cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 37

 

Arsenal der Giganten

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Das Solare Imperium der Menschheit steht vor seiner schwersten Bewährungsprobe. Die so genannte Zeitpolizei will die Menschheit für ein Zeitverbrechen bestrafen, das sie niemals begangen hat. Aus diesem Grund greifen lebende Kampfmaschinen aus einer fernen Galaxis, die Zweitkonditionierten, die bewohnten Welten des Imperiums an. In ihren lebenden Raumschiffen, den Dolans, sind die Gegner kaum zu schlagen.

 

Zwar haben die Menschen das Sonnensystem in eine schwer bewaffnete Festung verwandelt, aber die Angreifer scheint nichts aufhalten zu können. Terras einzige Chance ist der Einsatz eines Sonderkommandos: Seine Spezialisten dringen in das Arsenal der Giganten ein, wo sie eine grauenvolle Entdeckung machen ...

 

In der Zwischenzeit spitzt sich in der fernen Galaxis M 87, rund 30 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, die Lage für Perry Rhodan und seine Begleiter zu. Die Menschen an Bord der CREST IV sehen sich einer Umgebung voller Rätsel und Fallen ausgesetzt, ohne Hoffnung darauf, in die Heimat zurückkehren zu können.

Vorwort

 

 

Das vorliegende Buch weist größere Eingriffe in die Handlung der Originalserie und deren Chronologie auf, als es in letzter Zeit üblich gewesen ist. So haben wir uns entschlossen, die Geschichte mit Heiko Anrath als Rhodans Double ganz wegzulassen. Nach dem Verschwinden der CREST IV sollte einer ganzen Milchstraße mit allen ihren Intelligenzen und Geheimdiensten weisgemacht werden, dass ein Perry Rhodan (der falsche) nach wie vor an der Spitze des Solaren Imperiums wirken würde. Abgesehen von der Unlogik erscheint mir diese Vorgehensweise ziemlich bedenklich.

In diesem Buch ist Rhodan also genau dort, wohin es ihn mit seinen Getreuen und der CREST IV verschlagen hat, in M 87, runde 32 Millionen Lichtjahre von der Heimatgalaxis entfernt. Nicht zuletzt beugen wir so auch einer Wiederholung der Doppelgängergeschichte vor, wenn wir einmal bei den 600er Bänden sind ...

Die zweite »Manipulation« ist rein technischer Natur und betrifft die Vertauschung der Romaninhalte, die in M 87 und in der Milchstraße spielen. So beginnen wir mit der Heimatgalaxis und hören mit M 87 auf – wo das nächste Buch dann nahtlos anschließen wird.

Was nicht geändert wurde (das wäre auch schier unmöglich), sind die Beschreibungen der solaren Planeten, in diesem Fall hauptsächlich Neptun. Natürlich sind wir durch die Voyager-Sonden längst alle viel schlauer geworden, aber Neptun ist in PR weiterhin ebensowenig eine »verhinderte Sonne«, wie die STARDUST auch nur ein Jahr nach 1971 zum Mond fliegt. Und so wollen wir's auch in Zukunft weiterhin halten.

Die diesem Buch zugrunde liegenden Originalromane sind (ungeachtet aller Kürzungen, und in dieser Reihenfolge): Ein Mann wie Rhodan von William Voltz, Kampf um den Neptunmond von H. G. Ewers, Das Meer der Träume von Kurt Mahr, Im Arsenal der Giganten und Die Flotte der gläsernen Särge von William Voltz und Ein Planet läuft Amok von H. G. Ewers.

 

Herzlich gedankt sei – wie stets – Franz Dolenc für seine hervorragende Mitarbeit, und allen Lesern, die uns mit Lob und Tadel, aber vor allem durch ihre Anregungen, bei der Fortführung der PR-Buchausgabe eine ganz wertvolle Hilfe sind.

 

Gaggenau, Winter 1989

Horst Hoffmann

Zeittafel

 

 

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe arkonidischer Technik Aufbau der Dritten Macht.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Perry Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

1984 – Galaktische Großmächte versuchen, die aufstrebende Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Der unsterbliche Arkonide Atlan taucht auf.

2400/2 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda. Abwehr von Invasionsversuchen aus der Nachbargalaxis.

2404/6 – Direkter terranischer Vorstoß nach Andromeda und Begegnung mit den Tefrodern – wie die Terraner Nachkommen der Lemurer, die vor 50.000 Jahren die Milchstraße beherrschten. Die geheimnisvollen Herren Andromedas, »Meister der Insel«, werden nacheinander Opfer ihrer eigenen Machtgier.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN erscheint in der Galaxis und wird durch eine Fehlschaltung zum übermächtigen Gegner Terras. Mächte aus der Großen Magellanschen Wolke versuchen ihn zum Werkzeug einer Bestrafungsaktion gegen angebliche »Zeitverbrechen« der Terraner zu machen.

2436 – Nach Ausschaltung der Gefahr aus Magellan erscheinen die so genannten Zweitkonditionierten mit ihren organischen Raumschiffen und schicken sich an, die Strafe an der Menschheit zu vollziehen. Alle Unschuldsbeteuerungen sind nutzlos. Die Zweitkonditionierten bringen OLD MAN unter ihre Kontrolle und holen zum finalen Schlag gegen das Solsystem aus – während Perry Rhodan, Atlan und viele Schicksalsgefährten in eine mehr als dreißig Millionen Lichtjahre entfernte Galaxis geschleudert wurden und dort einen verzweifelten Überlebenskampf beginnen müssen. In der Heimatgalaxis gelten sie als verschollen und tot.

Prolog

 

 

Am 12. Januar 2436 geschieht es: Das solare Flaggschiff CREST IV wird durch unbekannte Energien im Kampf gegen die Zeitpolizei aus der Galaxis geschleudert und materialisiert in einer weit entfernten, völlig unbekannten Region des Universums.

Für Reginald Bull und die anderen Zurückgebliebenen muss es so aussehen, als wäre das Schiff mit Perry Rhodan, Atlan, vielen Mutanten und der gesamten Standardbesatzung verloren. Aber die Geschehnisse in der Milchstraße lassen Bull nicht viel Zeit, sich mit dem Schicksal seiner Freunde eingehend zu beschäftigen.

Kurz nach dem Verschwinden der CREST taucht der gigantische Trägerroboter OLD MAN mit seinen rund 15.000 Ultraschlachtschiffen in den Linearraum ein. Als sein Ziel wird das Solsystem angenommen. OLD MAN, ursprünglich als Geschenk an die Menschheit erbaut, ist in der Gewalt der Zeitpolizei und soll nun dazu herhalten, die Terraner für ein »Zeitverbrechen« zu bestrafen, das sie niemals begangen haben.

Staatsmarschall Bull lässt die terranische Flotte sammeln und zieht sie ins Solsystem zurück. Er informiert die galaktische Öffentlichkeit ausführlich über die Ereignisse in der Großen Magellanschen Wolke. Die Nachricht vom Verschwinden der CREST löst Bestürzung und Panik aus, doch es gelingt den Verantwortlichen, die kritische Situation zu meistern und größere Unruhen zu verhindern.

Dabei fällt der gemeinsamen Bedrohung der Menschheitswelten durch die Zeitpolizei und OLD MAN eine besondere Rolle zu. Die Terraner sind bereit, den Kampf gemeinsam aufzunehmen, wobei ihnen NATHAN von Luna aus mit Strategien für den Ernstfall eine wertvolle Hilfe ist.

