Die
Lola-Montez-Story
Heinz Gebhardt
Die
Lola-Montez-Story
Wie Bayerns König Ludwig I. von einer Tänzerin aus Irland gestürzt wurde
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Stiebner Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-8307-1062-2).
Umschlaggestaltung:
Stiebner Verlag unter Verwendung einer Collage
mit Gemälden von Joseph Stieler:
König Ludwig I. (1842) und Lola Montez (1847)
DTP-Produktion und Layout (Printausgabe):
Verlagsservice Peter Schneider / Satzwerk Huber, Germering
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© Stiebner Verlag GmbH, Grünwald
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Wiedergabe, auch auszugsweise,
nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.
www.stiebner.com
ISBN 978-3-8307-3019-4
Einleitung
150 Jahre Staatsgeheimnis in Bayern: König Ludwig I. und Lola Montez
Sex, Macht und Geld
Lola: »Ich hatte Geld, so viel ich wollte«
»Der König lebt in einem vollkommenen Traum«
»Während sie mir Liebe heuchelte, wollte sie nur Geld von mir!«
Lola sei Dank!
Wer war Lola Montez?
Die »spanische Tänzerin« wurde in Irland geboren
16-jährige Lola heiratete den Lover ihrer Mutter
Wie aus Eliza James Lola Montez wurde
Zweifel an Lolas spanischer Herkunft
Lola tanzte wie ein Känguru
Tumulte bei Lola-Auftritten in Warschau
One-Night-Stand mit Franz Liszt in Dresden
Von Polizei aus Baden-Baden ausgewiesen
Lola Montez in München
Der tollste Fastnachtsspuk, den München je erlebte
Ohne Ausweis und Pass: Lola im Hotel Bayerischer Hof
Vom Hoftheater abgewiesen zur Audienz bei König Ludwig I.
Fiel Lola vor König Ludwig I. in Ohnmacht?
Lolas Brieföffner-Striptease: »Alles echt, Majestät!«
Lola im Königlichen Hoftheater
Auf Befehl des Königs: Lola tanzt im Hoftheater
Märchenfee Lola in der Brienner Straße
»Eine spanische Tänzerin so schlecht, wie es keine zweite gibt«
Nach Lolas Kängurusprüngen versagten die Claqueure
Tänzerinnen-Karriere beendet und König Ludwig I. erobert
Lolas Gastspiel im Goldenen Hirschen
Hausverbot nach Massenschlägerei
König Ludwig I. begnadigt Lola und bestraft die anderen
Lolas Palais in der Barer Straße
Luxusvilla als Geschenk nach 21 Tagen
»Maria de los Dolores Montes« als Haus- und Grundbesitzerin
»Die gute Lola weiß mit Geld nicht umzugehen«
Herrschaftsbett auf Rollen
General Heideck kapituliert vor Shopping-Queen Lola
Lola und die Münchner
München anno 1846: »Ein Dorf, in dem Paläste steh’n«
Playgirl Lola im sittenstrengen Biedermeier-München
»Bei Gott und in Bayern ist alles möglich!«
Lola watschte alle ab
Postler verprügelt, Polizeidirektor entlassen
Lola als Bahnhofs-Architektin
Lolas Wadlbeißer »Turk« auf Pfauenjagd
Lolas Shopping-Touren
»Lola f….t gut, aber sie tanzt schlecht!«
Auf Befehl des Königs zu Lolas »gehasster und verachteter Gesellschaft«
Lolas Verdienst: Rauchen wieder erlaubt!
»Seit undenklichen Zeiten war das Tabakrauchen in den Straßen der Stadt auf das strengste verboten«
Lola rauchte wie ein Bootsknecht
Wie König Ludwig I. zu Rauchen begann ...
... und wie er wieder zum Nichtraucher wurde
Lola wird zum Politikum
Auf Befehl des Königs: Lola erhält das Bürgerrecht
König Ludwig I. stellt die Machtfrage
Wegen Lola: Rücktritt der gesamten Regierung
Wie aus Lola Montez die Gräfin von Landsfeld wurde
»Ich war nicht mehr Tänzerin, ich war Gräfin«
Gräfin Landsberg? Landsfeld? Mansfeld?
