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Über dieses Buch:

Schottland, um 1512: Als die englischen Truppen in ihrer Heimat einfallen, kann die junge Celia in letzter Sekunde fliehen. Nun ruht die Hoffnung Schottlands auf ihren Schultern – denn nur sie kennt das Geheimnis, das die Unabhängigkeit des Landes bewahren kann. Niemand darf etwas über ihre Mission erfahren, allein muss sich Celia nach Norden durchschlagen. Als sie dem raubeinigen Highlander Colin Campbell in die Hände fällt, fürchtet sie, dass ihre Tarnung auffliegen wird. Doch zu ihrer Überraschung erweist sich der Krieger als aufrechter Schotte – und in seinem Blick liegt ein Versprechen, das Celia aus ihrem Leben längst verbannt glaubte … Aber kann sie ihm wirklich trauen?

Lassen Sie sich von den schottischen Romanzen von Bestsellerautorin May McGoldrick verzaubern!

Über die Autorin:

May McGoldrick ist das Pseudonym des Autorenehepaars Nikoo und Jim McGoldrick. Für ihre gefühlvollen und vielschichtigen historischen Romanzen haben sie mehrfach Preise gewonnen und ihre Bücher sind in über 12 Sprachen übersetzt worden. Sie leben mit ihren beiden Söhnen an einem kleinen See in Connecticut.

Bei venusbooks erscheinen die Romane der Highland Treasure-Reihe

Das stürmische Herz des Earls
Das feurige Herz des Rebellen
Das flammende Herz des Highlanders

sowie die historischen Romanzen
Scottish Dreams – Die Lady und der Lord
Das Versprechen der Highlanders

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eBook-Neuausgabe März 2017

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 1998 unter dem Titel Eine Rose mit Dornen im Wilhelm Heyne Verlag GmbH Co. KG, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by McGoldrick

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel The Thistle and the Rose by Topas, an imprint of Dutton Signet, a division of Penguin Books USA Inc

Copyright © der deutschen Ausgabe 1998 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Bildmotives von shutterstock/Gabriel Georgescu (Mann), Jan Miko (Schloss)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ER)

ISBN 978-3-95885-488-8

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May McGoldrick

Das Versprechen des Highlanders

Roman

Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken

venusbooks

Für
Rosemary und George

PROLOG

Nordengland, 9. September 1513

Nebel, Regen und der Rauch der englischen Kanonen bedeckten die Felder bei Flodden wie mit einem grauen Leichentuch, das niemand zu durchdringen vermochte. Doch obwohl man die Hand nicht vor den Augen sah, wußte James IV., daß jetzt der Zeitpunkt gekommen war, an dem sich sein Schicksal erfüllen sollte.

Mit dem Kriegsschrei der Stuart scharte der König seine schottischen Mannen um sich, warf sein weißes Kriegsroß herum, riß seinem Knappen den fünfzehn Fuß langen Speer aus der Hand und preschte den Hügel hinab, geradewegs in die Reihen der englischen Infanterie hinein.

Vier Stunden lang floß das Blut auf den Boden des schlüpfrigen Abhangs, aber gegen die acht Fuß langen Hellebarden der Engländer, jene groteske Kreuzung aus Speer und Axt, hatten die schottischen Waffen keine Chance.

Bevor die Düsternis des Tages der Dunkelheit der Nacht wich, lagen zehntausend von Schottlands besten Männern erschlagen im Schlamm. Man hatte ihnen nicht nur die Rüstung, sondern auch ihren Traum von einem neuen Schottland genommen. Die Gefolgsleute des Königs – Frauen, Knappen, Geistliche und Diener – waren ebenfalls tot. Die englischen Grenztruppen, angeführt von dem erbarmungslosen Lord Danvers, hatten sie ausgeplündert und ihnen die Kehlen durchgeschnitten.

König James’ Sohn Alexander, der Erzbischof von St. Andrew’s, zwei Bischöfe, zwei Äbte und sechsundzwanzig von Schottlands vornehmsten Earls und Lords wurden an diesem blutigen Tag auf grausame Weise erschlagen Schottlands Adel war an einem einzigen Tag vernichtet.

Und auch James lag nackt auf dem Schlachtfeld. Sein roter Bart wand sich um den zerbrochenen Schaft eines Pfeils, der das Lebensblut eines Königs vergossen hatte.

Jetzt gab es niemanden mehr, der die Familien der Krieger im Norden schützen konnte, alle Soldaten waren buchstäblich dahin. Das wußten die Engländer.

Und den Siegern gehörte die Beute.

KAPITEL 1

Die mittleren Lowlands in Schottland im Februar 1514

Dieser Teufel von Danvers hatte ihnen die Hölle auf Erden bereitet.

Aus Erfahrung wußte Celia, daß das Feuer, das in dem aus Eichenholz und Mörtel erbauten hinteren Teil des Herrenhauses wütete, bald das gesamte Gebäude verschlingen würde. Die englischen Marodeure wollten die Menschen, die in Caithness Hall Zuflucht gesucht hatten, durch die riesigen Eichentüren hinaustreiben, die man vor den Eindringlingen verriegelt hatte. Dieser nächtliche Beutezug sollte besonders blutig enden.

Statt ihr Schießpulver zu verschwenden, indem sie den Eingang sprengten, statt Zeit damit zu vergeuden, einen Rammbock zu bauen, hatten diese Teufel Heu von den umliegenden Feldern gesammelt, hatten einen großen Haufen an der hinteren Mauer des Gebäudes errichtet und diesen mit ihren Fackeln entzündet. Diese Methode hatte Danvers in ganz Schottland immer wieder angewandt – er zerstörte die großen Herrenhäuser und ermordete die Unschuldigen.

Celia spähte durch eine Ritze der Fensterläden im ersten Stock und sah, wie die Reitertruppe draußen darauf wartete, daß das Volk aus dem Herrenhaus strömte. Manche waren abgestiegen, und die Fackeln in ihren Händen züngelten wütend, während sie den Befehlen des Mannes folgten, der bei diesem Überfall offensichtlich ihr Anführer war. Selbst aus dieser Entfernung konnte Celia erkennen, daß er ein Riese war, und sie ahnte, daß seine Schweinsäuglein vor Freude über den Anblick, den er inszeniert hatte, zu funkeln begannen.

Celia schauderte. Sie kannte diesen Mann. Lord Danvers, die Geißel Schottlands.

Aber für derlei Gedanken war eigentlich keine Zeit. Celia wußte, daß er den gesamten Haushalt abschlachten würde. Seit der Ermordung des Königs auf dem Schlachtfeld versetzte allein schon der Name dieses Mannes die Mütter Schottlands in Angst und Schrecken.

Er war ein Kindermörder.

Aber ihren kleinen Kit würde er niemals bekommen, schwor Celia, nicht so lange sie noch einen Atemzug im Leib hatte. Sie warf Ellen, der Amme, die mit dem Kind in den Armen in einer Ecke des Raumes stand, einen prüfenden Blick zu.

