Vorwort des Herausgebers

Wie findet man das Glück? Dieser Lebensfrage gehen heute hunderte von ›Ratgeberbüchern‹ nach. Doch diese existenzielle Suche ist keine Erfindung der Neuzeit. Sie beschäftigt schon immer Philosophen und Denker. Lebensnah beschreibt Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v. Chr.  65 n. Chr.), einer der bedeutendsten Philosophen des alten Rom, wie wir Menschen zum glücklichen Leben finden können. Sein Werk ›Vom glücklichen Leben‹ gehört zum Erhellendsten, das zu diesem Thema je geschrieben wurde.

Eine gute Ausgangsposition um das Glück zu finden, ist für Seneca Bedachtsamkeit – im Umgang mit sich selbst, und im Umgang mit anderen. Ein ruhiges Voranschreiten im Leben, eine gefestigte Seele, Geistesgesundheit, und auch ein gerüttelt Maß an Planung. Vom Zufall sollte man sich frei machen, denn: Glück muss aus dem Inneren kommen, äußeres Glück ist nur Zufall.

All das bündelt sich bei Seneca im Begriff der ›Tugend‹. Bei ihm ein Schlüsselwort, nicht zu verstehen als ein pedantisches Festhalten an alten Regeln, wie es heute oft gemeint ist, sondern als Freiheit des Geistes, basierend auf festen Überzeugungen und Klarheit im Denken.

Senecas Werk gibt viele Handlungsanweisungen, wie man dem Ziel nahe kommen kann, besonders in Hinsicht auf den Umgang mit Geld und materiellen Besitztümern. Er warnt eindringlich vor der korrumpierenden Kraft des Besitzes, des Reichtums. Der Text, der etwa im Jahr 58 n. Chr. geschrieben wurde, also vor beinahe 2000 Jahren, ist heute so aktuell wir damals, mit glasklaren und rhetorisch glänzend formulierten Argumenten.

Kritiker, von denen er zuhauf hatte, nahmen Senecas skeptische Einstellung, betreffend den Besitz, aufs Korn. Suilius, einer seiner Gegner, nannte es scheinheilig, über den Reichtum zu wettern, wenn man selbst »500 Speisetische aus Zedernholz und Elfenbein« sein Eigen nenne. Senecas Antwort: »Bei mir hat der Reichtum nur irgendeinen Stellenwert, bei dir dagegen den höchsten.«

Als Berater und Ausbilder des späteren Kaisers Nero war Seneca tatsächlich zu einem der reichsten Männer Roms geworden. Eine Bekanntschaft, die ihn später allerdings auch das Leben kostete. Des Verrats bezichtigt, wurde er gezwungen, sich durch Aufschneiden der Pulsadern das Leben zu nehmen. Weil sich der Tod nicht einstellen wollte, wurde Seneca schließlich von Neros Soldaten erstickt.

© Redaktion eClassica, 2016

 

Senecas Handlungsanweisung zum Aufspüren des Glücks wird in diesem Band ergänzt durch seine nicht minder erhellenden Schriften ›Von der Seelenruhe‹, ›Von der Muße‹ und ›Von der Kürze des Lebens‹.