Innerhalb des Solsystems warten nun 60.000 fliegende Festungen auf den Gegner, die zusammen das so genannte Transmiform-System bilden. Es sind kleine, plattformähnliche Flugkörper, die auf verschiedenen Umlaufbahnen die Sonne umkreisen. Von mehreren Leitstellen aus gesteuert, können ihre Transformkanonen auf jeden Körper ausgerichtet werden, der an irgendeiner Stelle unbefugt ins Solsystem einzudringen versucht.

Dazu kommen insgesamt rund 50.000 Raumschiffe aller Größenordnungen.

Am 28. Januar 2436 übermitteln Kurierschiffe die Bestätigung, dass das Ziel OLD MANS und der Schwingungswächter nun eindeutig Terra ist und innerhalb der nächsten Tage mit der Ankunft des Robotriesen gerechnet werden muss.

Reginald Bull erwartet den Gegner vorerst von Terrania aus, um vom dortigen Hauptquartier der Flotte aus alle Aktionen zu leiten.

Die drohende Auseinandersetzung mit einem unvorstellbar hoch überlegenen Gegner verlangt ihm seine ganze Aufmerksamkeit ab. Und doch schweifen seine Gedanken immer öfter zu seinem alten Weggefährten Perry Rhodan ab und zu den vielen anderen Menschen, die jetzt entweder nicht mehr existieren – oder an einem Ort, sofern, dass kein Hyperfunk in der Lage ist, eine Nachricht zur Milchstraße zu bringen ...

1.

 

 

Am 31. Januar 2436, 13.46 Uhr Erdzeit, tauchte der von sechs Zweitkonditionierten beherrschte Robotgigant OLD MAN eine Million Kilometer vor der Plutobahn aus dem Linearraum auf.

Schon ein paar Sekunden später waren die Kommandanten sämtlicher terranischen Schiffe vom Erscheinen des Gegners unterrichtet. Die Transformkanonen der fliegenden Plattformen wurden feuerbereit gemacht. Auf den besiedelten Planeten und Monden des Sonnensystems sowie auf den Trägerschiffen warteten Zehntausende von Moskito-Jägern auf ihren Einsatz.

Vier Minuten nachdem OLD MAN die Halbraumzone verlassen hatte, sprach Reginald Bull mit Julian Tifflor, der sich an Bord der DRUSUS III aufhielt. Die DRUSUS III gehörte zu jenen Schiffen der Heimatflotte, die im Randgebiet des Sonnensystems operierten. Tifflor und Bull unterhielten sich über Hyperfunk.

»OLD MAN hat abgestoppt«, berichtete Tifflor dem Staatsmarschall. »Ich glaube nicht, dass ein unmittelbarer Angriff bevorsteht. Die Schwingungswächter werden sich zuerst orientieren wollen.«

Bull atmete auf.

»Wir halten uns an den Plan«, sagte er zu Tifflor. »Solange OLD MAN und die Zeitpolizei nicht angreifen, ignorieren wir ihre Anwesenheit. Sorgen Sie dafür, dass nicht irgendein unternehmungslustiger Draufgänger auf eigene Faust handelt und eine Raumschlacht beginnt.«

»Die Kommandanten haben klare Befehle«, erwiderte Tifflor. »Das Gebiet, in dem OLD MAN sich jetzt befindet, wird von unseren Schiffen abgeriegelt, damit sich kein neugieriger Handelskapitän mit seinem Schiff nähern kann. Wir lassen niemanden an den Robotgiganten heran.«

Bull nickte zufrieden. Er wusste, dass er sich auf Tifflor verlassen konnte.

 

Zwei Tage später. Reginald Bull befand sich in einem Gleiter auf dem Weg in das Hauptquartier der Solaren Abwehr, als er über Funk angerufen wurde. Er schaltete auf Empfang. Ein aufgeregter Major der Solaren Flotte meldete sich.

»Kommen Sie bitte schnell zurück, Sir!«, rief der Mann. »Soeben hat uns Solarmarschall Julian Tifflor über Hyperfunk gemeldet, dass sich ein Dolan von OLD MAN gelöst hat und Kurs auf die Erde nimmt.«

Bull biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu fluchen.

»Ich bin in zwei Minuten da«, versprach er. »Sagen Sie Tifflor, dass er noch nichts unternehmen soll.«

Er beschleunigte den Gleiter und landete kurz darauf auf dem Dach des Hauptgebäudes. Er fragte sich, ob die Zeitpolizei nur einen Erkundungsflug unternahm, oder ob ein Angriff erfolgen würde. Nur NATHAN konnte darauf eine Antwort geben. Das bio-positronische Rechengehirn auf Luna würde alle vorliegenden Daten auswerten.

Bull sprang aus dem Gleiter und hastete zum nächsten Lift. In Rekordzeit erreichte er sein Büro. Einige Offiziere waren anwesend. Die Bildschirme der kombinierten Funkanlage leuchteten. Auf einem anderen Schirm erblickte Bull ein etwa hundert Meter durchmessendes Gebilde, das von einem Schwarm kleiner Schiffe verfolgt wurde.

»Das ist er!«, sagte Tifflor grimmig, als er auf dem Bildschirm an Bord der DRUSUS III bemerkte, dass Bull eingetroffen war. »Wir haben ihn bisher nicht angegriffen.«

Bull ließ sich wortlos in einen Sessel sinken.

»Haben Sie alle vorliegenden Daten an NATHAN gegeben?«, erkundigte er sich.

»Ja«, bestätigte Tifflor.

Bull nickte. »In wenigen Minuten wird sich herausstellen, ob wir zu verhandeln versuchen oder ob wir den Dolan angreifen.«

 

Als der Dolan sich 600.000 Kilometer von OLD MAN entfernt hatte, traf an Bord der DRUSUS III eine Nachricht von Reginald Bull ein. Tifflor erfuhr, dass NATHAN eine Verhandlungstaktik im derzeitigen Stadium als sinnlos ansah. Die Schwingungswächter waren nur mit Gewalt zurückzuschlagen.

Tifflor hatte mit einer solchen Auskunft gerechnet.

Trotzdem fühlte er sich beunruhigt. Er machte sich keine Illusionen über die Kräfteverhältnisse bei einem bevorstehenden Kampf.

Die Zeitpolizisten schienen sich ihrer Überlegenheit bewusst zu sein. Die Tatsache, dass sie nur einen Dolan losschickten, bewies deutlich genug, was sie von den Verteidigungsmöglichkeiten der Terraner hielten.

Tifflor starrte auf den Bildschirm. Zusammen mit Bull hatte er eine völlig neue Taktik für den Fall ausgearbeitet, dass sich ein Dolan der Erde nähern würde.

Während Tifflor beobachtete, verschwand der seltsame Flugkörper im Hyperraum. Sofort ließ Tifflor alle Einheiten der Heimatflotte und die Plattformen des Transmiform-Systems alarmieren. Es musste damit gerechnet werden, dass der Dolan innerhalb des Sonnensystems wieder ins Normaluniversum zurückkehrte.

Ein paar Minuten später wurde der Dolan in der Nähe zweier fliegender Plattformen wieder sichtbar. Der Schwingungswächter, der sich an Bord des Retortenwesens aufhalten musste, ignorierte den Beschuss durch die Transformkanonen. Hilflos beobachtete Tifflor, wie der Dolan die entfesselten Energien in den Hyperraum ableitete und unbeschadet weiterflog.

