Flüssigkeit musste ein hohes spezifisches Gewicht haben, denn die reglosen Körper der Menschen lagen auf der Oberfläche und waren kaum eingesunken. So etwa lag ein Stück Holz auf Quecksilber.

»Phantastisch«, hauchte eine Stimme neben ihm. Es war der Arzt. »Sähe ich es nicht mit eigenen Augen, ich würde es nicht glauben.«

Ps-5 schien wie aus einem Traum zu erwachen. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Gehen wir.«

Er behielt seine Waffe schussbereit in der Hand, während er langsam auf den ersten Block zuschritt. Der Arzt folgte ihm, während R-75 neben dem Eingang stehenblieb und die Rückendeckung übernahm. Auch er hatte eine Strahlwaffe erhalten und wusste, wie man sie bediente.

Vor dem ersten Block blieben sie stehen.