In diesem Moment stolperte der drahtige kleine Priester ins Schlafzimmer, in den Händen hielt er ein Schwert. Sein Gesicht war rußverschmiert.

»Ihr hattet recht«, schrie er. »Hinter dem Haus sind höchstens ein halbes Dutzend von ihnen! Dieser klumpfüßige Satan, der diese Dämonen befehligt, weiß, daß niemand so töricht ist, den Versuch zu wagen, mitten durch das Feuer zu entkommen.«

»Dann, bei Gott, Vater William, werden wir genau das tun!« schrie Celia zurück. »Wo ist Edmund?«

Das Tosen des Feuers war mittlerweile ohrenbetäubend, aber der Priester hatte sie trotzdem gehört.

»Am Fuße der Treppe«, rief er ihr zu. Sie stürzte an ihm vorbei, nahm Ellen Kit aus den Armen und sah ihr ins Gesicht. In ihren Augen stand blankes Entsetzen, aber Celia wußte, daß sie durchhalten würde.

»Ellen, nimm nur die große Reisetasche und geh mit Vater William. William Dunbar ist nicht nur ein Dichter, er ist auch ein großer Soldat.« Sie warf der Amme ein flüchtiges Lächeln zu, und Ellen nickte. Sie würde ihr gehorchen.

Celia sah zärtlich auf die Falten der Flagge hinab, in die man Kit gewickelt hatte. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, wenn sie daran dachte, daß irgend jemand ihm ein Leid zufügen könnte, daß er vielleicht nicht heranwachsen und die Wunder erleben durfte, die das Leben ihm zu bieten hatte. Celia drückte ihn fest an ihre Brust und atmete den Wohlgeruch des Babys ein.

Erneut sah sie dann auf ihn hinab und dachte, daß Kits graue Augen denen seines Vaters glichen. Er blickte vertrauensvoll zu ihr empor. Sie wußte, daß der kleine Soldat noch nicht einmal weinen würde. Das Baby rundete die Lippen, als ob es krähen wollte, aber Celia konnte nichts hören. Vater William zupfte an ihrem Ärmel. Sie mußten gehen.

Die kleine Gruppe rannte die Treppe hinunter. Das Untergeschoß war von dichtem Rauch erfüllt, die verängstigte Dienerschaft befand sich in wildem Aufruhr – es war die Hölle. Manche versuchten, die großen Eichentüren zu entriegeln, während andere sich bemühten, die Türen weiterhin verschlossen zu halten.

Celia registrierte das Chaos. Noch in den frühen Morgenstunden war auf Caithness Hall alles geschmackvoll eingerichtet und in vorbildlicher Ordnung gewesen. So würde es niemals mehr sein.

Was für eine Verschwendung, dachte sie. Was für ein Verbrechen.

Der Laird von Caithness Hall war zusammen mit seinem König auf dem Schlachtfeld gestorben wie so viele andere auch. Ihr war bewußt, daß diese Menschen nicht auf sie hören würden. Immerhin war sie zur Hälfte Engländerin. So gab es niemanden, der ihnen sagen konnte, was sie tun sollten. Das Herrenhaus war dem Feind schutzlos ausgeliefert. Celia wußte, daß das Schicksal der Menschen auf Caithness Hall besiegelt war.

Trotz des Tumults entdeckte Celia Edmund, ihren Onkel, sofort. Der große Krieger hatte ein langes Schwert in der Hand und schob seinen starken, nicht mehr ganz jungen Körper durch die Menge. Celia deutete auf den hinteren Teil des Hauses. Edmunds Augen weiteten sich vor Überraschung, doch ohne Zögern drehte er sich um und schlug für seine Nichte und ihre Begleiter einen Weg in die Große Halle frei.

Die Wand am Ende der Halle stand lichterloh in Flammen. Die Decke darüber konnte bei dem Ausmaß, das der Brand schon erreicht hatte, jede Minute zusammenbrechen. Als Edmund Celia einen Blick zuwarf, deutete sie auf die Türen des Studierzimmers, das zu ihrer Linken lag.

Edmund führte sie an der linken Wand entlang dorthin, trat die Tür ein und ging hinein. Die anderen folgten ihm mitten durch die fallenden Scheite. Als Vater William als letzter durch die Tür schlüpfte, konnte man vom anderen Ende der Halle her ein lautes Krachen hören. Das Herrenhaus brach langsam über ihnen zusammen.

Celia gab Ellen das Baby und riß sich ein Schwert von der Wand neben dem Kamin.

Hustend wandte sie sich um und rief ihrem Onkel zu: »Mach die Fensterläden auf, Edmund! Wir müssen hier raus!«

Unwillkürlich mußte Edmund lächeln: Er liebte dieses hübsche Mädchen, das Befehle erteilte wie ein General. Ihre schwarzen Augen blitzten vor Kampflust … Konzentriert runzelte sie die Stirn; sie war bereit, sich allem zu stellen, was da draußen auf sie wartete. Sie kämpfte mit dem Verstand. In den Jahren, die er seit dem Tode seiner Schwester mit ihr verbracht hatte, hatte Edmund beobachtet, wie sie in der Gesellschaft der Männer ihres Vaters aufwuchs – es waren rauhe Männer gewesen, durchweg Seeleute und Krieger. Edmund hatte ihr alles beigebracht, was sie über das Kämpfen wissen mußte. Und schon häufig war er Zeuge gewesen, wie Männer, die die Stärke dieses schlanken, weiblichen Körpers unterschätzt hatten, dies teuer bezahlen mußten. Ihre Kriegskünste waren ein Geheimnis, das niemand je bei einer Frau vermutet hätte.

Sobald der alte Krieger den Riegel vom Fenster entfernte, schwang der eichene Fensterladen nach innen, und Edmund spürte, wie die Nachtluft ins Zimmer strömte. Die marodierenden Soldaten mußten zuvor schon den äußeren Fensterladen geöffnet haben, dachte er und fragte sich, warum sie sie nicht einfach mit ihren Hellebarden zerschlagen hatten. Der Befehl lautete doch höchstwahrscheinlich, das gesamte Anwesen niederzubrennen.

Mit der Nachtluft flammten auch die Manuskripte in dem bereits brennenden Studierzimmer auf. Edmund sprang durch das Fenster, Celia ihm dicht auf den Fersen.

Während Vater William und Edmund Ellen halfen, mit dem Baby durch das brennende Fenster zu steigen, sah Celia, daß die Ställe hinter dem kunstvoll angelegten Garten immer noch dunkel waren. Die Plünderer hatten dem Vieh von Caithness noch keine Aufmerksamkeit geschenkt.

Aus den Augenwinkeln konnte Celia sie kommen sehen. Fünf Soldaten rannten auf sie zu. Sie warf den schweren Mantel ab, der ihre Schultern bedeckte. Die leichte Rüstung, die sie am Oberkörper trug, schimmerte im Licht des brennenden Hauses.