Die Transmiform-Festungen waren nicht in der Lage, das Unheil abzuwehren.

Reginald Bull meldete sich über Funk. Er sprach ungewöhnlich schnell.

»Die Plattformen haben versagt«, stellte er fest. »Auf diese Weise können wir den Dolan nicht aufhalten. Ich will noch einen letzten Versuch unternehmen, die Schwingungswächter zu stoppen, bevor wir unseren Plan ausführen.«

Tifflor blickte grimmig auf den Bildschirm.

»Glauben Sie, dass es einen Sinn hat, wenn Sie sich mit den Zeitpolizisten an Bord OLD MANS in Verbindung setzen?«

»Wenn ich mich innerhalb der nächsten fünf Minuten nicht melde, müssen Sie die entscheidenden Befehle geben«, sagte Bull. »Wenn es uns nicht gelingt, diesen Dolan zurückzuschlagen, sind wir verloren.«

Tifflor musste beobachten, wie der Dolan drei Plattformen vernichtete, bevor er abermals in den Hyperraum ging. Ein Verband von dreißig Schlachtschiffen, der in den Kampf eingreifen wollte, stieß ins Leere. Tifflor bezweifelte aufgrund der bisherigen Erfahrungen und NATHANS Analysen, dass die Entscheidung mit großen Schiffen herbeigeführt werden konnte. Sorgenvoll konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf OLD MAN, der noch immer eine Million Kilometer jenseits der Plutobahn stand. Was sollten sie tun, wenn auch die fünf anderen Dolans angriffen? An die Ultraschlachtschiffe, die OLD MAN einsetzen konnte, wagte Tifflor nicht zu denken.

Als der Dolan wieder sichtbar wurde, befand er sich bereits in der Nähe der Marsbahn. Tifflor blickte auf die Uhr. Fünf Minuten waren verstrichen. Die Zeitpolizisten hatten Bulls Appell wie erwartet ignoriert.

Tifflor gab einen allgemeinen Befehl an alle Schiffe der Flotte. Die Kommandanten wussten, was sie zu tun hatten. Das hundert Meter durchmessende Ungeheuer durfte die Erde nicht erreichen.

 

Julian Tifflor fragte sich, welche Gedanken den Schwingungswächter an Bord des bis zur Marsbahn vorgedrungenen Dolans bewegen mochten, als er sah, dass sich die terranischen Großkampfschiffe zurückzogen. Wahrscheinlich nahm der Zweitkonditionierte an, dass seine Feinde bereits kapituliert hatten. Das konnte den Terranern nur recht sein.

Plötzlich entstanden rund um den Dolan etwa 30.000 schwache Ortungsimpulse. Das waren die 26 Meter langen Moskito-Jäger, die sich jetzt von allen Seiten dem Gegner näherten, um aus ihren starr eingebauten Transformkanonen das Feuer zu eröffnen.

NATHANS Auswertungen hatten ergeben, dass ein Kampf gegen einen Dolan mit großen Schiffen – trotz deren Offensivkraft – allein nicht siegreich sein konnte, da sie sich aufgrund ihrer Größe bei der erforderlichen Ballung gegenseitig behinderten. Die Biopositronik hatte vorgeschlagen, auch die Moskito-Jets zum Einsatz zu bringen. Diese Kleinraumschiffe besaßen infolge ihrer Wendigkeit eine nicht zu unterschätzende Kampfkraft. Sie konnten näher an den Gegner herangehen als Großschiffe und die Transformgeschütze dadurch wirkungsvoller einsetzen.

Die DRUSUS III stand rund 100.000 Kilometer vom Kampfplatz entfernt. Julian Tifflor vertraute den Elitepiloten, die die Besatzungen der wendigen Jäger bildeten.

Im selben Augenblick, da sich die ersten Geschwader auf den Dolan stürzten, stiegen von den Stützpunkten im Sonnensystem weitere zwanzigtausend Moskito-Jäger auf.

Der Dolan hatte ein Paratronfeld aufgebaut. Als die ersten Gigabomben explodierten, wurden die Energien in den Hyperraum abgeleitet. Der klaffende Strukturriss im Raum-Zeit-Kontinuum ließ die Ortungsanlagen der DRUSUS III verrückt spielen. Etwa zweihundert Kleinstraumschiffe, die nicht schnell genug geflüchtet waren, verschwanden durch den Strukturriss im Hyperraum.

Tifflor wusste, dass auch die Leistung des Paratronfeldes nicht unerschöpflich war. Er hoffte, dass die Moskitos den Dolan zumindest in Bedrängnis bringen konnten.

In immer neuen Wellen flogen die Schiffe ihre Einsätze. Der Dolan hatte seine Fahrt längst abgestoppt. Es war deutlich zu erkennen, dass der Schwingungswächter die Angreifer nicht so zurückschlagen konnte, wie er das gewohnt war. Die Piloten der Jäger gaben dem Zeitpolizisten keine Gelegenheit zu Gegenangriffen.

 

Fellmer Lloyd klopfte dem Piloten des Jägers auf den Rücken.

»Drehen Sie ab!«, befahl er. »Wir müssen einen Funkspruch absetzen.«

Während der Raumfahrer das kleine Schiff aus dem Wirkungsbereich des Paratronfeldes rasen ließ, schaltete der Mutant das Hyperfunkgerät ein. Wie Lloyd erwartet hatte, war die Verbindung zur Erde schlecht. Bulls Stimme war jedoch zu verstehen.

»Ich habe soeben seltsame Hilferufe auf parapsychischer Basis empfangen«, berichtete Lloyd. »Ich bin davon überzeugt, dass die Exekutoren an Bord des Dolans in Panik geraten sind.«

»Was?« Bull schien zu schreien. »Ich verstehe Sie nur schlecht, Fellmer.«

»Wir müssen noch weiter vom Strukturriss weg«, befahl Lloyd dem Piloten. »Beeilen Sie sich! Der Staatsmarschall muss den Angriff der nächsten Einheiten veranlassen.«

Während der Jäger durch den Raum schoss, wiederholte Fellmer Lloyd seine Nachricht.

»Können Sie Einzelheiten berichten?«, erkundigte sich Bull, der jetzt offenbar deutlich verstanden hatte, worum es ging.

»Die Impulse sind zu fremdartig«, erklärte Lloyd. »Die Exekutoren befürchten eine Niederlage und wollen den Schwingungswächter zum Rückzug veranlassen.«

»Sir!«, schrie der Pilot dazwischen. »Sehen Sie doch! Der Dolan ergreift die Flucht!«

Fellmer Lloyd warf einen Blick auf den Bildschirm. Er stellte fest, dass der Pilot sich nicht getäuscht hatte.

»Was geschieht im Augenblick?«, erkundigte Bull sich ungeduldig.

Fellmer Lloyd berichtete, was er auf dem Bildschirm beobachtete. Gewaltsam unterdrückte er das Gefühl aufsteigender Erleichterung. Noch war nicht sicher, ob das Retortenwesen sich tatsächlich zurückzog. Vielleicht war das augenblickliche Manöver nur ein Trick, um die Piloten der Jäger zur Unvorsichtigkeit zu verleiten.

