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Über das Buch

Nach Lancelots Flucht von Camelot geraten er und Gwinneth in die sagenhafte Welt von Avalon.

Ohne sein Schwert glaubt Lancelot, chancenlos gegen die Dunkelelben zu sein. Doch da erweist sich sein Schild als magische Waffe, die nicht unbedingt tötet. Und noch etwas erfährt Lancelot: Das Schicksal der Menschen liegt in den Händen der Dunkelelben …

Inhalt

Die Legende von Camelot III - Runenschild

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Das Schwert des Angreifers schnitt mit einem hässlichen Laut durch die Luft, prallte klirrend gegen den Rand des nach oben gerissenen Schildes und flog in hohem Bogen davon, als Lancelot blitzartig konterte und das Handgelenk des Ritters mit seiner eigenen Klinge traf. Sir Bartholomäus keuchte vor Schmerz, sank im Sattel nach vorne und umklammerte sein Handgelenk. Durch das feinmaschige Gewebe des Kettenhemdes sickerte helles, frisches Blut. Sein Pferd wieherte unruhig und begann zu tänzeln, sodass es dem Ritter zunehmend schwerer fiel, sich im Sattel zu halten. Sein Gesicht war grau vor Anstrengung und wohl auch vor Schmerz, aber Lancelot las in seinen Augen dennoch eine grimmige Entschlossenheit, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

»Gebt auf, Sir!« Er ließ den Runenschild und das ganz normale Ritterschwert sinken, das er anstatt der Elbenklinge für diesen Kampf gewählt hatte – allerdings nicht so weit, sich damit eine Blöße zu geben, die sein Gegenüber möglicherweise für einen blitzschnellen Angriff nutzen konnte. Erst dann brachte er das Einhorn mit einem leichten Schenkeldruck dazu, zwei Schritte rückwärts zu gehen und von seinem Gegner abzulassen. Das Fabelwesen gehorchte, kommentierte seinen Befehl aber mit einem unwilligen Schnauben und einem noch unwilligeren Schütteln des prachtvollen Hauptes mit dem weißen Horn, das nur Lancelot selbst sehen konnte, nicht aber sein Gegner. Wenn er nicht aufpasste, würde es damit den Ritter aufspießen, denn es hatte Blut gewittert; das Raubtier in ihm war längst erwacht.

Bartholomäus richtete sich stöhnend im Sattel auf. Einer von Lancelots letzten Hieben hatte ihm den Helm vom Schädel gerissen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und war schmerzverzerrt. Sein Handgelenk musste gebrochen sein und der Schmerz schien selbst für einen so kampferprobten Ritter wie ihn fast mehr zu sein, als er ertragen konnte. Dennoch las Lancelot ganz deutlich in seinen Augen, dass er nicht aufgeben würde, obwohl er wissen musste, was das bedeutete.

Mit zusammengebissenen Zähnen legte Bartholomäus den gebrochenen, nutzlosen rechten Arm vor sich in den Sattel, schüttelte den Schild von seinem anderen Arm und tastete ungeschickt und fahrig mit der nun frei gewordenen Hand nach dem dreikugeligen Morgenstern, der an seinem Sattel hing. Selbst über dieses Handgelenk lief Blut, wenn auch nicht annähernd so viel wie über das andere. Lancelot hatte ihn mindestens ein Dutzend Mal getroffen, und obwohl er mit einem ganz normalen Schwert kämpfte statt mit der magischen Runenklinge, hatte mehr als ein Hieb die Rüstung seines Gegners durchschlagen und ihm tiefe Wunden zugefügt. Er wusste nicht, welches Gefühl stärker in ihm war: Die Achtung, die er der Kraft und dem Mut des Tafelritters zollte, oder das kalte Entsetzen bei dem Gedanken, dass er ihn aller Wahrscheinlichkeit nach töten musste.

»Ich beschwöre Euch, gebt auf, Sir«, sagte er eindringlich. »Ihr wisst, dass Ihr mich nicht besiegen könnt. Zwingt mich nicht, Euch auch noch zu erschlagen!«

Bartholomäus war nicht allein gekommen, sondern in Begleitung zweier Knappen und zweier weiterer Lancelot unbekannter junger Ritter, die sich wohl wie viele andere erst in letzter Zeit König Artus angeschlossen hatten. Der Mut dieser jungen Heißsporne war größer als ihr Geschick im Umgang mit dem Schwert und erst recht größer als ihr Verstand. Die Knappen hatten sofort die Flucht ergriffen, als sie den legendären Lancelot auf seinem riesigen gepanzerten Reittier erblickten – obwohl sie dieses nur als prächtiges Schlachtross, nicht aber als Einhorn erkennen konnten –, die beiden Ritter und Sir Bartholomäus waren dagegen dumm genug gewesen, sich auf einen Kampf einzulassen.

Die zwei jungen Narren lagen jetzt in ihrem Blut da. Bartholomäus hatte ihnen die undankbare Aufgabe übertragen, Lancelot als Erste anzugreifen, um ihn zu ermüden, auch wenn er vermutlich ganz genau gewusst hatte, dass sie mit ihrem Leben dafür bezahlen würden; ein Verhalten, das vielleicht nicht unbedingt ritterlich, unter Artus’ altgedienten Recken aber nichtsdestotrotz gang und gäbe war. Wenn es um ihren Vorteil ging, dann nahmen es die Mitglieder der zusammengeschmolzenen Tafelrunde mit den alten Rittertugenden nicht allzu genau.

»Ich kann nicht aufgeben, und das wisst Ihr auch genau, Lancelot«, antwortete Bartholomäus gepresst. In den Schweiß auf seinem stoppelbärtigen, ausgezehrt wirkenden Gesicht mengte sich jetzt Blut, das aus seinem Haaransatz sickerte. Sein Blick flackerte. Er hatte den Morgenstern vom Sattel gelöst, aber er hatte nicht mehr die Kraft, ihn zu schwingen. Die stachelbewehrten Eisenkugeln hingen reglos nach unten und wirkten nun nicht mehr bedrohlich, sondern unterstrichen eher noch die Schwäche des Mannes.

»Ich habe Artus geschworen, Euch und Lady Gwinneth zurückzubringen.«

»Dann sagt ihm, Ihr hättet mich nicht gefunden.« Lancelot maß Bartholomäus’ zerschlagene, blutüberströmte Gestalt mit einem langen Blick und verbesserte sich. »Oder sagt ihm, Ihr hättet mich gefunden und ich hätte Euch besiegt … was ja auch der Wahrheit entspricht.«

»Ihr wisst, dass mir ein solches feiges Verhalten verwehrt ist«, antwortete Bartholomäus.

»Ich werde nicht gegen Euch kämpfen.« Lancelot senkte demonstrativ den Schild, dann das Schwert. Nach einem neuerlichen, kurzen Zögern schob er die Waffe schließlich in die silberbeschlagene Scheide an seinem Gürtel, die dieser Waffe vorbehalten war und nicht dem Runenschwert, das er sorgfältig eingewickelt dem Einhorn anvertraut hatte, in der Hoffnung, es nie wieder benützen zu müssen.