In den Augen des ersten funkelte Mordlust. In der linken Hand hielt er ein Schwert. Sein anzüglicher Blick haftete einen Augenblick lang auf der Beute, die da vor seinen Augen aufgetaucht war, doch dann sah er an ihr vorbei zu Edmund.

Das war ein tödlicher Fehler. Von links schmetterte Celia ihr Schwert gegen den Helm des Soldaten und traf ihn mit einem mächtigen Hieb unter dem Ohr. Als er neben ihr zu Boden ging, wirbelte sie herum und schwang das Schwert gegen den nächsten.

Der Soldat zu ihrer Linken wehrte ihren Schlag mit seiner Hellebarde ab. Jetzt befand sich Celia in tödlicher Reichweite der Waffe. Erneut wirbelte sie herum und schlug dem Marodeur das rechte Bein in Kniehöhe ab. Er stürzte gegen den anderen Soldaten. Beide taumelten. In diesem Augenblick rannte Edward mit erhobenem Schwert auf sie zu. Mit zwei schnellen Schlägen tötete er die gefallenen Krieger, und Celia wandte sich dem nächsten Feind zu. Sofort stand Edmund neben ihr, den Mantel in der Hand. Als die beiden anderen nah genug herangekommen waren, stürzte er nach vorn. Mit dem dicken Mantel bedeckte er den Speer und die Axt der Hellebarde. Mit der anderen Hand ergriff er deren Schaft, hob den Soldaten, der die Waffe weiter umklammert hielt, mit Leichtigkeit in die Höhe und warf ihn in die brennende Wand des Hauses hinein.

Der letzte Soldat hielt verwirrt inne. Der alte Krieger schwang die vom Mantel befreite Waffe wie eine Keule und landete einen Schlag gegen seinen Kopf. Mit ausgestreckten Beinen landete sein Gegner auf dem Boden und im gelobten Land.

Celia wandte sich um und bedeutete Ellen und Vater William, ihr zu folgen. Gemeinsam rannten sie auf die Ställe zu. Edmund blieb am Tor stehen, und als Celia und die anderen den Verschlag betraten, sprangen ihnen zwei Soldaten vor die Füße. Die beiden grinsten wie Idioten.

»Sieh einer an!« sagte der eine. »Zwei Frauen und ein Priester.«

»Und wenn ich mich nicht irre«, antwortete der andere, »hält die eine ein Baby in den Armen.«

»Wenn es ein Junge ist«, sagte der erste, »bedeutet das eine besondere Prämie für den Kadaver des kleinen Kerls! Lord Danvers hat nämlich noch einen Sonderbonus für Jungs ausgesetzt, weißt du?«

Der zweite streckte die Arme aus und sagte zu Ellen: »Gib ihn mir, du dreckige schottische Schlampe! Es ist sein Schicksal, jetzt seinem Schöpfer entgegenzutreten.«

Doch schon fiel die Hand des Soldaten nutzlos in den Staub. Er sollte in seinem Leben nicht viel Zeit haben, sie zu vermissen.

Vater William, der mit dem Kurzschwert zugeschlagen hatte, rammte es nun dem Soldaten in den Hals und hob ihn noch einmal auf die Zehen, bevor er ihn leblos zu Boden sinken ließ.

»Sprich vom Schöpfer nicht auf diese abschätzige Weise, du räudiger Köter«, rief er der in sich zusammensackenden Gestalt zu. Als er sich umwandte, sah er, wie Celia gerade ihre Klinge aus dem sterbenden Körper des anderen Soldaten zog.

Innerhalb weniger Minuten galoppierten vier Pferde aus dem Stall. Celia blieb kurz am Tor stehen. Vom Haupthaus hörte man Schreie. Sie blickte nur noch einmal zurück und sah, wie die lodernden Flammen Caithness Hall verschlangen.

Während sie in die Dunkelheit ritten, fragte sie sich verzweifelt, wo sie wohl Unterschlupf finden würden. Wo in ganz Schottland konnte ein kleiner Junge heutzutage noch sicher sein?

KAPITEL 2

Der König hat dieses Vorgehen befohlen, es ist also meine Pflicht, zu gehorchen. Aber ich beobachte Lord Danvers, und ich halte ihn für verrückt. Er sitzt auf seinem schwarzen Roß und sieht zu, wie die Männer das Herrenhaus in Brand setzen. Es geschieht, wie er befohlen hat, und er betrachtet sein Werk voller Freude. Aber als die Menschen zu den Vordertoren von Caithness Hall herausströmen, sucht er nach jemandem. Wir alle wissen, daß er für jedes Baby, das wir ihm bringen, sei es nun tot oder lebendig, eine Prämie zahlt, und manche von den anderen schlachten nun unschuldige schottische Kinder ab, wann immer sie eines finden. Er lächelt ruhig, während die Offiziere das Geld ausbezahlen. Aber hier, hier ist es kein Kind, nach dem er sucht, und die Schreie derjenigen, die er … befragt …

Nicht daran denken. Ich muß gehorchen … ich muß gehorchen … der König hat es befohlen.

Schottlands Westinseln im März 1514

Im Licht des Vollmonds schimmerte Kildalton Castle wie ein Diamant über dem Firth of Lorn. Der Wind peitschte die westliche See, die sich wie ein Dämon erhob, und die Wellen krachten mit teuflischem Zorn gegen die zerklüfteten Felsen, auf dem die Festung der Campbells thronte.

Niemand hätte das kleine Segelschiff erwartet, das über die Wasseroberfläche der Förde dahinjagte. Aber am Ruder stand fraglos ein Meister seines Fachs.

Es war ein Mann in leichter Rüstung und Überwurf, der einem anderen Seemann Befehle erteilte. Dieser saß geduckt unter dem einzelnen Mast und war damit beschäftigt, die Segel dichtzuholen. Der dritte Reisende, ein Krieger fast von der Größe des Steuermanns, saß im Bug des Bootes und hielt den Kopf in den Händen. Die Gischt auf seiner Rüstung glitzerte im Mondlicht, aber er war eindeutig kein Seemann. Leises Stöhnen entrang sich seinen hübschen, vollen Lippen, und ständig fuhr er sich mit den langen Fingern durch das rotgoldene Haar.

Der Blick des Riesen glitt von seinem seekranken Freund zu dem schimmernden Schloß, das direkt über ihnen lag. Er stieß die Ruderpinne hinüber, mit einer Leichtigkeit, mit der es normalerweise drei Männer nicht geschafft hätten. Das lange, schwarze Haar des Kriegers wehte im Wind. Er besaß kräftige Schultern und ein beeindruckendes, wettergegerbtes Gesicht, das jedoch keineswegs von der Stärke und Beweglichkeit seines muskulösen Körpers abzulenken vermochte.

Länger als einen Monat freute sich Colin Campbell nun schon auf diesen Augenblick. Zum ersten Mal seit Wochen entspannte sich seine grimmige Miene, und seine grauen Augen strahlten ebenso hell und klar wie das mondbeschienene Schloß.