Mit seinen telepathischen Sinnen »lauschte« Fellmer Lloyd in den Raum hinaus. Obwohl sich die Entfernung zwischen ihm und dem Dolan erheblich vergrößert hatte, erschien es ihm, als seien die Hilferufe der Exekutoren noch dringlicher geworden. Der Schwingungswächter hatte die sieben Bewusstseinshüter offenbar nicht mehr in seiner Gewalt.

»Ich lasse jetzt weitere zwanzigtausend Jäger angreifen«, drang Bulls Stimme aus dem Lautsprecher der Funkanlage. »Nur durch einen entscheidenden Sieg können wir verhindern, dass die Zeitpolizisten erneut angreifen.«

»Verringern Sie die Geschwindigkeit!«, befahl Lloyd dem Piloten. »Ich will genau beobachten, was jetzt geschieht. Außerdem möchte ich herausfinden, wie sich die Exekutoren verhalten, wenn die nächsten Geschwader angreifen.«

 

General Nikolay Trestinow, Oberkommandierender auf dem Mars, verfolgte gebannt die unwirkliche Raumschlacht. Er atmete auf, als sich ein Sieg der Moskito-Jäger abzeichnete. Trestinow war kein Mann, den es lange in einem Bürostuhl hielt. Innerlich fieberte er mit den Besatzungen, die draußen im All ihr Leben einsetzten.

Trestinow hoffte, dass nicht im letzten Augenblick andere Dolans dem bedrohten Zeitpolizisten zu Hilfe kamen.

Den Moskito-Jägern, die sich jetzt erneut in großer Zahl zum Angriff formierten, war ein einzelner Dolan ganz offensichtlich nicht gewachsen. Alles hing davon ab, welche Rückschlüsse die auf OLD MAN zurückgebliebenen Schwingungswächter aus dem bisherigen Ausgang des Kampfes zogen.

Trestinow strich nervös über sein kurzgeschorenes Haar, das an den Schläfen bereits grau wurde. Er wusste, was bei dieser Auseinandersetzung auf dem Spiel stand. Wenn dem Dolan der Durchbruch zur Erde gelang, drohten der Menschheit Sklaverei und Vernichtung. In ihrem blinden Fanatismus würden die Zweitkonditionierten die Menschen für Verbrechen bestrafen, für die die längst nicht mehr existierenden Meister der Insel verantwortlich waren.

Die Übertragung der Raumortung war nicht so einwandfrei wie an Bord eines Schiffs, aber Trestinow konnte genau sehen, was im Kampfgebiet vorging. Der Dolan befand sich noch immer auf dem Rückzug. Offenbar war der Schwingungswächter nicht in der Lage, mit größerer Geschwindigkeit zu fliehen. Trestinow führte das auf den Ausfall einiger Exekutoren zurück.

Plötzlich entstand weit vom Mars entfernt ein blutrot leuchtender Strukturriss. Der Dolan schien sich aufzublähen. Wie ein Spielball raste er an den Randlinien des Strukturrisses entlang. Dann erfolgte eine seltsame Explosion. Es sah aus, als würde das hundert Meter durchmessende Retortenwesen auseinanderfallen. Grell leuchtende Fragmente verschwanden im Hyperraum.

Der zu den Ortungsanlagen gehörende Strukturtaster schlug mit einem Knall durch. Später erfuhr Trestinow, dass sich an Bord aller terranischen Schiffe innerhalb des Sonnensystems das gleiche ereignet hatte.

Der Hyperschock war von nicht mehr erfassbarer Stärke.

Ein paar Sekunden später hatte sich der Dolan endgültig aufgelöst.

 

Reginald Bull wunderte sich nicht darüber, dass seine anfängliche Erleichterung so rasch verflogen war. Im Grunde genommen war der Sieg über den Dolan bedeutungslos, denn ein massierter Angriff der fünf anderen Schwingungswächter musste zur Katastrophe führen; besonders dann, wenn die fünfzehntausend Ultraschlachtschiffe OLD MANS ebenfalls in den Kampf eingriffen.

Die lunare Biopositronik hielt einen solchen Angriff in den nächsten Tagen für unwahrscheinlich. Die Zweitkonditionierten hatten offensichtlich Schwierigkeiten mit ihren Exekutoren, nachdem ein als nahezu unbesiegbar geltender Dolan vernichtet worden war, und waren vorerst damit beschäftigt, die neue Lage zu sondieren.

Die Ruhe, die jetzt im Solsystem herrschte, war in jeder Beziehung trügerisch. Die terranische Flotte beobachtete OLD MAN ununterbrochen, bereit, jederzeit loszuschlagen, falls die Schwingungswächter feindselige Aktionen starteten.

2.

 

 

Die beiden Oxtorner sahen die Sperre im selben Augenblick. Ein Gitter zog sich von einer Wand des Tunnels zur anderen, und zwischen zwei Kampfrobotern trat ein Milizsoldat hervor und schwenkte eine rote Lampe.

Perish Mokart bremste das Geländefahrzeug ab und stieß eine Verwünschung aus.

»Immer mit der Ruhe, Junge!«, sagte Cronot Mokart. Er ließ das transparente Kuppeldach der »Superschildkröte« zurückfahren und beugte sich hinaus.

»Hallo, Herr General! Was ist los? Kennen Sie uns nicht?«

Der Milizsoldat schaltete seine rote Lampe aus und trat näher. Er war ein junger Mann mit den Rangabzeichen eines Sergeanten.

»Hallo, Mr. Mokart!«, gab er den Gruß zurück. »Tut mir leid. Die Zufahrt zur subtritonschen Stadt ist gesperrt. Befehl vom Militärkommandanten.«

Perish Mokart kletterte auf seinen Sitz und schwang sich über den Rand der Kuppel. Er trug, wie sein Vater, eine enganliegende, glänzend schwarze Kombination mit eingerollter Druckhelmkapuze, dazu einen signalroten Kombigürtel mit einem mächtigen Strahler im Halfter und darüber einen silberfarbenen, losen Umhang.

Als er vor dem Sergeanten stand, erhielt man eine Ahnung von seinen überragenden Körperkräften. Er wirkte nur wenig größer, aber bedeutend massiver als der Milizsoldat.

Dennoch hätte jeder Uneingeweihte ihn noch bei weitem unterschätzt, denn seine durch Umweltanpassung hervorgerufene Kompaktkonstitution befähigte ihn, sich unter der oxtornischen Schwerkraft von 4,8 Gravos, bei Sandstürmen von 1000 Stundenkilometern und Temperaturschwankungen zwischen minus 120 Grad Celsius und plus 95 Grad Celsius völlig ungeschützt und mit derselben Leichtigkeit zu bewegen wie ein Erdgeborener unter normalen irdischen Bedingungen.

Perish zog einen Plastikausweis hervor und reichte ihn dem Sergeanten.

»Das ist unsere Sondergenehmigung zum Betreten der alten lemurischen Zufluchtssiedlung!«

Der Sergeant schüttelte bedauernd den Kopf.

»General Ifros hat alle Sondergenehmigungen für ungültig erklärt, Mr. Mokart. Ausnahmezustand – wegen OLD MAN.«

»OLD MAN steht zur Zeit weit außerhalb der Plutobahn und schmollt!«, entgegnete Perish voller Sarkasmus. »Außerdem glaube ich nicht, dass er sich bei einem eventuellen Angriff ausgerechnet nach Triton verirrt. Sein Ziel ist die Erde.«

»Ich habe nur meine Befehle auszuführen«, erwiderte der Milizsoldat standhaft. »Beschweren Sie sich bitte beim General; vielleicht zeigt er sich geneigt, bei Ihnen eine Ausnahme zu machen.«

Perish Mokart stieß eine Verwünschung aus.