»Dann zwingt Ihr mich, einen unbewaffneten Mann zu erschlagen.« Bartholomäus ließ sein Pferd antraben und irgendwoher nahm er sogar die Kraft, den Arm zu heben und die Kugeln des Morgensterns kreisen zu lassen. Lancelot wartete ruhig, bis er heran war, duckte sich unter den wirbelnden Eisenkugeln weg und stieß Bartholomäus den Runenschild vor die Brust. Der Tafelritter wurde rücklings aus dem Sattel geschleudert, prallte schwer auf dem steinhart gefrorenen Boden auf und blieb reglos liegen. Sein Pferd galoppierte noch ein paar Schritte weiter und verfiel dann in einen etwas langsameren Trab, blieb aber nicht stehen, sondern lief einfach weiter und verschwand schließlich hinter der nächsten Wegbiegung des verschneiten Waldes.

Lange Zeit blieb Lancelot vollkommen reglos im Sattel sitzen und wartete darauf, dass der Tafelritter wieder zu sich kam, aber Bartholomäus regte sich nicht. Schließlich schwang sich Lancelot aus dem Sattel, löste den Schild vom linken Arm und ging zu Bartholomäus hinüber. Sein Herz klopfte schneller, als er neben dem grauhaarigen Ritter im Schnee niederkniete und ihn mit einiger Mühe auf den Rücken drehte.

Sir Bartholomäus hatte das Bewusstsein nicht zurückerlangt, und das würde er auch nie wieder. Er war mit der Schläfe auf einen Stein geprallt und hatte sich den Schädel eingeschlagen.

»Es tut mir so Leid, alter Freund«, flüsterte Lancelot, und diese Worte waren bitter ernst gemeint. Obgleich sie beide Mitglieder von Artus’ Tafelrunde waren, hatte er diesen Ritter nur oberflächlich gekannt, aber sie hatten dem gleichen König gedient, sie hatten ihre Leben dem Schutz derselben Gesetze und Regeln verschrieben und sie hatten mehr als einmal Seite an Seite gekämpft, um die Fahne Camelots zu verteidigen und das Prinzip, für das sie stand.

Und dennoch war dieser Mann jetzt gekommen um ihn zu töten.

Langsam streckte er die Hand aus, schloss Bartholomäus’ gebrochene Augen und machte das Kreuzzeichen auf seiner Stirn. Er war kein Anhänger der Religion, für die dieses Zeichen stand, aber er wusste, dass Bartholomäus ein streng gläubiger Christ gewesen war – anders als viele Tafelritter, die unter dem Kreuz der Christenheit ritten, aber die alten Götter noch immer in ihren Herzen trugen –, und er hatte das Gefühl, ihm diese letzte Geste einfach schuldig zu sein.

Das Geräusch leichter Schritte knirschte auf dem Schnee hinter ihm und er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass es Gwinneth war. Er wollte es auch nicht. Er wusste, welchen Ausdruck er jetzt auf ihrem Gesicht sehen würde, und er hätte ihn in diesem Augenblick vielleicht nicht ertragen.

»Ist er tot?«, fragte Gwinneth.

Lancelot nickte nur. Er hätte sagen können, dass er Bartholomäus nicht erschlagen hatte, und das wäre die Wahrheit gewesen. Der Ritter war einfach nur unglücklich gestürzt. Und trotzdem war es genau so, als hätte er ihn mit eigener Hand getötet.

»Und die beiden anderen?«

Lancelot war fast erstaunt, wie gefasst Gwinneths Stimme klang. Aber das täuschte ihn nicht wirklich. Er wusste, dass es in ihr nicht viel anders aussah als in ihm selbst. Die Frage war schon lange nicht mehr, ob einer von ihnen zusammenbrechen würde, sondern nur noch, wann das passieren würde und wer zuerst an der Reihe war.

Als würde er damit Gwinneths Frage beantworten, richtete er sich schweigend auf und trat an die beiden anderen toten Rittern heran. Sie lagen dicht nebeneinander, so wie sie gefallen waren: von einem einzigen gewaltigen Schwerthieb Lancelots gefällt. Er war nicht stolz auf diesen Sieg, dazu hatte er keinen Grund. Die beiden Männer waren deutlich älter als er gewesen, von kräftigerem Wuchs und geübt im Umgang mit ihren Waffen – aber welche Chance hatten sie schon gegen einen Gegner, der eine Zauberrüstung trug, die ihn nicht nur praktisch unverwundbar machte, sondern ihm auch noch die Stärke und Erfahrung all ihrer früheren Besitzer verlieh.

Als er neben ihnen kniete und ihre Helmvisiere hochschob, sah er ganz genau das, was er erwartet hatte: junge, beinahe noch unfertige Gesichter, auf deren Wangen sich gerade die ersten Bartstoppeln zeigten. In ihren erloschenen Augen schien noch immer ein Ausdruck fassungslosen Erstaunens zu liegen. Nein, er war nicht stolz darauf, diese Männer erschlagen zu haben, ganz und gar nicht.

»Bitte geh und hol die Pferde«, bat er, noch immer ohne sich Gwinneth zuzuwenden. Er hätte ihren Blick in diesem Moment nicht ertragen. »Ich möchte hier weg, so schnell es geht.«

Gwinneth folgte wortlos seiner Aufforderung und es dauerte nicht lange, bis sie zurückkam, ihren prachtvoll aufgezäumten Schimmel und das kleinere, erschöpft wirkende Packpferd an den Zügeln hinter sich führend. Ihr war diesmal nicht viel Zeit geblieben, sich zu verstecken. Lancelot hatte den Hinterhalt erst im allerletzten Moment bemerkt, beinahe schon zu spät. Irgendwann würde er es erst merken, wenn es zu spät war, und dann …

Nein. Er schob diesen Gedanken mit Macht von sich. Er wollte sich nicht vorstellen, was geschähe, wenn Gwinneth Artus’ Häschern in die Hände fiele. Er hatte ihr versprochen, sie eher zu töten, bevor er zuließe, dass sie nach Camelot zurückgebracht würde. Sie wussten beide, dass er dieses Versprechen nicht halten könnte, aber Lancelot weigerte sich darüber nachzudenken, was für Konsequenzen sein Wortbruch nach sich ziehen würde.

Gwinneth wollte ihm helfen, doch Lancelot scheuchte sie fast unwirsch zurück, während er Sir Bartholomäus’ Leichnam vom Weg herunterschleifte und anschließend seinen Mantel über ihm ausbreitete, auf den er danach noch eine Hand voll Schnee häufte. Wenn es nur möglich gewesen wäre, hätte er ihm gerne ein würdigeres Begräbnis bereitet. Der hart wie Stein gefrorene Boden ließ das jedoch nicht zu; außerdem mussten sie machen, dass sie von hier wegkamen.

»Das ist Sir Bartholomäus, nicht wahr?«, fragte Gwinneth, noch immer mit ihrer fast tonlosen, schrecklich leeren Stimme.

»Ja«, bestätigte Lancelot.

»Der Wievielte war es?«, fuhr Gwinneth fort. »Der Fünfte oder vielleicht schon der Sechste oder Siebte?« Sie gab ein Geräusch von sich, das Lancelot im ersten Moment für ein Lachen hielt, obwohl es in Wahrheit eher so etwas wie ein kleiner Schrei war. Er wandte sich zu Gwinneth um und sah ihr nun doch ins Gesicht. Sie wirkte auf geradezu unheimliche Weise gefasst.