»Die Feinde werden wütend sein, wenn sie Dich als Gräfin sehen«
»Sämtliche Volksklassen durchglüht Verachtung und der Hass gegen Lola«
Ohne Veröffentlichung keine Titel-Annahme
Lola in der Schönheitengalerie
Stieler malt, Lola spielt Gitarre und Ludwig flirtet
»Welche Götterexistenz, in Lolas Gegenwart zu schwelgen«
Lola, das »8. Weltwunder der Natur«
Warum der Sohn der »Schönen Münchnerin« Helene Sedlmayr »Ludwig« heißt
»Entkleide sie sich!«
Auch nach der Lola-Affäre: Ludwigs Lust auf junge Mädchen
Der König bekam sie nicht: Malverbot für 18-jährige Pauline Hanfstaengl
König Ludwig I. – ein »erotischer Sonderling«
Fuß-Fetischist
Flanellstoff-Fetischist
Ludwigs erotische Anregungen
2943 Briefe an Mariannina Marchesa Florenzi und ihr gemeinsamer Sohn Ludovico
Neun Kinder mit Königin Therese
»Man darf mich und Lola nicht nach dem gewöhnlichen Maßstab messen«
»Erotische Anregung in höchstem Grade« bei Lola
Ludwig und Lola in der königlichen Pornosammlung
Die Lola-Montez-Revolution
Messerstecherei am Odeonsplatz
Mit Dolch und Pistole in die Theatinerkirche
Ludwig rächt Lola und schließt die Universität
Massendemonstration gegen den Königsbefehl
2000 Münchner vom König abgewiesen
»Ich habe nicht um mich, sondern um Dich Angst«
Kriegsminister verweigert Lola jeden Schutz
Sturm auf das Palais der Lola Montez
Lolas Flucht nach Großhesselohe
Universitätsöffnung: »Das einzige Mittel, Dein Leben zu retten«
Lolas Lover Peißner wollte sich in Blutenburg »entleiben«
Unter Polizeiaufsicht nach Lindau abgeschoben
Als Mann verkleidet nach München und unterm Sofa verhaftet
»Schau nicht um, die Lola geht rum!«
Polizeidirektion verwüstet: »Fort mit dem Huren-König!«
Die »Märzforderungen« der Bürger
Sturm auf das Zeughaus
»Der König ist vollständig aller Achtung und Autorität bei seinem Volke entblößt«
Ludwig legte die Krone nieder, um den Rest des Lebens mit Lola zu verbringen
Lola gibt die bayerische Staatsbürgerschaft zurück
»Oh Ludwig, Ludwig, wie hast Du mich betrogen!«
Lolas geheime Heiratspläne mit Elias Peißner
»Ich habe auf die Krone verzichten können, aber nicht auf meine geliebte Lolitta«
König Max II. verweigerte seinem Vater Ludwig I. den Reisepass
Über Berchtesgaden zu Lola in die Schweiz?
