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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich ASTROPHYSIK

Das Universum – Der Kreislauf der Materie

Von Prof. Dr. Harald Lesch

Sterne und Kerne

Kerne und Sterne. Das ist ein ziemlich harter Ritt, das ist ein schwieriges Thema. Im Grunde genommen geht es um etwas Einfaches. Schwierig ist es deshalb, weil es Astronomie, die Objekte am Himmel, die Sterne, die Lichtspender, mit einer Physik verbindet, mit der man im Allgemeinen eher nichts zu tun haben will, mit der Kernphysik.

Unter Kernphysik verstehen wir häufig etwas völlig Falsches. Da wird ja immer nur mit Atomkraftwerken argumentiert. Hier geht es aber um Sterne. Wie funktioniert überhaupt ein Stern? Wie kommt das Licht in einem Stern zustande? Kommt es da zustande, wo wir es sehen, also an der Oberfläche, oder kommt es von wo ganz anders her? Und wenn ja, wie wird es da gemacht?

Diese Geschichte beginnt eigentlich im 19. Jahrhundert. Da hat man sich zum aller ersten Mal gefragt: „Wie lange lebt denn eigentlich unsere Sonne schon?“

Eine einfache Frage. Da gab es die einen, die haben gesagt, da brauchen wir nur in der Bibel nachzugucken, wie lange die Erde schon da ist. Die Sonne wird wohl genau so alt sein. Das werden so ein paar tausend Jahre sein. Altes Testament bis heute gerechnet, sagen wir mal, so 6.000 Jahre, knapp.

Da wurde sogar ein genauer Tag genannt, an dem die Welt entstanden ist, morgens um neun, in Babylon. Also Babylon war schon vorher da. Sie merken schon, ich nehme das nicht so ganz ernst.

Was aber viel ernster zu nehmen ist, ist die naturwissenschaftliche Frage, woher denn die Sonne tatsächlich ihre Energie bezieht? Denn offenbar war die ja schon da. Sie ist die Lebensspenderin, sie ist die Energiespenderin für das, was auf der Erde passiert. Also, woher kommt diese Energie?

Nun, im 19. Jahrhundert hat man sich Gedanken gemacht. Auf der einen Seite die Geowissenschaftler, die Erdwissenschaftler, die haben sich zum aller ersten Mal zu diesem Zeitpunkt richtig nennenswert Gedanken darüber gemacht und fragten sich:

„Wie kommen eigentlich diese ganzen Formationen auf der Erde zustande? Woher kommen die Schluchten? Woher die Gebirge?“

Dann fingen sie an, die Dinge genauer zu beobachten. Dabei stellten sie fest: Das dauert alles, das dauert lange, bis so eine tiefe Schlucht wirklich von einem Fluss ausgegraben ist, da vergehen Hunderttausende von Jahren, Millionen von Jahren. Und bis so Gebirge irgendwie zusammengeschoben worden sind, auch das dauert Hunderte von Millionen Jahre.

So forderten die Geowissenschaftlicher relativ früh – und zwar aus dem Prinzip des Aktualismus, dass nämlich das, was wir jetzt auf der Erde an Erdbewegungen sehen, dass das genau die gleiche Art von Physik ist, die auch früher schon der Fall war. Aus diesem Prinzip des Aktualismus, dass wir aus dem Heute über das Gestern etwas lernen, forderten die Geowissenschaft ler, dass die Erde einige hundert Millionen Jahre alt sein müsste.

Man fand zu diesem Zeitpunkt mehr und mehr Fossilien, die ebenfalls belegten, dass das Leben auf der Erde auch schon einige hundert Millionen Jahre existierte. Also muss die Sonne ebenso eini ge hundert Millionen Jahre alt sein. Die Geologen haben gesagt, das müssen Milliarden Jahre sein. Und die Physiker? Die sagten:

„Das können wir nicht bestätigen. Wir wissen nur, die Sonne ist ein Gasball.“

Das wusste man damals schon. Man wusste von den Tem peraturen ihrer Oberfläche. Man konnte schon mit Teleskopen und dem zerlegten Licht hinter den Teleskopen, den Spektrographen, viel über die physikalischen Eigenschaften der Sonne sagen. Man wusste, welche Elemente da waren. Man wusste, welche Leistung die Sonne bringt.

Die Phy siker wussten auch, wie viel Leistung die Sonne insgesamt und maximal zur Verfügung haben könn te. Denn sie hatten sich Folgendes überlegt: Die einzige Energiequelle, die die Sonne haben kann, ist ihre eigene Schwere. Diese Schwere, die drückt auf den inneren Kern, daraus ergibt sich ihre Temperatur. Das zusammengedrückte Gas wird heiß. Deshalb strahlt die Sonne. Dann hat man das ausgerechnet: Wie lange kann die eigene Schwere der Sonne diese Temperatur erzeugen. Das Ergebnis: höchstens 90 Millionen Jahre.

Die Geologen sagten, niemals! Nie, das kann man vergessen! Wir brauchen viel mehr Zeit. So ergab sich aus der Diskussion zwischen den Wissenschaften die Frage: Woher nimmt die Sonne, ein Stern, woher nimmt ein Stern eigentlich seine Energie?

Heute wissen wir das. Wir wissen es deshalb, weil wir Teilchen gemessen haben, die man fast nicht messen kann. Diese Teilchen kommen aus dem innersten Kern des Sterns, die Neutrinos.

Jetzt, wo Sie diese Zeilen lesen, wird jeder Quadratzentimeter Ihres Körpers von Billiarden Neutrinos durch schossen. Sie merken nichts, gar nichts. Die Neutrinos sind nämlich Teilchen, die so gut wie keine Wechselwirkung haben. Aber sie entstehen. Sie haben ein bisschen Wechselwirkung, aber die ist ganz schwach.

Diese Neutrinos gehören zu der so genannten „Schwachen Wechselwirkung.“ Merken Sie sich das: „Schwache Wechselwirkung,“ das brauchen wir noch.

Ein Stern hat seine Energiequelle in der Verschmelzung von Atomkernen, in der Fusion. Dabei wird Energie frei. Und bei diesem Verschmelzungsprozess wird nicht nur Energie frei in Form von elektromagnetischer Strahlung, sondern es werden eben auch Neutrinos freigesetzt. Aber dazu später.