»Und wie viele werden noch kommen?«, fuhr sie fort.

»Noch fünf, noch sechs oder fünfzig oder hundert?

Wie viele von Artus’ Rittern musst du noch erschlagen?«

Lancelot war alarmiert. War das der Moment, den er seit Monaten fürchtete? Er wusste, wie stark Gwinneth war, aber selbst ihre Stärke war nicht unerschöpflich.

»Gwinneth …«, begann er, »ich …«

»Und wer wird der Nächste sein?«, fuhr sie fort, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. »Galahad? Leon? Parzival?«

»Bitte nicht, Gwinneth«, sagte Lancelot. »Sie werden aufgeben. Artus weiß, dass mich keiner seiner Ritter besiegen kann. Er ist es seinem Ruf schuldig, nach uns suchen zu lassen, aber er wird nicht seine besten Männer einen nach dem anderen in den sicheren Tod schicken.« Gwinneth schwieg. Ihre Augen füllten sich mit einer Dunkelheit, die Lancelot bis ins Mark erschütterte. Vielleicht nur weil er den Anblick dieser Schwärze nicht mehr ertrug, wandte er sich ruckartig ab, ging zu den beiden toten Rittern hin und kniete noch einmal neben ihnen nieder. Rasch, aber sehr methodisch begann er ihre Taschen zu durchsuchen und häufte alles, was er fand, neben sich auf. Die Ausbeute war erbärmlich. Einige Münzen, ein Ring mit einem Edelstein und ein goldenes, offenbar schon sehr altes Kreuz, das einer der Männer um den Hals getragen hatte. Es war sehr klein und das Gold war von minderer Qualität.

»Was tust du da?«, fragte Gwinneth.

»Das siehst du doch«, antwortete Lancelot. Sein grober Ton erschreckte ihn fast selbst, obwohl er sehr wohl wusste, dass er nur seinem schlechten Gewissen entsprang. »Ich sehe nach, was sie an Wertsachen bei sich haben. Sie brauchen sie nicht mehr, aber wir dafür umso nötiger. Auch ein abtrünniger Ritter und eine flüchtende Königin müssen essen, weißt du?«

Er raffte seine magere Ausbeute an sich, stopfte sie achtlos in die Tasche und stand auf.

»So weit ist es also jetzt schon mit uns gekommen«, sagte Gwinneth. »Gemeine Diebe und Leichenfledderer, das sind wir geworden.«

Und plötzlich begann sie zu weinen; nicht leise und schluchzend, wie sie es in den letzten Tagen und Wochen so oft getan hatte, wenn sie glaubte, Lancelot merke es nicht. Diesmal brachen die Tränen wie eine Explosion aus ihr hervor, ein krampfhaftes Wimmern und Schluchzen, fast wie ein Schrei, das sich wie ein glühendes Messer in Lancelots Brust bohrte. Hastig schloss er sie in die Arme und hielt sie fest, aber Gwinneth beruhigte sich nicht. Sie zitterte im Gegenteil immer stärker und ihre heißen Tränen schienen Lancelots Gesicht in Strömen zu benetzen. Sie klammerte sich mit solcher Kraft an ihn, dass ihm die Umarmung die Luft abschnürte, aber er spürte auch, dass er ihr keinen Trost spenden konnte.

»Ich kann so nicht mehr leben, Lancelot«, schluchzte sie. »Nicht auf diese kranke Art. Lieber kehre ich nach Camelot zurück und liefere mich Artus aus.«

»Bitte, Gwinneth«, flüsterte Lancelot. Er strich ihr beruhigend über das Haar, aber er hatte das Gefühl, dass sich ihr Zittern dadurch eher noch verstärkte. Er kam sich so hilflos vor, dass es wehtat.

»Es wird nicht so bleiben, glaub mir, und wenn ich noch zwanzig von seinen Rittern erschlagen muss. Irgendwann wird Artus die Jagd auf uns abblasen. Wir werden einen Ort finden, an dem wir sicher sind. Wenn nicht in diesem Land, dann in einem anderen, das verspreche ich dir.«

Aber glaubte er eigentlich selbst an diese Worte? Vielleicht war es nichts weiter als ein leichtfertiges Versprechen, das er ebenso wenig zu halten vermochte wie alles andere, was er Gwinneth in Aussicht gestellt hatte. Sie waren seit weit mehr als vier Monaten auf der Flucht und jeder Tag war schlimmer als der vorhergehende gewesen. Natürlich hatten sie gewusst, dass Artus weder seinen scheinbaren Verrat noch Gwinneths schmähliches Verhalten klaglos hinnehmen konnte, und zumindest Lancelot war sich von Anfang an bewusst gewesen, dass ihnen eine erbarmungslose Jagd bevorstand, in der die Jäger nahezu alle Vorteile auf ihrer Seite hatten.

Dennoch hatte er sich niemals, nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorgestellt, dass es so schlimm werden konnte. Was sowohl Gwinneth als auch ihm trotz allem ein wenig wie ein romantisches Abenteuer vorgekommen war – zwei Liebende, die auf der Flucht vor einem übermächtigen Feind waren und praktisch die ganze Welt gegen sich hatten –, das war schon nach kurzem zu einer Tortur und bald darauf zu einem Albtraum geworden, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Es war nichts Abenteuerliches daran und schon gar nichts Romantisches. Sie lebten das Leben wilder Tiere, genau wie Gwinneth es ihm in den letzten Wochen immer wieder vorgehalten hatte. Eine ununterbrochene Flucht ohne jedes konkrete Ziel, die nur aus Furcht, Entbehrungen, Misstrauen und Schmerz bestand und die ihnen beiden mehr Kraft abverlangte, als sie auf Dauer aufbringen konnten.

Und aus Kämpfen. So vielen, so nutzlosen Kämpfen, ganz gleich, wohin ihre absichtlich vollkommen willkürlich gewählte Route sie auch geführt haben mochte.

Er hatte Gwinneth nicht widersprochen, aber er wusste, dass sie sich irrte. Bartholomäus war nicht der fünfte oder sechste Ritter gewesen, den er erschlagen hatte, sondern mittlerweile der achte. Und er war nicht so sicher, wie er Gwinneth gegenüber behauptete, dass es wirklich jemals aufhören würde. Artus schien von dem Gedanken an Rache geradezu besessen zu sein. Wahrscheinlich würde er nicht eher Ruhe geben, bis Gwinneth und er entweder tot oder gefangen waren – oder es keine Tafelrunde mehr gab.

Sehr behutsam löste er sich aus Gwinneths Umarmung und schob sie weit genug von sich, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Was er erblickte, erschreckte ihn. Gwinneth hatte aufgehört zu weinen; ihre Tränenspur hatte die unerbittliche Kälte zu weißen Raureifspuren gefrieren lassen. Diese schreckliche Dunkelheit war noch immer in ihren Augen, nicht mehr ganz so deutlich wie zuvor, sondern eher wie ein schleichendes Gift, das im Verborgenen lauert, ohne deshalb auch nur eine Spur weniger gefährlich zu sein. Er kannte sogar den Namen dieses Giftes: Er lautete Mutlosigkeit. Vielleicht der schlimmste Feind eines Menschen in einer sowieso schon ausweglos erscheinenden Lage.