»Alec«, rief Colin dem Freund mit den goldenen Haaren zu. »Wenn du stark genug bist, um dein niedliches Köpfchen zu heben, so wird dich ein herrlicher Anblick belohnen.«

Alec wandte sich um und blickte in die Richtung, in die das Boot nun fuhr.

»Endlich! Kildalton.«

»Ja, Alec. Das Heim der Campbells.«

Mit vorsichtig tastenden Schritten bewegte sich Alec an dem Seemann vorbei zu seinem Freund am Heck. Plötzlich ging ihm auf, daß Colins Gesichtsausdruck anders war als sonst. Potztausend: Colin lächelte beinahe.

Bei Torquil Macleods Versammlung der Highland Stammesführer in Dunvegan Castle hatte Colin Campbell ganz sicher nicht gelächelt. Er war anstelle seines Vaters dort gewesen, denn schon bald würde er in die Fußstapfen des alten Mannes treten und Stammesführer der Campbells werden. Und Colin war nicht glücklich über das gewesen, was er gehört hatte.

Keiner der Stammesführer der Highlands oder der Westinseln war glücklich über das strenge Regiment des Stuart-Königs, James IV. Aber die gewalttätige und mörderische Fehde, die gleich darauf zwischen den Clans ausgebrochen war, überzeugte ihn ohne Zweifel davon, daß die Schotten irgendwann erneut von den Engländern beherrscht werden würden. Ohne einen starken König aus dem Hause Stuart, der sie gegen die Engländer vereinte, würden sie weiterhin miteinander streiten, bis sie alle der Tyrannei der Schlächter aus dem Süden zum Opfer fielen.

Alec sah seinem Freund scharf ins Gesicht. Es war das Antlitz eines Kriegers, sonnengebräunt und mit Narben übersät. Er hatte stahlgraue Augen, die seinen Gegnern das Blut in den Adern gefrieren ließen. Schon an normalen Tagen blickte Colin grimmig drein, aber wenn der große Krieger zornig war, flößte sein Gesicht jedem seiner Feinde Angst und Schrecken ein. Und als er sich im Namen der Campbells dafür ausgesprochen hatte, den Nachfolger aus dem Hause Stuart zu unterstützen, da er das kleinste der beiden Übel war, war sein Gesicht nach den Antworten der anderen Stammesväter so voller Ingrimm gewesen, daß es einem kalt den Rücken hinunterlief.

Denn nur wenige hatten seine Überlegungen verstanden. Alecs Clan, die Macphersons, hatten Colin zugestimmt. Aber sie waren nicht genug Männer, um sich gegen die Prahlerei und Arroganz der anderen durchzusetzen, die sich für diesen Augenblick zusammengetan hatten, um die Stimme des Anführers der Campbells zu übertönen. Keiner von ihnen hätte sich dem Krieger allein stellen mögen – Colins aufbrausender Zorn und sein kriegerisches Temperament waren sprichwörtlich –, aber gemeinsam konnten sie das Risiko eingehen, sich ihm zu widersetzen.

Demonstrativ hatten Colin und Alec miteinander die Versammlung verlassen. Sie planten eine Allianz, durch die sie sich vielleicht mit ein paar der in Grenzkriege verwickelten Stammesfürsten und möglicherweise auch noch mit ein paar Lairds aus den Lowlands verbünden konnten. Colin hoffte nur, daß die Stuarts bald etwas unternehmen würden, um sich selbst zu helfen. Die Gerüchte von den Machtkämpfen, die am Hof tobten, waren ziemlich beunruhigend.

Doch derlei Gedanken sollten jetzt eine Weile ruhen. Colin war beinahe zu Hause, und deshalb hatte der große Krieger allen Grund zu lächeln.

Plötzlich bemerkte Alec, daß Colin nicht die kleine Hafenstadt ansteuerte, die dunkel und schlafend unterhalb der Festung lag. Er fuhr direkt auf den von der tosenden Brandung umspülten Felsen unter den Schloßmauern zu. Aber dort gab es weder Landungssteg noch Strand. Das Kliff bestand aus gezackten Felsvorsprüngen. Alec sah, daß sich die Wellen an Riffs brachen, die aus der wütenden Brandung herausragten wie die Rücken unzähliger Seeschlangen. Jetzt ist Colin verrückt geworden, dachte Alec. Deshalb lächelte er also so seltsam!

Das kleine Boot flog förmlich über das Wasser. Sie waren jetzt von krachenden Wellen und Riffs umgeben, die es zu zerstören drohten, bevor sie die Felswand auch nur berühren konnten. Der Abstand zum Felsen verringerte sich in geradezu atemberaubendem Tempo. Alec klammerte sich an die dicke, hölzerne Bootswand und murmelte ein Gebet. Colin hatte den Verstand verloren. Zu viele Schläge auf den Kopf.

Plötzlich fiel das Boot in ein Wellental und schien fast auf die rechte Seite zu kippen. In diesem Augenblick barg der Matrose das Segel und hob den kurzen Mast aus der Verankerung, wobei er ihn mit einer schnellen Bewegung in den Rumpf des Bootes legte.

Mit offenem Mund beobachtete Alec ihn dabei, warf dann einen Blick zurück auf den lächelnden Colin, der noch immer an der Ruderpinne stand, und sah schließlich zum Kliff hinüber, das sie bald zerquetschen würde.

Aber die mörderische Wand zerquetschte sie nicht, denn mittendrin tat sich plötzlich eine niedrige, schmale Spalte auf. Und kaum hatte er die Öffnung gesehen, da waren sie auch schon hindurchgewischt, krochen in der tiefschwarzen Dunkelheit durch flaches Wasser und näherten sich einer sanft abfallenden Uferböschung, wo sie schließlich zum Stehen kamen.

Colin und Alec warteten, bis der Matrose die Fackel in Colins Hand mit einem Feuerstein entzündet hatte. Das Licht flammte auf und beleuchtete die niedrige Höhle, die sich unter dem Kliff und dem Schloß erstreckte.

Alec warf seinem schwarzhaarigen Gastgeber einen wütenden Blick zu. »Du hättest mir ruhig sagen können, daß wir uns umbringen wollen. Ich hätte mich darauf vorbereitet.«

Colin lachte. »Oh, du meinst, daß du diese Höhle gar nicht kanntest?« sagte er, wobei er genau wußte, daß der Macpherson-Erbe trotz seiner zahlreichen Besuche keine Ahnung von ihrer Existenz gehabt hatte.

Alec mußte unwillkürlich lächeln. »Eine wirklich spektakuläre Ankunft!«

Colin gab Alec die Fackel und nahm einen Teil der Ausrüstung, die der Matrose aus dem Boot holte.

»Ja, ich glaube, ich habe bei dieser Geschwindigkeit bisher erst ein oder zwei Boote zerstört.«

»Drei, M’lord«, murmelte der Matrose Alec scherzhaft zu. »Ich habe von dem letzten, mit dem wir hier Schiffbruch erlitten haben, immer noch Splitter in meinem Allerwertesten.«

»Die Splitter kommen daher, daß du zu lange auf der Küchenbank herumgesessen hast, du faule Wasserratte.« Colin lachte gutmütig. »Geh du jetzt durch die Küche nach oben. Morgen früh kannst du mit einem deiner Gehilfen wieder herunterkommen und den Rest der Ausrüstung holen.« Es war schön, wieder zu Hause zu sein.