»König Ludwig I. hat die Kronjuwelen geraubt!«
Amor in Roma – auch das ging schief: Ludwig und Lola sahen sich nie wieder
Lolas Heiratsantrag an Elias Peißner
Der »regelmäßige Beischläfer«
Studentenkäppi aus Lolas Unterröcken
»Was hast Du? Warum wirst Du rot?«
Ludwig ahnungslos: Lola will Elias Peißner heiraten
Erpresser Papon und Lolas Millionen-Rente
»Ist er eine alte oder eine neue Bekanntschaft?«
10.000 Franken oder Veröffentlichung der Königs-Briefe
1 Million Franken Rente für Lola
Lola Montez kostete umgerechnet 5,2 Millionen Euro
»Im Mittelalter wäre sie als Hexe verbrannt worden«
»Ich bin an allen Luxus des Lebens gewöhnt, gib mir Geld zu meinem sofortigen Gebrauch«
»Viele adelige Familien haben nicht so viel wie Du«
Die große Abrechnung: 158.084 Gulden 16 ¼ Kreuzer
400.000 Gulden testamentarisch verbriefte Rente
Lola kostete Bayern umgerechnet 5,2 Millionen Euro
»Hätt’ ich doch nie und nimmer Dich gesehen!«
Blitzhochzeit mit 21-jährigem Millionär George Trafford Heald
Wegen Bigamie in London verhaftet
Luxusleben im Chateau Beaujon in Paris
Das Liebesspiel ist aus
»Wenn die Briefe nicht in meine Hände kommen ...«
»Ich weiß, dass Deine Briefe sehr wertvoll sind«
Millionenvermögen mit Heald verjubelt
Kasperlgraf Franz von Pocci rettete Ludwigs Liebesbriefe
Lola Montez in Amerika
Broadway-Erfolg mit »Lola Montez in Bavaria«
Lola, eine der »wichtigsten Vortragskünstler der Zeit«
Tod mit 39 Jahren in New York
Lolas Schönheitstipps
Das Geheimnis von Lolas Busen
»Im Busen, einem Milchmeer, zitternd zwei der Äpfel schwammen«
Lolas natürliche Schönheit kam von innen
Zitronensaft und Brandy machen schöne Hände
Schönheits-Maske aus Rinder-Carpaccio
Nicht zu empfehlen: Arsen, Quecksilber und Kreide
Rosige Wangen durch Kirchen-Weihrauch
»Schminke und Puder sind ein Werk des Teufels«
»Bescheidenheit ist für eine Frau die größte Schönheit«
Unsterbliche Lola: 337.000 Seiten bei Google
Der Mythos »Lola Montez« lebt bis heute
»Die fesche Lola« machte Marlene Dietrich zum Weltstar
Lola im Cuvilliés-Theater, als Heavy-Metal am Nürburgring und als Heilwasser in Bad Brückenau
Lola als Erotik-Star im Internet
Anhang
Literaturverzeichnis und Bildstandorte
Keine Frau hat die Bayerische Geschichte so durcheinandergewirbelt, auf den Kopf und in Frage gestellt wie Lola Montez, und keine Frau wurde von den Münchnerinnen und Münchnern so gehasst und verteufelt wie Lola Montez. »Im Mittelalter wäre sie als Hexe verbrannt worden, denn die Gewalt dieses Weibes über den klaren und verständigen Geist Seiner Majestät grenzt wirklich aufs Zauberhafte«, schrieb General Karl Wilhelm von Heideck, der über Lolas Finanzen wachen sollte und frustriert nach kurzer Zeit kapitulierte.
Einzige Quellen über ihr 495 Tage dauerndes skandalöses Leben in München von 1846 bis 1848, das die Abdankung und den Thronverzicht von König Ludwig I. zur Folge hatte, sind Zeitungsberichte, Karikaturen und Erwähnungen in Biografien ihrer Zeitgenossen. Dokumente aus bayerischen Ministerien oder aus Archiven des Königshauses lagen jedoch 150 Jahre lang mit höchster Geheimhaltungsstufe bis in die 1990er Jahre unter Verschluss. Ludwig I. hatte nach seinem Tod am 29. Februar 1868 sieben versiegelte Kästchen aus Kirschholz hinterlassen mit dem Vermächtnis, sie erst 50 Jahre nach seinem Tod einzusehen. Als man am 1. März 1918 die Kästchen öffnete, um eine Liste des Inhalts anzulegen, wurden sie sofort wieder verschlossen und »die unbedingte Geheimhaltung« des Inhalts wurde angeordnet. Erst nach weiteren 75 Jahren durften den Inhalt die Historiker Reinhold Rau und Bruce Seymour auswerten und veröffentlichen: 225 Briefe von König Ludwig I. an Lola Montez und 175 Briefe von Lola an ihren Luis. Und wenige Jahre später durfte die nächste Schatztruhe geöffnet werden: Die Aufzeichnungen vom engen Vertrauten König Ludwigs I., seinem Architekten Leo von Klenze, der die Lola-Montez-Affäre aus nächster Nähe erlebte und in seinen »Memorabilien« kein Blatt vor den Mund nahm. Auch er wusste von der Brisanz seiner Aufzeichnungen und hatte testamentarisch verfügt, dass seine Schriften erst veröffentlicht werden dürfen, wenn der letzte Nachkomme aus der dritten Klenze-Generation ausgestorben ist. Das war um die Jahrtausendwende. Und jetzt erst liegen die dramatischen Ereignisse um Lola Montez und König Ludwig I. wie ein offenes Buch vor uns.