Während er einen Zipfel seines Mantels benutzte, um die gefrorenen Tränen von ihren Wangen zu wischen, versuchte er sich zu einem aufmunternden Lächeln zu zwingen.

»Wir werden einen Ausweg finden«, versprach er. »Artus ist mächtig, aber nicht allmächtig. Es gibt immer noch ein paar Königreiche in diesem Land, die nicht mit ihm verbündet sind. Vielleicht finden wir dort irgendwo Zuflucht.«

Gwinneth deutete ein Achselzucken an und tat wenigstens so, als ob ihr diese Worte ein wenig Zuversicht spendeten; was in Wahrheit gar nicht der Fall sein konnte. Mit Artus’ Macht war es sonderbar: Es gab selbstverständlich eine Reihe mehr oder weniger mächtiger Häuser und Königreiche, die seinen alleinigen Herrschaftsanspruch über ganz Britannien nicht anerkannten. Aber das Land spaltete sich dabei in zwei strenge Lager: Es gab die, die Artus treu ergeben waren und die, die ihm ewige Feindschaft geschworen hatten. Nichts dazwischen. Sie hatten die Wahl, in einer Stadt oder bei einem Herrscher Unterschlupf zu suchen, der sie am Ende an Camelot ausliefern würde, oder sich Artus’ Feinden anzuschließen. Das eine verbot sich von selbst und das andere kam für sie beide erst recht nicht infrage. Artus mochte sie für vogelfrei erklärt und ihnen den Tod geschworen haben, aber zu seinen Feinden überzulaufen, wäre dennoch ein Akt des Verrates gewesen, zu dem weder Gwinneth noch er bereit waren.

Er führte Gwinneth die wenigen Schritte zu ihrem Pferd und half ihr in den Sattel hinauf. Erneut fiel ihm auf, wie kalt und wächsern sich ihre Haut anfühlte und wie dünn, ja fast zerbrechlich sie wirkte. Schlank war sie schon immer gewesen, aber nun hatte sie gefährlich an Gewicht verloren. Obwohl sie nicht krank werden konnte – schließlich gehörten sie beide dem widerstandsfähigen Elbenvolk an –, zehrten doch Hunger und Entbehrungen an ihr. Mit dem Geld und den Wertsachen der Toten waren sie wenigstens wieder in der Lage, sich etwas zu essen zu kaufen und vielleicht einen Platz unter einem Dach oder wenigstens an einem warmen Feuer zu bezahlen. Es war so, wie Gwinneth gesagt hatte: So weit war es mit ihnen gekommen.

Lancelot überzeugte sich davon, dass Gwinneth sicher im Sattel saß, dann ging er zu dem wartenden Einhorn und stieg ebenfalls auf. Das Tier schnaubte und begann mit den Vorderhufen im Schnee zu scharren und Lancelot spürte seine Enttäuschung und seinen Ärger. Das Geschöpf hatte Blut gewittert und es verlangte nach mehr.

»Wohin?«, fragte Gwinneth.

Lancelot tat so, als müsste er einen Moment überlegen, dann deutete er nach Westen – um der Wahrheit die Ehre zu geben, vollkommen willkürlich. Es war die Richtung, in die der Weg führte, das war der einzige Grund. Sie wussten schon lange nicht mehr, wohin sie sich auf ihrer Flucht eigentlich wenden sollten. Nachdem sie anfänglich so weit wie möglich an die zerklüftete Küste im fernen Schottland vorgestoßen waren, ohne Artus’ Häscher abschütteln zu können, verfolgten sie mittlerweile nur noch einen vollkommen willkürlichen Zickzackkurs, wobei sie lediglich darauf achteten, Camelot nicht zu nahe zu kommen.

Gwinneth ließ ihr Pferd antraben und Lancelot wartete, bis sie an seiner Seite war, ehe er das Einhorn ebenfalls in Bewegung setzte. Das Packpferd schloss sich ihnen ohne besondere Aufforderung an, doch sein Anblick versetzte Lancelot einen tiefen Stich. Obwohl ihnen das struppige Pony seit drei Monaten die Treue gehalten hatte, würden sie sich jetzt bald von ihm trennen müssen. Es war bedeutend langsamer als das Einhorn und Gwinneths prachtvoller Schimmel und hielt sie nur auf; außerdem hatten sie schon seit Wochen kaum noch etwas, das sich auf seine Satteltaschen auszulagern lohnte. Das Schneetreiben nahm zu, während sie langsam nebeneinander über den schmalen Waldweg ritten. Es wurde kälter.

Der Hof lag in der Biegung eines Flusses, dessen Namen Lancelot nicht kannte und der so schmal war, dass man ihn vermutlich auf kaum einer Karte fand. Der strenge Winter hatte ihn schon vor Wochen zufrieren lassen, wodurch er seine Funktion als natürliche Begrenzung des Hofs eingebüßt hatte. Ein Teil des Viehs war über das Eis ans gegenüberliegende Ufer gelaufen und hatte sich dort über die weitläufige Wiese des Flusses verteilt; ein knappes Dutzend zottiger, langhaariger Rinder, das mit unerschütterlicher Beharrlichkeit unter dem frisch gefallenen Schnee nach den wenigen Grashalmen oder moosbedeckten Stellen suchte, die den Wintereinbruch bisher überstanden hatten.

»Der Bauer scheint sich um sein Vieh nicht viele Sorgen zu machen«, murmelte Lancelot.

»Oder er hat keinen Grund, misstrauisch zu sein«, antwortete Gwinneth. Ihr Blick tastete über das offen daliegende und nur spärlich bewachsene Ufer auf der gegenüberliegenden Seite. So weit man sehen konnte, gab es dort keinen Zaun oder irgendein anderes Hindernis, das die Tiere aufhalten – oder schützen – könnte. »Das hier scheint eine sehr friedliche Gegend zu sein.«

Es gibt keine friedliche Gegend, dachte Lancelot. Nicht in diesem Land, vielleicht nirgendwo mehr. Dennoch ließen ihn Gwinneths Worte lächeln. Wann immer es eine Situation auch nur im Entferntesten zuließ, versuchte sie das Positive in ihr zu sehen. Vielleicht war das einer der Gründe, aus denen er sie so sehr liebte.

»Jedenfalls sehe ich nirgends Soldaten«, bemerkte er, eigentlich nur, um überhaupt etwas zu sagen. Er hatte keine Angst vor Soldaten. Der noch immer tobende Krieg gegen die Pikten band den größten Teil von Artus’ Kräften – wäre es anders gewesen, hätte er zweifellos schon eine ganze Armee losgeschickt, um sie zu fangen. So begnügte sich Artus notgedrungen damit, in fast regelmäßigen Abständen einen seiner Ritter auszuschicken. So grausam diese unmenschliche Rechnung Lancelot auch erschien: Er war ziemlich sicher, dass sie nach Bartholomäus’ Tod eine Atempause hatten.

Und die hatten sie auch dringend nötig. Es war den ganzen Tag über beständig kälter geworden und jetzt, mit Einbruch der Dämmerung, begann aus dem Schneetreiben ein regelrechter Schneesturm zu werden, der die Sicht zusätzlich zu dem schwächer werdenden Licht noch erschwerte. Nicht mehr lange, und es würde vollends dunkel sein. Und es war schon jetzt so kalt, dass er nur zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch zu atmen wagte, weil die Luft wie ein Messer in seine Kehle schnitt.