Er wandte sich um.

»Was sollen wir tun, Vater? Am liebsten würde ich durch dieses lächerliche Gitter hindurchfahren.«

Cronot Mokart lächelte.

»Mit zweiundvierzig Erdjahren solltest du dir eigentlich die Hörner abgestoßen haben, Perish. Komm, kehren wir um und suchen den General!«

Der Milizsoldat atmete erleichtert auf. Er wusste genau, dass er die beiden Oxtorner trotz der Kampfroboter nicht hätte aufhalten können, wenn sie einen gewaltsamen Durchbruch versucht hätten.

»Nichts für ungut, meine Herren!«, rief er den Oxtornern nach.

Perish winkte ab und ging ein wenig in die Knie. In der nächsten Sekunde stand er auf dem Rand der Fahrerkuppel. Das Fahrzeug schwankte ein wenig, als das Gewicht des Umweltangepassten die Federung belastete.

Vorsichtig, damit der Kontursessel nicht zusammenbrach, ließ Perish Mokart sich in die Kabine gleiten. Das Fahrzeug wendete auf der Stelle, überschüttete den Sergeanten und die beiden Kampfroboter mit einem Hagelschauer losgerissener Gesteinssplitter und ruckte mit aufheulenden Elektromotoren an.

Hinter ihm verklang das Schimpfen des Milizsoldaten.

»Ich möchte wissen, was diesem General einfällt!«, murrte Perish.

Sein Vater wiegte den völlig kahlen Schädel.

»Moshe Ifros tut nichts ohne triftigen Grund, mein Junge. Vielleicht hat er Nachrichten vom Flottenkommando erhalten, die wir noch nicht kennen.«

»Dann hätte er uns davon unterrichten können, anstatt einfach nur den Zugang zur Stadt zu sperren!«

Wütend trat Perish den Beschleunigungshebel bis zum Anschlag durch. Die breiten Gleitketten der Superschildkröte zermahlten das Triton-Gestein zu Staub und ließen das zweihundertfünfzig Tonnen Erdgewicht schwere Fahrzeug pfeilschnell dahinrasen. Nur in den Kurven hatte der Oxtorner Mühe, es auf Kurs zu halten, denn unter tritonschen Schwereverhältnissen wog es nur fünfzig Tonnen – und sein Fusionsgenerator, seine Elektrotriebwerke und das Fahrwerk waren für oxtornische Verhältnisse konstruiert, unter denen die Superschildkröte zwölfhundert Tonnen wog.

Mehrmals schrammte eine der drei Meter breiten Ketten tiefe Furchen in die Seitenwände.

»Ich möchte wissen, warum es hier unten so warm ist, dass Erdgeborene ohne Klimaanzüge auskommen. Bis hierher reicht doch die Wirkung der Fernheizung nicht, oder ...?«, murmelte Cronot.

Perish warf seinem Vater einen kurzen Seitenblick zu, dann kratzte er sich gedankenverloren die Schädeldecke, die bei ihm im Unterschied zu allen anderen Oxtornern von dichtem flachsblondem Haar bedeckt war.

»Das werden wir jedenfalls nicht erfahren, wenn wir nicht die alte Lemurerstadt untersuchen. Auf alle Fälle dürfte es nicht weniger ungewöhnlich sein, dass es im Innern dieses Mondes Wasser gibt, das trotz der geringen Schwerkraft erst bei hundert Grad Celsius siedet.«

Er starrte düster auf den Weg.

»Ich wollte, wir hätten das Sperrgitter einfach zusammengefahren. Wer weiß – vielleicht greift OLD MAN doch Neptun und seine Monde an. In diesem Fall würden wir keine Chance haben, die Stadt zu untersuchen.«

»Fahr langsamer«, riet ihm sein Vater. »Wir kommen jetzt auf den Hauptverkehrsstrang, und ich möchte es möglichst vermeiden, einen Verkehrsunfall zu verursachen.«

Perish bremste gehorsam ab.

Sekunden später schoss die Superschildkröte in eine spiralige Auffahrt hinein, verzögerte dabei ihre Geschwindigkeit noch mehr und glitt rasselnd und summend auf die achtspurige Verbindungsstraße zwischen der Stadt Tritona und den Materiewandlern des gigantischen Umformerwerkes auf dem Südpol des Neptunmondes. Triton deckte einen Großteil des Bedarfs der Erde und der übrigen solaren Industrieplaneten mit Kupfer, obwohl dieses Metall von Natur aus nur in geringen Mengen vorkam. Aber die von den Posbis übernommene Technik der Materieumformung machte die Menschheit nahezu unabhängig von natürlichen Erzvorkommen.

Die Methode der Materieumformung funktioniert jedoch nicht bei allen Stoffen. Nicht alles ließ sich mit dem Materieumwandler produzieren.

Seit rund achtunddreißig Jahren arbeiteten Schürfrobots in immer größerer Zahl auf Triton, schabten die Oberfläche gleichmäßig ab und schütteten das taube Felsgeröll auf energetische Förderbänder, die strahlenförmig von den Schürfstellen zu dem einzigen Umformerwerk verliefen. Gigantische Materieumwandler formten die atomare Struktur des Gesteins um – und aus den heißen Mäulern der Ausstoßkomplexe kamen die quaderförmigen Kupferrohlinge von je einer Tonne Erdgewicht hervor.

Auf der subtritonschen Verbindungsstraße übernahm eine Leitpositronik die Steuerung der Superschildkröte. Sie schaltete sich in das Robotsegment des Fahrzeugs ein und dirigierte den schweren Wagen auf die langsame Außenbahn, damit er nicht mit den vorbeirasenden Transportgleitern kollidierte.

Außer den beiden Oxtornern befanden sich keine Menschen auf diesem Verkehrsstrang. Die Kupfertransporter fuhren ausnahmslos robotgesteuert, und die Ablösung der Kontrollmannschaft des Umformerwerkes war erst in drei Stunden fällig.

Perish Mokart zog mit einem Ruck seine beiden leichten, geschmeidigen Terkoplaststiefel aus und kratzte sich unter den Fußsohlen.

»Ah! Das tut gut!«, ächzte er.

Sein Vater sah ihn besorgt an.

»Was hast du? Phantomschmerzen?«

»Nein, Phantomjucken.«

Perish grinste und sah zu, wie seine Zehen sich bewegten. Sie waren, obwohl sie genau wie normale Zehen reagierten, nicht seine Zehen – wie es auch nicht seine Beine waren, mit denen er lief. Von der Mitte beider Oberschenkel an trug der oxtornische Kosmohistoriker Brutplasmaprothesen, organische Gebilde, die nach der Vorlage seines Genkodes aus synthetischem Bioplasma gezüchtet worden waren. Eigentlich sollten sie absolut identisch sein mit den Beinen, die er während seines Einsatzes verloren hatte. Aber hin und wieder hatte er das Gefühl, als handle es sich um Fremdkörper – und die Erinnerung seiner Nervenfasern an die früheren Beine erzeugte dann ein Phantomjucken oder -zerren, das ihn glauben ließ, vier Beine zu haben. Er nahm es allerdings nicht tragisch.