Der Zaubertrank des Lebens fast aller Schönen, Reichen und Mächtigen sind Sex, Macht und Geld. Lolas erotische Ausstrahlung hatte König Ludwig I. seit ihrer ersten Begegnung, als sie sich das Mieder aufriss (»alles echt, Majestät!«), so heftig erregt, dass er sich selbst wie ein Vulkan empfand: »Ich kann mich mit dem Vesuv vergleichen, der für erloschen galt, bis er plötzlich ausbrach«, sagte er zu Freiherrn von der Tann und Leo von Klenze versicherte er: »hundert mal, jetzt erst wisse er, was Liebe sei.« Und um von Ludwig zu bekommen, was sie brauchte, wusste sie »was die Geschlechtsliebe angeht, ihn in stetiger Erregung zu halten«. »Wenn es Dir wirklich ernst mit mir ist, kannst Du es beweisen, indem Du mir das Geld zu meinem sofortigen Gebrauch gibst. Ich kann keinen anderen Lebensstil führen als den ich gewohnt bin. Ich bin an allen Luxus des Lebens gewöhnt«, schrieb Lola Montez an König Ludwig I. Und der König zahlte und zahlte und zahlte, um seiner Lola zu zeigen, dass es ihm »wirklich ernst« mit ihr ist. Nur mit Geld, mit viel Geld konnte der 60-jährige König seine 35 Jahre jüngere Geliebte an sich binden. Seit ihrer Ankunft am 5. Oktober 1846 bis zum 15. November 1848 zahlte ihr Ludwig nach seinen eigenen Etat-Aufzeichnungen 158.084 Gulden und 16 ¼ Kreuzer. Vergleicht man den Betrag mit den Ministergehältern von damals und heute so wären das heute 5.216.772 Euro. Auch wenn der Betrag zum Etat des Königs gehörte, war das Geld aus den Steuereinnahmen der Bürger. Leo von Klenze schäumte vor Wut über seinen König, »welcher jahrelangen Bitten seiner Minister verweigert, einer armen Klasse von Volksdienern eine Beihilfe gegen den Hunger zu reichen, und diese nun den geilen Zärtlichkeiten einer bittenden Hure zugesteht!« Lola Montez nannte er fast nie beim Namen, sondern er hatte eine ganze Litanei mit Schimpfworten für sie: Sie war für ihn eine »Fleisch gewordene Lüge«, eine »Bordellpriesterin«, eine »verbuhlte Seiltänzerin«, eine »Furie« und eine »öffentliche Dirne«, eine »Gossenhure«, »Allerweltshure«, eine »tollgewordene Hündin«, eine »durch halb Europa gepeitschte Bordellhure« oder ganz einfach ein »Saumensch«!