Alec blickte nachdenklich drein. »Nun, da ich über diesen Eingang Bescheid weiß, sollte es mir keine Mühe machen, eines Nachts mit fünfzig oder sechzig meiner besten Männer hierher zu kommen und …«

»Sicher Alec. Aber achte darauf, daß du bei Flut kommst.«

»Bei Flut? Warum?« fragte Alec.

»Weil wir dann deine Knochen … oder noch besser dein Kriegsgerät aus dem Wasser fischen«, sagte Colin ironisch. »Bei Flut ist von dieser Höhle keine Spur zu sehen.«

»Dann werden sich meine fünfzig Mann eben bei Ebbe einschleichen, und zwar mit diesen hübschen, scharfen Highland-Dolchen«, fuhr Alec fort und deutete auf die Waffe an seinem Gürtel. »Und euch die Kehle …«

»Keine Angst«, unterbrach Colin mit einem Lächeln. »Selbst wenn es euch gelänge, bis hierher zu gelangen, ihr würdet durch die Höhlen, die diesen Hügel wie Waben durchziehen, irren, bis euer Bart grau ist und euch die Zähne ausfallen.«

»Na gut.« Alec gähnte. »Für diesmal hast du gewonnen. Jetzt brauche ich ein Bett zum Schlafen, nachdem ich mich meines nassen Wamses entledigt habe.«

»Du kannst hier im Gästezimmer schlafen.« Colin grinste und deutete mit einer ausladenden Geste auf die Höhle. »Hier hast du so viel Badewasser, wie du brauchst.«

»Was bin ich froh, daß du mich deinen Freund nennst«, antwortete Alec. »Ich hätte doch etwas dagegen, im Kerker zu schlafen.«

»Wenn du dich dauernd beklagst, können wir auch dafür sorgen«, sagte Colin und lachte schallend. »Komm mit.«

Mit der Fackel zündete er eine dicke Kerze an und führte seinen Freund in die Tiefen der Höhle und durch ein Labyrinth von Gängen. Dann bog er in einen Korridor mit gewölbter Decke ein. Bald standen sie an einer steinernen Treppe. Aber Colin ging nicht hinauf. Statt dessen warf er seinem Freund einen drohenden Blick zu, wandte ihm den Rücken zu und versperrte ihm so den Blick auf das, was er tat. Dann drehte er sich wieder um, zwinkerte Alec zu und drückte auf einen bestimmten Teil der Steinwand, die nun geräuschlos aufglitt. Die beiden Männer duckten sich, huschten durch die Öffnung und begannen, eine lange, gewundene Treppe hinaufzusteigen. Sie durchquerten ein mehrstöckiges Labyrinth aus Gängen. Nachdem sie einen langen Gang hinter sich gelassen hatten und an einer hölzernen Treppe vorbeigekommen waren, führte Colin Alec schließlich durch eine weitere scheinbar verschlossene Wand. Dann kam abermals eine kurze Treppe. Der Freund blieb ihm dicht auf den Fersen.

Oben erspähte Alec einen kurzen Gang und folgte Colin, der auf ein Holzpaneel auf der rechten Seite zuging. Hier machte die Wand einen Knick; es war, als würde der Korridor von beiden Seiten hinter dem Paneel zusammengequetscht. Alec wurde klar, daß sie zwischen den Steinwänden zweier Zimmer hinaufgekommen waren. Das verengte Stück des Durchgangs war einfach der zusätzliche Platz, den man für den Kamin eines jeden Zimmers benötigte. Wahrscheinlich standen sie zwischen zwei der besten Schlafzimmer.

»Hinter dem nächsten Paneel befindet sich dein Kerker«, scherzte Colin. »Wenn du dich erinnerst, meine Zelle ist genau daneben. Mach es dir bequem, während ich meine Ausrüstung ablege. Ich bin sicher, mein Vater möchte dich bald begrüßen. Er wird sich freuen, wenn er von der Entscheidung deines Vaters hört, daß auch dein Clan die Stuarts unterstützen wird.«

Alec legte Colin die Hand auf den Arm und hielt ihn mit einem warnenden Blick zurück.

»Immer wieder habe ich in diesem Zimmer gewohnt, und du hast mir nie gesagt, daß es einen geheimen Zugang gibt. Diese Nacht werde ich wohl besser mit dem Dolch in der Hand schlafen.«

»Ich hätte nie gedacht, daß es Nächte gibt, in denen du das nicht tust«, antwortete Colin und lachte. »Ich werde einen Mann mit Holz zu dir schicken, der das Feuer anzündet.«

»Schick mir lieber eine Frau«, scherzte Alec.

»Deine Weibsbilder wirst du dir ja wohl noch selbst beschaffen können, Alec Macpherson! Ich bin schließlich nicht für alles zuständig«, schnaubte Colin, als sie vor dem Eingang zu Alecs Zimmer stehenblieben. »Aber in diesem Schloß wirst du sowieso keine finden, die dir gefällt.«

»Nicht, wenn sie eine Campbell ist und auch noch so aussieht«, antwortete Alec mit übertriebenem Schaudern. »An die Alpträume, die eine solche Kombination zur Folge hätte, wage ich gar nicht zu denken.«

»Genug, du schottischer Pferdedieb. Ich komme bald wieder … aber durch die Tür vom Flur aus.«

Colin schob einen hölzernen Riegel zurück und drückte die Holzvertäfelung auf. Er sah, wie das Mondlicht auf den Steinboden fiel. Sanft schob er Alec ins Zimmer und schloß das Paneel wieder.

Dann wandte er sich um und ging weiter den Korridor entlang.

Celia wußte nicht, was sie geweckt hatte. Als sie die Augen öffnete, hörte sie kein anderes Geräusch als das entfernte Rauschen des Windes und der Wellen außerhalb der verglasten Fenster. Es war noch immer Nacht, obwohl das Feuer im Kamin schon lange ausgegangen war. Sie spähte durch den schweren Vorhang, der ihr Bett umgab. Das Mondlicht schien hell ins Zimmer, und nichts war ungewöhnlich oder anders als sonst.

Sie hatte die Tür zum Flur von innen verriegelt. Ansonsten gab es nur noch die Verbindungstür zu dem Zimmer, in dem Ellen und das Baby schliefen. Von dort aus war der Zugang zum Flur ebenfalls verriegelt. Die Verbindungstür zwischen beiden Zimmern war geschlossen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie einen Spalt breit offen zu lassen, dachte Celia.

Nein, sie machte sich sicher nur unnötige Sorgen. Kildalton war eines der sichersten Schlösser in ganz Schottland. Ihre Fantasie wollte ihr nur einen Streich spielen.