»Ich habe dich damals gleich gewarnt«, sagte Cronot Mokart mürrisch, »als du unbedingt zur USO gehen wolltest. Aber du hast ja nicht auf mich gehört. Und was hast du nun davon? Zwei künstliche Beine und eine Schädeldecke aus MV-Leichtstahl mit einer lächerlich behaarten Biohaut darüber!«

Unwillkürlich fasste sich Perish an seinen Haarschopf.

Im Grunde genommen war der regelwidrige Haarwuchs das einzige, was ihn an seiner künstlichen Schädeldecke störte. Ein echter Oxtorner durfte einfach kein Haupthaar haben!

»Lass nur, Vater! Besser unpassende Haare auf der Schädeldecke als überhaupt keine Schädeldecke mehr. Im übrigen möchte ich die zehn Jahre bei der USO nicht missen. Vielleicht melde ich mich später einmal wieder zum Dienst.«

»Den Teufel wirst du ...!«, knurrte Cronot.

»Du bist eben schon ein wenig verkalkt«, spöttelte Perish gutmütig.

Cronot holte aus, besann sich dann aber anders.

Er grinste.

»Verkalkt! Nun höre sich einer diesen Bengel an! Ich mit meinen achtundsechzig Jahren könnte mit den Lausejungen in eurem Verein immer noch konkurrieren. Wetten, dass der Lordadmiral mich einstellen würde, wenn ich mich bewerben würde?«

Perish lachte lauthals.

»Wie ich dich kenne, würdest du das niemals tun. Dafür bist du viel zu sehr mit deiner Arbeit verwachsen. Vor allem jetzt, da wir eine fünfzigtausend Jahre alte Fluchtsiedlung der Lemurer untersuchen können.«

»Wenn wir dürfen!«, fügte Cronot Mokart ironisch hinzu.

»Ich stauche diesen General aus seiner Uniform, wenn er uns nicht lässt!«, schimpfte Perish erbittert.

»Das wirst du bleibenlassen«, wies sein Vater ihn zurecht. »Aber jetzt solltest du lieber aufpassen. Wir verlassen gleich den Fernsteuerbereich.«

Perish Mokart blickte hoch und sah die Hinweisschilder unter der Decke.

Er umfasste die beiden Lenkknüppel. Sein Fuß suchte das Beschleunigungspedal.

Gleich darauf stieg die Straße an. Ein Gewirr von Abzweigungen huschte vorüber. Die Kupfertransporter verschwanden in den hell erleuchteten Schlünden der Tunnels, die zu den Lagerhallen des Raumhafens Tritona führten.

Und plötzlich donnerte die Superschildkröte zwischen den offenen Panzerschotten des Stadteingangs hindurch.

Hoch über ihr wölbte sich die transparente Kuppel der Stadtzone B von Tritona – und darüber schwamm düsterrot drohend der gigantische Ball des Planeten Neptun in der Schwärze des Raumes.

Die Kuppel sorgte dafür, dass innerhalb des Stadtgebietes eine künstliche Atmosphäre existierte, so dass man sich ohne Raumanzüge frei bewegen konnte.

 

Perish Mokart stoppte vor dem hochragenden Palast aus Glas und Plastik, in dem die Militärkommandantur Tritons untergebracht war.

Die beiden schwerbewaffneten Posten vor dem Eingangsportal deuteten darauf hin, dass auf dem größten Neptunmond der Ausnahmezustand herrschte; normalerweise wurde die Kommandantur nicht bewacht.

»Wir möchten General Ifros sprechen!«, sagte Cronot Mokart zu dem ranghöchsten der beiden Raumsoldaten, einem Leutnant.

Der Offizier bat die Oxtorner, zu warten, und verschwand in der letzten Pförtnerloge. Nach kurzer Zeit kam er zurück.

»Es tut mir leid, aber General Ifros ist nicht hier. Mir wurde gesagt, dass er die Verteidigungsanlagen inspiziert.«

»Und sein Stellvertreter?«, warf Perish ein.

»Ebenfalls, Mr. Mokart. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

»Ich glaube nicht«, erwiderte Cronot. »Wir brauchen eine neue Genehmigung zum Betreten der alten Lemurerstadt.«

»Die ist seit heute morgen gesperrt, soviel ich weiß«, sagte der Leutnant.

»Eben deshalb sind wir hier«, gab Cronot mit unverkennbarem Spott zurück.

Der Leutnant machte ein verlegenes Gesicht.

»Vielleicht wenden Sie sich an den Zivilgouverneur, meine Herren. Mr. van Geldern befindet sich in seinem Amtssitz, soviel mir bekannt ist.«

»Na, schön«, meinte Cronot. »Versuchen wir es dort.«

Er nickte seinem Sohn zu und stieg wieder in den Wagen.

Perish folgte ihm und nahm hinter dem Steuer Platz.

Gleich darauf rollte die Superschildkröte wieder an.

Vorbei an Verwaltungsbauten der Vereinigten Solaren Kupferhütten, den Architektenbüros und den verschiedenen wissenschaftlichen Instituten, an Schulen und Laboratorien, Versuchsgärten und Tierfarmen steuerte Perish Mokart auf den Ausgang der Stadtzone B zu.

Durch eine von vier Schleusen gesicherte Röhre ging es hinüber zur gigantischen Kuppel der Stadtzone C. Hier wohnten zwei Drittel der insgesamt rund zwanzigtausend Männer und Frauen von Tritona. Ausgedehnte Parks, kleine künstliche Seen und Bäche mit glasklarem Wasser trennten die einzelnen sternförmig konstruierten Wohnhäuser voneinander.

Die Sternform der etwa hundert Meter hohen Gebäude garantierte den Familien und Einzelpersonen eine ungestörte Intimsphäre. Im Zentrum des Sterns befanden sich die Schnelllifts, Versorgungsleitungen und Abfallrohre.

Der Amtssitz des Gouverneurs glich einem großen Fliegenpilz. Die stielförmige Röhre mit den Lifts und Versorgungsleitungen trug den pilzförmigen »Hut« mit den Verwaltungsräumen, der Positronik und der Dienstwohnung Piet van Gelderns. Das Gebäude war nur zur Hälfte belegt, sozusagen auf »Zuwachs« berechnet, denn in wenigen Jahren sollte Tritonas Einwohnerschaft sich verdreifacht haben.

Oben auf dem Dach des »Fliegenpilzes« aber befanden sich die großartigsten Dachgärten, die Cronot und Perish Mokart jemals zu Gesicht bekommen hatten.

Nachdem sie sich beim Robotpförtner angemeldet hatten, fuhren die beiden Oxtorner mit einem Schnelllift in die siebzehnte Etage. Hier lag das Sekretariat des Zivilgouverneurs.

Die beiden Vorzimmerdamen tranken Kaffee.

»Mr. van Geldern befindet sich in den Dachgärten, meine Herren«, sagte eine dralle, junge Frau mit gesunden roten Wangen, die sich als Chefsekretärin vorgestellt hatte. »Gehen Sie nur ruhig hinauf. Der Herr Gouverneur wird sich freuen, wenn Sie seine neuen Züchtungen bewundern.«

Perish blickte ein wenig verwirrt drein, aber sein Vater zog ihn am Ärmel nach draußen.