Der »erotische Sonderling«, wie Leo von Klenze seine Majestät nannte, verstand die Welt nicht mehr. Zu Freiherrn von der Tann sagte er: »Es sei ihm unbegreiflich, wie man ihm aus seinem Liebesverhältnis zu Lola solch ein Verbrechen machen könne, da es doch das fünfzigste sei, und da man deren 49 geduldet habe, ohne Etwas dagegen zu sagen.« Die Biografien der Vorgängerinnen lesen sich aber auch anders als die der Lola Montez, die »nicht einmal einen Taufschein beibringen konnte«, wie sich Klenze aufregte. Den bayerischen Behörden war bekannt, dass sie unter mehreren Identitäten reiste und nicht einmal der Name Lola Montez stimmen konnte, weder Pass noch Ausweis besaß, in fast jeder von ihr besuchten Stadt Schwierigkeiten mit der Polizei hatte und in Berlin sogar ein Haftbefehl auf sie ausgestellt war. Man stelle sich vor, ein bayerischer Ministerpräsident, verheiratet, Vater und Großvater von acht Kindern und fünf Enkeln, Katholik wie König Ludwig I., würde heute ein 35 Jahre jüngeres Playgirl als seine neue Freundin präsentieren mit ähnlicher Vorgeschichte, ohne Ausweis, ohne nachvollziehbare Identität, würde ihr per Befehl die Staatsbürgerschaft erteilen und wie Ludwig I. die Machtfrage stellen: Die widerspenstigen Minister werden entlassen, durch gefügige »Lola-Minister« ersetzt und sein G’spusi hat per Königs-Dekret das Bürgerrecht. Die Erhebung in den Adelsstand, um Lola gesellschaftsfähig zu machen, verlief nach dem gleichen Muster: Minister Maurer und sein Sohn wurden für seine Unterschrift reichlich belohnt und Lola hieß ab sofort Gräfin von Landsfeld. »Ich war nicht mehr Tänzerin, ich war Gräfin«, schrieb Lola in ihren Memoiren. »Ich hatte ein Palais, eine Equipage, Bedienstete, Silberzeug und Geld, so viel ich wollte.« Lola war am Ziel.
Doch mit der Erhebung in den Adelsstand erreichte der König bei bürgerlichen wie adligen Schichten das Gegenteil von dem, was er sich erhoffte: Lola wurde noch stärker von der Gesellschaft gemieden, isoliert und abgelehnt. Ihre Eskapaden, ihre rotzfrechen Auftritte, Schlägereien und Intrigen, die alle von ihrem Lover geduldet und gedeckt wurden, ließ man noch wütend über sich ergehen, als aber als Bestrafung für Lola-kritische Demonstrationen tausende Studenten das Studium beenden mussten und für ein Jahr die Universität geschlossen wurde, war das Fass übergelaufen. Dazu kamen die Forderungen der Bürger nach Abschaffung der Zensur, Einrichtung von Geschworenengerichten, Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, Änderung der Landtagswahlordnung und Reform des Polizeigesetzes. Als in dieser aufgeheizten Stimmung am 11. Februar 1848 Lolas Palais in der Barer Straße von tausenden Studenten und Bürgern gestürmt wurde, musste Lola aus München fliehen: König Ludwigs Autorität und Ansehen in der Bevölkerung war auf dem tiefsten Stand seiner Regentschaft, wie der preußische Gesandte Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) nach Berlin berichtete: »Der König ist vollständig aller Achtung, aller Autorität, alles Vertrauens bei seinem Volke entblößt. Er wird allgemein für ganz oder halb wahnsinnig angesehen und es bedürfte nur des geringsten Anstoßes, um ihn zu entthronen. Der König ist jeder vernünftigen und ernsten Betrachtung unzugänglich und lebt in einem vollkommenen Traum, denkt und schreibt fortwährend an seine verjagte Geliebte und beschäftigt sich mit Gedanken der Wiedervereinigung.«
Um den Unruhen Herr zu werden forderten hohe Militärs den Einsatz der Waffen, um die Revolutionäre wie in andern Ländern blutig zu bekämpfen. Um dem befürchteten Militärschlag des Fürsten Wrede zuvorzukommen, stürmten aber die Münchner das Zeughaus. In letzter Sekunde trat ihnen auf dem Promenadeplatz Ludwigs jüngerer Bruder Prinz Karl entgegen und meldete, dass König Ludwig I. bereit sei, die Ständeversammlung einzuberufen und die »Märzforderungen« zu erfüllen. Was niemand wußte, war der wahre Grund für den Sinneswandel des Königs; wenn er nämlich auf die Krone verzichtet und abdankt, könnte ihm als pensionierten König niemand mehr verbieten, wieder mit Lola ins Bett zu gehen, was auch sein Vertrauter Klenze wusste: »Wie schon gesagt, entsagte er diesem Throne einzig und allein in der Hoffnung, zukünftig unangefochten in Lolas Liebe schwelgen und leben zu können.« So legte König Ludwig I. am 19. März 1848 die Krone nieder und verzichtete zugunsten seines Sohnes Maximilian auf den Thron. An Lola schrieb er: »Ich habe auf die Krone verzichten können, aber nicht auf meine geliebte Lolitta. Ohne meine Abdankung weiß ich nicht, wann ich mit Dir, meine geliebte Lolitta, hätte sein können. Mein Plan ist, Mitte April zu Dir nach Vevey zu kommen um dort in Deine Arme zu fallen und einige Zeit mit Dir zu leben.«