Celia schloß die Augen wieder, aber im nächsten Augenblick saß sie aufrecht im Bett, denn sie hatte gehört, wie ein hölzerner Riegel zur Seite glitt. Geräuschlos zog sie ihr Kurzschwert aus der Scheide, die am reich verzierten Kopfteil des Bettes hing. Sie spähte in die Dunkelheit hinaus und erschrak beim Anblick eines großen Kriegers, der vor einem der dekorativen Holzpaneele neben der riesigen Feuerstelle stand. Wo war er nur hergekommen? Aus der Holzvertäfelung?

Regungslos wie ein Standbild beobachtete sie ihn: Er sah einen Augenblick lang zum Bett hinüber, dann schritt er durch das Zimmer auf die Tür des Babys zu. Und zog sein langes Schwert aus der Scheide.

Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, ließ Alec seine lederne Satteltasche zu Boden gleiten und sah zu dem riesigen Bett hinüber, das im Schatten des vom Mondlicht durchfluteten Zimmers stand. Nach der harten, feuchten Reise durch die Highlands, nach dem zugigen alten Schloß von Dunvegan war ein solches Lager sicher ein Hochgenuß. Ein gutes Bett, ein Schlafzimmer mit Kamin, verglaste Fenster – diese Campbells scheuten keine Kosten, um sich ein angenehmes Leben zu verschaffen. Es war schon fast sündhaft.

Na gut, ich kann ebensogut sündigen wie sie, dachte er und begann, den Raum zu durchqueren. Jetzt nur noch raus aus diesem Kettenhemd, dann die nassen Kleider an die Haken gehängt und schon kann ich mich für einen kurzen Willkommensbesuch von Colins Vater vorbereiten. Bitte, Herr, mach’s wirklich kurz.

Er zog das Schwert aus der Scheide. Da ließ ihn ein Schrei förmlich erstarren.

Er war zu groß. Sie konnte ihm nicht einfach die Kehle durchschneiden. Sie mußte ihn also zu Boden werfen, gegen ihn kämpfen. Das Kettenhemd würde ihn jedoch auch vor einem Schlag gegen den Brustkorb schützen.

Als der Eindringling auf die kleine Tür zuging, sprang Celia aus dem Bett und stieß einen Schrei aus, der selbst dem mutigsten Mann das Blut in den Adern gerinnen lassen konnte. Es war ein Schrei, den ein Krieger aus Wales, der in den Diensten ihres Vaters gestanden hatte, ihr beigebracht hatte. Onkel Edmund hatte gelacht, als er damals der Unterrichtsstunde beigewohnt hatte, aber er hatte ihr erzählt, daß die Waliser schon so manch hartgesottenen Feind mit diesem Schrei in Angst und Schrecken versetzt hatten. Die Heftigkeit, mit der er ausgestoßen wurde, war es, was einem durch Mark und Bein ging.

Mit der Schnelligkeit einer Schlange, die sich auf ihre Beute stürzt, flog Celia über den Steinboden. Sie schwang ihr Kurzschwert gegen das Knie, das ihr am nächsten war. Sie würde ihn mit der Schulter rammen, ob es ihr nun gelang, ihm das Bein abzuschlagen oder nicht.

Schreiend segelte der in Weiß gehüllte Geist auf ihn zu. Instinktiv zog er die Waffe, um das blitzende Metall abzuwehren, das er aus den Augenwinkeln auf sein Knie zukommen sah. Dann rammte ihn der Geist so heftig mit der Schulter, daß er zu Boden fiel. Einen solchen Schlag konnte man wohl kaum als geisterhaft bezeichnen. Dem stattlichen Krieger blieb buchstäblich der Atem weg.

Mit einem Knall landete er auf einem dreibeinigen Holzhocker, der unter dem Aufprall zersplitterte. Bevor er auch nur ein Glied rühren konnte, sprang die unirdische Gestalt auf seine Brust, und er spürte die Spitze eines Schwertes, das sich in eindeutiger Absicht in das Fleisch unter seinem Kinn bohrte.

Aber es waren ihre Augen aus schwarzem Saphir, die seinen Kampfgeist bannten.

Colin zwängte seine breite Brust gerade durch die Holzvertäfelung seines Zimmers. Bevor er jedoch Gelegenheit hatte, ganz hineinzugelangen, ertönte ein unheimlicher Schrei. Er erstarrte. Einen Augenblick lang glaubte er, daß ein Dämon aus dem Jenseits im Korridor sei und sich auf ihn stürzen wolle. Dann warf er die dicke Kerze zu Boden und zog sein Schwert.

Der Lärm von Metall und splitterndem Holz, der dem Schrei folgte, kam von der anderen Seite des Korridors.

Er zwängte sich wieder in den stockfinsteren Durchgang. Mit Leichtigkeit fand er den hölzernen Riegel von Alecs Zimmer – schließlich hatte er in seiner Kindheit ständig in diesem Labyrinth gespielt. Er stieß die Holzvertäfelung auf und sprang mit gezücktem Schwert hinein, bereit sich dem zu stellen, was immer er dort vorfinden würde.

Bei dem Anblick, der ihn willkommen hieß, hielt er verblüfft inne.

Eine Vision. Dort, im Mondschein, kniete ein überirdisches Wesen, ein Engel im weißen Gewand, der in dem dunklen Zimmer förmlich zu glühen schien.

Schulterlanges, kastanienbraunes Haar wurde zurückgeworfen, und einen flüchtigen Augenblick lang gewahrte er funkelnde schwarze Augen, die Blitze in Colins Richtung abschossen, welche die tiefsten Winkel seiner Seele zu verbrennen drohten. So etwas hatte er noch nie erlebt: Begierde, Furcht, Fragen durchfuhren seinen Körper, verwüsteten seine Seele. Er rang nach Atem.

Colin war bereit gewesen, zu kämpfen, doch nun hing das Schwert schlaff an seiner Seite. Die Aura der Schönheit, die dieses Wesen umgab, hatte ihn geblendet. Ein Blick hatte ihn besiegt.

Das Gesicht dieses Engels glich keinem menschlichen Wesen. Diese Vollkommenheit ihrer Züge! Ihre Augen erfüllten ihn mit Feuer, die hohen Wangenknochen ließen ihn erschauern, ihre Lippen entfachten ein Gefühl in seinen Lenden, das eher Lust als religiöse Verehrung war.

Colin wurde von einer Glut erfaßt, die ihn fast auf die Knie gezwungen hätte. Die Augen des Kriegers wanderten von ihrem Gesicht zu ihren nackten Füßen. Die Reise war langsam und gründlich. Das dünne, weiße Gewand trug nur wenig dazu bei, den Körper zu verbergen. Dieser vollkommene Leib war unzweifelhaft eine Schöpfung des Himmels, wenngleich seine Empfindungen scheinbar recht irdischer Natur waren.

Denn vor ihm lag der zukünftige Stammesfürst der Macphersons. Ein Kurzschwert richtete sich auf seine Kehle. Auch Alec schien gebannt durch diese Schönheit, die im Begriff war, seinen Kopf aufzuspießen. Widerstand schien das letzte zu sein, was ihm in den Sinn kam, dachte Colin.