»Bitten wir den Bauern um ein Nachtlager?«, fragte Gwinneth.

Obwohl Lancelot im nächsten Moment genau denselben Vorschlag gemacht hätte, zögerte er zu nicken. Sie befanden sich in Dyfed, nahe der Irland gegenüberliegenden Küste, und vermutlich hatten die meisten Menschen hier den Namen Camelot noch nicht einmal gehört. Außerdem brannte in dem großen, strohgedeckten Haus dort unten bereits Licht, dessen warmer gelber Schein sie die beißende Kälte doppelt spüren ließ. Alles machte einen durch und durch friedlichen und einladenden Eindruck. Aber er hatte kein gutes Gefühl, und Lancelot hatte gelernt auf seine Gefühle zu hören. Sie hatten ihm und Gwinneth mehr als nur einmal das Leben gerettet.

Andererseits jagte ihm die bloße Vorstellung, in diesem unbekannten, eisigen und vom Sturm durchtosten Wald zu übernachten, einen Schauer des Entsetzens über den Rücken. Sie hatten nicht besonders viel davon, wenn sie Artus’ Schergen entkamen, um dann zu erfrieren.

Dennoch sah er sich noch einen Moment lang nachdenklich um und deutete dann fast wahllos auf den dunkel daliegenden Wald zur Linken. »Wir verstecken das Einhorn und dein Pferd dort. Und meine Rüstung auch. Die Leute dort unten werden einem bewaffneten Ritter zwar eher Obdach gewähren als zwei einfachen Reisenden, aber sie werden sich ganz bestimmt auch eher an ihn erinnern.«

Gwinneth nickte wortlos. Was solcherlei Entscheidungen anging, widersprach sie Lancelot fast nie – obwohl er manchmal das Gefühl hatte, dass sie sie nicht immer billigte und es vielleicht das eine oder andere Mal auch besser gewesen wäre, wenn sie ihn auf einen Denkfehler aufmerksam gemacht hätte. Sie ritten die wenigen Schritte zum Waldrand zurück und Gwinneth führte ihren Schimmel ein gutes Stück weit ins Dickicht hinein, bevor sie ihn festband, damit er wenigstens vor dem ärgsten Wind geschützt war.

Lancelot dagegen musste sich erst einmal seiner Rüstung entledigen und die einzelnen Teile dann auf dem Einhorn verstauen. Als Letztes befestigte er die silberbeschlagene Scheide mit dem Ritterschwert am Sattelknauf – er hatte in den letzten Wochen ausschließlich diese Waffe verwendet und nicht die sorgfältig verstaute Elbenklinge, die er zusammen mit der Rüstung vor langer Zeit auf dem Grund eines Sees gefunden hatte.

Um das Einhorn musste sich Lancelot keine Sorgen machen. Das Geschöpf verschwand zwischen den Bäumen, kaum dass er sich abgewendet hatte, und er wusste, dass es am nächsten Morgen zuverlässig wieder auf ihn warten würde. Sowohl das Einhorn als auch die Rüstung waren magische Dinge; Bestandteile einer Welt, die ihm fremd und unheimlich war, obwohl er längst begriffen hatte, dass auch Gwinneth und er aus ganz genau dieser Welt stammten.

Er zog sich hastig an. Mit den einfachen braunen Sackleinenhosen, den Schnürsandalen und dem groben, aber halbwegs wärmenden Überwurf – der im Grunde nur eine Decke war, in die er ein Loch für den Kopf geschnitten hatte – verwandelte er sich nicht nur äußerlich in Dulac den Küchenjungen. Mit dem Kleidungswechsel gab er auch einen Teil der Persönlichkeit des legendären Ritters Lancelot du Lac auf, um sich danach wieder wie der Küchenjunge vom Hofe König Artus’ zu fühlen.

Nun – vielleicht nicht ganz. Dulac war im Laufe des zurückliegenden Jahres deutlich gealtert. Er war gewachsen und hatte breitere Schultern bekommen, woran auch die sicherlich zwanzig Pfund Gewicht nichts änderten, die ihm Hunger und Entbehrungen in den letzten Monaten abverlangt hatten. Er war kein Kind mehr, sondern ein hochgewachsener, schlanker junger Mann, der deutlich älter wirkte, als es ihm von den Jahren her zustand. Das hatte Vor- aber auch Nachteile. Zwar konnte er jetzt vieles ganz selbstverständlich tun, was ihm noch vor kurzem verwehrt gewesen war, aber dafür nahm ihm auch niemand mehr die Rolle des unbedarften Jungen ab, der in einer ihm unverständlichen Welt auf fremde Hilfe angewiesen war.

Mit Gwinneth verhielt es sich da schon etwas anders.

Trotz der beißenden Kälte, und obwohl er mittlerweile am ganzen Leib zitterte, wurde Lancelot für einen Moment warm ums Herz, als er sich zu ihr umdrehte. Sie hüllte sich gerade in einen groben braunen Mantel, der nicht nur ihre zerbrechliche Gestalt verbarg, sondern auch das trotz allem noch kostbare Kleid, das sie nun schon seit Monaten trug. Obwohl sie kränklich aussah und ebenso abgemagert war wie er selbst, wirkte sie immer noch wie ein strahlendes Juwel. Das war das Problem mit Gwinneth, dachte er. Sie konnte sich in Sack und Asche hüllen und das Gesicht mit Schlamm und das Haar mit Kuhmist beschmieren und eine Stunde in der Jauchegrube baden – man hätte ihr die Königin immer noch angesehen.

Lancelot überzeugte sich noch einmal davon, dass das Pferd sicher angebunden war – niemand hätte ihnen geglaubt, dass dieses prachtvolle Schlachtross mit dem kostbaren Zaumzeug ihnen gehörte, sondern sie allenfalls des Diebstahls bezichtigt, wie Lancelot bereits leidvoll erfahren hatte –, dann half er Gwinneth auf den Rücken des Packpferds zu steigen und nahm das Tier beim Zügel.

Der Weg, den Hügel hinab und bis zum Bauernhof, war nicht sehr weit. Dennoch war es vollends dunkel geworden, bis sie das hell erleuchtete Gebäude erreichten, und der Wind hatte sich endgültig in einen Sturm verwandelt, der mit unsichtbaren Fäusten am Dach und an den Fensterläden rüttelte und tausend heulende Geisterstimmen mit sich brachte. Lancelot band das Pony an einen Pfahl vor dem Eingang, hob Gwinneth kurzerhand aus dem Sattel – um sie möglichst schnell vor dieser grausamen Kälte in Sicherheit zu bringen – und trat an die Tür um zu klopfen. Er bekam keine Antwort, aber er glaubte drinnen Geräusche zu hören. Mit seinen steif gefrorenen Fingern wäre es zu schmerzhaft gewesen, noch einmal und dazu energischer anzuklopfen, also öffnete er kurz entschlossen die Tür und trat ein.