Man kann die Geschichte drehen und wenden wie man will: Dass die Revolution von 1848 von allen anderen Ländern einzig in Bayern unblutig und friedlich über die Bühne ging, ist das Verdienst von Lola Montez! Ohne Lola wäre König Ludwig I. in seinen absolutistischen Vorstellungen seiner Königswürde nie auf die Idee gekommen abzudanken und hätte, wie seine Militärs es forderten, die revolutionären Umtriebe mit Waffengewalt blutig niedergeschlagen. Ludwig lebte aber in der Illusion, als abgedankter König ungehindert wieder in die Arme und ins Bett seiner Lola zurückkehren zu können: »Ohne meine Abdankung weiß ich nicht, wann ich mit Dir, meine geliebte Lolitta, hätte sein können.« Dass Ludwig und Lola sich trotzdem nie wieder im Leben begegneten, ist ein anderer Teil der Geschichte von Sex, Macht und Geld: Erst nachdem Lola sich 1849 einen neuen Millionär geangelt hatte und mit dem 21-jährigen George Trafford Heald in Paris in Saus und Braus ihr gewohntes Luxusleben führte, war für Ludwig jede Hoffnung auf eine »Wiedervereinigung« endgültig zerstört: Er stellte 1850 seine regelmäßigen Zahlungen an Lola ein und schrieb ihr nie wieder einen Brief. Leo von Klenze: »Mit Händeringen sagte er jüngst dem Maler Stieler: Welch ein Unglück, dass gerade ich an solch ein Weibsbild geraten musste! Während sie mir Liebe heuchelte, wollte sie nur Geld von mir; sie hat mich um zwei kostbare Dinge gebracht: um eine poetische Illusion und um meinen Thron!«
»Ich zähle jetzt 27 Jahre. Mein Vaterland ist Spanien. Ich bin im Jahre 1823 zu Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens, geboren, welches das Land der Serenaden und der Balkone ist, der Troubadours und der Romanzen«, schrieb Lola Montez in ihren Memoiren über sich selbst, aber nichts davon ist wahr: Denn im Leben der Lola Montez vermischen sich Wahrheit und Märchen, Täuschung und Wirklichkeit oft bis zur Unkenntlichkeit. Vielleicht musste das so sein, denn ihr nur 39 Jahre dauerndes Leben verlief so hektisch, so atemberaubend schnell wie kaum ein anderes in ihrer Zeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts: »Vom ersten Tag meiner Geburt bis auf heute führe ich ein unstetes Leben, voller Romane, Dramen und Wechselfälle. Die Vorsehung scheint mich zu einem rastlosen Umherirren verdammt zu haben. Ich habe mir stets eingebildet, dass im Moment meiner Geburt irgend eine Fee Rollen an meine Wiege befestigt hat, um mich so ununterbrochen von einem Ende der Welt bis zum anderen zu bringen.«
Lola Montez hat sich in allen Biografien immer ein paar Jahre jünger gemacht, denn nach den später aufgefundenen amtlichen Unterlagen ist sie am 17. Februar 1821 in Grange im Nordwesten von Irland geboren. Ihr Vater war der Offizier Edward Gilbert, ihre Mutter hieß Eliza Oliver. Im Alter von zwei Jahren ließen die Eltern ihre Tochter am 16. Februar 1823 in St. Peter’s in Liverpool auf den Namen Eliza Rosanna Gilbert taufen. 1824 wurde Eliza Gilbert als dreijähriges Kind von ihren Eltern auf eine Seereise nach Indien mitgenommen, wo sich der Vater als Soldat der britischen Armee ein gesichertes Leben erhoffte. Wenige Wochen nach seiner Ankunft in Dinapore starb er an Cholera. Dinapore war im 19. Jahrhundert eine britische Garnisonsstadt und heißt heute Danapur und liegt im indischen Bundesstaat Bihar rund 10 Kilometer nordwestlich von Patna und 500 Kilometer nordwestlich von Kalkutta. 1826 wurde sie wieder nach England zurückgeschickt und später in einem Internat in Bath 20 Kilometer von Bristol entfernt untergebracht.