»Komm, mein Junge«, flüsterte er. »Der Tipp dürfte nicht schlecht sein. Überall auf Tritona weiß man schließlich, dass van Geldern ein Blumennarr ist. Wenn wir seine Schützlinge gebührend loben, wird er uns bestimmt zu einer neuen Sondergenehmigung verhelfen.«

Perish zuckte die Schultern. Er glaubte nicht recht daran, dass der Gouverneur ihnen helfen konnte.

Ein sehr langsam steigender Pneumolift brachte sie nach oben.

Erstaunt blickten die Oxtorner sich um. Für ihren Geschmack stellte die Üppigkeit der Vegetation schon so etwas wie ein Anzeichen von Dekadenz dar.

Rote, gelbe und gemusterte turkestanische Bergtulpen sowie Hybriden einer zentralasiatischen Wildform zauberten farbenfrohe bunte Tupfen zwischen die Blättermeere goldfarbener, blaugrüner und blasser Funkienarten. Von tritonschen Schaumfelsenblöcken winkten die hochgereckten Blütenstände der Nabelwurz. Der weißschäumende Flor von Schleifenblumen kontrastierte wohltuend mit den niedrigen buttergelben Teppichen der Goldprimel.

Durch den Hohlweg eines Heidegärtchens hindurch erblickten die beiden Kosmohistoriker die gebückte Gestalt eines Gärtners in blauem Kittel.

»Den werden wir nach dem Gouverneur fragen!«, entschied Cronot Mokart.

Er duckte sich unwillkürlich, als ein bunter Vogel mit klatschendem Flügelschlag dicht über seinen Kopf flatterte und sich auf dem Rücken des Gärtners niederließ.

Als die Oxtorner näher kamen, flüchtete er auf einen Zweig eines blattlosen, weißblühenden Seidelbaststrauches und klapperte zornig mit dem gebogenen Schnabel.

»Hallo!«, rief Cronot. »Wie geht es, Alter? Wollen die Blümchen nicht wachsen?«

Der vermeintliche Gärtner richtete sich zu imposanter Größe auf. Das volle rotwangige Gesicht wandte sich den Besuchern zu. Unter strohblonden Brauen blickten zwei wasserhelle Augen prüfend und ein wenig indigniert.

»Mr. van Geldern ...!«, stieß Cronot verblüfft hervor.

»Ah, die beiden Barbaren von Oxtorne!«, rief Gouverneur Piet van Geldern. »Sie scheinen mich mit jemandem verwechselt zu haben, wie?«

Er wischte sich die mit Erde beschmierten Hände an dem Gärtnerkittel ab.

»So alt bin ich wohl noch nicht«, grollte er. »Und was die Iris bakeriana atropurpurea betrifft, so macht sie sich ausgezeichnet. Aber von Blumen haben Oxtorner bekanntlich keinen blassen Schimmer.«

»So ist es leider«, erwiderte Cronot in reumütigem Tonfall. »Dennoch muss ich gestehen, dass Ihr Dachgarten berauschend und verwirrend schön ist. Diese Iris bak... bakeri...«

»... bakeriana atropurpurea«, ergänzte van Geldern. »Ein Juwel aus dem Libanon, meine Herren. Sehen Sie dieses intensive Dunkelviolett! So stark kommen die Farben nicht einmal in ihrer Heimat zum Vorschein.«

»Ein großartiger Erfolg Ihrer gärtnerischen Arbeit«, lobte Perish. »Und wie sie duftet!«

»Unsinn! Sie duftet überhaupt nicht.«

Piet van Geldern grinste plötzlich übers ganze Gesicht.

»Ihre Schmeicheleien lassen mich vermuten, dass Sie mit einer Bitte zu mir kommen. Na, schön! Setzen wir uns auf die Steinbank dort drüben.«

Über einen Plattenweg führte er sie zu einer aus rohem Vulkangestein geschlagenen Bank, deren Sitzfläche allerdings geglättet und mit einer Schicht Isospritzguss versehen war. Dahinter ragte eine Trockenmauer auf. Zwergefeu und Gabelsteinbrech kletterten wie von ungefähr daran empor, und von oben hingen die immergrünen Ranken einer Schwarzstern-Felsenmispel herab.

Der Gouverneur zog ein Lederetui hervor und bot seinen Besuchern lange, hellbraune Zigarren an.

»Import aus meiner Heimat«, sagte er träumerisch. »Nur mit dem Unterschied, dass sie dort einen Solar pro zwanzig Stück kosten und ich auf Triton einen Solar für das Stück bezahlen muss.«

»Ihre Heimat?«, fragte Perish Mokart verwundert. »Sind Sie denn kein Erdgeborener?«

Piet van Geldern lachte behäbig.

»Diese Frage kann nur ein Oxtorner stellen! Natürlich bin ich auf der Erde geboren, aber dort gibt es eben im Gegensatz zu gewissen Kolonialwelten viele unterschiedliche Landschaften mit ihren besonderen Spezialitäten. Mit meiner Heimat meine ich die niederländische Region des Bundesstaates Europa.«

Er nahm dankend das Feuer, das Cronot ihm reichte, und paffte genüsslich blauweiße Wolken in die künstliche Atmosphäre.

»Sie müssten einmal im Frühjahr dort hinfliegen, meine Herren. Dann ist das ganze Land ein einziger Teppich aus den verschiedensten Tulpen und Narzissen. So etwas gibt es auf Ihrer Heimatwelt bestimmt nicht.«

Perish rutschte unruhig auf der Bank hin und her.

Cronot warf ihm einen verweisenden Blick zu und räusperte sich.

»Vielleicht machen wir einen Abstecher zur Erde, wenn die Gefahr beseitigt ist, die von OLD MAN droht. Im Augenblick steht uns noch eine andere Aufgabe bevor. Wir möchten die lemurische Stadt untersuchen.«

Van Geldern nickte.

»Ah, ja! Sie sind ja beide Kosmohistoriker. Wenn ich Zeit hätte, würde ich Sie begleiten. Aber so ...«

Er seufzte und blickte auf seine Hände.

»Hier oben wartet viel Arbeit für mich.«

»Eine wundervolle Arbeit«, schmeichelte Cronot. »Aber vielleicht gelingt es uns, in der Stadt die Samen oder Zwiebeln unbekannter Pflanzen aufzutreiben. Wir würden Sie selbstverständlich sofort davon unterrichten ...«

»Oh! Das wäre sehr freundlich von Ihnen! Wirklich, die alten Lemurer sollen teilweise fanatische Blumenliebhaber gewesen sein. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie in dieser Richtung ein wenig forschten.«

»Wir werden daran denken«, erwiderte Cronot. »Leider hat General Ifros den einzigen Zugang absperren lassen.«

»Ich denke, Sie besitzen eine Sondergenehmigung von ihm?«

»Die ist ungültig wie alle Sondergenehmigungen. Der General denkt anscheinend, OLD MAN würde ausgerechnet Triton angreifen, sobald er sich wieder in Bewegung setzt. Dabei soll er noch immer außerhalb der Plutobahn stehen.«

»Aber das ist doch Unsinn!«

Piet van Geldern drehte seine Zigarre nervös zwischen den erdverkrusteten Fingern.

»Könnten Sie uns nicht eine neue Sondergenehmigung verschaffen?«, fragte Perish ungeduldig.

»Ich ...?«, fragte der Gouverneur zurück. »Das ist leider unmöglich. Über diese Angelegenheit entscheidet nur der Militärgouverneur.«

Er deutete auf einen halbschattigen Platz unter dem nackten Zweiggewirr eines Wildrosenbusches.