Der sich ihm bietende Anblick war so überraschend, dass er mitten im Schritt innehielt und sich erstaunt umsah. Von weitem hatte die Ansammlung mehr oder weniger heruntergekommener Gebäude tatsächlich wie zu einem Bauernhof zugehörig gewirkt – wegen des immer heftiger werdenden Schneesturms hatte er danach kaum noch etwas erkennen können –, aber das Innere dieses Gebäudes erwies sich eindeutig als Schankraum eines Gasthauses, und zwar eines von der Art, die er normalerweise lieber mied, selbst wenn er in Rüstung und Waffen war.

Der Raum war erstaunlich groß, aber so ungemütlich, als wäre bei seiner Einrichtung vor allem auf eine abschreckende Wirkung Wert gelegt worden. Es gab ein knappes Dutzend grob gezimmerter Tische, von denen zwei von einer verwegen aussehenden Männerrunde aneinander gerückt worden waren, und eine niedrige Theke, hinter der ein schmuddelig gekleideter Fettwanst stand, der einen schmierigen Lappen über die linke Schulter geworfen hatte und eine speckige Lederschürze trug.

Zusammen mit ihnen war ein eisiger Lufthauch hereingeweht, der das Kaminfeuer Funken stiebend flackern ließ und die Hälfte der Kerzen löschte, die zuvor den Raum erhellt hatten. Eine Wolke aus Schnee und eisiger Nässe fauchte an ihm vorbei und die Männerrunde unterbrach abrupt ihr Gespräch und wandte sich ihnen zu.

»Heda! Was soll das?«, polterte der Wirt. »Kommt rein oder bleibt draußen, aber macht gefälligst die Tür zu!«

Dulac erwachte aus seiner Erstarrung, zog Gwinneth hastig hinter sich ins Haus und riss die Tür geradezu ins Schloss. Der Wind wurde ausgesperrt, doch die hereingewirbelten Schneeflocken tanzten für einen Moment noch heftiger, als wollten sie dagegen protestieren, dass sie von ihrem unsichtbaren Verbündeten getrennt worden waren. Flackernd erloschen zwei weitere Kerzen.

Dulac stampfte ein paarmal mit den Füßen auf, um den an seinen Schuhsohlen klebenden Schnee loszuwerden, und registrierte aus den Augenwinkeln, wie Gwinneth die Kapuze ihres Mantels zurückschlagen wollte, es dann aber doch nicht tat, sondern stattdessen unauffällig den Kopf senkte, damit ihr Gesicht im Verborgenen blieb. Dieses Gasthaus schien ihr so wenig zu gefallen wie ihm.

Sie gingen zu einem der freien Tische und Gwinneth setzte sich; wie durch Zufall so, dass ihr Gesicht von den beiden besetzten Tischen abgewandt war. Dulac trat an die Theke heran und bemühte sich, ein ganz genau dosiertes verlegenes Lächeln auf sein Gesicht zu zwingen; aber seine Züge waren so steif vor Kälte, dass er selbst spürte, wie kläglich es misslang.

»Das mit der Tür tut mir Leid«, begann er. »Ich wollte keinen Ärger machen.«

»Was willst du?«, fragte der Wirt grob. Seine Entschuldigung, begriff Dulac, war ein Fehler gewesen. Der Wirt gehörte nicht zu der Sorte Menschen, die das Wort Freundlichkeit auch nur kannten.

»Wir wussten nicht, dass das hier ein Gasthaus ist«, antwortete Dulac. Seine Stimme zitterte hörbar, zwar nur vor Kälte, aber er verfluchte sich selbst dafür, denn ihm war natürlich klar, dass sein Gegenüber dieses Zittern als Schwäche auslegen musste. »Wir haben es für ein Gehöft gehalten.«

»Das ist es auch immer noch«, antwortete der Wirt. »Es ist das einzige weit und breit. In manchen Jahren kamen mehr Reisende, die nach einem Nachtlager fragten, als Korn auf den Feldern wuchs.«

»Und da habt Ihr Euch gefragt, warum Ihr nicht gleich zusätzlich ein Gasthaus eröffnet«, vermutete Dulac. Die Redseligkeit des Dicken war kein Zufall. Er hatte mit dieser kleinen Geschichte klar gemacht, dass es hier nichts umsonst gab; nicht einmal die Wärme, mit der das prasselnde Kaminfeuer den Raum füllte – ganz zu schweigen von dem Gestank und dem beißenden Qualm, mit dem das zu feuchte Holz verbrannte.

»Ganz richtig.« Die trüben Augen des Wirts taxierten Dulac rasch und geübt und schienen genau zu dem Schluss zu kommen, den Dulac mit seinem Aussehen erreichen wollte: Ein Habenichts, von dem nichts zu holen war und dem die Welt auch nichts zu bieten hatte.

Als er seine Musterung abgeschlossen hatte und sich Gwinneth zuwenden wollte, sagte Dulac rasch: »Wir brauchen ein Nachtlager. Und etwas zu essen.«

»Und du kannst zahlen?«, fragte der Wirt in einem Ton, der klar machte, dass er eigentlich mit einem Nein als Antwort rechnete.

Dulac griff in die Tasche und zog eine der Münzen hervor, die er den toten Rittern abgenommen hatte. Er legte sie vor sich auf die Theke. Der Wirt ließ sie so schnell verschwinden, dass Dulac die Bewegung kaum sah, und deutete dann mit vorgeschobenem Kinn auf den Tisch, an dem Gwinneth saß.

»Habt ihr Pferde dabei?«

»Eines«, antwortete Dulac.

»Dann könnt ihr es im Stall hinter dem Haus unterbringen«, brummte der Fettsack, »und auch gleich dort schlafen. Jetzt setz dich. Ich bringe euch zu essen.«

Dulac war nicht enttäuscht, im Gegenteil. Sie hatten in den zurückliegenden Wochen mehr Nächte in Pferdeställen und auf Heuböden verbracht als in richtigen Betten, und wenn er sich in dieser heruntergekommenen Absteige umsah, dann konnte er sich durchaus vorstellen, dass der Stall dem vorzuziehen war, was der Wirt als Gästezimmer bezeichnete. Er ging zu Gwinneth zurück, setzte sich und stützte schwer die Ellbogen auf die Tischplatte.

Sofort sprangen ihn Müdigkeit und Schwere an wie zwei ungleiche Beutejäger, die geduldig auf ihre Chance gewartet hatten. Der Angriff kam so warnungslos, dass Dulac ihm fast erlegen wäre. Sein Kopf sank nach vorne und er hätte nur etwas bequemer dasitzen müssen, um vermutlich auf der Stelle einzuschlafen. So knallte seine Stirn mit einem schmerzhaften Schlag auf die Tischplatte und Dulac fuhr so erschrocken hoch, dass er zu allem Überfluss um ein Haar auch noch vom Stuhl gefallen wäre.

Einer der anderen Gäste lachte schadenfroh. Dulac unterdrückte den Impuls, dem Mann einen wütenden Blick zuzuwerfen, sondern fuhr sich stattdessen müde mit dem Handrücken über das Gesicht und wandte sich Gwinneth zu. Sie hatte ihre Kapuze immer noch nicht zurückgeschlagen, doch ihr Gesicht konnte er darunter deutlich erkennen. Es war grau und blass, aber trotz aller Erschöpfung glitzerten ihre Augen jetzt spöttisch, was ihn erleichtert aufatmen ließ.