Nachdem ihre Mutter ebenfalls aus Indien nach England zurückgekehrt war, hatte sie für ihre 16-jährige Tochter den schwerreichen 60-jährigen indischen Geschäftsmann Sir Lumely als idealen Ehemann auserkoren. Der Altersunterschied war ihr egal, Hauptsache die Familie wäre finanziell abgesichert gewesen. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Willensstärke ihrer Tochter gemacht, denn die 16-jährige Eliza fand mehr Gefallen an dem 29-jährigen Begleiter und Lover ihrer Mutter, Captain Thomas James. Bei Nacht und Nebel verschwanden beide von einem Tag auf den anderen und flohen nach Irland. Am 23. Juli 1837 heirateten beide im irischen Rathbeggen in der Nähe von Dublin und aus Eliza Gilbert wurde Eliza James. Doch schon im Jahr darauf, 1838, begann für Eliza eine neue Odyssee: Captain James wurde im Krieg gegen Afghanistan nach Simla in den Himalaja versetzt und Lola blieb nichts anderes übrig als mitzufahren, erkrankte aber an Malaria und verließ nach einem Jahr ihren inzwischen sehr groben und aggressiven Gatten. Auf mehreren Segelschiffen ging die Reise ins Ungewisse wieder zurück nach England und am 20. Februar 1841 konnte sie in Southampton wieder englischen Boden betreten.
In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts begann in Europa eine Spanien-Euphorie, alles Spanische von der Mode bis zur spanischen Musik: Spanien war »in« und man begeisterte sich vor allem für die spanischen Tänze. Insbesondere der Cachucha wurde populär und seine bekanntesten Tänzerinnen waren Fanny Elßler und Pepita de Oliva, die später auch in München auftrat. Eliza James sah in dieser Spanienwelle eine Chance und eine Geschäftsidee, übte sich in spanischen Tänzen und fuhr gleich nach ihrer Scheidung von ihrem Captain 1842 nach Spanien, um sich an Ort und Stelle auszubilden. Jetzt wurde »Lola Montez« geboren, Eliza James kleidete sich spanisch, sprach spanisch, tanzte spanisch, ihre schwarzen Haare waren sowieso schon spanisch und jetzt fehlte nur noch ein spanisch klingender Name: Nach ihrer Rückkehr und Ankunft in Southampton am 14. April 1843 gab sie sich erstmals als »Maria de los Dolores Porry y Montez« aus – kurz: »Lola Montez«, als Tochter einer spanischen Adelsfamilie und als Witwe eines hingerichteten Rebellen. »Lola« ist die Kurzform des spanischen Namens »Dolores«, auf deutsch »Leiden« und aus dem spanischen Namen der Jungfrau Maria entnommen, der »Nuestra Señora de los Dolores«. Aus Eliza war eine perfekte Spanierin geworden: Lola Montez. Ein Verehrer auf der Fahrt nach London war der Earl of Malmesbury, der sie Benjamin Lumley vorstellte, dem Impresario von »Her Majesty’s Theatre«. Auch er fand Gefallen an der schönen Spanierin und ließ sie am 3. Juni 1843 zum ersten Mal unter ihrem neuen Namen »Lola Montez« zwischen den Akten einer Aufführung der Oper »Der Barbier von Sevilla« als spanische Tänzerin auftreten. Lumley fand ihre Tanzkünste zwar nicht berauschend, ihr Aussehen und ihre Ausstrahlung allerdings so attraktiv, dass er sich gute Besucherzahlen von ihrem Gastspiel versprach und die spanische Tänzerin Lola Montez war geboren.