Sie war nur halb so groß und schwer wie Alec, und doch waren die beiden Männer weder in der Lage noch willens sich zu bewegen.

Irgend etwas ließ Celia zögern. Es war das erste Mal in ihrem Leben, das sie nicht genau wußte, was sie tun sollte. Der zweite Riese, der vor wenigen Sekunden durch die Holzvertäfelung gebrochen war, stand einfach da – mit einem äußerst merkwürdigen Gesichtsausdruck und einem müßig an seiner Seite baumelnden Schwert. Derjenige, den sie in ihrer Gewalt hatte, machte noch nicht einmal den Versuch, sich zu wehren. Auch er starrte sie einfach nur an.

Ihr erster Gedanke hatte dem Schutz des Babys gegolten. Keiner durfte Kit ein Leid antun! Aber jetzt wußte sie nicht, wie es weitergehen sollte. Sie hatten eindeutig nicht die Absicht, sie zu bedrohen. Und es gab auch keinerlei Anzeichen, daß einer von beiden zu dem Baby wollte. Nein, sie starrten sie lediglich an wie zwei zu groß geratene Klosterschüler.

Nun, den Mann am Holzpaneel schien der Anblick köstlich zu amüsieren. Wenn er nicht vorsichtig ist, wird ihn seine Erheiterung noch das Leben kosten, dachte Celia voller Zorn.

Oh, wie sie es haßte, wenn man sie nicht ernst nahm! Sie sollte dem einen hier die Kehle durchschneiden, dann würde man sie bestimmt respektieren.

In diesem Augenblick bemerkte Celia, daß sich sein Blick veränderte. Er betrachtete sie, und zwar von oben bis unten. Plötzlich wurde ihr bewußt, wie dünn ihr Nachthemd war. Seine Augen schienen durch den Stoff hindurchzublicken, als ob er jeden Zentimeter ihres Körpers einer eingehenden Prüfung unterziehen wollte. Mit lustvoller Intensität betrachtete er ihre Hüften, ihre Brüste, ihren Mund und dann wieder ihr ganzes Gesicht.

Dieser Mann war abscheulich.

Und er würde ihr damit nicht davonkommen.

Celia wartete, bis sich ihre Blicke trafen, dann musterte sie ihn ebenfalls langsam von Kopf bis Fuß, mit einem Blick eindeutigen Abscheus. Schließlich verzog sie die Lippen zu einem abschätzigen Lächeln, das ihre Verachtung hoffentlich angemessen zum Ausdruck brachte. Was für ein wertloses Stück Fleisch du doch bist, wollte sie mit ihrem rücksichtslosen Blick sagen.

Und es gelang ihr.

Colin stellte fest, daß diese Frau ihn doch tatsächlich abschätzig musterte. Ihn, den zukünftigen Stammesfürsten des Campbell-Clans! Einen der mächtigsten Krieger der Westinseln … um nicht zu sagen in ganz Schottland!

Und hatte scheinbar auch noch etwas an ihm auszusetzen!

Der Riese kochte vor Zorn. Keine Frau hatte ihn jemals mit solcher Verachtung angesehen. Und das in seinem eigenen Schloß! Das war zu viel. Wie hatte er sich nur so vergessen können?

Und offensichtlich wußte sie, daß sie ihn aus der Fassung gebracht hatte. Das war das Schlimmste daran.

Zu allem Überfluß hatte Alec Macpherson die ganze Sache, auch noch beobachtet! Dieser amüsierte Blick auf seinem Gesicht! O Gott!

Aber zumindest richtet sich ihr Schwert nicht auf meine Kehle, dachte Colin. Doch jetzt mußte man der Sache ein Ende setzen. Gott helfe ihnen, wenn ihm ausgerechnet auf Kildalton Castle etwas zustoßen sollte! Das würden die Highlander ihnen auf Heller und Pfennig zurückzahlen. Schon deshalb mußte Colin jetzt eingreifen.

Unwillkürlich hob er also sein Schwert und machte einen Schritt auf die beiden am Boden liegenden Gestalten zu. Sofort hob die Frau den Ellbogen, bereit, Colins Gast aufzuspießen. Sie würde Alec töten und auf den Beinen sein, um sich auf Colin zu stürzen, noch bevor er sie erreicht hatte. Er blieb also stehen.

»Wartet!« befahl er, doch es klang nicht so scharf wie er beabsichtigt hatte.

Celia warf Colin einen Blick zu. Seine Stimme klang versöhnlich, doch sein Gesicht war zornig. Sie hatte ihn hereingelegt, und das verärgerte ihn offensichtlich.

Sie blickte so überheblich drein, wie sie sich fühlte. Plötzlich ertönte ein Klopfen an der Tür zum Flur, und sie hörten Lord Hugh Campbells Stimme.

»Lady Celia, geht es Euch gut? Lady Celia!« rief er. Die Stimme des alten Mannes bebte vor Sorge.

»Ja, Lord Hugh, aber ich habe zwei Eindringlinge dingfest gemacht«, rief Celia, wobei sie den Mann am Kamin ebenso im Auge behielt wie den Krieger unter ihr. Eine Mischung aus Erleichterung und Stolz über ihren Sieg durchflutete sie.

Aber warum machte der an der Holzvertäfelung nicht den Versuch, zu fliehen?

»O mein Gott!« hörte sie den alten Mann brüllen, dann rief er den Flur hinab: »Runt, wecke Jean, Emmet und Edmund in der Halle. Beeil dich, Junge!«

»Vater!« rief Colin und brachte damit den Tumult zum Schweigen. »Vater, ich bin’s, Colin!« Seine Stimme klang hart und zornig.

»Colin?« gab der alte Mann zurück.

»Ja, Colin. Und Alec Macpherson ist bei mir. Wenn er nicht gleich im Liegen ermordet wird.« Colin warf dieser Teufelin einen wütenden und verächtlichen Blick zu. Wer oder was diese Frau auch sein mochte, sie hatte die Grenzen einer anständigen Verteidigung bei weitem überschritten.

Mit einem Ruck zog Celia die Schwertspitze von der Kehle ihres Opfers fort und wich schnellstens in eine Ecke des Raumes zurück, um nach ihrem Mantel zu suchen, jedoch nicht, ohne Colin vorher einen entsetzten Blick zugeworfen zu haben. Die unerwartete Wendung der Situation hatte sie einen Augenblick lang aus der Fassung gebracht. Plötzlich hatte sie nur noch den Wunsch, sich zu verstecken.

Überrascht registrierte Colin, wie schüchtern diese Frau plötzlich sein konnte.

Obwohl sie auf der entgegengesetzten Seite des Zimmers kauerte, behielt er sie im Auge, als er Alec die Hand reichte und ihm beim Aufstehen half. Dann schritt er zur Tür und entriegelte sie.