Es verging nur eine überraschend kurze Zeitspanne, bis der Wirt zurückkam und das Essen brachte; halb gar gekochtes Schweinefleisch, Kohl und Brot, ein Fraß, den Dulac zu Hause in Camelot nicht einmal einem Hund vorgesetzt hätte, den sie aber beide gierig hinunterschlangen. Die ganze Zeit über spürte er die Blicke des Wirtes wie die Berührung einer unangenehmen, schmierigen Hand auf sich – und vor allem auf Gwinneth – ruhen, aber der Fettsack war nicht der Einzige, der sie anstarrte. Das knappe halbe Dutzend Männer an den beiden Nachbartischen hatte seine Unterhaltung längst wieder aufgenommen und ihrer Lautstärke und dem grölenden Gelächter nach zu urteilen war der Krug Bier, der vor ihnen stand, nicht der erste an diesem Abend. Dennoch sahen die Männer immer wieder in ihre Richtung, manchmal verstohlen, zumeist aber ganz offen neugierig und abschätzend.

Nachdem sie fertig gegessen hatten, ging Dulac zur Theke und bat um einen Krug Wasser und zwei Becher. Der Wirt machte ein Gesicht, als hätte er etwas Unanständiges von ihm verlangt, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, mischte sich einer der Männer vom Nebentisch ein.

»Gib den beiden einen Krug Bier, elender Geizkragen«, rief er. »Bei den Wucherpreisen, die du für deinen Fraß verlangst, müsstest du ihnen eigentlich ein ganzes Fass spendieren!«

Der Wirt spießte den Sprecher mit Blicken geradezu auf, aber zu Dulacs nicht geringer Überraschung zapfte er tatsächlich einen Krug Bier und knallte ihn zusammen mit zwei Bechern auf den Tresen vor sich. Dulac nahm den Krug in die linke und die beiden Becher in die rechte Hand und drückte alles an seine Brust, damit ihm nichts entglitt, als er zum Tisch zurückbalancierte. Während er den Männern, die ihm so unverhofft Schützenhilfe geleistet hatten, dankbar zunickte, nutzte er die Gelegenheit, um sie genauer zu mustern.

Was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Es waren fünf ausnahmslos große, kräftige Burschen, der jüngste gute zehn Jahre älter als er selbst und der älteste noch kein Greis, aber auch nicht mehr weit davon entfernt. Soweit er erkennen konnte, hatten sie vernarbte Hände und den einen oder anderen Schmiss im Gesicht. Sie sahen ungepflegt aus, ihre Kleider waren schmutzig und an zahllosen Stellen geflickt, aber als einer von ihnen aufstand und mit seinem Becher in der Hand auf sie zukam, klaffte sein Mantel auseinander und Dulac sah, dass er ein Schwert darunter trug.

»Du darfst solche Kerle nie um etwas bitten, mein Junge«, sagte er, während er sich uneingeladen setzte. »Bei solchen Leuten muss man fordern. Alles andere legen sie als Schwäche aus, und dann hast du schon verloren.«

»Ich weiß«, antwortete Dulac. »Ich bin bei so einem Menschen aufgewachsen.«

Er war nicht mehr Lancelot, sondern wieder Dulac, und als solcher hatte er nicht einmal gelogen, auch wenn er Tander Unrecht tat. Bei allem, was sein Ziehvater ihm auch angetan haben mochte, hatte er doch ein ganz anderes Niveau als der schmierige Fettwanst hinter der Theke.

»Reisende müssen zusammenhalten«, antwortete der andere. »Woher kommt ihr?«

»Camelot«, entfuhr es Dulac. Gwinneth sah ihn einen Moment lang fast entsetzt an, aber Dulac schenkte ihr einen weiteren beruhigenden Blick. Wenn er in den letzten Monaten eines wirklich gelernt hatte, dann das Lügen, und wenn er eines über das Lügen gelernt hatte, dann, dass überzeugende Lügen möglichst viel Wahrheitsgehalt enthielten.

»Camelot?«, antwortete der andere. Er drehte den Kopf und wandte sich an seine Kameraden. »Freunde, die beiden hier kommen aus Camelot. Dann habt ihr wirklich eine lange Reise hinter euch«, fuhr er nun wieder an Dulac und Gwinneth gewandt fort. Er stand auf und wirkte plötzlich sehr aufgeregt. »Kommt. Setzt euch an unseren Tisch. Ihr müsst uns von Camelot erzählen. Habt ihr die große Schlacht miterlebt?«

»Ich glaube nicht, dass …«, begann Dulac, aber der andere schnitt ihm mit einer harschen Handbewegung, wenn auch lachend, das Wort ab.

»Papperlapapp! Ihr kommt an unseren Tisch und erzählt uns von euren Abenteuern, und dafür spendieren wir euch noch eine Mahlzeit.« Ohne Dulacs Antwort auch nur abzuwarten, drehte er sich zum Wirt herum. »Bring den beiden hier noch etwas zu essen. Aber eine anständige Mahlzeit diesmal, nicht wieder so einen Fraß wie gerade. Ich warne dich!«

Die freundlich-bestimmte Art des Fremden ließ es Dulac ratsam erscheinen, seine Einladung anzunehmen. Mit einem kurzen Kopfnicken bedeutete er Gwinneth, der Aufforderung Folge zu leisten, um dann gemeinsam mit ihr an den Nachbartisch zu wechseln. Aller Aufmerksamkeit richtete sich nun auf sie, und natürlich ganz besonders auf Gwinneth. Zwei Stühle wurden scharrend herangezogen, und eine harte Hand stieß Dulac mit etwas, was er nur noch mit sehr viel gutem Willen als ›sanfte Gewalt‹ bezeichnen konnte.

»Ich bin Sean«, stellte sich der Dunkelhaarige vor, der Gwinneth und ihn eingeladen hatte. Er deutete nacheinander auf die anderen und nannte ihre Namen, aber Dulac machte sich nicht die Mühe, sie sich zu merken. Es war ein schwerer Fehler gewesen, dieses Gasthaus zu betreten, doch es hatte keinen Sinn, über einmal gemachte Fehler zu jammern. Sie mussten von hier verschwinden, unauffällig und schnell.

»Sean?«, fragte Gwinneth stirnrunzelnd. »Das ist kein britischer Name.«

»Das will ich meinen«, antwortete Sean lachend. »Wir sind Iren. Diese drei da mit den dummen Gesichtern sind meine Brüder, und der griesgrämige Alte ist der Bruder meines Vaters.«

»Dein Onkel also.«

Sean legte die Stirn in Falten und tat so, als müsste er über dieses Wort nachdenken, aber das unterdrückte Glitzern in seinen Augen entging Dulac keineswegs. Dieser Mann spielte nur den Dummkopf. Dulac gemahnte sich in Gedanken zur Vorsicht. »Wenn man das so nennt …«, meinte Sean schließlich. »Und ihr? Wer seid ihr? Ist das deine Schwester, oder …?«

»Oder«, sagte Dulac. Er trank einen Schluck von seinem Bier und versuchte Seans Lächeln standzuhalten, aber ganz gelang es ihm nicht. Mit der silbernen Rüstung hatte er mehr von seiner Selbstsicherheit und seinem Mut abgelegt, als ihm bisher klar gewesen war.