»Cyclamen coum, das früheste aller Alpenveilchen. In diesem Jahr blüht es zum ersten Mal. Sechs Jahre lang habe ich herumprobiert, welcher Platz ihr zusagt. Diese Pflanze ist ein wählerisches Frauenzimmer«, sagte er voller Stolz über den endlichen Erfolg.

Perish zog eine Grimasse und ballte die Fäuste.

Aber sein Vater schüttelte den Kopf.

Er stand auf und hockte sich neben die rosa und weiß blühenden, niedrigen Pflanzen.

»Phantastisch!«, murmelte er.

Begeistert folgte ihm van Geldern.

»Manchmal gehorchen die Pflanzen hier auf Triton scheinbar überhaupt keinen Naturgesetzen mehr«, flüsterte er. »Ich habe schon Frühblüher gehabt, die erst im Herbst blühten, und Kurzblüher, die das ganze Jahr über remontierten. Wenn ich Ihnen einmal etwas ganz Besonderes zeigen darf, eine Fritillaria meleagris, die unter der Einwirkung der geringen Schwerkraft Tritons über drei Meter hoch wurde, obwohl sie auf der Erde höchstens vierzig Zentimeter erreicht ...?«

Cronot seufzte entsagungsvoll.

»Sehr gern, Mr. van Geldern, wirklich, sehr gern. Aber wir müssen zuerst sehen, dass wir eine neue Sondergenehmigung vom General erhalten. Danach ...«

»Ah! Diese Sondergenehmigung!«, schimpfte der Gouverneur. Er blickte nachdenklich über seinen Dachgarten hinweg. Plötzlich zog er eine flache Taschenuhr hervor, öffnete den Deckel der Rückseite und drückte auf einen winzigen Knopf.

Verblüfft sahen die Oxtorner, dass die rückwärtige Hälfte der Uhr ein Minikom war, wie es sonst nur Abwehrspezialisten erhielten.

Nach einigen Sekunden meldete sich eine raue Stimme, der man die Ungeduld anhörte.

»Hier General Ifros! Was ist los?«

Van Geldern lächelte in die Aufnahmeoptik und schaltete erst dann die Bildübertragung ein. Das verkniffene Gesicht von Moshe Ifros erschien auf dem winzigen Bildschirm.

»Hier van Geldern. Mein lieber General, ich brauche dringend zwei Sonderausweise zum Betreten der alten Lemurerstadt. Würden Sie die Freundlichkeit besitzen und Ihre Kommandantur anweisen, man möchte mir umgehend die Papiere ausstellen?«

Das harte Gesicht des Generals verzog sich zu einem ironischen Grinsen.

»Sind die beiden Oxtorner bei Ihnen? Dann sagen Sie ihnen, sie ...«

»Warten Sie, General!«, rief van Geldern. »Ich benötige dringend einen sicheren Platz für die Geheimdokumente der Kupfererzeugung. Wie Sie wissen, dürfen die Unterlagen über die Materieumformung dem Gegner unter keinen Umständen in die Hände fallen. Aus dem Grund sollen Mr. Mokart und sein Sohn in die Stadt fahren und die Dokumente dort unterbringen. Es ist sicher, dass der Gegner die alte lemurische Fluchtsiedlung niemals findet.«

»Das ist etwas anderes«, gab General Ifros zurück. »Ich gebe meinen Leuten sofort Bescheid. In einer halben Stunde können die Mokarts ihre Sonderausweise dort abholen. Aber ich muss darauf bestehen, dass sie von einer Eskorte begleitet werden.«

»Vielen Dank, mein lieber Ifros«, sagte van Geldern herzlich. »Ich wusste doch, dass Sie ein vernünftiger Mensch sind. Falls Sie Zeit haben, besuchen Sie mich doch einmal auf meinem Amtssitz; ich habe da eine neue Iriszüchtung ...«

Er brach ab, als General Moshe Ifros die Verbindung trennte.

»Dieser Mann ist ein tüchtiger Offizier, aber ein Banause, was die Blumenzucht angeht«, murmelte der Gouverneur enttäuscht.

Die Oxtorner hatten Mühe, ein Grinsen zu verbergen.

»Vielen Dank jedenfalls, Mr. van Geldern«, sagte Cronot und hielt dem Gouverneur die Hand hin. »Sagen Sie uns bitte noch, wo wir die Dokumente in Empfang nehmen können ...?«

»Dokumente?«, fragte Geldern erstaunt. »Aber meine Herren, das war doch nur eine Kriegslist. Oder glauben Sie, der General hätte Ihnen sonst die Pässe bewilligt?«

Plötzlich lachten sie alle drei.

»Aber nun kommen Sie«, sagte van Geldern danach, »wir wollten uns ja noch die Riesenform der Fritillaria meleagris ansehen ...«

 

Captain Arturo Geraldi war ein kleiner, drahtiger Mann mit schwarzem Haar und ebensolchen Augen.

Perish Mokart musterte ihn unauffällig und genau, als er sich mit einer Gruppe von sieben Soldaten bei seinem Vater und ihm meldete.

Mit dem scharfen Blick des ehemaligen Spezialoffiziers erkannte er, dass in dem braunhäutigen Körper des Captains ein Vulkan brodelte. Bestimmt war Arturo Geraldi ein verwegener Kämpfer, der stets alles einsetzte. Perish Mokart war froh, dass sie beide auf der gleichen Seite standen.

»So!«, sagte er. »Sie sollen uns also begleiten. Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Einsatz, Captain!«

Er streckte die Hand aus.

Captain Geraldi griff zu.

Seine Hand fühlte sich hart und sehnig an; in ihr pulste das heiße Blut seiner südländischen Vorfahren.

»Ich gebe das Kompliment zurück.« Geraldi lachte, und sein braunes Gesicht legte sich dabei in Hunderte von schmalen Falten. »Es ist das erste Mal, dass ich leibhaftige Oxtorner zu Gesicht bekomme.«

Ein wenig verlegen zuckte Perish die Schultern. Ihn berührte es immer etwas unangenehm, wenn man solches Aufheben um seine Abstammung machte.

»Wir Oxtorner sind auch nur Menschen«, erwiderte er. »Und im Grunde genommen fühlen wir uns recht einsam, wenn wir nicht gerade unter unseresgleichen sind. Es ist nicht besonders erhebend, als Wundertier betrachtet zu werden.«

Die sieben Soldaten grinsten. Es waren allesamt Männer im Alter zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahren. Perish hätte jede Wette gehalten, dass es sich um hochintelligente Spezialisten handelte.

»Immerhin«, wandte Geraldi ein, »könnte man Sie leicht für einen Erdgeborenen halten. Darf ich fragen, ob Ihr Haar echt ist oder nur eine Perücke?«

»Keines von beiden«, entgegnete Perish unwillig. Er liebte es nicht, wenn die Rede auf seinen gänzlich unoxtornischen Haarwuchs gebracht wurde. »Jemand hat mir die Schädeldecke mit einem Strahler säuberlich abgetrennt, und die Biomediziner züchteten mir eine neue Haut auf der Leichtstahlprothese. Leider unterlief ihnen dabei der Fehler, sie mit den Anlagen zum Haarwuchs zu versehen.«

Der Captain errötete leicht.

»Das wusste ich nicht.«

»Ist auch unwichtig!« Perish Mokart winkte ab. »Können wir jetzt aufbrechen?«

»Selbstverständlich.«