Sie schwang auf, und Lord Hugh trat ein, nur mit seinem Nachthemd bekleidet, doch mit einem langen Schwert in der Hand. Er war nur wenig kleiner als Colin, besaß aber ebenso breite Schultern. Das zernarbte und zerfurchte Gesicht des alten Mannes zeugte von einem Leben voller Kampf, Sorgen und Unruhe.

Hinter ihm stand sein Knappe Runt, der in der einen Hand eine rauchende Fackel, in der anderen ein Schwert trug. Lord Hugh lehnte sein Schwert gegen Runt und umarmte den Sohn herzlich.

»Colin!« rief er. »Wir haben dich erst in zwei Wochen erwartet! Der übliche Starrsinn der Highlander nehme ich an.«

»Genau, Vater. Ich mußte einfach abreisen, sonst hätte ich einen von ihnen noch umgebracht.« Seine letzte Bemerkung richtete er in den entgegengesetzten Teil des Zimmers, als wolle er, wenn auch verspätet, auf seine Autorität pochen.

Colin legte seinem Freund den Arm um die breiten Schultern. »Aber Alec Macpherson will für eine Weile bei uns bleiben.«

»Alec, mein Junge, wie schön, daß du mal wieder hier bist. Es ist wie in alten Zeiten, ihr beiden Jungs … ach, was sag’ ich, heute seid ihr ja kräftige, erwachsene Männer … wieder vereint, und das auch noch auf Kildalton. Vielleicht bringen wir dir ja doch noch das Schwimmen und Segeln bei!« Der alte Krieger lächelte und begrüßte den jungen Macpherson mit einer kräftigen Umarmung.

»Danke, Lord Hugh«, sagte Alec und erwiderte den Gruß. »Mein Vater schickt Euch seine Ehrerbietung. Ich weiß, daß er Euch bei den Highland-Versammlungen vermißt.«

»Sag ihm meinen Dank, Junge. Wir haben viele schöne Stunden miteinander verbracht, er und ich. Und sind zeitweise ganz schön in die Bredouille geraten, das garantiere ich dir.«

Der alte Mann wandte sich wieder Colin zu. »Ihr müßt doch nach dieser Reise hundemüde sein. Geht jetzt zu Bett, wir werden uns morgen früh unterhalten. Du bringst ihn also in diesem Zimmer unter, das ist gut … Nein! Mein Gott, das ist nicht gut! Lady Celia! Wo seid Ihr, Mädchen?«

»Hier, my Lord.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Celia stand neben den Kleiderhaken an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, wo sie vor den Blicken der Männer teilweise durch die Bettvorhänge verborgen war.

»Lady Celia«, begann Lord Hugh, ging schnell zu ihr hin und ergriff ihre Hand. »Mädchen, diese großen Tölpel müssen Sie in Angst und Schrecken versetzt haben. Geht es Ihnen gut, Liebes?«

Colin traute seinen Augen kaum. Hugh Campbells Wildheit war in ganz Schottland bekannt. In England fürchtete man nur einen Schotten genauso wie Hugh, nämlich den schwarzen Douglas. Alle Mütter an der irischen und englischen Küste beschworen in der Dunkelheit der Nacht seinen Namen, um ihre unvernünftige Brut zum Schweigen zu bringen. Der Reichtum und Ruhm des Stammesfürsten war mit dem Blut vieler Kriege und Raubzüge erkämpft worden. Dieser Mann war der fleischgewordene Kampf. In den vergangenen vierzig Jahren hatte jeder ihn gefürchtet.

Und doch, hier stand eben jener Mann, und benahm sich wie ein zahmer Schoßhund. Seine Stimme, sein Blick, die Art, wie er sich auf die Frau zu bewegte, das alles zeugte von den Manieren eines Abts.

Und dann die Frau! Noch vor wenigen Minuten hatte sie wie ein erfahrener Soldat das Schwert geschwungen, hatte Alec Macpherson, einen äußerst fähigen Krieger, zu Boden geworfen und besiegt. Eine Teufelin, die sogar ihn, Colin Campbell im Zaum gehalten … und ihn dermaßen verächtlich gemustert hatte.

Doch jetzt legte sie ihre schwache, zitternde Hand in die große Pranke des Laird, sie blickte seinem Vater in die Augen wie ein neugeborenes Rehkitz, zerbrechlich und verletzlich.

Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie sich von einer Löwin in ein Lämmchen verwandelt. Diese Frau war eine Hexe!

Sein Vater stand völlig in ihrem Bann, aber bei ihm, Colin, würde ihr Zauber nicht wirken. Nicht noch einmal.

Colin bemerkte plötzlich einen Ausdruck auf ihrem Gesicht, den er nicht erwartet hatte. War es Sorge? Angst? Colins Erfahrung nach waren Frauen von Natur aus ängstlich. Gott wußte, daß sie dazu guten Grund hatten, denn sie lebten in einem Land, das von sich befehdenden Clans und marodierenden Engländern zerrissen war. Sie brauchten starke Männer, die sie beschützen konnten.

Aber das plötzliche Aufblitzen der Angst bei dieser Frau kam ihm aus irgendeinem Grund seltsam vor. Wovor mochte sie sich fürchten?

Aber noch wichtiger war die Frage: Wer war sie und was wollte sie hier? Warum war sie nach Kildalton gekommen?

»Mir geht es gut, Mylord«, begann sie unbeholfen. Plötzlich verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, sich zu erklären, sich zu entschuldigen. »Ich dachte, sie wären … ich wußte nicht, wer … ich weiß, daß ich … Wenn Eure Lordschaft dafür sorgen würden …«

Celia war völlig durcheinander. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund brannte ihr Gesicht vor Verlegenheit. Wie gut, daß es dunkel im Zimmer war. Die eine Fackel, die der Knappe in Händen hielt, verbreitete nicht genug Licht, daß man ihr gerötetes Gesicht hätte sehen können.

Dann – wie ein Blitz aus heiterem Himmel – kam ihr der Gedanke, daß dieser große Krieger seinen Vater vielleicht überreden konnte, sie hinauszuwerfen. Wohin sollte sie sich dann nur wenden? Noch immer blickte er grimmig und zornig drein. Doch plötzlich glaubte sie für einen flüchtigen Augenblick eine Veränderung in seinen grauen Augen zu erkennen. Sorge vielleicht. Oder Mitgefühl. Was immer es war, der Eindruck verflüchtigte sich schnell wieder und erneut präsentierte sich ihr jenes grimmige Stirnrunzeln, das jegliches sanfte Gefühl, das dieser Krieger möglicherweise hegen mochte, überdeckte.

»Beruhigt Euch, meine Liebe«, brummte Lord Hugh sanft. »Ihr seid diesen beiden Rauhbeinen noch nicht einmal richtig vorgestellt worden, nicht wahr? Aber das wird auch nicht mehr heute nacht geschehen. Morgen ist immer noch Zeit genug, um euch miteinander bekannt zu machen.«

»Wenn Ihr Euren anderen Gast in diesem Zimmer unterbringen wollt, Mylord, dann brauche ich nur einen kurzen Augenblick, um mit meinen Habseligkeiten in ein anderes umzuziehen.«