»Ich verstehe.« Seans Grinsen wurde unverblümt anzüglich. »Sie ist wirklich sehr hübsch.«

»Das weiß ich«, antwortete Dulac. »Ihr Vater ist ein einflussreicher Mann, der an Artus’ Hof ein und aus geht.«

»Und natürlich jedem den Hals umdrehen würde, der seine wunderschöne Tochter auch nur ansieht«, grinste Sean. »Und deshalb hat er seinen besten Ritter zu ihrem Schutz mitgeschickt, nehme ich an?«

»Ganz genau«, sagte Dulac.

Das Ergebnis waren ein grölendes Gelächter und ein derber Rippenstoß des Burschen zu seiner Linken, der Dulac fast die Luft aus den Lungen trieb.

Gwinneth begann zu husten; einmal, zweimal zuerst, dann ein regelrechter Hustenanfall, der in einem qualvollen Keuchen endete. Das Gelächter der Iren verstummte nach und nach, und als Gwinneth wieder halbwegs zu Atem gekommen war, starrten die Männer sie teils besorgt, aber auch ein wenig alarmiert an.

»Geht es wieder?«, fragte Dulac.

Gwinneth nickte mühsam. »Es ist schon viel besser geworden«, sagte sie immer noch ein wenig kurzatmig. »Mach dir keine Sorgen. Ich hatte heute schon kein Fieber mehr und der Ausschlag ist auch schon zurückgegangen.«

Fieber?, dachte Dulac. Ausschlag? Er sah Gwinneth verständnislos an, aber dann rückte der Mann zu seiner Linken ein kleines Stück von ihr fort und auch die anderen wirkten plötzlich nervös, wenn nicht sogar beunruhigt. Für einen Moment machte sich betretenes Schweigen breit …

… und dann begann Sean schallend zu lachen und schlug Dulac so heftig mit der flachen Hand auf die Schulter, dass ihm nun wirklich die Luft wegblieb und er zum zweiten Mal fast vom Stuhl gefallen wäre.

»Du gefällst mir, Bursche«, rief er lachend. »Ihr gefällt mir beide. Ihr seid gewitzt, das mag ich.«

»Ich verstehe nicht ganz«, murmelte Dulac.

Sean zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Deine Kleine da hat eine schrecklich ansteckende Krankheit, wie? Etwas ganz Furchtbares, nehme ich an. Besser, man kommt ihr nicht zu nahe und man rührt sie schon gar nicht an.« Er schüttelte lachend den Kopf, aber in seinen Augen entstand ein neues, schon fast wieder misstrauisches Glitzern. »Ihr habt schlechte Erfahrungen gemacht.«

Dulac hob nur wortlos die Schultern.

»Ihr braucht keine Angst zu haben«, sagte Sean. »Unser Vater war ein fleißiger alter Rammler, weißt du? Außer vier prachtvollen Söhnen hat er auch noch ein halbes Dutzend draller Töchter gezeugt, obwohl ich zugeben muss, dass keine von ihnen auch nur annährend so bezaubernd ist wie deine kleine Freundin da. Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Keiner von uns würde zulassen, dass einer so reizenden jungen Lady auch nur ein Haar gekrümmt würde, nicht wahr, Jungs?«

Die anderen grummelten zustimmend und eine vorsichtige Erleichterung machte sich in Dulac breit. Natürlich wusste er nicht, ob er diesen Männern wirklich trauen konnte – aber welchen Grund sollten sie haben, ihn anzulügen? Sie waren zu fünft und jeder Einzelne von ihnen wirkte kräftig und kampferfahren genug, um es alleine mit einem erschöpften jungen Paar aufzunehmen. Der Wirt würde wohl kaum eingreifen, wenn ihnen danach war. Was immer die Männer ihm und Gwinneth tun wollten – sie mussten glauben, es ohne große Gegenwehr durchsetzen zu können. Sie hatten es nicht nötig, ihm etwas vorzumachen.

»Aber jetzt erzählt«, fuhr Sean fort. »Ihr seid also aus Camelot. Dann habt ihr bestimmt Aufregendes zu berichten. Habt ihr die Belagerung miterlebt?«

»Wir sind vor dem Krieg geflohen«, antwortete Dulac – was ja sogar irgendwie der Wahrheit entsprach. »Und während des Ansturmes der Pikten hatten wir uns im Keller versteckt.«

»Was euch nicht besonders viel geholfen hätte, hätten die Pikten die Mauern gestürmt«, fügte einer von Seans Brüdern hinzu. »Glaubt mir, ich kenne diese Barbaren. Ich habe schon gegen sie gekämpft.«

»Wir alle haben das«, sagte Seans Onkel und stellte ein übertriebenes Frösteln zur Schau. »Sie kennen keine Gnade. Und sie kämpfen wilder als die Tiere.«

»Was uns aber nicht daran gehindert hat, ihnen die Schädel einzuschlagen«, grinste Sean.

»Ihr wart im Krieg?«, fragte Gwinneth.

»So … könnte man es nennen, ja«, antwortete Sean. Er tauschte einen raschen Blick mit seinen Brüdern, und das – zusammen mit dem fast unmerklichen Zögern in seinen Worten – sagte Dulac eine Menge mehr über diese Männer, als ihnen lieb sein konnte.

»Aber jetzt erzählt«, verlangte Sean aufgeregt. »Ihr seid also aus Camelot? Ist diese Stadt wirklich so prachtvoll, wie man sagt? Ich habe gehört, ihre Mauern und Türme wären aus purem Gold.«

Dulac unterdrückte ein Lächeln, aber er beantwortete gehorsam und geduldig alle Fragen, die Sean und seine Brüder ihm stellten. Es waren ihrer nicht wenige und ein paar davon brachten Dulac und Gwinneth auch in Verlegenheit. Schließlich gaben sie eine Geschichte zum Besten, die sich so nahe an der Wahrheit orientierte, wie Dulac es gerade noch vertreten konnte: Er blieb, was er war, nämlich ein Küchenjunge aus Camelot, und aus Gwinneth machten sie die Tochter eines reichen Bauern, dessen Hof von den marodierenden Pikten gebrandschatzt worden war, sodass sie beide ihr Heil in der Flucht gesucht hatten.

»Und wir waren bei weitem nicht die Einzigen, die danach loszogen, um irgendwo ein warmes Plätzchen zum Überwintern zu finden«, schloss er. »Deshalb mussten wir auch immer weiterziehen: Lebensmittel und Unterkünfte sind selbst ein paar Tagesritte von Camelot entfernt ausgesprochene Mangelware.«

Seine Geschichte hatte lange gedauert, denn Sean und seine Brüder hatten ihn immer wieder unterbrochen und unzählige Fragen gestellt. Es schien nichts zu geben, was sie nicht interessierte, und Dulac hatte mehr als einmal das Gefühl gehabt, dass ihm die Brüder seine Geschichte nicht unbedingt abnahmen. Zwischendurch brachte der Wirt das bestellte Essen, das nicht unbedingt besser ausfiel als die erste Portion, aber deutlich reichhaltiger war. Zum ersten Mal seit mehr als einer Woche hatte Dulac das Gefühl, wirklich satt